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Danaë und der goldene Regen (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Danaë und der goldene Regen
Untertitel: Von Anton van Dyck
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
aktuelle Zuschreibung des Bildes: von Gilles Backereel (* Antwerpen 1572 – † Antwerpen vor 1662)
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Danae and the Golden Rain.     Danae und der goldne Regen.

[159]
Danaë und der goldene Regen.
Von Anton van Dyck.

An einem höchst unfreundlichen Novemberabende im Jahre 1639 rollte eines der schweren, goldverzierten, mit vier Pferden bespannten Fuhrwerke, wie sie der Hof und der hohe Adel besaß, die schlechten Straßen vom Witehall-Palaste entlang dem Herzen von London zu. Jetzt stirbt in diesem Stadtquartiere das Leben des Londoner, um fünf Uhr Nachmittags beginnenden Tages, schwerlich vor zwei Uhr Nachts. Damals aber, als selbst die ersten Classen der Gesellschaft höchstens drei Stunden mit dem Beginn ihres Tages hinter der Sonne zurückzubleiben pflegten, war es um 12 Uhr – und diese Stunde hatte eben die Glocke St. Paul’s, von einigen Hundert andern Glockenschlägen accompagnirt, geschlagen – in London still, öde und wirklich Nacht. Nur mit Mißvergnügen hörte der Bürger, wohl zugedeckt im Bette befindlich, wenn der rasche, klappernde Hufschlag von Rossen, die den „Königstrab“ gingen, zu Mitternacht durch die Straßen hallte; wenn die Fenster seines Hauses bebten und klirrten von dem Rasseln einer der Kutschen, welche nach dem Modell der Arche Noah’s gebaut zu sein schienen.

Das waren Lords und Ladies vom Hofe des zwar ritterlichen, aber vergnügungssüchtigen und verschwenderischen Karls I., welche sich bestrebt hatten, das Mark von Alt-England zu verprassen. Der Herrenkutsche folgten auf ihrem einsamen Wege sicherlich mehr Flüche und stille Verwünschungen, als sie Straßen durchrollte. Ihre Insassen waren bereits vom Volke heimlich gerichtet, bevor sie noch eine Ahnung davon besaßen, auf welchem Vulkane sie ihre bezaubernden nächtlichen Feste feierten.

Sicherlich aber verdiente derjenige, welcher heute Nacht, einem Herzoge oder einem Fürsten gleich, über St. Martins Lane und Long Acre nach Lincolns Inn Fields fuhr, keinen der Vorwürfe, welchen die Engländer ihrem Könige und seiner Ritterschaft mit schwerem Gewicht auf die Schultern legten. Dieser Mann war ein Arbeiter, wie der fleißige Bürger; er glänzte nicht durch den erpreßten Schweiß seiner Untergebenen, sondern sein fürstlicher Aufwand war von dem von ihm ehrlich „verdienten“ Gelde bezahlt. Er führte weder Herzogs- noch Adelswappen, auf welches er seine Hoffähigkeit hätte gründen können. Sein Genie und seine Kunst allein hatten ihn zum Freunde „der Könige“ gemacht und ihm die für jeden Mann niederer Herkunft mit ehernen Banden verschlossenen Säle des Herrschers von England und der Großen des Reichs geöffnet.

Anton van Dyck, der niederländische Maler war es, welcher zu so später Stunde durch London fuhr. Er kam vom König in Witehall und wollte, bevor er in seinem palastähnlichen Gebäude in Black Fryars sich zur Ruhe begab, zuvor noch eine jener Gesellschaften des deutschen Grafen von Aremberg besuchen, in welchen sich die ausgezeichnetsten Männer und Frauen der Hauptstadt Rendezvous’ zu geben pflegten.

Lincolns Inn Fields war damals und auch später für viele große Herren, namentlich Staatsmänner, ein beliebter Wohnort. In der Umgebung Lincolns Inn, Chancery Lane, [160] Holborn, war eine Art von Hauptquartier der Leute von Rang, Reichthum und Geist, eine Gesellschaft, der sogar die Repräsentanten des geistlichen Standes nicht fehlten; denn damals wohnte der Bischof von Chichester in seinem Palaste bei Lincolns Inn, dicht neben der Kaserne seiner Leibwache, dem Kloster der Blackfriars.

