Christliche Symbolik/Christus
Sowohl die vornehmsten Acte im Leben des Heilandes, als seine Symbole sind in besonderen Artikeln in weitester peripherischer Ausbreitung behandelt. Ich fasse hier nur das Centrale in seiner Persönlichkeit auf.
Wie in ihm die göttliche und menschliche Natur innig vereinigt und doch unterscheidbar sind, so tritt uns auch schon in den ältesten Bildnissen von ihm ein Gegensatz von göttlicher Hoheit und von menschlichen Leiden entgegen. Dieser Gegensatz geht sodann durch alle Darstellungen der spätern Zeit, so dass man überall die Salvatorbilder als die des göttlichen Herrn, des tröstenden, erlösenden, thronenden und richtenden, von den Vesperbildern, als Bildern des leidenden und sterbenden Menschensohnes, unterscheidet.
Alle Salvatorbilder haben ihren Ursprung in dem Bildniss, welches König Abgarus von Edessa von Christo entwerfen liess, nachdem er durch denselben von einer schweren Krankheit geheilt worden war. Der Maler wurde durch einen Glanz geblendet, da soll nach der Legende Gott selbst das [176] Bild vollendet, oder Christus einen Schleier über sein Gesicht gedeckt und es auf denselben abgedrückt haben. Nach Eusebius, Evagrius, Joh. Damascenus etc. in Majoli, de defensione imaginum, Romae 1585. Hoffmann, Apokryphen S. 292 f. W. Grimm, die Sage vom Ursprung der Christusbilder, Berlin 1843, S. 26 f. Dieses Abgarusbild enthält den ältesten griechischen Typus der Christusbilder, und zwar herrscht darin die göttliche Natur vor. Der Kopf ist schön, ruhig, heiter, voll Hoheit. Das schlanke Oval der Wangen umfasst ein schmaler schwarzer Bart, der sich unter dem Kinne spaltet; das Kopfhaar ist gescheitelt, der Mund fein, die Augen voll Glanz und Geist. Das ist bis auf den heutigen Tag der Typus aller griechischen Christusbilder, und auch das Abendland hat denselben angenommen. Die Beschreibung der Person Christi in dem angeblichen Briefe des Lentulus an den Senat (aus dem 3ten Jahrhunderte, aber erst im 11ten bekannt geworden) stimmt ganz damit überein. Vgl. Kugler, Gesch. d. Mal. I. 14. – Die heitere göttliche Natur tritt auch in den Christusbildern hervor, die sich in den römischen Katakomben aus den ersten Jahrhunderten erhalten haben. In den ältesten Bildern dieser Art erscheint Christus noch nach antiker Darstellungsweise wie ein junger Apollo oder Merkur, z. B. als guter Hirt; erst in den etwas spätern nimmt er den Typus der bärtigen Abgarusbilder an. Vgl. Schnaase, Gesch. d. Kunst III. 176. Waagen, Paris 196. Didron, icon. p. 53. 54. 100. 244. 262. Dies ist sehr natürlich. Ehe man in Rom ein echtes beglaubigtes Bild des Heilands hatte, sahen sich die Maler auf die conventionelle Manier der ältern heidnischen Kunst beschränkt. Vgl. Piper, christl. Myth. I. 101 f. Immer aber herrschte auch in jenen aus der antiken Kunst geborgten Formen der Charakter des Salvatorbildes, die göttliche Hoheit und Heiterkeit vor, und wo Christus nicht mehr jung, sondern schon bärtig dargestellt wird, findet sich auch alsbald jener Typus der Abgarusbilder ein (Aringhi I. 379. 561. Bottari tav. 70), der sich hauptsächlich in den [177] Mosaikbildern der ältesten Kirchen ernst und in grossartiger Ruhe ausbildete. Kugler, Gesch. d. Malerei I. 17.
