Das Pflanzensystem
Wenn Ihnen vor einigen Tagen[2] der gerade jetzt höchst jahreszeitgemäße Kohlenstoff vorgeführt wurde, so könnte es dagegen ein Verstoß gegen die Jahreszeit genannt werden, im rauhen Novemberwetter von der Pflanzenwelt zu sprechen. Mich entschuldigt aber zunächst der Umstand, daß die Pflanzenwelt im Winter, selbst in unserer nördlichen Breite keineswegs ganz erstorben ist. Es bleiben noch genug Pflanzen auch im Winter lebendig, wobei ich weder an die zahllosen schlummernden, aber doch lebendigen Knospen des winterlichen Waldes denke, noch an Ihre blumengeschmückten Zimmer. Ich habe die Moose und Flechten und viele andere noch viel einfachere Pflänzchen im Sinne, welche jetzt trotz der Winterkälte ihr genügsames Leben, meist unbemerkt von den Menschen, fortspinnen. Sollte es einer weiteren Rechtfertigung botanischer Wintervorträge bedürfen, so brauche ich Sie, meine Damen, nur daran zu erinnern, daß es nur die Pflanzen sind, welche uns den gerade jetzt so wichtigen und unentbehrlichen Kohlenstoff zubereiten, daß also mein erster botanischer Vortrag sich ganz naturgemäß an den chemischen Vortrag über den Kohlenstoff anschließt. Die Chemie vermag viel, – und wir werden im Verlaufe dieses Winters oft davon hören – aber uns den Kohlenstoffbedarf für unsere Haushaltung zu bereiten vermag sie nicht. Wir danken ihn lediglich der Pflanzenwelt, nicht nur den in unserem Brennholze, sondern auch den der Stein- und Braunkohlen.
Wir haben also einen ganz berechtigten Ausgangspunkt für unsere botanischen Winterbetrachtungen. Dem Mangel lebender Gewächse werde ich durch Bilder abzuhelfen suchen.[3]
Ueberschauen wir die Pflanzenwelt, wie sie uns in Wäldern und Fluren, auf Wiesen und in Gärten umblühete, so empfinden wir, nachdem wir uns, jetzt freilich nur in Gedanken, an ihrer Schönheit und Mannichfaltigkeit erquickt haben, das Bedürfniß, in dieses schöne, formenreiche Vielerlei eine übersichtliche Ordnung zu bringen. So ist das System des Pflanzenreichs nicht allein eine Schöpfung botanischer Gelehrsamkeit, es ist auch die Befriedigung eines Wissensbedürfnisses jedes denkenden Menschen.
Das System bringt also Ordnung in das Gewächsreich. Dieses Unternehmen ist aber bei der außerordentlich großen Zahl und tausendfacher Mannichfaltigkeit der Gewächse keine leichte Aufgabe. Jeder geordneten Zusammenstellung eines Haufens ähnlicher und doch in ihren Einzelnheiten vielfältig verschiedener Dinge muß eine leitende Idee zum Grunde liegen. Linné ordnete die Pflanzen, wie Sie alle wissen, nach den Befruchtungstheilen der Blüthe. Hätte er einen anderen leitenden Gedanken gewählt, etwa die Beschaffenheit der Blumenkrone, des Kelches, der Frucht, der Blätter, so hätte er nach jedem dieser Theile eine andere Ordnung, ein anderes System erhalten; und in der That, es haben andere Botaniker Pflanzensysteme auf diese Theile gegründet. So erhalten wir eine Mehrzahl von Pflanzensystemen; jedes stellt eine andere Ordnung des Pflanzenreichs her. Aber diese Ordnungen sind willkürliche, denn es liegt in eines jeden Botanikers freier Willkür, diesen oder jenen Pflanzentheil dabei zum Grunde zu legen. Deshalb nennt man solche Systeme mit vollem Recht künstliche. Sie haben nur den sehr untergeordneten Werth, in das Chaos der Formen einige Uebersichtlichkeit zu bringen, die sehr oft gar sehr gegen die allgemeine natürliche Verwandtschaft verstößt. So finden sich z. B. in der fünften Linné’schen Klasse das Veilchen, der Kümmel, der Flieder, das Primel, die Stachelbeere, der Lein, das Vergißmeinnicht beisammen. Welch' eine gewaltsame Vereinigung ganz unverwandter Pflanzen, blos weil alle diese Pflanzen fünf Staubgefäße in den Blüthen haben! Sie würden in einem Systeme nach der Beschaffenheit der Blumenkrone in andere Genossenschaften gerathen, denn Primel, Flieder und Vergißmeinnicht haben eine aus einem Stück bestehende Blumenkrone, die übrigen eine aus mehrern Blättern zusammengesetzte. Nach einem Blättersysteme würden sie natürlich wieder anders vergesellschaftet werden.
