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Christliche Symbolik/Hölle

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Hölle.

So wie der Himmel mit den Engeln, so ist auch die Hölle mit den Teufeln viel älter, als die Erde, und kann eben so wenig mit dem Innern der Erde verwechselt werden, wie der Himmel mit dem Sternenzelt über der Erde, wenn man auch im Allgemeinen den Himmel nach oben, die Hölle nach unten verlegt und zu jenem durch Wolken und Sterne [409] hinauf-, zu jener durch die finstere Höhlung der Erde hinabtrachtet. Die Hölle ist geistig zu verstehen, wie der Himmel. Die gemeine Natur ist eine spätere Schöpfung.

Das Wesen des Höllischen ist Unseligkeit und Qual, symbolisirt durch Finsterniss und Feuer. Satan ist Fürst der Finsterniss, die Hölle ist ewige Nacht. Matth. 22, 13. 25, 30. Aber auch ein Feuersee, Offenb. Joh. 20, 15., oder ein glühender Ofen, Luk. 13, 42. Nach Dante’s Fegfeuer 25. und Paradies 23. ist dasselbe Element im Himmel sanftes und beseligendes Licht, in der Hölle quälendes Feuer. Dante fügt noch den Begriff der Schwere hinzu. Alles Böse zieht in die Tiefe, und darum liegt Leviathan im innersten Mittelpunkt der Erde am tiefuntersten. Origenes verstand das Feuer nur psychisch, als das der Leidenschaft, Sünde und Reue. Das psychische Leiden wird auch schon im alten Testamente durch den nagenden Wurm bezeichnet. Jes. 66, 24.

Aus dem letztgenannten Verse des Jesaias: „Ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer wird nicht erlöschen,“ wird die Ewigkeit der Höllenstrafen erwiesen.

Im Christenthum ist die Hölle, wie der Himmel stets geistig verstanden und mithin auch nicht so grob materiell ausgemalt worden, wie von den Juden, Muhamedanern und Heiden. Doch genoss in höllischen Bildern der Humor mehr Freiheit, und der pädagogische Zweck, durch Abbildung der Höllenstrafen Unmündige von der Sünde abzuschrecken, darf auch in Anschlag gebracht werden, wenn man findet, dass in die christliche Höllensymbolik Manches aus jüdischen und heidnischen Fabeln überging. Die Höllenflüsse z. B. sind nicht christlich beurkundet, sondern der heidnischen Unterwelt der Griechen entlehnt, bilden jedoch eine gute Gegenüberstellung zu den vier Flüssen des Paradieses.

In der Symbolik der Höllenstrafen ist zweierlei zu unterscheiden, einmal werden hier alle Extreme des Schmerzes, des Bösen, Hässlichen und Schrecklichen in der Natur zusammengehäuft, daher man sich mit der Hitze des Feuers nicht begnügte, sondern auch eine Hölle voll Eis und [410] grimmiger Kälte aussann und alle möglichen Martern, die man lebendigen Geschöpfen anthun kann, in die Hölle verlegte. Sodann werden die Strafen nach der verschiedenen Art der Sünden abgemessen, so dass dem Verdammten, was er im Leben am meisten begehrte, in der Hölle versagt oder aber in einem unerträglichen Uebermass gewährt wird, indem z. B. der Schlemmer ewig hungern oder ewig in eckelhafter Nahrung wühlen muss. In beiden Beziehungen haben Dichter und Maler gewetteifert, alle Kammern und Höhlen der Hölle mit verschiedenartigen Sündern und deren Martern auszufüllen.

