Das Opfer (Schwab)
In einem Reich gen Morgen
Da glühte der Sonne Brand,
Da schaut’ in schweren Sorgen
Der König auf sein Land:
Versiegen geht der Fluß,
Es dorren ab die Wälder,
Weh, daß ich es schauen muß!“
„Was hilft mir Scepter tragen?
Kann ich zur Wolke sagen:
Die kühle Fluth ergeuß! – ?“
So hat er lang in Kummer
Von Tag’ zu Tage gedacht,
Von Nacht zu heißer Nacht.
Und als nun ohne Wolke
Sechs Monden glänzte die Luft,
Tritt er hinaus zum Volke,
Es schallten Trauerpsalme
Davon kein Strauch genas,
Und welk stand jede Palme,
Als wäre sie junges Gras.
Kein Dampf steigt aus dem Kraut,
Verblüht stehn, ohne Farben,
Die Blumen, wohin er schaut.
Nicht weht ein Strom von Düften
Nicht singt mehr in den Lüften
Der bunten Vögel Heer.
Und unter den Zelten lagen
Die Menschen krank und matt,
Auf schwüler Lagerstatt.
Und war die Sonne gesunken,
Nach langem, heißem Lauf,
So sprühten die trüben Funken
Da deckte mit beiden Händen
Der König sein Gesicht:
„Ihr Götter, kann ich wenden
Vom Volke den Jammer nicht?
Vor keiner Last will ich,
Vor keiner Schmach erbleichen,
Nur, eh’rner Himmel, sprich!“
Da sprachen zu ihm die Götter
„Du wirst des Landes Retter,
Und schleußst mit uns den Bund,
Das Opfer du gestellt,
Uns recht willkommen fällt!“
Er läßt Altäre zieren,
Der Hundert führt man drei
Von Schafen und von Stieren,
Kein Hauch vom Berge wehet,
Keine Wolk’ am Himmel stand,
Mit lautem Schalle flehet
Der König und sein Land.
Den blanken Opferstahl,
Die Thiere begannen zu toben,
Und starben in Wuth und Qual.
Es schaut auf das Gewimmel
Mit blauem Auge der Himmel
Hernieder erbarmungslos.
Der König in tiefer Trauer
Ging wieder in sein Haus,
Und trat früh Morgens heraus.
„Ich weiß,“ sprach er mit Stöhnen,
„Nicht anders kommt uns Heil,
Eh’ von des Landes Söhnen
Bringt man, der Jugend Licht: –
„Weh!“ ruft der König bebend,
„Der Himmel will sie nicht!
Der Rauch verhüllt sie ganz!
Da droben aber funkelt
Die Sonn’ in hellerem Glanz!“
Den König faßt ein Grauen,
„So bringt mir drei Jungfrauen,
Die Knaben führet fort!“
Drei Mägdlein, jung, unschuldig,
Führt man herbei bekränzt,
Nur ihre Thräne glänzt.
„Laßt ab, laßt ab!“ ruft wieder
Der König zagend aus:
„Die Flamme sinket nieder
Und gräßlich tönt die Klage
Des Volkes in die Luft,
Der König verschließt drei Tage
Sich in der Väter Gruft.
Tritt er an’s Tageslicht,
Gewichen sind die Sorgen
Von seinem Angesicht.
Er sitzt auf seinem Throne
Mit hohem, frohem Haupt.
Er spricht: „Ich hab’ ein Zeichen,
Ich weiß, was ich soll thun;
Die in der Halle ruh’n.
Es liegt in Balsamdüften
Jung, fröhlich von Gestalt,
Dort Mancher in den Grüften,
Er stieg von seinem Throne,
Zu Boden warf er sich,
Bleich wurde da die Krone, –
Der Sonne Schimmer wich;
Inbrünstig betend fleht,
Da flog empor als Wolke
Sein heiliges Gebet.
Er sprach: „Ihr Götter! funden
Man heilt des Volkes Wunden
Nicht mit des Volkes Blut.
Empfangt, empfangt mein Leben,
Und laßt von eurem Sitz
Mir aber schickt den Blitz!“
Den Tod erfleh’nd als Gunst,
Umarmt’ allgegenwärtig
Kein Blitz zuckt ihm entgegen,
Es legt sich nur der Staub,
Es säuselt nur der Regen,
Still durch der Bäume Laub.
Der Wind kühlt ab die Gluth,
Der Regen strömt und rauschet,
Er wird zu Guß und Fluth,
Durch Bart und graue Locken
Sein Auge bleibt nicht trocken,
Von sel’ger Thrän’ es schwillt.
Die Vögel fangen zu singen,
Die Kräuter zu duften an,
In seiner alten Bahn.
Es tönen der Priester Lieder,
Der Dichter Harfe klingt,
Das Volk es wirft sich nieder,