Das natürliche System sieht nicht einseitig blos auf einen Theil der Pflanzen, sondern es faßt die ganze Pflanze in’s Auge; und wenn es auch dann und wann bei einem einzelnen Pflanzentheile stehen bleibt, so geschieht dies deshalb, weil sich an diesem die verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit der Gewächse am deutlichsten ausspricht. Oft aber spricht sich diese sehr bestimmt in allen Theilen zugleich aus. Ich erinnere Sie an den Lack, den Levkoy, den Raps, den Rübsen, den Senf, bei denen allen Kelch, Blumenkrone, Staubgefäße und Pistill an Zahl und Gestaltung ganz übereinstimmend beschaffen sind. Dasselbe gilt von der Wicke, der Erbse, der Akazie, dem Blasenstrauch, der Linse, der Hauhechel, der Bohne, dem Ginster. Die genannten Pflanzengattungen repräsentiren zwei sogenannte natürliche Familien. In diesen natürlichen Familien stehen die Pflanzen nach ihrer allseitigen natürlichen Verwandtschaft mit innerer Nothwendigkeit beisammen; daran läßt sich nichts deuteln und ändern. Denn Niemand kann es z. B. einfallen wollen, die Wicke aus dem Kreis ihrer genannten Familienverwandten herauszunehmen und in eine andere Familie, etwa zu den lilienartigen und rosenartigen Gewächsen zu stellen. Es steht also der willkürlichen Ordnung der künstlichen Systeme die nothwendige verwandtschaftliche Ordnung des natürlichen Systems gegenüber; es steht aber auch den vielerlei Ordnungen der ersteren, die eine des letzteren gegenüber. Da das natürliche System nichts anders ist und will, als eine wahrnehmbare Darstellung der in dem Gewächsreich liegenden verwandtschaftlichen Ordnung, deren es doch nicht mehr als eine geben kann, so kann es natürlich eigentlich auch nur ein natürliches Pflanzensystem geben. Wenn man gleichwohl ein natürliches Pflanzensystem von Decandolle, von Jussieu, von Richard, von Endlicher, von Reichenbach und Anderen hat, so fühlen Sie nun leicht, meine Damen, daß dies nichts anderes ist, als verschiedene Versuche, das eine, von der Natur selbst gegebene, natürliche System des Gewächsreichs nachzuweisen und darzustellen.
Ich wähle als den, welcher mir der gelungenste scheint, das natürliche Pflanzensystem von Reichenbach, um Ihnen darnach das Pflanzenreich übersichtlich vorzuführen, ohne mich, wenigstens in der niederen Hälfte des Gewächsreichs, streng daran zu binden. Ich werde meine Belege nur aus der deutschen Flora wählen, zu welcher ich auch die in unseren Gärten heimisch gewordenen Ausländerinnen ziehe.
Indem wir uns anschicken, das Gewächsreich nach dem natürlichen System zu überschauen, so fällt uns ein Unterschied zunächst auf. Eine ganze große Gruppe von Pflanzen hat keine eigentlichen Blüthen, wie wir auch im gewöhnlichen Leben jene oft so schmuckvolle Werkstätte der Samenbildung kennen. Wir alle wissen, daß Pilze, Flechten, Moose und Farrenkräuter und die im [25] gemeinen Leben weniger bekannten und beachteten Algen keine Blüthen haben. Wir nennen sie daher die blüthenlosen Pflanzen. Linné nannte sie deshalb kryptogamische, im Verborgenen blühende Pflanzen, weil viele von ihnen zwar keine eigentliche Blüthe, aber doch meist mikroskopischkleine Anfänge einer Blüthenbildung haben.
Nach einer anderen Auffassung können wir die blüthenlosen Pflanzen auch samenlose oder, um es nicht verneinend, sondern bestimmend auszudrücken, Keimkorn- oder Sporenpflanzen nennen.
Diese Benennung beruht auf der wesentlichen Verschiedenheit, welche im innern Bau der Fortpflanzungsmittel der Gewächse stattfindet. Der echte Same, z. B. eine Eichel, Mandel, ein Bohnenkern, enthält immer einen vorgebildeten Keim, welcher mit anderen Theilen des Samens von der Samenschale umschlossen ist. Letztere wird beim Keimen des Samens von dem Keime durchbrochen und zwar immer an einer bestimmten Stelle. Wir mögen z. B. eine Eichel mit der Spitze auf- oder abwärts[WS 2] in den Boden legen, immer kommt der Keim - streng genommen, blos die eine Hälfte desselben, aus welchem die Wurzel wird - aus der Spitze derselben hervor, und biegt sich dann, wenn wir die Eichel mit der Spitze nach oben gelegt haben, abwärts, um in das Erdreich zu dringen.
Anders sind die Samenkörnchen der blüthenlosen Pflanzen beschaffen. Sie sind immer blos einzelne, einfache oder durch innere Querscheidewände abgetheilte Zellen von außerordentlicher Kleinheit. Während also aus einer keimenden Bohne der schon vorgebildete Keim an einer bestimmten Stelle hervortritt und, wie wir bald sehen werden, die übrige innere Masse der Bohne ein Nahrungsbehälter für den Keim ist, so ist dagegen das Samenkörnchen eines Mooses eine unendlich kleine einfache Zelle, welche sich im Erdboden beim Keimen blos ausdehnt und theils dadurch, theils durch Hinzubildung neuer Zellen sich allmälig zum Moospflänzchen entwickelt. Deshalb darf man auch nicht sagen, daß den Samen der blüthenlosen Pflanzen der Keim fehle. Es fehlen ihm vielmehr die umfänglichen Hüllen, welche im Samen der Blüthenpflanzen den Keim umgeben. Die eben geschilderte einfache Zelle der blüthenlosen Pflanzen ist der Keim, der nackte Keim, und Same zugleich. Jedoch sind diese einfachen Zellen nicht immer nackt, sondern haben oft, wie wir es z. B. bei den Farrenkräutern sehen werden, eine zweite härtere, äußere Schale, welche von der eingeschlossenen zarthäutigen Zelle durchbrochen wird. Jedenfalls werden Sie es ganz gerechtfertigt finden, daß man diese so höchst einfachen und stets unsichtbar kleinen Samenkörnchen der blüthenlosen Pflanzen nicht Samen nennt, sondern ihnen den Namen Keimkorn, oder Spore gegeben hat. Nach letzterer zwar lateinischen, aber in die deutsche Wissenschaftssprache aufgenommenen Benennung nennen wir also die blüthenlosen Pflanzen auch Sporen-Pflanzen.