Der Graf Aremberg wohnte Ecke von Holborn und Chancery Lane und hier war’s, wo Anton van Dyck vorfuhr.

In diesem Palaste wars ungeachtet der Mitternacht heller Tag. Die Flügelthüren waren weit geöffnet, so daß der Lichterglanz weit über den freien Platz strahlte. Riesen gleich standen zwei westphälische Portiers, mit Goldtressen überladen, jeder eine moderne Art von silberner Herkuleskeule in der Hand, zu beiden Seiten des Portals und auf dem Flur, auf den mit Stein-Mosaik gezierten Treppen im Innern flogen englische und französische Diener und Dienerinnen.

Der Maler stieg aus und ließ sich die Palasttreppe von seinem Diener hinangeleiten. Auf dem Flur legte er seinen herrlichen flandrischen Spitzenkragen glatt, gab seinem schwarzsammetnen spanischen Mantel einen Faltenwurf, wie es nur ein Römer oder ein Maler versteht, und nahm den ungeheuren Federhut ab. Einen edleren, schöner geformten Kopf, als ihn der Maler zeigte, hatte sicherlich die hohe Gesellschaft oben nicht aufzuweisen. Reizender als van Dycks Haar in Wirklichkeit war, konnte nur er selbst es malen. Eine gewisse Abgespanntheit, welche auf des Malers Zügen lag, contrastirte eigenthümlich mit dem Feuer seiner großen Augen und mit dem kriegerischen Ausdruck, den sein brauner Schnurrbart und die große, spanische Imperiala am Kinn der Erscheinung verlieh.

Die Etikette, das ungeheuerlich Steife, womit damals der Mode nach Leute von Range sich umgaben, fand in diesem Palaste nur bis vor den Thüren des Allerheiligsten, des Gesellschaftszimmers Platz. Van Dyck überwand die Empfangscomplimente des Major Domus, die Anmeldungs- und Einladungsscene, welche er mit dem französischen Kammerdiener aufführen mußte, und ließ sich geduldig von den genannten beiden dienstfertigen Geistern an den linken und rechten Ellenbogen fassen und die Treppe, so zu sagen, hinanschieben. Die Thüren öffneten sich und van Dyck athmete auf und lächelte, als er den kleinen aber erlesenen Kreis überblickte. Hier hörte jeder Zwang auf! Etwa sechzehn Herren und Damen begrüßten den Maler mit jenem vertraulichen, graziösen Lächeln, das, in Frankreich erfunden, die Reise um die Welt gemacht hat, seit dem Ernste der ersten französischen Revolution aber von der Erde verschwunden, oder zur Grimasse geworden sein soll. Ueberall begegnete der schöne Mann, der jetzt in der kleidsamen Hoftracht, mit dem langen, schmalen Degen an der Seite, ohne Mantel eintrat, heitern und bewundernden, oder gar entzückten Blicken. Van Dyck grüßte die Gesellschaft mit derselben ceremonielosen verbindlichen Grazie, womit sie ihn empfangen hatte, und folgte dem kaum bemerkbaren Winke von einer der schönsten Hände im Saale. Lady Venetia Digby, ein wahrer Stern von Frauenschönheit am Hofe Karls I., dieselbe, deren Reize van Dyck durch eins seiner schönsten Portraits (in Windsor befindlich) verewigte, beschied den Maler als ihren Cavalier hinter ihren Sessel.

Die Gesellschaft spielte. Die Damen saßen um einen schmalen, langen Tisch. Die meisten Herren, außer dem die Bank haltenden Viscount Edgefield, einem geistreichen Podagristen, dem schönen Grafen von Aremberg und den beiden renommirten Witzbolden – den einzigen [161] gegenwärtigen Geldarmen – Mr. Frederic Carew und Mr. Killigrew, hatten sich nicht gesetzt, sondern standen hinter oder neben den Stühlen der Ladies und pointirten von hier aus. Auch van Dyck, dessen Leidenschaftlichkeit blos aufgefordert zu werden brauchte, nahm die Karte.

