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Das Maskenfest

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Textdaten
Autor: Walther Neuschub
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Titel: Das Maskenfest
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Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
4. Streich aus der Heftreihe Lene und Lotte lustige Mädchenstreiche.
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[1]
Lene und Lotte
lustige Mädchenstreiche


Das Maskenfest
von
Walther Neuschub
Mit Bildern[WS 1] von
R. Hansche


Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.
Berlin, S.O.26. – Elisabethufer 44


[2]
Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1922 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26.



Druck P. Lehmann G. m. b. H., Berlin 26.


[3]

Ein fideler Maskenball
Ist genußreich allemal.
Findet meist im Winter statt,
Wo man Lust zum Tanzen hat.

5
Doch auch in der Sommerzeit

Machen Maskenfeste Freud’,
Weil man dann zum Teil im Freien
Sich ergeht vergnügt zu zweien. –

Der Gesangverein „Walküre“

10
War ’ne bessre Sängerschmiere,

Trug mit dem gemischten Chor
Manchmal ganze Opern vor.
Meister Blätterteig, verehrt,
Mit zum Vorstande gehört.

15
Drum er auch beschließen läßt

Für den Mai ein Maskenfest,

[4]

Wo ein jeder möglichst treu
Als Chines’ verkleidet sei. –
In dem Garten „Zur Stadt Zell“

20
– So hieß nämlich ein Hotel –

Wird das Fest gefeiert heute,
Und es strömen viele Leute
Abends gegen Uhre acht
Hin zu der Chinesen-Nacht.

25
Auch die Eltern Blätterteig

Rüsten sich zum Abzug gleich.

[5]

Meister Heinrich im Kostüm
Schaute aus wie ’n Ungetüm,
Da die Kleidung, sehr zum Lachen,

30
War bedruckt mit lauter Drachen

Und der Zopf aus Pferdehaar
Fingerdünn und endlos war.

Auch Frau Gustchen, stets sehr dick,
Zeigte nicht besondern Schick,

35
Ihr Gewand voll Papageien

Wirkte wirklich rein zum Schreien.

[6]

Staunend Lotte, Klops und Len’
Jetzt die Eltern sich besehn.
Ach, zu gerne wär’n die drei

40
Heute ebenfalls dabei.


Doch kaum nun das Elternpaar
Aus der Tür gegangen war,
Als die alte Köchin Dörte
Ihnen sehr das Herz beschwerte

45
Dadurch, daß sie, wenig nett,

Len’ und Lotte steckt ins Bett.
Dann verschließet sie die Pforte
Eilet zum Vergnügungsorte,

[7]

Um sich anzuschaun den Trubel

50
Und den bunten Festesjubel. –

Seht, hier ruhn im Bette zwei,
Und der Klops liegt dicht dabei
In dem Körbchen auf der Decke
In der einen Zimmerecke.

55
Plötzlich Lene springt empor.

Klops und Lotte sind ganz Ohr.

Und mit knappen Worten dann
Kündet Lene ihnen an,
Wie man könnte sehr bequem

60
Auch zu diesem Feste gehn –

Klops und Lotte, das ist klar,
Fanden dieses wunderbar.
Hurtig in die Kleider schlüpft
Unser Kleeblatt, und es hüpft

65
In der Eltern Schlafesstube,

Wo sogleich der Klops, der Bube,
Mit der Stiebelwichse fein
Salbt die zwei als Neger ein.
Einen Bettvorleger nun

70
Sie sehr frech zerschneiden tun.

Und da er von Schaffell war,
Gab er ab ganz krauses Haar.

Diese dichten Schafperücken
Binden fest sie dann mit Stricken

75
Auch der Klops trägt mit Geschick

Von dem Fell ein großes Stück.

[8]

Aus der Mutter Morgenröcken,
Die in einem Schranke stecken,
Stellen her sie die Kostüm’,

80
Die sie schleunigst überziehn.


Viel zu lang sind aber leider
Ihnen diese Frauenkleider.
Doch die Lene, stets gerissen,
Wird auch hierfür Mittel wissen,

[9]
85
Und sie schickt den Klops hinweg

Nach der Kammer einer Eck’.
Dort drei Stelzenpaare stehn,
Worauf sie ganz sicher gehn.