Sie bilden gewissermaßen eine niedere Hälfte des Gewächsreichs; wenn auch für das unbewaffnete Auge minder schön als die Blüthenpflanzen, dem bewaffneten aber oft überraschende Zierlichkeit enthüllend und an Zahl der Arten den Blüthenpflanzen vielleicht nicht nachstehend.
Die erste Klasse der Sporenpflanzen bilden die Pilze, Ihnen allen durch die Champignons und andern eßbaren Pilze[4] bekannt. Diese sind die verhältnißmäßig riesigen Großwürdenträger der Klasse, welche übrigens großentheils aus Gebilden besteht, welche Sie wegen ihrer Kleinheit und Unansehnlichkeit kaum für Gewächse anerkennen würden.
Als Beispiel hiervon mache ich Sie auf den abgebildeten absterbenden Mohnkopf (F. 1. mo.) aufmerksam, an dessen Stiele Sie schwarze Flecke bemerken. Unter dem Mikroskop lösen sich diese Flecken in Wälder unendlich kleiner, äußerst zierlicher Bäumchen auf, von denen Sie eins in stärkster Vergrößerung dargestellt sehen (Fig. 1'''.)[5]. Das Bäumchen ist perlschnurartig aus Zellen gebildet und trägt an den Spitzen und an der Seite der Aestchen die durch Querscheidewände abgetheilten Sporen oder Keimkörner, deren Bau Ihnen die noch stärkere Vergrößerung sp'''. veranschaulicht.
[26] Solche außerordentlich einfach und doch mit tausendfach abwechselnder Zierlichkeit gebildete Pilzgebilde entwickeln sich vorzugsweise da, wo organische Körner in Zersetzung und Gährung oder Fäulniß begriffen sind, also z. B. auf absterbenden Pflanzentheilen, an faulenden Baumstöcken, abgefallenem Laube u. s. w. Manche davon dringen zu Ihrem Verdruß in Ihre Speisekammer, obgleich sie es nicht sind, was Ihre Vorräthe an Pflaumenmuß oder Himbeersaft verdirbt, oder ihre Aepfel zum Faulen bringt; diese Pilzgebilde, die man allgemein mit dem Namen Schimmel belegt, fanden sich erst ein, nachdem jene Stoffe bereits in Gährung begriffen waren.
Obgleich nun alle Pflanzen nur von in chemischer Auflösung begriffenen Stoffen leben, so sind doch recht eigentlich die Pilze Fäulnißpflanzen zu nennen, welche sich schnell auf den Leichen ihrer höher ausgebildeten Schwestern ansiedeln.
In anderer Weise eigenthümlich ist das Leben der Flechten, der zweiten Pflanzenklasse. Von ihnen kann man fast in buchstäblichem Sinne sagen, daß sie von der Luft leben. Sie kennen sie als die grüngrauen Bärte, welche namentlich in Gebirgsgegenden von den Zweigen alter Tannen herabhängen. Selten ist ein Baumstamm ganz frei von Flechten; oft sind sie ganz davon überzogen, obgleich sie dann die Volkssprache, die überhaupt mit dem Worte Moos einen heillosen Mißbrauch treibt, bemoos’t nennt. F. 2. zeigt Ihnen ein Tannenreis, auf welchem sich eine solche Bartflechte angesiedelt hat. Ihre fadenförmigen, vielfach zertheilten Zweige tragen kreisrunde Scheiben, deren Rand wieder mit fadenförmigen Zweiglein besetzt ist. Diese Scheiben, die bei andern Flechten anders, obgleich bei den meisten als eigentliche Scheiben gebildet sind und Schüsselchen genannt werden, sind die Früchte der Flechten. F. 2. f.′ zeigt uns einen senkrechten Durchschnitt durch das Schüsselchen einer anderen Flechtenart, und wir können daran drei verschiedene Schichten unterscheiden. Die oberste ist die Sporenschicht, unter ihr liegt die sehr lockere Markschicht und zu äußerst die Rindenschicht, in welcher bei den Flechten die grüne Farbe, wenn auch nur erst noch schwach, auftritt, welche der Klasse der Pilze noch ganz fehlt. Die Stelle der Sporenschicht, welche an F. 2. f.′[WS 3] schwarz erscheint, ist in l.″[WS 4] stärker vergrößert dargestellt. Zwischen zarten Fäden, welches gestreckte Zellen sind, sehen Sie keulenförmige Schläuche, in welchen sich die Sporen entwickeln, von welchen sp.‴ eine in sehr starker Vergrößerung zeigt.
Fast auf bloße landkartenartige Zeichnungen beschränkt zeigen sich viele Rindenflechten, wie wir sie an der verkleinerten Figur 3o eines Stammstückes der Hagebuche sehen. Hier sind die Flechten blos ein dünner Schorf, in welchen die Fruchtbehälter entweder eingesenkt oder ihm auf der Oberfläche angeheftet sind. Die Stämme der Hagebuchen unseres Rosenthals, welche der Leipziger irrig für Buchen hält, deren es leider in Leipzigs schönen Laubwäldern keine giebt, werden Ihnen vielfältig als Originale zu meiner Figur dienen können.