Die gewöhnlichste Art, die Hölle darzustellen, ist auf Kirchenbildern des Mittelalters der feuerspeiende Rachen eines drachenartigen Ungeheuers, der eine Anzahl Sünder in sich aufnimmt, darunter ganz gewöhnlich auch Mönche, einen Bischof oder einen Papst. Diese Symbolik bezieht sich theils auf den Wallfisch des Propheten Jonas, sofern der Aufenthalt im Wallfischbauch den im Grabe, im Reich des Todes, aber auch in der Hölle bedeutet, und die Drachenform anstatt der des Wallfisches noch deutlicher das Reich des Teufels anzeigt; theils auf die Wichtigkeit, die in der heiligen Schrift sonderlich den Pforten der Hölle beigelegt wird, nach Matth. 16, 8. Hiob 38, 17. Psalm 38, 10. Der Rachen des Thiers eignete sich am besten, diese Pforten darzustellen. Im Vorkommen der Mönche, Bischöfe und Päpste im Höllenrachen hat man fälschlich Satire finden wollen. Dergleichen Bilder stammen gerade aus der Zeit, in welcher die Kirche am mächtigsten war, und sind nicht gegen die Kirche gerichtet, sondern gehen von der Kirche selber aus, indem sie Jedem anschaulich machen, dass das geistliche Amt und die geistliche Weihe, selber die höchste, nicht vor Sünde und deren Strafen schützt. Die Freimüthigkeit in diesen Bildern gereicht der Kirche zur höchsten Ehre und hätte ihr nie zur Unehre gedeutet werden sollen.

Wird die Hölle als grösserer Raum aufgefasst, so gehört in ihren Mittelpunkt nach Sprichw. Sal. 7, 27. der Tod, „des Todes Kammer;“ statt dessen aber die Maler lieber, und mit [411] eben so viel Recht, den Satan als Obersten der Teufel darstellen. Dante hat dieses Centrum der Hölle im tiefsten Schwerpunkt der Erde gesucht. Hier liegt Satan gebunden durch den Engel Michael, bis die Zeit seines Freiwerdens und seines Reiches auf Erden kommen wird. Der Quäler ist selbst gequält.

Die Kammern der Hölle kommen auf den ältesten Bildern der griechischen Kirche nur in beschränkter Zahl vor, nach den wenigen Schriftstellen, die einen Unterschied zulassen, z. B. das Feuer, das Zähneklappern, der Wurm. Vgl. Didron, man. p. 472. In der lateinischen Kirche nahmen sich die Maler, hauptsächlich nach Dante’s Vorgang, mehr Freiheit, und seit der Reformation kamen völlig karrikirte und nur noch burleske Höllenbilder auf. Was in jenen früheren kirchlich naiv gewesen, wurde fortan absichtlicher und der Kirche durchaus fremder, ja feindseliger Witz.

Die Construction der Hölle, als eines tiefen Kerkers mit Stockwerken oder Terrassen, wie sie der grosse Dante ausgedacht hat, verdient aller Zeiten Bewunderung, kann aber kirchlich nicht befriedigen, weil zu viel Willkühr dabei ist und weil sich altheidnische Vorstellungen des Minotaur, der Kentauren, des Geryon, Charon etc. allzu colossal vordrängen. Dem Dichter Dante kommt der Maler Orcagna am nächsten, bleibt aber doch noch viel naiver. Auf Dante selbst wirkten ältere Visionen ein. Vgl. Ozanam, Dante S. 302 f., wo vieler solcher Visionen gedacht wird. Die berühmtesten sind die des Fursäus, des Alberich von Monte Cassino, des Ritter Tundal, des Owein, Brandanus, Philibert, des Deuthelm, des Walchhelm etc. Vgl. Schröckh, Kirchengesch. 20, 185 f. Görres, Mystik III. 91. 104. Kopisch zu Dante S. 468 f. Das altfranzösische Gedicht des Raul de Hondan in der hist. lit. de la France XVIII. 788. Eine merkwürdige Vision auch in Döplers Schauplatz der Strafen I. 651.