Den mehr menschlichen und leidenden Charakter tragen die Vesperbilder, welche sich sämmtlich auf das Schweisstuch der heiligen Veronica zurückführen lassen. Nach der Legende lieh diese Heilige dem Heiland bei der Kreuztragung ihr Tuch, um sich den Schweiss abzutrocknen, und der blutige Schweiss drückte sein Bildniss auf dem Tuche ab. Einige glauben, Veronica sey das fromme Weib gewesen, welches Christus früher vom Blutfluss geheilt hatte. Man findet alle Quellen dieser Legende beisammen in Grimms Abhandlung. Die Hauptsache bleibt, dass diese Veronicabilder erst der römischen, wie die Abgarusbilder der älteren griechischen Kirche angehören, und dass sie den Accent auf die menschliche und leidende Natur des Erlösers legen, während jene älteren Bilder mehr die göttliche Hoheit hervorheben. Der Gegensatz erhält seine genügende Erklärung, wenn man an die pantheistischen Ausschweifungen der griechischen Gnostiker denkt, die Christum in einen Aeon, Engel, reinen Geist oder in die Weltseele auflösten und ihm nichts Menschliches mehr liessen; wogegen die römische Kirche die menschliche Natur Christi nicht fest genug vertheidigen konnte. Hienach muss auch der sonst befremdlich scheinende Streit beurtheilt werden, der sich darüber erhob, ob Christus im Leben schön oder hässlich gewesen sey? Justinus, Tertullianus, Basilius, Clemens von Alexandrien, Cyrillus erklärten sich für die Hässlichkeit; Origenes, Hieronymus, Chrysostomus, Ambrosius, Augustinus, Joh. Damascenus für die Schönheit. Vgl. Wessenberg, christl. Bilder I. 259 f. Die Erstern beriefen sich hauptsächlich auf Jesaias 52, 14, die Letztern auf Psalm 45, 3. Die Erstern, sofern sie die menschliche Natur in Christo aus guten Gründen vertheidigten, gingen nur zu weit, indem sie dieselbe in’s Hässliche karikiren zu müssen glaubten. Die Neutralen halfen sich dadurch, dass sie menschliche Darstellungen des Heilandes ganz vermieden und dafür Symbole, das Lamm, das Kreuz etc., setzten. Aber die Kirche gab einen weisen [178] Entscheid auf der Synode zu Constantinopel im Jahre 692, wonach die nicht menschlichen Darstellungen verworfen, eine menschliche ausdrücklich verlangt und die schöne typische der Abgarusbilder festgestellt wurde. Didron, man. p. 163. – Da nahmen sogar die Veronicabilder den schönen und heiteren Typus an. Aber auch die ältere deutsche und italienische Malerei hielt diesen Typus fest. Jedoch kam das Hässliche unter dem Vorwand des Natürlichen und Schmerzhaften in der abendländischen Kunst wieder auf und wurde sogar, wenigstens in den Crucifixen, in den letzten Jahrhunderten vorherrschend. In diesen neuern Zeiten hatte man keinen Grund mehr, die menschliche Seite des Mittlers gnostischen Häresien gegenüber zur Geltung zu bringen; es handelte sich daher nur von einem verwerflichen Naturalismus, in welchen die Kunst fiel, nachdem ihr das heilige Ideal abhanden gekommen war. In diesen Naturalismus versteckte sich viel Rohheit, ja sogar Grausamkeit. Man muss zweifeln, ob immer allein tiefes Schmerzgefühl und Mitleid, ob nicht auch oft eine unwillkürliche Henkerslust den Malern die Hand geführt hat, wenn sie den Heiland bluttriefend, in abschreckender Hässlichkeit malten, um den Sieg des Fleisches über den Geist im Schmerze zu beurkunden, den andere in Marien- und Magdalenenbildern vielmehr in einem koketten Ausdruck suchten. Damit soll indess der wahren Heiligkeit des Schmerzes in den bessern, namentlich spanischen Bildern des ecce homo oder des sterbenden Heilands nicht zu nahe getreten werden. Beschämend aber ist es für unsere Zeit, dass, während es jetzt gerade darauf ankäme, dem extremen Naturalismus in der Kunst, wie dem Rationalismus, der an Christo nichts Göttliches mehr anerkennt, Christusbilder von hoher Idealität entgegenzusetzen, es den Malern an Geist, d. h. an Glauben, dazu bis jetzt noch zu gebrechen scheint. Denn die berühmtesten Christusbilder der Neuzeit kommen den älteren an Heiligkeit nicht gleich, wenn man auch Ausdruck und selbst Schönheit keineswegs in ihnen vermisst.