Allgemein bekannt ist die Schüsselflechte (F. 4.), deren bei trocknem warmen Wetter dottergelbe, jetzt aber graugrüne lappige Ausbreitung die kleinen scheibenförmigen Sporenbehälter deutlich zeigt und auf der rissigen Borke vieler Bäume sehr gemein ist. Die Säulchenflechten (F. 5.) bilden auf dem Waldboden gebirgiger Gegenden oft einen dichten Ueberzug graugrüner zierlicher Wäldchen, welche in der warmen, trocknen Jahreszeit oft monatelang scheintodt und ganz trocken sind, so daß sie unter unseren Fußtritten knisternd zerbrechen wie zarte Korallen. Der Nachtthau oder ein einziger Regen ist aber hinreichend, sie wieder zu neuem Leben und Wachsthum anzutreiben. Die Korallenflechte, zu der Gattung der Säulchenflechten gehörig, ist gewiß vielen von Ihnen durch ihre schönen korallenrothen, traubig-knopfförmigen Fruchtbehälter bekannt, und nicht minder die Becherflechte, deren Champagner-Gläsern gleichende Stämmchen zu großen Trupps vereinigt namentlich auf alten Lehmmauern gefunden werden.
Wenn die Flechten Luftpflanzen genannt werden können, so sind in noch buchstäblicherem Sinne die Pflanzen der dritten Klasse, die Algen, Wasserpflanzen zu nennen. Nur wenige leben außerhalb des Wassers, aber auch diese bedürfen wenigstens einer sehr feuchten Luft, um gedeihen zu können. Dies gilt von den allbekannten grünen Beschlägen am Fuße feuchter Mauern und auf den Steinplatten unter dem Ausguß der Brunnen. Dieser
anscheinend gestaltlose grüne Ueberzug besteht aus Algengebilden der niedersten Rangordnung.
Die den Pilzen noch ganz abgehende, in den Flechten beginnende grüne Farbe tritt bei den Algen in ihrer ganzen Kraft auf, und zwar wie immer im Pflanzenreiche nicht als grüne Flüssigkeit oder als grüne Färbung der Zellenhäute, sondern in der Form außerordentlich kleiner grüner Körnchen, welche in dem an sich wasserklaren Zellsaft schwimmen.
Sie kennen die zarten grünen Fäden, welche sich an den hölzernen Wänden der Mühlgerinne, an den triefenden Mühlrädern, in Brunnenkästen ansetzen und auch in Gräben und Teichen oft in großer Fülle wachsen. Die schlüpfrigen, sich fest an die Hand anschmiegenden Fäden werden eben deshalb meist mit Widerwillen betrachtet, und doch erscheinen sehr viele von ihnen, die Familie der[WS 5] Conferven bildend, unter dem Mikroskop betrachtet, als die zierlichsten Bildungen. F. 9 zeigt uns einen solchen Algenschopf und daneben (f.‴) einen einzelnen Faden desselben, aus einer zarten Zellenreihe gebildet, in deren einzelnen Zellen das Blattgrün – so nennt man den grünen Farbstoff des Pflanzenreichs – in Spiralbänder geordnet ist. Aber noch einfacher gebildet, finden wir die Figuren 6‴ und 7‴, einzellige Algen darstellend. Diese dem bloßen Auge nicht sichtbaren Pflänzchen bestehen aus einer einzigen, wie wir sehen durch eine tiefe Einschnürung in zwei gleiche Hälften abgegliederten Zelle. Diese und viele andere Formen finden sich oft in zahlloser Menge in dem feinen Schlamme der Wiesengräben, wo freilich nur der Unterrichtete so zierliche Schönheit sucht.
Mit ihnen zusammen lebt hier das räthselhafte Geschlecht der Diatomeen oder Spaltalgen, deren älterer deutscher Name, Stabthierchen, keine Gültigkeit mehr hat, da man in neuerer Zeit die Pflanzennatur dieser sonderbaren Gebilde erkannt hat. Kleine, sehr manchfaltig gestaltete Zellen, immer mit einer zarten Kieselschale bedeckt, reihen sich meist linienartig an einander (F. 8.‴). Die große Vermehrungsfähigkeit dieser lange für Thiere gehaltenen Pflänzchen und die Unverweslichkeit ihrer Kieselschalen macht es erklärlich, daß man mächtige Schichten feiner Erde findet, welche lediglich aus diesen Kieselschalen besteht und nicht blos Bergmehl genannt, sondern in Lappland und Schweden auch zuweilen als Zusatz zum Brotmehl verbacken wird [6].
Im Meere lebt die schöne Algenfamilie der Tange und Fucoiden, unter denen, neben den kleinsten eben besprochenen, die größten Gewächse vorkommen. Sie kennen aus Campe’s Entdeckung von Amerika die Täuschung der kühnen Reisenden durch meilenweite Verwandlung der Meeresoberfläche durch Seegewächse in begrüntes Land. Es waren dies Tange, von denen manche über 1500 Fuß lang werden.
F. 10 ist eine kleinere Art dieser Tange aus der Familie der Rothtange und Florideen, so genannt wegen ihrer meist rothen Färbung.
Indem wir nun zu den Moosen übergehen, treten wir in eine Welt der zierlichsten Bildungen und von einer viel entschiedeneren Ausprägung der Pflanzengestalt. Die Blätter, welche bei den Rothtangen allein die ganze Pflanze bilden, treten in reiner Vollendung bei den Moosen der Fruchtbildung gegenüber. Wer liebt nicht diese prächtiggrünen Pflänzchen, welche bald mit sammtnen Polstern das faulende Strohdach der Hütte schmücken, bald als einladende Decke den Waldboden überziehen.