Tundals Vision war in Deutschland am bekanntesten, ehe Dante den gebildeten Kreisen vermittelt wurde. Tundal war ein Irländer und rauher Kriegsmann. Als er sich bekehrt [412] hatte und gestorben, aber wieder in’s Leben erwacht war, erzählte er Alles, was er in jener Welt gesehen. Er musste, von einem Engel geleitet, einen ungeheuern Berg emporsteigen, zu dessen einer Seite die Feuer-, auf der andern die Eishölle, dort die quälendste Hitze, hier fürchterlicher Frost. Darauf musste er in den Rachen des drachenhaften Acheron hinunterfahren, in dessen Bauch zahllose Teufel in wilden Thiergestalten die Verdammten zerfleischten. Von da erledigt, befahl ihm der Engel, eine Kuh, die er einmal geraubt hatte, auf die Brücke zu treiben, die über den höllischen Pfuhl führte. Die Kuh sträubte sich, Tundal hatte unsägliche Noth mit ihr. Dazu wurde die Brücke immer schmäler und mitten darauf kam ihm Einer mit schweren Garben beladen entgegen, die er gleichfalls gestohlen hatte, und nun sollte Einer dem Andern ausweichen. Endlich erbarmte sich Gott ihrer Angst und liess sie an einander vorbei. Tundal wurde nun in den Himmel eingeführt, und kam durch reizende Gärten zuletzt auf eine hohe Zinne, von wo er die ganze Welt überschaute. Die altdeutsche Uebertragung von Tundals Vision s. in Lachmanns Schriften der Berliner Akad. 1836, S. 160. Hahn, Gedichte des 12ten und 13ten Jahrhunderts 1840. Die Sage hat Vincent. Bellov. spec. morale II. 3. de inferno, Cornerus bei Eccard II. 697 etc. Vgl. Görres, Mystik III. 99. Grässe, Literaturgesch. II. 1. 137. Die Vorstellungsweisen dieser Vision sind einfach und grossartig, vielleicht zum Theil älteren heidnischen Vorstellungen entnommen, die Brücke z. B., die an Bifröst im nordischen und Dschinewad im persischen Glauben erinnert.

Kleinlich sind dagegen die Kämmerlein Orcagna’s und selbst Dante’s allzu künstliche Abtheilungen, überhaupt die scholastischen Bemühungen, Systeme in die Grausamkeit der Höllenstrafen zu bringen. Gerade das Entsetzen leidet keine Berechnung. Jedoch ist es natürlich, dass die Plagen Aegyptens, als die ärgsten über der Erde, sich unter der Erde in der Hölle wiederholen, wie auch die Offenbarung Johannis schon in der Schilderung des letzten Verderbens [413] andeutet. Vgl. Vincent. Bellov. spec. morale a. a. O. Eben so natürlich erscheint eine Rubricirung der Höllenstrafen nach den sieben Todsünden. So auf einem Bilde des Bernardin von Orley im Berliner Museum (Catalog von 1830, S. 162).

Die Höllenfahrt Jesu während seines dreitägigen Aufenthaltes im Grabe ist in den Worten des Glaubens: „niedergefahren zur Hölle“ von der Kirche anerkannt. Im Matth. 27, 52. heisst es, als Christus starb, bebte die Erde und die Gräber thaten sich auf und stunden auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen. 1. Petri 3, 9. heisst es: Er ist hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängniss, und Epheser 4, 9. heisst es: ehe er aufgefahren, sey er hinuntergefahren in die untersten Oerter der Erde.