Hier unter dem graziösesten, geistreichsten und halb frivolen Gedankenspiele, immer durch neue Einfälle und Bemerkungen wach erhalten, deren Charakteristik wir aus den modischen Schriften jener Tage nur unvollkommen kennen lernen können, machte sich das eigentliche Spiel in einer solchen Weise, daß ein jeder nicht mit fürstlichem Vermögen Gesegnete von diesem Tische ehrfurchts-, oder grauenvoll zurückgetreten wäre. Der Dichter Killigrew und sein Nachbar Carew spielten daher nur mit Worten, während Lord Edgefield auf einen Schlag Hunderte von Guinees gewann und verlor und dabei keine Silbe, als: ah! sagte. Dieser zeitweilige Ausruf bezog sich jedoch auf sein schmerzendes Bein und nicht auf sein Spiel.

Ungeachtet aller scheinbaren Abwesenheit von Leidenschaftlichkeit entwickelte sie sich dennoch und zwar bei dem Grafen Arundel und bei van Dyck. Durch ihre hohen Sätze brachten sie Leben in das Spiel; Gewinn und Verlust wurden bemerkbarer. Arundel verlor fünfhundert Guinees, die er nicht ausbezahlte; van Dyck gewann hundert und funfzig, welche ihm der alte Bankherr, der nie aufs Wort spielte, bis auf die letzte Guinee sofort zuschob.

Van Dyck bog sich über die Stuhllehne und die weiße Schulter von Lady Venetia, um seiner Beute sich zu bemächtigen.

– Halten Sie beide Hände hierher! rief Lady Digby, indeß sie mit blitzenden Augen sich nach dem Maler umschaute.

Van Dyck gehorchte. Er streckte seine Hände, fein und zart gleich denen einer Dame, über ihren rechten Arm und Lady Venetia füllte sie mit Goldstücken. In dem Augenblicke aber, als er dieselben über ihre Schulter zurückziehen wollte, erhob sich die Dame mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit zur Hälfte, um einige noch auf dem Tische liegende Goldstücke dem Maler ebenfalls zu übergeben.

Lady Venetia stieß an Van Dycks Hände und gleich einem goldenen Regen fielen die Guinees herab. Die wenigsten gelangten zur Erde. Es war ihnen bestimmt, kurze Zeit an einem der reizendsten Plätze in ganz Alt-England aufbewahrt zu werden. Schon damals trugen die Damen so tief ausgeschnittene Kleider, daß sie, wie ein ebenso zarter als witziger Deutscher sagte, wie Kleinodien aussahen, die etwas zu weit aus dem Futteral gezogen wurden. Jetzt liegen die Damenkleider fest an Schulter und Nacken; damals waren sie aber weit; der Busen war mit einem steifen, fächerartig sich ausbreitenden Mieder versehen, welches zwar bis zur Höhe des Halses emporstieg, dennoch aber, eben weil es oben weit vorwärts stand, ebensowenig wie ein pariser Ballkleid aus dem Jahre der zweiten französischen Republik irgend eine Schönheit versteckte.

Hinter dieses fächerartige Mieder, welches die Formen der Lady Venetia umschloß, nicht weniger zwischen ihren Nacken und die weiten Rückenfalten ihrer Seidenrobe, fielen van Dyck’s Goldstücke.

– Eine Danaë! bemerte Mr. Carew, als die reizende Dame, ziemlich bestürzt über die Kälte des goldenen Regens, sich erhob.

Der vom Glücke begünstigte van Dyck nahm die Entschuldigungen der Lady Digby mit [162] Heiterkeit an, welche sich zur Zahlung der so unwillkürlich vorgestreckten Summe während der bekannten vierundzwanzigstündigen Frist erbot. Sicher gemacht durch seine Erfolge, spielte van Dyck weiter, und war bald so „glücklich“, auch das letzte Goldstück zu verlieren, welches er besaß. Die Nacht war weit vorgerückt und Graf Arundel, Mr. Killigrew und der niederländische Maler zogen sich zurück, dem Viscount Edgefield und seinen Gegnern das Schlachtfeld des grünen Tisches überlassend.