Die Künstler suchen ihr Verdienst theils in der Anatomie [179] und im Athletischen, in einer Nachahmung des Antiken, nach dem Vorgang Michel Angelo’s. Dieser berühmte Maler und Bildhauer formte die in der römischen Kirche Maria sopra Minerva stehende Statue des Erlösers als christlichen Herkules mit kräftigster Musculatur. Aber dieses Extrem der Körperstärke ziemt dem Heiland eben so wenig, als das andere Extrem der ausgehungerten Magerkeit, der ausgehöhlte Bauch, die zählbaren Rippen so vieler Crucifixe. Die Künstler suchen andererseits ihr Verdienst im Ausdruck der Seelenschönheit, der zartesten Milde. Aber sie fallen damit nur zu oft in eine sentimentale Schwächlichkeit, und weil man die Absicht merkt, erscheinen solche Christusbilder sogar in widerlicher Koketterie. Hierin sind die neuern französischen Maler am weitesten gegangen, von denen sich einige sogar bemüht haben, die jüdische Nationalphysiognomie im Heiland in einer Weise modern veredelt auszudrücken, wie ein eleganter Judenjüngling in einem Pariser Salon voll Selbstgenügsamkeit blinzelt.
Den deutschen Künstlern ist es gelungen, wenigstens viel von der deutschen Ehrlichkeit in ihre Christusbilder hineinzutragen, wenn auch der genialere Ausdruck göttlicher Hoheit meist ganz fehlt und auch hin und wieder Koketterie sich einmischt. Am meisten Anerkennung verdienen die Spanier, weil es ihren Künstlern immer sichtbar heiliger Ernst war und man ihnen ansieht, ihr Glaube war auch da stark, wo ihre Hand schwach war. Es ist merkwürdig, dass diese spanischen Künstler mehr die Schönheit der Seele als die des Körpers aussuchen und oft die letztere zu sehr vernachlässigen, was bei den Italienern umgekehrt der Fall ist.
Ein Hauptfehler, den sich selbst sehr fromme Künstler haben zu Schulden kommen lassen, ist das Verlassen des alten ehrwürdigen Typus, um einen Heiland nach eigner Phantasie oder gar ein Portrait darzustellen. Der altgriechische Typus der Abgarus- und Veronicabilder ist der historisch echte und zugleich der am meisten der Würde des Gegenstandes entsprechende, den die Künstler nicht zu ändern, [180] nur in seiner vollen Schönheit auszuführen haben. Dieser Typus ist allein fähig, in Harmonie zu bringen, was jede andere Darstellungsweise nur einseitig herausgreift, die wunderbaren Gegensätze, die in Christo vereinbart sind: Gottheit und Menschheit, Allmacht und Demuth, höchste Weisheit und kindliche Einfalt, der Held und das Opfer, der Richter und der Gerichtete.
Heilige Ruhe bleibt immer der Hauptausdruck für Christusbilder. Diese schliesst sowohl den übertriebenen Ausdruck körperlichen Schmerzes, als leidenschaftlicher Erzürnung aus; desgleichen auch jede gewaltsame Bewegung oder unnatürliche Krümmung, Verdrehung und Verkürzung des Leibes, worin sich die Maler in Bildern der Kreuzabnahme und Grablegung so sehr gefallen haben. Es ziemt sich nirgends, mit dem höchsten Gegenstand der Anbetung solche künstlerische Spielerei zu treiben. Hierin hat die griechische Kunst weit mehr frommen Tact bewiesen, als die abendländische. Doch hat sie in sklavischem Einhalten des Typus die herkömmlichen Züge desselben geist-, ja leblos wiederholt, bis zur Hässlichkeit.
Sehr achtbar erscheint die tiefsinnige Bemühung der altniederländischen Malerschule, die Ruhe der Christusköpfe nach dem alten Typus von den Augen aus zu beleben und in diese letztern eine wunderbare Gluth der Seele zu legen.
Das Haar des Heilands ist dunkel, jedoch nicht schwarz, mehr dunkelbraun. Auf Miniaturen des 9ten Jahrhunderts ist es ausnahmsweise röthlich. Waagen, Paris 245. Es ist lang, fällt bis auf die Achseln herab, aber schlicht ohne zu viel Gelock. Dagegen erscheint es an Danneckers berühmtem Christus zu glatt und gelockt. Der Bart ist kurz und ein wenig gespalten. Der Nimbus ist verschiedenartig, ursprünglich das Kreuz im Kreise, welches allen drei Personen der Gottheit zukommt, häufig aber so gestellt, dass etwa nur der Kreis oder nur das Kreuz übrig bleibt; von letzterem treten meist nur drei Arme hervor als Strahlenbüschel über Stirne und Schläfen. Vgl. den Art. Nimbus.