Die Moose zerfallen in zwei bestimmt von einander getrennte Gruppen: die Lebermoose und die Laubmoose. Jene erinnern in der Bildung ihres Laubes in einigen ihrer Arten noch an die unentschiedene Laubbildung der Flechten (man vergleiche F. 11 mit F. 4.). Die große Mehrzahl der Lebermoose trägt auf einem zarten Stielchen eine kleine schwarzbraune runde Kapselfrucht, welche in Klappen aufspringt (F. 11. k′) und zwischen niedlichen Schläuchen, in denen ein oder zwei Spiralfäden laufen, die kleinen[WS 6] Keimkörner enthält (F. 11. sch‴. und sp‴.). F. 12. zeigt uns von einigen anderen Lebermoosen mit entschieden ausgebildeten Blättchen die Form und Stellung derselben.
Da die Lebermoose fast nie in so großer Menge beisammenwachsen wie die Laubmoose, so sind es fast nur die letzteren, was wir im gewöhnlichen Leben unter Moosen schlechthin verstehen. Mit einigen wenigen Ausnahmen sind die Laubmoose sehr übereinstimmend gebaut. Das zierlich beblätterte oft auch verzweigte [27] Stengelchen trägt auf meist langen fadendünnen Fruchtstielen eine Frucht, welche wir Büchse nennen, weil sie mit einem förmlichen Deckel verschlossen ist.
Als Vertreter der Laubmoose habe ich ein ziemlich häufig vorkommendes gewählt, eine Art der Gattung der Wiederthone, mit einfachen Stengelchen (F. 13.). Auf dem langen Fruchtstiele sitzt die Büchse, welche zunächst mit einer Haube oder Mütze bedeckt ist. Wir sehen sie bei F. 13. m''. allein und stärker vergrößert dargestellt. Hier ist sie haarig-filzig, eine wahre Perrücke; bei den meisten Laubmoosen ist sie jedoch häutig. Ziehen wir die Mütze ab, so erscheint nun als ein zweiter Verschluß der Büchse das Deckelchen (F. 13. b''.). Sind die Sporen reif, so fällt das Deckelchen ab und dann ist bei den Wiederthonen noch ein dritter Verschluß vorhanden, eine zarte, weiße Haut (h''.). Diese wird von einem zierlichen Zahnkranz, dem sogenannten Zahnbesatz, gehalten, welcher, bei vielen Moosen doppelt, die Oeffnung der Büchse umgiebt (z'. u. zz'''.). Dann erst kommen wir auf das außerordentlich feine grüne Pulver, welches die unendlich kleinen Keimkörner bilden. In sp''. ist eins sehr stark vergrößert dargestellt.
Es bleiben uns nun von der Abtheilung der blüthenlosen Pflanzen nur noch die Farrenkräuter übrig, von denen ich Ihnen in der nächsten Vorlesung eine Uebersicht geben will. Wir werden finden, daß sie ein großes und geschichtliches Interesse haben und daß ihre Vorfahren bei der Steinkohlenbildung thätig mitgewirkt haben.
[372] Am Schluß meiner ersten Vorlesung sagte ich, daß die Farrenkräuter, welche wir bei der Betrachtung der Sporen-Pflanzen unerledigt lassen mußten, ein großes und namentlich auch geschichtliches Interesse haben. Auf deutschem Boden, der gegenwärtig wenig über 50 Arten sehr sparsam vertheilt trägt, bildeten sie vor Millionen Jahren einen wesentlichen, ja der Anzahl nach den wesentlichsten Theil jener Pflanzenwelt, deren Ueberreste uns die Steinkohle und in dieser den mächtigsten Hebel der Industrie vererbten. Damals waren die deutschen Farrenkräuter ansehnliche Bäume, wie jetzt deren nur noch wenige in den Tropenländern vorkommen; aber damals waren es auch auf dem ganzen Erdenrund überall beinahe dieselben Arten, welche die zierlichen, aber leider noch von keinem Vogelgesang belebten Farrenwälder bildeten, wie man dies mit Bestimmtheit aus den wohlerhaltenen Abdrücken vorweltlicher Farrenkräuter zwischen den Steinkohlenflötzen nachweisen kann. Dies scheint deutlich dafür zu sprechen, daß in jenen längst vergangenen Erdzeiten die Zonenunterschiede noch nicht bestanden.
Nachdem man seit einigen Jahrzehnten die Gruppen des Pflanzenreichs schärfer und bestimmter von einander sondern gelernt hat, ist auch das Gebiet der Farrenkräuter jetzt enger begrenzt als früher, indem man einige Gruppen davon trennt, die wir nachher auch kennen lernen werden. Durch diese schärfere Auffassung bilden jetzt die Farrenkräuter eine eben so bestimmt und übereinstimmend charakterisirte, als schöne Pflanzengruppe. Wenn man in die unendlich lange Reihe der Pflanzenformen, welche jemals gelebt haben und noch leben, eine geschichtliche Folge und einen gestaltlichen Plan legen will, wozu sich der nach Ordnung und Einheit verlangende Sinn so leicht veranlaßt sieht, so kann man die Farrenkräuter gewissermaßen Vorstudien zu der Welt der höheren oder Blüthenpflanzen nennen, mit alleiniger Beschränkung auf das Blatt. Das Blatt, bei den höhern Gewächsen der Geltung nach als zweites Glied tief unter der Blüthe stehend, ist bei den echten Farrenkräutern Alleinherrscher. Vom schlichten Weidenblatt bis zu dem hundertfältig zusammengesetzten Doldenblatt giebt es wenigstens kaum eine wichtige Blattform in dem weiten Bereiche der Blüthenpflanzen, welche nicht von irgend einer Farrenkrautart nachgeahmt, oder richtiger, da sie entschieden älterer Abstammung als die Blüthenpflanzen sind, diesen vorgemacht wäre. Da aber bei den Farrenkräutern das Blatt, und zwar auf seiner Rückseite, in eigenthümlicher Weise die Früchte trägt, also nicht Blatt im Sinne der Blüthenpflanzen ist, so nennt es der Pflanzenkundige mit einer besonderen Benennung