Als van Dyck nach Black Fryars fuhr, hörte er seinen Namen mit[WS 1] Heftigkeit ausrufen und ungeachtet des scharfen Trabes der Pferde ward der Kutschenschlag aufgerissen und ein schlanker junger Mann voltigirte in das Fuhrwerk herein. Derjenige, welcher auf so unceremoniöse Weise zu van Dyck eindrang, fiel ihm um den Hals und blieb längere Zeit sprachlos.

– Fiamingo! rief van Dyck in italienischer Sprache. Du bist’s?

Carl Fiamingo, einer von van Dycks genuesischen Freunden war’s, der einzige Italiener, welcher sich während van Dycks Anwesenheit in den Niederlanden innig und ehrlich an ihn angeschlossen hatte.

Carl Fiamingo war Maler. Er besaß vielleicht nicht weniger Talent als van Dyck; verstand aber unglücklicherweise die Kunst nicht, seine Leidenschaften in so weit zu mäßigen, um mit Besonnenheit arbeiten zu können. Selten hatte Carl Fiamingo Augenblicke, die er „seine Glanzlichter“ nannte, Augenblicke, in denen er die herrlichsten, kühnsten Schlachtenbilder zu entwerfen vermochte. Fiamingo malte ganz in der breiten Manier der Niederländer; das Talent, welches er besaß, in unglaublich kurzer Zeit mit wenigen Strichen und schroffen Farben ein Gemälde zu vollenden, war wahrhaft einzig. Van Dyck hatte den kaum dreiundzwanzig Jahre alten Künstler aus dem Strudel der Ausschweifungen, worin er versunken war, zu erretten versucht; auf seine Veranlassung hatte Fiamingo Genua verlassen und war nach London gekommen. London aber hatte den heißblütigen Italiener erdrückt; hier eben hatte er sich selbst völlig verloren.

Van Dyck umfing den Italiener. Es war draußen kalt; es regnete weder, noch schneite es. Um desto mehr erschrak van Dyck, als er Brust und Leib des Freundes „bethaut“ fühlte.

– Was ist denn das? fragte er, die Hände abwischend.

– Blut, Signor, Blut! rief Fiamingo. Wäre doch der Stoß besser gewesen; oder hätte ich denjenigen empfangen, den Lord Wenkworth erhalten hat.

Eine kurze Erzählung folgte. Fiamingo hatte mit seinem Busenfreunde, Lord Wenkworth, Streit gehabt. Im Zustande halber Trunkenheit waren Beide dazu gerathen, diese Differenz sogleich auf der Straße mit dem Degen auszugleichen. Wenkworth war von dem verwundeten Fiamingo erstochen. Wollte der Italiener nicht gehenkt werden; so galt es schleunigste Flucht aus England.

Van Dyck hatte seine Fassung wieder erlangt und war entschlossen, den italienischen Maler zu retten. Geld war das Erste, welches nothwendig war. Van Dyck, der unglücklich genug war, eben jetzt nichts zu besitzen, ließ seinen Kutscher augenblicklich wieder nach Holborn fahren . . . Der Palast des Grafen Aremberg war geschlossen.

– Nach Ludgate Hill, Lord Henry Digby! rief van Dyck.

Hier waren wenigstens noch offene Thüren. Van Dyck stieg aus und fragte nach Lady [163] Venetia. Sie kam ihm selbst auf dem Corridor des ersten Stockes entgegen, noch vollkommen angezogen. Augenscheinlich war sie keine fünf Minuten zu Hause gewesen.

– Milady! stammelte van Dyck. Ich rufe Ihren Beistand für einen unglücklichen Freund an, der in dieser Minute von London fliehen muß. Mein schlimmes Glück heute Abend kennen Sie, ich bitte Sie um ein Darlehn von hundert oder zweihundert Guinees.

Und darauf gestand er der Dame, warum es sich heute Nacht handele.

Die Dame kam augenblicklich aus ihrer vornehmen Nachlässigkeit zu einer feurigen Energie.