Lotte merkt jedoch indessen,

90
Daß man allerlei vergessen,

Ganz besonders Klops’ Gesicht
Das gefällt ihr wirklich nicht.
Denn des Affen Mopsvisage
Wär’ geworden ’ne Blamage.

[10]
95
Deshalb schneidet sie aus Seide

Zu des Klöpchens großer Freude

Eine Maske nun zurecht.
Jetzt ist Klops ganz menschlich-echt.
Auch die Lene sorget hier

100
Noch für eine weitre Zier:

Aus dem andern Schafesfell
Schneidet Zöpf’ sie lang und hell,
Die auf den Perücken dann
Man mit Nadeln heftet an.

[11]
105
Als die dreie nun auch Schuhe

Finden in der Eltern Truhe,
Die sie haben - klug erdacht! –
An den Stellen festgemacht, –
Als sie auf die Stelzen steigen

110
Und sich stark vergrößert zeigen,

Ja, da sind es erst gewesen
Drei ganz ulkige Chinesen.

Durch des Hauses Vordertür
Schreiten sie von dannen hier,

[12]
115
Gehen nun ganz frech und heiter

Auf der Straße stelzend weiter.
Haben auch bald hinter sich
Ein Gefolge fürchterlich:
Lauter kleine Gassenjungen

120
Kommen johlend angesprungen,


Werfen dann mit großen Steinen
Nach den Holz-Chinesenbeinen,
Bis so eine Steinklamotte
Trifft die Wade von der Lotte

125
Und der Klops auf deren Schrei

Flugs beginnt ’ne Keilerei.
Mit viel Schwung, sehr kühn und keck,
Wirft er seine Stelzen weg,

[13]

Springt zur Erde, greift die eine

130
Und drischt auf der Buben Beine,

Während mit der linken Hand
Hochrafft er das Schleppgewand.
Doch – das Unheil nahet schon,
Und es fällt der Affensohn

135
Über’s lange Morgenkleid,

Purzelt gleich darauf erneut

In die Pfütze groß und naß.
Ach, das war ein schlechter Spaß,
Da der Gassenbuben Haufen

140
Kommt sofort jetzt angelaufen,
[14]

Und den Klops, der so maskiert,
Böse mit den Fäusten schmiert.
Mühevoll gelingt es ihm,
Dieser Rotte zu entfliehn.

145
Weiter stelzt das Kleeblatt rasch,

Fürchtet, daß passiert noch was,
Eh’ man kommt zu jenem Garten,
Wo auf sehr verschiedne Arten
Man kann foppen all die Gäste

150
Auf dem frohen China-Feste.






[15]

An der Gartentüre hier
Sitzet Balduin Kannenbier.
Damit niemand dringe ein,
Der nicht wirklich darf hinein,

155
Und damit Verein „Walküre“

Sich allein hier amüsiere.
Kannenbier war früher Schneider,
Doch er hat geliebet leider
Allzusehr die schärfren Sachen,

160
Die die Hände zittrig machen.


[16]

Und die Nase rot und bläulich
Und die Stimme rauh und greulich.
So ging’s ihm denn immer schlechter,
Schließlich wurd’ er Stadtnachtwächter,

165
Und sieht zu, daß dann und wann

Er was zuverdienen kann. –
Ein Lampion den Balduin .
hell und malerisch beschien,

Rosenrot strahlt seine Neese

170
Von dem Fusel ziemlich böse.

Neben ihm steht Spieß und Horn.
Letztres blies er stets von vorn,
Wenn sich zeigt verdächtger Schein,
Der könnt’ von ’nem Feuer sein.

175
Dann die Feuerwehr rückt an,

Sieht, ob sie was löschen kann.

Kannenbier döst vor sich hin,
Auf der Brust ruht tief sein Kinn,
Denn es sind schon alle Gäste

180
Längst gekommen zu dem Feste.

Sieh – da nahen doch noch drei!
Kannenbier läßt nur vorbei,
Wer mit richtgen Eintrittskarten
Ist versehen für den Garten.