Wedel. Unsere Figur 14 zeigt uns (natürlich sehr verkleinert) den unterirdischen Stamm des in Deutschland gemeinen Wurmfarrens, Aspidium filix mas, mit einem doppelt gefiederten Wedel und zwei noch spiral zusammengerollten jungen Wedeln. Diese spirale Zusammenrollung des jungen Farrenwedels ist ein ausnahmsloses Entwickelungsgesetz der Farrenkräuter, welches uns aus der Abtheilung der Blüthenpflanzen vom Vergißmeinnicht bekannt ist, dessen Blüthenähren sich ebenfalls allmälig aufrollen. An Fig. f' sehen wir ein Stückchen des Wedels (an Fig. 14 ist es durch eine Lücke bezeichnet) und zwar von der unteren Seite. Die zu beiden Seiten der kleinen Mittelrippe der Wedelfiederchen stehenden kleinen Kreise deuten die sogenannten Fruchthäufchen an, deren eins, und zwar ein reifes, in Fig. h'' vergrößert dargestellt ist. Oben auf liegt das sogenannte Schleierchen, eine nierenförmige, im Mittelpunkte durch ein Stielchen befestigte Haut, unter welcher sich die kleinen Kapseln, gemeinsam aus einem Mittelpunkte entspringend, entwickelt haben. Eine solche Kapsel oder Sporangie (Fig. h.'''[WS 7]) ist eine kaum punktgroße, sehr zarthäutige gestielte Kugel, über deren Wölbung sich ein Ring dickwandiger [373] Zellen zieht. Dieser scheint das Aufreißen der reifen Kapsel zu befördern, indem er eine Neigung hat, sich zu strecken. (S. die Figur unter der noch geschlossenen Kapsel). Dadurch werden die kleinen, als echte Sporen (sp.''') aus einer einzigen Zelle bestehenden, Samenkörnchen ausgestreut, deren jede Kapsel ungefähr 30 enthält, so daß demnach die Fruchtbarkeit der Farrenkräuter ganz außerordentlich ist; denn nach einer mäßigen Schätzung enthält ein großer Wedel des Wurmfarrens gegen 15,000,000 Sporen in etwa 500,000 Kapseln in 12,000 Fruchthäufchen. Die unendlich kleinen Sporen bilden ein braunschwarzes Pulver von außerordentlicher Feinheit.
In diesen geschilderten Verhältnissen stimmen alle Farrenkräuter im Wesentlichen überein und je einfacher wir dieselben finden, desto sinnreicher, um mich hier dieses Ausdruckes zu bedienen, müssen die Mittel sein, in diese so übereinstimmend organisirte artenreiche Pflanzengruppe Abwechselung zu bringen. Nächst den Gestalten des Wedels liegen diese Mittel vornehmlich in der Anordnung und Gruppirung der Fruchthäufchen auf der Rückseite des Wedels. Bald mit bald ohne Schleierchen versehen sitzen die Fruchthäufchen, bald regellos über die ganze Unterseite des Wedels verbreitet, bald am Saume desselben, oder längs der Seiten- oder der Mittelrippen, als runde Häufchen, oder als lange Streifen etc. Oft sind nur einzelne Wedel fruchtbar und diese sind dann den unfruchtbaren entweder gleich oder mehr oder weniger verschieden gestaltet. Nur wenige echte Farrenkräuter haben bei auch sonst etwas abweichender Gestalt ringlose Kapseln.
Unsre sämmtlichen europäischen Farrenkräuter haben einen unterirdischen, kriechenden, wurzelähnlichen Stamm, während z. B. die schöne Dicksonia antarctica auf Vandiemensland einen gegen 40 Fuß hohen Stamm hat. Dennoch tragen, namentlich in unsern deutschen Gebirgswaldungen die Farrenkräuter, welche wie kleine stammlose Palmenkronen im Schatten der Bäume stehen, nicht wenig zum landschaftlichen Charakter bei und mit den Farrenkräutern fehlt einem Gebirgswalde ein wesentlicher Schmuck.
Zu diesem Schmucke trägt aber auch die jetzt von den echten Farrenkräutern abgetrennte Ordnung der Schachtelhalme oder Equiseteen bei, an welche uns Fig. 15 erinnert, denn bekannt sind uns Allen die aus einzelnen hohlen Gliedern zusammengefügten Stengel oder Halme dieser eigenthümlichen Gewächse. Der gemeine Schachtelhalm, dessen sich der Tischler zum Glätten des Holzes bedient, und das Scheuer- oder Kannenkraut, womit das Zinn der Küche blank geputzt wird und von denen wir hier einen unfruchtbaren Stengel verkleinert, und in natürlicher Größe die Spitze eines fruchtbaren sehen, sind allgemein bekannte Beispiele. Jedes einzelne Glied des oft ästigen Stengels umfaßt an seiner Spitze mit einer vielspaltigen, meist schwarzbraun gefärbten, kronenähnlichen Scheide die Basis des nächstfolgenden und das Endglied trägt an seiner Spitze ein tannenzapfenähnliches Gebilde, welches in höchst eigenthümlicher Weise die Sporen biegt. Um die Axe dieses Gebildes, welches wir kaum mit einem Gebilde einer Blüthenpflanze vergleichen können, finden sich sechseckige Täfelchen auf einem Stiele sitzend, kleinen sechseckigen Säulentischchen ähnlich, eingefügt, welche auf ihrer Unterseite 6 kleine Säcke tragen (Fig. s'')[7], ähnlich den Säcken eines Billards. Klopfen wir einen eben in voller Entwickelung stehenden Fruchtkolben, wie wir dies Gebilde nennen wollen, auf der Hand aus, so entleert er ein reichliches gelbgrünes, überaus feines Pulver, dessen winzige Körnchen einige Minuten lang auf der Haut herumhüpfen. Es sind die Sporen, um welche 2 feine Bänder gewunden sind, welche auseinander schnellen und dadurch das Tanzen der Sporen hervorbringen (siehe die Doppelfigur sp.'''). Die auch durch k''' bezeichneten drei Figuren unter den Stengeln stellen die drei ersten Entwickelungszustände einer keimenden Spore des Schachtelhalmes dar.