[181] Der Leib des Heilands war von mittlerer Grösse. Künstler sollen ihn nie weder zu gedrungen (wie Michel Angelo), noch zu hoch und schlank (wie Dannecker) darstellen. Nach der Kreuzigung und auch nach der Auferstehung, selbst noch im Himmel sind Hände und Füsse des Heilands durch die Wundmale bezeichnet. Ueber das Unziemliche der nackten Christusbilder vgl. den Art. Crucifix.
Die Kleidung Christi auf Kirchenbildern besteht aus der Tunica, d. h. dem ungenähten Rock (dem ich einen besondern Artikel widmen werde) als Unterkleid, darüber häufig noch einer Toga (Ueberwurfmantel). Die Tunica ist gewöhnlich purpurn, weil sie den König bezeichnen soll; mit Beziehung auf das Morgenroth des neuen Lebens, sofern das Kleid der Maria gewöhnlich das Blau des Himmels ist, aus dem jener Morgen hervorgeht. Die Toga Christi ist aus demselben Grunde ebenfalls blau, vgl. Waagen, Paris 204; selten grün, z. B. in einer Transfiguration, das. 206. Vgl. Waagen, Künstler in Deutschland I. 104. 107. Blau und roth in violett gemischt ist die Farbe des Kleides Christi in einem alten Breviarium. Rathgeber, Annalen 63. In den Ecce homo-Bildern ist Christus nackt und nur mit dem Purpurmantel bekleidet. Am Kreuze war er früher bekleidet, erst später nackt bis auf die Leibbinde. Vgl. den Art. Crucifix. Nach der Auferstehung ist er wieder nackt und nur mit dem prachtvollen Königsmantel bedeckt. Der heiligen Magdalena erscheint er ausnahmsweise als Gärtner in grünem Kleide und mit einem Hute. – Die Füsse des Heilands sind gewöhnlich unbeschuht oder tragen nur Sandalen nach Matth. 3, 11, Joh. 1, 27.
Als Kind kann Christus jenen alten Typus nicht ausdrücken, die Künstler hatten daher immer in dieser Beziehung freiere Wahl. Jedoch suchten die griechischen das allzu gemein Menschliche und Kindische zu vermeiden und stellten das Kind auf dem Schoosse der Mutter thronend als salvator mundi mit segnender Rechten und der Weltkugel in der Linken dar. Die italienischen Künstler aber trachteten, auch [182] wenn sie das Christkind nur wie ein anderes Kind in gleichgültiger Handlung darstellten, doch in sein Gesicht einen genialen Ausdruck zu legen, einen die Jahre des Kindesalters weit überschreitenden Geist. Bei Raphael ist dieser Ausdruck nicht immer heilig genug und kann man zweifeln, ob aus dem Kinde ein Christus oder Napoleon werden soll.
Vom Verhältniss Gott des Sohnes zu Gott dem Vater und dem Geiste wird im Art. Dreieinigkeit besonders zu handeln seyn. In Bezug auf das Verhältniss zum Vater allein ist zu bemerken, dass die Kirche gegenüber den Häresien eben so fest und bestimmt hier gegen die Arianer die Gleichheit, wie dort gegen Manichäer und Gnostiker die Verschiedenheit beider vertheidigen musste. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort, Dasselbige war im Anfang bei Gott und alle Dinge sind durch Dasselbige gemacht.“ Joh. 1, 1. Epheser 3, 9. „Ehe denn Abraham war, war ich.“ Joh. 8, 58. 17, 5. „Niemand kennt den Sohn, als nur der Vater, und Niemand den Vater, als nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren.“ Matth. 11, 27. In diesem Sinne werden auf Dreieinigkeitsbildern der Vater und Sohn häufig vollkommen gleich dargestellt, bald beide in der ältern Gestalt des Vaters, bald beide in der jüngern des Sohnes. In diesem Sinne darf auch einmal Christus dem Samuel erscheinen, denn von Ewigkeit her, wie der Vater, wirkte er auch schon vor seiner irdischen Geburt. Didron, man. p. 107. Vgl. Olshausen II. 41.