– Auch ich, mein Herr, bin von diesem Geldwolfe, von Lord Edgefield total ausgeplündert! sagte sie. Es wird aber dennoch leicht Rath werden. Tom! rief sie dem Diener zu, ist Mylord zu Hause?

– Nein; ist gestern Morgen zur Fuchsjagd abgereiset! antwortete dieser.

– Wo ist der Haushofmeister?

Der Geforderte, gerade ein Haushofmeister wie ihn Hogarth in seiner Manage à la Mode zeichnete, ein geiziger, felsenehrlicher Murrkopf, erschien.

– Zweihundert Guinees! sagte Lady Venetia kurz.

– Von mir? erwiederte Mr. Leakes sehr ruhig.

Die Dame maß den Alten mit einem flammenden Blicke. Er machte unwillkürlich eine Verbeugung, sagte aber dann flüsternd:

– Milady, ich bin unendlich betrübt, aber ich habe gemessenen Befehl. Ich glaube, Sie werden mir meine Pflicht nicht schwerer machen . . . Aber, Seine Herrlichkeit, Mylord Henry Digby, haben mir verboten, Ihnen, gnädige Frau, außer den hundert Pfunden, die Sie gestern Morgen erhielten, bis zu Mylords Rückkehr auch nur einen Halfpenny auszuzahlen. Haben Sie weitere Befehle, so stehe ich zu Diensten.

Lady Venetia wandte sich erbost und indignirt ab. Sie war völlig erstarrt. Plötzlich schien ihr ein Gedanke zu kommen.

– Folgen Sie mir, Meister! sagte sie lebhaft. Sie werden Geld haben; denn ich erinnere mich, daß Sie mich vorhin zur Danaë machten.

Van Dyck blieb im Vorzimmer. Die Dame eilte in ihr Cabinet und ließ sich rasch auskleiden. Die Schnürbrust nur hielt noch die Goldstücke.

– Einen Augenblick, Elise! rief Lady Venetia. Wir haben keine Secunde zu verlieren. Bliebe ich stehen, so würden die Guinees im ganzen Zimmer umher rollen und wir müßten suchen.

– Guinees? fragte die Alte erstaunt.

– Ja doch!

Damit warf sich die Dame auf ihr prachtvolles Sofa und ließ sich in dieser Lage entkleiden. Die alte Elise raffte das Geld zusammen, um solches, dem Befehle Venetia’s gemäß, dem Maler zu überbringen. Wußte die Dienerin nicht, daß van Dyck in dem Vorzimmer harrte, oder war die Dienerin über der eigenthümlichen Scene verwirrt geworden – genug, sie öffnete eine Seitenthür des Cabinets, welche gleich der Flügelthür ebenfalls ins Vorzimmer ging, und gab auf diese Weise dem harrenden Maler einen vollen Anblick der Schönheit ihrer Gebieterin.

Van Dyck faßte sich bald, nahm das Geld und schied. Fiamingo ward gerettet. Er [164] kam glücklich nach Milano, welche Stadt einige seiner schönsten Schlachtenbilder aufzuweisen hat.

Van Dyck aber konnte von diesem Abende an die Erinnerung an die Danaë nicht aus den Gedanken schlagen, um so mehr, als Lady Venetia es beharrlich verweigerte, ihn zu sehen.

Der Meister gehorchte seinem innern Drange und malte seine herrliche Danaë mit der Alten, wie der Herr des Olymps ihr in dem blitzenden Goldregen naht. Die Danaë und die Dienerin waren herrliche Portraits von Lady Venetia und Mrs. Elise. Kaum vollendet sandte van Dyck das Bild zu der Dame, die er längst heimlich anbetete, mit diesen Zeilen:

– Hat die Kunst Ihre Schönheit zu verewigen vermocht: so wird die Danaë aufhören zu erröthen.

Am andern Tage fuhr die Dame selbst vor dem Palaste des Malers in Black Fryars vor und seit diesem Augenblicke ward die „Danaë des van Dyck“ in dem Prachtsaale Mylord Digby’s für die Bewunderung der hohen Welt frei ausgestellt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. fehlende Buchstaben ergänzt