Als Duwok läßt das Scheuerkraut seine geringen Dienste, die es als solches leistet, in der Landwirthschaft bitter entgelten, indem dieser hier und da im nördlichen Deutschland große Feldflächen mit seinen unausrottbaren Wurzelstöcken durchsticht und für Anbau beinahe unbrauchbar macht.
Wenn wir die Bärlapppflanzen, Lykopodiaceen, eine zweite den ächten Farren zunächst stehende Ordnung der Sporenpflanzen, auch nicht alle kennen, so kennt doch Jedermann [374] wenigstens das schwefelgelbe Pulver, welches wir den Säuglingen in die wunden Hautstellen streuen, und was den Knaben, durch eine Lichtflamme geblasen, Gewalt über den Blitz giebt. Fig. 16 zeigt uns einen etwas verkleinerten Zweig der Lieferantin dieses Pulvers, des gemeinen Bärlapp, Lycopodium clavatum. Sie errathen, daß die Sporen dieses Pulver bilden. An einer Zweigspitze erhebt sich ein oben gabelig getheiltes Stämmchen, auf welchem 2 walzenrunde schuppige Fruchtkolben stehen, deren breite in eine lange Spitze ausgezogene Schuppen eine fast nierenähnlich aussehende in einem Querspalt aufspringende Kapsel decken (k''), in welcher die gerundet dreieckigen Sporen, mit einer netzgrubigen Schale bekleidet, (sp''') enthalten sind. Fast alle Bärlapp-Gewächse haben im ganzen Bau viel Aehnlichkeit mit recht großen Moosen, in deren Gesellschaft sie auch am Boden unserer Gebirgswälder wachsen.
Einst waren auch sie, eben so wie auch die Schachtelhalme, in der Zeit vor der Steinkohlenbildung ansehnliche Bäume, welche wahrscheinlich mehr als die echten Farrenkräuter zur Bildung der Steinkohlen beitrugen. Man findet in den Schieferthonschichten der Steinkohlenformation bis auf die zierliche Oberfläche der Rinde wohlerhaltene Abdrücke von mächtigen Stämmen, die artenreiche Gattung Lepidodendron bildend, welche man nach den noch daran haftenden Blättern und Fruchtständen mit Sicherheit für Bärlapp-Gewächse halten darf.
Diese drei Gruppen, die echten Farrenkräuter, die Schachtelhalme und die Bärlappgewächse, mit einer dritten, die wir übergehen, die sogenannten Rhizokarpeen oder Wasserfarren, bilden zusammen eine höhere Abtheilung der Sporen-Pflanzen, die man Gefäß-Sporenpflanzen nennt, weil ihr Inneres nicht wie bei den Flechten, Algen, Pilzen und Moosen, blos aus Zellen, sondern aus Zellen und Gefäßen zusammengesetzt ist.
Indem wir uns nun zu den Samen- oder Blüthenpflanzen wenden, treten wir aus einer schlichteren Formenwelt, in der allein die Moose und Farrenkräuter (in deren älterer umfassender Auffassung) eine höhere Entwicklung zeigten, in das bunteste Allerlei einer höher organisirten Welt. Wir erinnern uns noch an den schlichten Bau der meist blos einzelligen Sporen und ein Vergleich mit einer Bohne, Erbse oder Mandel macht es uns sofort klar, wie viel vollkommener und zusammengesetzter der Bau dieser Samen ist.
Fassen wir aber vorher den Bau einer Blüthe in deren vollkommenster Ausprägung in’s Auge, wie sie den meisten Blüthenpflanzen zukommt (F. 17). Die Figur stellt eine auseinandergelegte Blüthe dar. Wir unterscheiden daran (mit ein, zwei, drei, vier Sternchen bezeichnet) 4 Kreise von verschieden gebildeten Theilen: den äußersten Kreis der Kelchblätter (*) den Kelch bildend; den nächstfolgenden der Blumen- oder Kronenblätter (**) zusammen die Blumenkrone oder kurz Krone bildend; den Kreis der Staubgefäße (***), an denen wir den Staubfaden und den Staubbeutel, Anthere, mit dem Blüthenstaub, Pollen, unterscheiden, und den innersten Kreis, den der Pistille (****), an denen wir, wie bei den meisten Blüthenpflanzen, z. B. an einer Lilie (F. 22), den Fruchtknoten, den Griffel oder den Staubweg und die Narbe (an der Spitze) unterscheiden können. Alle diese vier verschiedenen Organe, welche der Zahl und Gestaltung nach in dem großen Reiche der Blüthenpflanzen bekanntlich die größte Manchfaltigkeit zeigen, sind als Blattgebilde zu betrachten, denn nicht nur, daß auch die Staubgefäße und Pistille sehr oft in ihrem Bau ihre Abstammung von Blättern verrathen, beweist auch der Umstand diese Verwandtschaft, daß bei sogenannten gefüllten Blumen diese Füllung auf Kosten der sich in Blumenblätter verwandelnden Staubgefäße und Pistille stattfindet. Eine gefüllte Levkoyblüthe zeigt dies sofort. Man nennt daher beide in einer streng wissenschaftlichen Ausdrucksweise Staubblätter und Fruchtblätter. Daß dann aus letzteren die Frucht und in dieser der Same entsteht, ist bekannt, und zwar ist die Frucht nur dann eine echte Frucht, wenn sie sich blos aus den Pistillen gebildet hat (z. B. die Kirsche); im andern Falle nennt man die Früchte Scheinfrüchte, wie z. B. bei dem Apfel, wo mit den 5 Pistillen der sogenannte Blüthenboden mitsammt dem Kelche sich zur Frucht umgestaltet hat.