Aber die Gleichheit schliesst eine Verschiedenheit der Personen in sich, sonst wäre es überhaupt nur eine einzige. „Nicht meinen Willen,“ spricht der Sohn, „gilt es, sondern den Willen meines Vaters.“ Joh. 5, 30. 6, 38. Nur der Sohn hat gedient und gelitten, nicht der Vater (daher die Lehre der Patripassianer von der Kirche verworfen wurde). In diesem Sinne erscheint der Sohn auf Bildern der Dreieinigkeit dem Vater untergeordnet, als der jüngere neben dem älteren, als König neben dem Kaiser; auch als Kind, nackt und nur durch den Kreuznimbus ausgezeichnet, vor dem mit [183] Krone und Sccpter thronenden Vater. Miniaturen des 14ten Jahrhunderts bei Didron, icon. p. 302. – In diesem Sinne hält der thronende Vater auf Dreieinigkeitsbildern den Sohn am Kreuz vor sich, oder in spätern Bildern den Leichnam des Sohnes auf dem Schoosse. Oder der Sohn zeigt ihm, wieder emporsteigend von der Erde zum Himmel, seine Wunden. Didron, icon. p. 310. Waagen, Paris 317.
Symbolik des Christkindes. Dieselbe darf nicht blos im Attribut, sie muss auch in den Mienen und Geberden liegen. Es versteht sich von selbst, dass jede hässliche und gemeine Bildung des Christkindes verwerflich ist, weil Gott in Christo zwar die Menschheit angenommen, aber nicht um sie zu verhässlichen oder sich ihrer Gemeinheit hinzugeben, sondern um sie zu veredeln. Indess darf auch die Idealisirung des kindlichen Heilandes nicht zu sehr in heroisches Pathos, noch in zu weiche Sentimentalität umschlagen. Friedrich Schlegel, Werke VI. 36, zieht die tiefsinnigen Kinder des Leonardo da Vinci den zu jovialen des Raphael vor. Ich glaube auch, Liebe solle in dem göttlichen Kinde eher ausgedrückt seyn, als Stolz, und es soll mehr hinzublicken scheinen auf seine Leiden und auf den Zweck derselben, als auf die Macht und den Sieg.
Attribute des Christkindes. Der Apfel mit Bezug auf den Sündenfall, von dessen Folgen Christus erlöst, oder in Bezug auf die Weltkugel. Das Buch, als das Evangelium oder Gesetz des neuen Bundes. Die Dornenkrone, die ihm vorbildlich von Engeln gezeigt wird. Der Finger auf dem Munde, der im Christkind stets den Logos bezeichnet. Der Hirtenstab, vorbildlich für den guten Hirten. Das Kreuz, auf dem das Christkind ruhig schläft (ein oft wiederholter schöner Gedanke), oder dem es Engel zeigen. Das Lamm, das ihn selbst als Opferlamm bedeutet. Das Rohrkreuz, vorbildlich wie[WS 1] die Dornenkrone. Rosen, die das Christkind aus den Wolken über die Welt streut, vorbildend die Wunden der Martyrer. Die Schlange, welcher das Kind auf den Kopf tritt. Die Siegesfahne. Der Todtenkopf, [184] den es betrachtet. Die Weltkugel, welche das Christkind auf griechischen Kirchenbildern in der Linken hält, indem es mit der Rechten segnet. Einiger seltenern Attribute wird noch in besondern Artikeln gedacht werden.
Manche Attribute sind unpassend, z. B. die Monstranz, die das Christkind auf einem Bild von Titian in der Hand hält. Viele sind nur Spielereien, so die mancherlei Blumen, Vögel und andere Geschenke, die das heilige Kind empfängt.
Die Mutter mit dem Kinde kann rein idyllisch in mütterlicher Liebe aufgefasst werden, um die menschliche Natur des Heilands hervorzuheben. Sie säugt das Kind, sie küsst und liebkost es, sie hütet seinen Schlaf, sie hebt den Schleier von dem schlafenden Kinde auf, um es zu betrachten etc. Unpassend dagegen sind alle Wäschereien und kleinliche Tändeleien mit Spielsachen. Auch das Lesen lehren erscheint zu kleinlich und widerspricht den Bildern, in denen umgekehrt das Christkind seinen Eltern die Schrift auslegt. Eine gewisse Hoheit, die Ahnung des Göttlichen, sollte hier auch den natürlichsten Beziehungen der Mutter zum Kinde nicht abgehen. Die griechische Kirche malt das Kind immer in göttlicher Hoheit segnend und mit der Weltkugel auf dem Schooss der gekrönten und thronenden Mutter. Die abendländische Kirche kann davon abgehen, darf aber nie vergessen lassen, dass der Menschensohn zugleich Gottes Sohn ist. Daher sind den idyllischen und rein menschlichen Bildern diejenigen vorzuziehen, in denen jenes Höhere seinen Ausdruck findet, z. B. die vor dem eignen Kinde anbetend kniende Mutter. Allzu spitzfindig ist dagegen das Bild von Ingres, auf dem die Mutter das Kind nicht in natürlicher Gestalt, sondern erst in der Hostie verehrt. Kunstbl. 1841, S. 191. Das Würdigste ist geleistet in den Bildern, die man in Italien pieta nennt, auf denen die Mutter um den Leichnam des Sohnes trauert.
