Das Freiligrathhaus in Aßmanshausen
[580] Das Freiligrathhaus in Aßmannshausen. (Zu dem Bilde S. 565.) Zu Füßen des Niederwalds, von dessen Höhe das hehre Standbild der Germania als Wacht am Rhein auf die Fluten des herrlichen Stromes herabgrüßt, liegen rechts und links zwei Orte, die auf der Ruhmestafel des Rheinweins hoch oben stehen: Rechts breithingelagert das stattliche Rüdesheim, links eingeschmiegt in die Mündung des Hellenthals das kleinere Aßmannshausen. Während aber der goldne Rüdesheimer in anderen Rheingauer Marken bedeutende Rivalen hat, genießt der Aßmannshauser unter den Rotweinen des Rheingaus den ungeschmälerten Ruf, an Feuer, Kraft und Milde der allerbeste zu sein. Und dieser
Aßmannshäuser Rote mit seinem Rubinglanz hat noch eine ganz besondere Weihe durch einen der besten deutschen Dichter erhalten, durch Ferdinand Freiligrath. In dem alten kleinen Wirtshaus zur „Krone“, das heute noch im Ort neben dem stattlichen Gasthof gleichen Namens, ein Wahrzeichen altrheinischer Herbergspoesie, steht, wohnte in den Frühlingstagen des Jahres 1844 dieser tapfre „Ritter vom Geist“ und brachte sein „Glaubensbekenntnis“ zum Abschluß, jene Sammlung von heiliger Begeisterungsglut entflammter Freiheitslieder, die in der „Stickluft“ jener Tage wie ein erlösendes Gewitter wirkten. Als „Vierundvierziger Aßmannshäuser“ bezeichnete der Dichter in seinem poetischen
Vorwort diese feurigen Poesien. Seitdem ist vieles zur schönen Wirklichkeit geworden, was damals nur ein berauschender Dichtertraum war. Und während jetzt auf der Höhe des Niederwalds die triumphierende
Germania die neugewonnene Kaiserkrone hoch in die Lüfte hält, darf das kleine schiefergedeckte Giebelhäuschen der alten „Krone“ unten als Denkmal gelten für den Anteil, den die Poesie unserer patriotischen Freiheitsdichter an den Kämpfen gehabt hat, die zur Erfüllung des Ideals eines in Freiheit geeinten Deutschen Reiches führten. Als vor drei Jahren ein Halbjahrhundert zu Ende ging seit jenem Frühling, in welchem Freiligrath sein „Glaubensbekenntnis“ am Rheinesufer gesungen, ist das Gebäude denn auch in diesem Sinne mit einer Büste des Dichters geschmückt worden. Emil Rittershaus, der nun auch verstorbene Rheinlandsänger hielt dabei die poetische Weiherede, die
zündenden Verse derselben hat die „Gartenlaube“ (vergl. Jahrgang 1894. Seite 356) damals zum Abdruck gebracht.
Unsere heutige Abbildung des Häuschens selbst vergegenwärtigt gar stimmungsvoll die malerisch idyllische Lage, deren es sich von jeher erfreut. Indem es der Maler abgelöst vom verkehrsreichen Strom und im Zusammenhang mit dem lauschigen Hellenthal darstellt, läßt er so recht ins
Auge fallen warum gerade dieses Wirtshaus am Rhein, wo doch so viele des „Herrgotts
Arm“ ausstrecken, eine so bevorzugte Poetenherberge geworden.
Sie war dies schon im vorigen Jahrhundert; in dem unsrigen sind schon vor Freiligrath
Karl Simrock und Hoffmann von Fallersleben Stammgäste der „Krone“ gewesen;
später wurde dies in ganz besonderen Grade Emil Ritterhaus, dessen schönste Rhein- und Weinlieder
gleichfalls hier entstanden und der auch die letzten glücklichen Poetentage seines
Lebens hier verbracht hat. Seiner Anregung ist es zu danken,
daß das Zimmer, in welchem einst Freiligrath wohnte, vom jetzigen
Besitzer in seinem damaligen Zustand wiederhergestellt und mit allerhand
Andenken an Freiligrath ausgestattet wurde. Der schmucke Erker und das
nächste Fenster auf unserer Ansicht gehören zu dem Zimmer, zwei weitere
Fenster gehen nach dem Rhein hinaus und gewährten dem Dichter den
Anblick des geliebten Stromes, dem der plätschernde Rehlingsbach unterhalb
der Fenster vom Hellenthal aus zueilt. Der Berg links vom
Eingang in dieses heißt der Hellenberg, und hier wächst die beste Marke,
der „Hinterkirch“, vom Aßmannshäuser Roten. P.