Das apokryphische Evangelium des Nicodemus 20 f. führt zuerst die Höllenfahrt weiter aus und zwar mit tief poetischem Geiste. Satan erwartet in der Vorhölle die Ankunft Jesu, den er für einen blosen Betrüger hält, aber der noch über Satan stehende Höllenfürst äussert seine Zweifel und merkt an der unruhigen Bewegung der ganzen Unterwelt, dass der Nahende ihm zu stark und wahrer Gott sey. „Ich fühle Schmerzen in meinem Bauche“ gesteht er. Da donnert eine furchtbare Stimme draussen vor dem Höllenthor: „Hebet weg die Pforten, denn der König des Ruhmes will einziehen.“ Die Teufel raffen sich zusammen, die festen Riegel zu hüten; aber die Propheten erheben sich und jeglicher wiederholt, was er einst vom Messias verkündet: jetzt nahe er! Ein überaus herrliches Motiv! Noch einmal erschallt die schreckliche Stimme von aussen. Der Höllenfürst ruft: „Wer ist, der sich König des Ruhmes nennt?“ Da antwortet der Chor der Engel: „Ein starker und gewaltiger Gott!“ und die Riegel sprengen, die Pforten sind zermalmt und Jesus zieht ein in seiner Lichtgestalt. Und der Höllenfürst schreit: wehe! Den Satan aber ergreift Jesus oben am Haupt und übergibt ihn den Engeln, dass sie ihn fesseln bis zu des Messias zweiter Wiederkehr. Dann streckt Jesus die Hand aus und erweckt den Urvater Adam, der sich demüthig vor ihm beugt. Jesus [414] aber segnet ihn auf die Stirne mit dem Zeichen des Kreuzes und verkündet ihm und allen Urvätern, Propheten und Märtyrern, dass sie durch das Kreuz befreit seyen und schon jetzt mit ihm in’s Paradies kämen. Unter frohem Jubelgesang zieht die ganze Schaar aus den Pforten der Hölle, voran Jesus, der Adam bei der Hand führt, und als sie zum Himmel gekommen, übergibt Jesus dem Erzengel Michael den Adam und die übrigen Gerechten alle. Im Paradies aber finden sie als alte Bekannte den Enoch und Elias, und den dritten, den Schächer, zu dem Jesus gesagt: „Heute noch sollst du mit mir im Paradiese seyn.“ Aehnlich ist eine Charfreitagsrede des Eusebius von Alexandrien (Thilo über die Schriften des Eusebius S. 30. Vgl. Piper I. 403.).

Einige glaubten, die Erlösung der Gerechten aus der Vorhölle nur auf die vorsündfluthliche Zeit beziehen zu müssen, doch nicht auf die spätere Zeit, so dass nur die Patriarchen, nicht auch die Propheten erlöst worden wären (Thiersch, Vorlesungen über Katholicismus und Protestantismus S. 89), allein das Evangelium Nicodemi spricht dagegen.

Nach einer Hymne des Prudentius, V. 126, sollen alle Verdammten in der Hölle jährlich an dem Tage, an welchem Jesus in die Hölle fuhr (Ostersamstag), Ruhe geniessen und nicht gequält werden. – Als alttestamentalischer Typus für die Höllenfahrt Christi gilt Simson, wie er die Stadtthore aushebt oder den Löwenrachen aufreisst.

Der Nürnberger Klay gab 1644 ein Schauspiel heraus, welches die Höllenfahrt darstellte. Die Teufel sind darin sehr ergötzlich grausenhaft beschrieben, wie ein Heer gegliedert und mit Trommeln und Fahnen versehen. Auf der Fahne führen sie witzig das Bild der schönen Eva. Aber Christus mit seinen himmlischen Schaaren dringt ein und besiegt sie. Am Schluss wird nicht nur der Teufel, sondern auch der Tod gefesselt. Tillmann, Nürnberger Dichter S. 176.

Die Juden glauben, die Hölle werde zuletzt geleert und gereinigt und ein grosser Tanz aller Engel und Seligen in ihr gehalten werden. Eisenmenger I. 49. Auf ähnliche Weise [415] haben viele moderne Dichter nach dem Vorgang in Göthe’s Faust sich das Weltende als allgemeine Verhimmlung gedacht. Einige gingen dabei wie Göthe von der vorausgesetzten Vortrefflichkeit der Menschen aus und von dem rationalistischen Leugnen des Teufels und der Hölle; Andere bildeten sich ein, noch am Christenthum festzuhalten, wenn sie annahmen, die Liebe und Gnade Gottes überwiege seine Gerechtigkeit dergestalt, dass er am Ende doch Allen Alles verzeihen müsse. Die Bibel und die Kirche stimmen mit dieser Sentimentalität nicht überein.