Bei der bekannten großen Verschiedenartigkeit in der Ausbildung der Blüthen, – man denke an die schlichten Grasblüthen und an die Mohnblume oder Nelke – ist der Same ein viel zuverlässigeres Unterscheidungsmerkmal für die höhere Halbschied des Gewächsreichs, die wir auch deshalb fortan nur Samenpflanzen nennen wollen.
Legen wir eine Bohne (Fig. 18. a.) einige Zeit in Wasser, bis ihre weiße, braungelbe, blauschwarze oder gefleckte Samenschale aufgequollen und runzelig geworden ist, so können wir diese dann leicht entfernen und das Innere zerfällt leicht in zwei nur an einem Punkte (bei den Sternchen an Fig. 18. b) zusammenhängende gleiche Hälften. An der Verbindungsstelle erkennen wir, zwischen den beiden großen Hälften des Samens eingepreßt, den Keimling oder Embryo (Fig. 18. b.), aus welchem nach der Keimung sich die junge Pflanze entwickelt (Fig. 18. c.). Der Keimling zeigt sich zusammengesetzt aus dem sogenannten Federchen, aus welchem der oberirdische Stamm, der Stengel, hervorgeht, und dem Würzelchen, welches zu dem abwärtssteigenden Stamm, der Wurzel, wird (Fig. 18. b, und an c siehe f. u. w.). An der Bohne drückt sich auch äußerlich das Würzelchen, im gemeinen Leben vorzugsweise der Keim genannt, deutlich ab (Fig. 18. a.). Die beiden großen innern Hälften der Bohne, an der Erbse zwei vollkommene Halbkugeln, nennt man die Samenlappen oder Kotyledonen, und die große Mehrzahl der Samenpflanzen, deren Same stets zwei solche Samenlappen hat, nennt man deshalb zweisamenlappige Pflanzen, Dikotyledoneen. Anders ist es bei den Gräsern, den Zwiebelgewächsen und vielen andern Pflanzen. Wir betrachten daher neben der Bohne ein Weizenkorn (Fig. 19. a.), an welchem wir zunächst unten eine fast rautenförmige runzelige Stelle finden. Unter ihr finden wir auf einem Längsschnitt (Fig. 19. b.) den Keimling, der beim Keimen ebenfalls nach oben das Federchen und nach unten das Würzelchen sich entwickeln läßt (Fig. 19. c., f. w.). Der große, weiße Körper, der übrigens das Weizenkorn ausfüllt (b), ist jedoch nicht ein Samenlappen, sondern der mehlreiche Eiweißkörper. Der Samenlappen, deren wir hier allerdings blos einen haben, ist das äußerste blattartige Organ, welches an Fig. 19. c. das junge Pflänzchen umschließt. Pflanzen mit solchen Samen heißen Einsamenlappige, Monokotyledoneen.
Dies ist der Bau des echten Samens, an dem wir also den stets vorgebildeten Keimling leicht als das Wesentliche und zugleich auch erkennen, wie maßgebend der Unterschied ist, worauf die beiden großen Abtheilungen des Gewächsreichs, die Sporen- und die Samenpflanzen, gegründet sind. Wie die übrigen Theile dem sich entwickelnden Pflänzchen dienen, und wie vorher mit Hülfe des Blüthenstandes und der Pistille der Same entstanden ist, das werden wir später erfahren, wenn wir das Leben der Pflanze betrachten. Aufgabe unserer nächsten Unterhaltung ist es, die weitere Eintheilung der Samenpflanzen kennen zu lernen.
- ↑ Die Frauen Leipzigs werden bekanntlich während der Wintermonate wöchentlich zwei Mal durch die naturwissenschaftlichen Vorträge der Herren Professoren Bock, Roßmäßler und Dr. Hirzel erfreut, welche großen Anklang finden und stark besucht werden. Wir freuen uns, den Cyclus der Roßmäßler’schen Vorlesungen auch unsern auswärtigen Leserinnen mittheilen zu können, zumal wir voraussetzen dürfen, daß dieselben überall so ansprechen, wie beim mündlichen Vortrage in Leipzig.
Die Redakt.
- ↑ Am 22. November 1855 in der chemischen Vorlesung des Herrn Dr. Hirzel.
- ↑ Die beistehenden Figuren waren in Riesengröße auf zwei aufgehängten Tafeln von zusammen etwa 100 Quadratfuß Flächenraum dargestellt.
- ↑ In Süddeutschland Schwämme genannt.
- ↑ 1, 2 oder 3 Strichelchen oben rechts neben der Ziffer oder dem Buchstaben bezeichnen schwache, mittelmäßige oder starke Vergrößerung. Ein kleiner Kreis an dieser Stelle drückt Verkleinerung aus. Wo beides fehlt, da stellt die Figur die natürliche Größe dar.
- ↑ Mehr hierüber S. G. L. 1853. Nr. 20.
- ↑ Auf der Tafel zieht die gebrochene Punktlinie die zu Fig. 15 und 16 gehörigen Einzelheiten herbei.