Christliche Symbolik/Finsterniss
Die physische Dunkelheit ist Sinnbild der geistigen. Ueberall wo Gottentfremdung, Sünde, böser Wille ist, da ist auch Finsterniss des Geistes. Der Teufel ist Fürst der Finsterniss. Im Reiche des Teufels ist Alles finster, wie im Reiche Gottes Alles licht. Vgl. Matth. 4, 16. „Die Verdammten werden gestossen in die äusserste Finsterniss, da wird seyn Heulen und Zähneklappern.“ Matth. 8, 12. Mit der Finsterniss ist aber so das Gefühl der Schwere verbunden, wie mit dem Licht das Gefühl der Erleichterung, des himmlischen Schwunges. Buch der Weisheit 17, 22. Plötzliche Finsterniss als Strafe, die ägyptische, Exodus 10, 21; eben so die vor dem Weltende, Offenb. Joh. 16, 10. — Furchtbar, doch [286] sehr poetisch ist die manichäische Vorstellung von den Teufeln, die sich in ihrer ursprünglichen Finsterniss bekämpfen, bis das erste Licht vom Himmel auf sie herabschimmert und sie nun, plötzlich innehaltend und von Staunen und Bewunderung ergriffen, zur glühendsten Leidenschaft für das Licht übergehen und es in mehr als thierischer Begier haschen wollen, aber vergebens. Baur, manich. Rel. 45. 219. — Die plötzliche Verfinsterung der Luft beim Tode Jesu (Matth. 27, 45.) hüllt mit dem Schöpfer die Schöpfung selbst in Grabesnacht und bezeichnet die Bedeutung des Todes Jesu für das Weltganze. Ueberdies ist sie Folie des Auferstehungsmorgens, daher auch im Ostercultus das Löschen aller Lichter und ihr plötzliches Wiederentzünden am Ostermorgen. Ihr entspricht die tiefe Dunkelheit der Weihnacht. Christus wird in der längsten Nacht des Jahres geboren, in der auch sein physisches Symbol, die Sonne, gleichsam neugeboren wird, indem sie von nun an wieder höher steigt und die Tage länger werden. Diesen Gedanken fasste Correggio in seinem berühmten Gemälde der Geburt Christi (die sogenannte Nacht des Correggio in Dresden) so auf, dass er eine finstere Nacht malt, in der alles Licht einzig vom neugebornen Christkind ausgeht. — In den kirchlichen Hymnen kehrt öfters der Hülferuf aus tiefer Nacht wieder, z. B. in dem ambrosianischen Gesange: Nox atra rerum contigit. In dem bekannten: „Aus tiefster Noth schrei ich zu dir,“ wo das Bild der tiefen Nacht festgehalten wird. Vgl. den Art. Blind.