185
Balduin reißt auf den Mund.

Dunnerwetter – sind die bunt!
So, wie diese drei Chinesen,
War noch keiner da gewesen! –

[17]

„Eintrittskarten bitte!“ spricht er,

190
Naht den dreien nun noch dichter.

Lene, die ganz vorne steht,
Holt schon aus, – ja, staunt und seht!

Und schlägt auf die Filzesröhre
Mit der Faust gar wuchtig sehre,

195
Und des Balduin Zylinder

Rutscht zur Freude dieser Kinder

[18]

Dem verdutzten Kannenbier
Gleich bis zu dem Munde schier.
Immerhin, der Balduin
Geistesgegenwärtig schien,

200
Da er schon mit einer Hand

Grad’ den Klops packt am Gewand.
Klops auf seinen Stelzen wankt,
Vorwärts, rückwärts er da schwankt,
Bis er dann, um frei zu kommen,

205
Sich ganz listig hat benommen.
[19]

Mit ’nem Schwunge, riesengroß,
Schoß er auf die Mauer los,

Und es öffnet sich das Kleid,
Das ihm selber viel zu weit,

210
Straff sich spannt wie ein Ballon,

Gleitet wieder abwärts schon,
Wirft es über Kannenbier,
Der so ward zur Dame hier
Und der nun noch mehr beengt,

215
Weil ihm leider eingezwängt


[20]

Beide Arme in den Rock
Wie in einen Schraubenstock.
Aus dem Morgenrocke oben
Hat sich hoch herausgeschoben

220
Des Zylinders schwarzer Turm

Wie ein rauher Stachelwurm. –
So der Wächter dieser Pforte
Ward gefangen an dem Orte.

Und der Affe auf der Mauer

225
Zeigte wiederum sich schlauer,
[21]

Nimmt vom Nagel jenen alten
Mantel mit den vielen Falten.
Den der Balduin stets trägt,
Wenn er nachts zu wachen pflegt.

230
Klops in diesen Mantel schlüpft,

Auf die Stelzen er nun hüpft.

Folgt in Eile Lotte, Lene,
Die hier als Chinesensöhne
Nahn dem weiten Rasenplätzchen,

235
Wo mit Übermut und Mätzchen
[22]

Sich die Masken bei Beleuchtung
Und bei reger Kehlanfeuchtung
Lustig drehn nach Walzerklängen
Und noch schön’ren Festgesängen

240
Vorne steht der Vorstandstisch.

Darauf liegt ein Bierfaß frisch
Und auf Bänken sitzen hier
Gerade der Chinesen vier,
Unter ihnen Blätterteig,

245
Der soeben mit ’nem Zweig
[23]

Haut die vielen lästgen Mücken
In recht viele kleine Stücken

Im Gebüsche nahebei
Hocken jetzt die frechen drei,

250
Haben hier gefunden vor

Von dem Wasserleitungsrohr
Einen Pfahl und einen Hahn,
Schrauben nun den Spritzschlauch an,
Und die Lotte, lang und dünn,

255
Hält das Strahlrohr keck dorthin,


Wo am Vorstandstisch die viere
Laben sich an kühlem Biere.
Knatternd kommt schon angeflogen
Steil in einem hohen Bogen

260
Eine Wassersäule dick,

Trifft zu allem Mißgeschick
Auch sofort Herrn Blätterteig,
Reißt ihm jenen Mückenzweig

Aus der Hand, pufft Schuster Jädel

265
Gerade vor den dicken Schädel,

Reißt auch die Lampions herab,
Dunkel wird es wie im Grab,
Und im Schutze dieser Nacht
Haben sich davongemacht

270
Klops samt Lotte und der Lene,

Finden dann ’ne andre Szene,

[24]

Wo als Störenfriede schnell
Wiederum sie sind zur Stell! –
In der Laube, weiß von Flieder.

275
Ließen sich drei Damen nieder.

Auch Frau Gustchen Blätterteig
Saß hier auf dem Rohrstuhl weich.
Windbeutel mit Sahne süß
Man sich herrlich schmecken ließ.

280
Auf dem Tisch die Schüssel steht,

Worin Ihr Windbeutel seht,

[25]

Jene Beutel, die „von Wind“,
Liebet wohl ein jedes Kind.
Da – mit einem Male jäh

285
Hebt der Tisch sich in die Höh’,

Denn die Lotte und die Lene
Kippen ihn an einem Beene,

Haben sich vom Fliederstrauch
Rangeschlichen auf dem Bauch.

290
Ach, die Beutelschüssel fällt –

Doch der Klops sie feste hält,

[26]

Hat geschickt sie aufgefangen,
Ist damit davongegangen.
Auch die Schwestern ohne Mühen

295
Diesem Orte nun entfliehen.


Und das Kleeblatt hat sich jetzt
Hinter einen Busch gesetzt,
Will hier diese Schüssel leeren
Und die Beutel schnell verzehren. –

300
Mittlerweile Balduin

Konnt’ die Röhre runterziehn,
Und sogleich sucht er die drei,
Die hier weilen frech und frei

[27]

Ohne richtge Einlaßkarten

305
In dem schönen Festesgarten.

Ja – der Balduin hat Glück.
Jetzt erspähet sie sein Blick,
Wütend rennt er auf sie los –
Da – es kam der erste Kloß!

310
Und der Beutel sahngefüllt

Macht den Balduin ganz wild,

Denn an seinem Riechorgan
Klebt der weiße Beutel dran.
Bauz – die zweite Kugel, schau’,

315
Trifft das eine Aug’ genau.
[28]

Jetzt ist Balduin bekleistert,
In der Tat schon ganz entgeistert.
Ach – die Bombe nun, die dritte,
Trifft die Stirne in der Mitte,

320
Und die vierte klebet dicht

Über ’m andern Augenlicht.
Kannenbier, der arme Schneider
Völlig blind ist er jetzt leider.
Und die drei mit ihren Stelzen

326
Sich vor Lachen förmlich wälzen,
[29]

Eilen dann zur Gartentür,
Wo der Klops, das arge Tier,

Nimmt das große Wächterhorn
Und bläst kräftig rein von vorn. –

330
Tut-tut-tut –, Alarmesklänge

Mischen sich in Festgesänge,
Und die Leute der „Walküre“
Rennen fort vom frischen Biere,
Rennen aus dem Garten raus

335
Zu dem nahen Spritzenhaus.


[30]

Ach – noch niemals sind Chinesen
An der Spritze so gewesen,
Und da sie schon „voll“ zum Teil,
Schadet ihnen diese Eil’,

340
Über nander purzeln sie,

Zöpfe fliegen wie noch nie,
Bis dann schließlich ein ganz Schlauer
Fragte nach dem Brand genauer.

Keiner wußte, wo es brennt.

345
Balduin man nun erkennt,
[31]

Der noch immer weiß beklebt,
Sehr bedächtig näher strebt.
Wütend dringt man auf ihn ein.
Balduin, der macht sich klein,

350
Rufet angstvoll und beklommen:

„Der Aff’ hat mir das Horn genommen!“

Meister Heinrich Blätterteig
Jetzt nach Hause eilet gleich.
Findet hier bereits im Bett

355
Die drei Sünder artig, nett.
[32]

Doch im Zimmer die Kostüm’
Alles schnell verraten ihm,
Und den Rohrstock drauf recht fest
Er zur Strafe tanzen läßt.

360
Ach, es sind die drei „Chinesen“

Hinten ziemlich wund gewesen,
Und gar trübe sie sich reiben
Ihre kahlen Hinterscheiben.
So ward aus dem Maskenscherz

365
Schließlich nur ein hintrer Schmerz. –

Ja, wenn Große feiern Feste,
bleibt zu Haus – das ist das beste!



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Bilder von Reinhold Hansche (1867–1945) wurden entfernt, da sie in Deutschland noch nicht gemeinfrei sind.