In Bezug auf die Engel hat die Kirche dieselben dem Sohne wie dem Vater nur zu Dienern gegeben, während die Gnostiker den Sohn selbst zum ersten Engel machten (wie [185] den Lucifer). Auf griechischen Bildern kommt Christus in goldenem, mit Edelsteinen geschmückten Gewande und mit grossen Flügeln vor, im Begriff, den Himmel zu verlassen, um auf Erden als Kind geboren zu werden. Als Engel bezeichnet ihn die ausdrückliche griechische Beischrift (O AΓΓEΛΟΣ THΣ MEΓAΛHΣ BOYΛHΣ)[WS 2], aber als Christum macht ihn der Kreuznimbus kenntlich, den nur die drei höchsten Personen der Gottheit tragen dürfen. Didron, icon. 300. Das ist kein gnostisches Bild, es will nur auf eine naive Weise den kirchlichen Gedanken ausdrücken, demgemäss der Sohn des Vaters Willen gehorcht. – In der abendländischen Kirche wird jede solche Zweideutigkeit vermieden. Christus ist hier nie Engel, sondern die Engel dienen ihm nur. Sie verkünden ihn der Maria und den Hirten, sie dienen ihm in der Wüste, sie wachen an seinem Grabe etc. Es liegt etwas ungemein Zartes im Verhältniss der Engel zum Menschensohn. Als überirdische Wesen der Menschennatur überlegen, erkennen sie doch in diesem Menschenkind ihren Herrn und Gott. Das gibt den Bildern, auf welchen Engel das schlafende Christkind anbeten, einen eignen Reiz. Das Nämliche gilt von der Trauer der Engel um den Leichnam Christi, ein Gegenstand, den die Kirchenmaler gleichfalls oft und mit Liebe behandelt haben. Die sanfte Trauer der Engel um Christum geht in einem naiven Bilde des Nicolo Alunno zu Assisi in herzinniges Weinen über. Leider ist nicht immer in solchen Bildern eine falsche Sentimentalität und Koketterie vermieden worden. Dahin gehört z. B., dass Engel alle Passionsinstrumente herbeitragen, während das Christkind schläft, das sie also gleichsam in Traum[WS 3] erblicken soll (Bild von Garofalo in Dresden).
Christus im Verhältniss zum Teufel. Die Katharer und Albigenser hatten den altpersischen Dualismus angenommen und glaubten, Christus und der Teufel seyen beide Söhne Gottes und theilten sich in die Welt, beständig mit einander kämpfend, wie bei den alten Persern das gute und böse Princip, Ormuzd und Ahriman. Petri monachi [186] hist. Albig. bei Duchesne script. hist. Franc. V. 556. Die rechtgläubige Kirche hat dem bösen Princip nie eine Gleichstellung mit dem guten zugestanden. In der Bibel selbst ist das Verhältniss am klarsten gemacht in der Versuchung Jesu in der Wüste. Der Versucher ist hier kein anderer als Lucifer, der den Sohn Gottes bewegen will, sein Beispiel nachzuahmen und sich von Gott loszusagen. Die Herrlichkeit, welche der Versucher dem Heiland zeigt, ist die Freiheit, die Zaubermacht des Geistes, die sich alle Herrlichkeit der Sinnenwelt schaffen kann, aber eben deshalb ein übertünchtes Grab, ein gleissender Sodomsapfel, innerlich von Asche. Christus bleibt im Gehorsam gegen den Vater, darum wird er König des wahren Himmels im Gegensatz gegen jenen Scheinhimmel Lucifers, und „die Engel traten zu ihm und dienten ihm“.
Christus erwiederte den Besuch und fuhr nieder zur Hölle. Zwischen seine Grablegung und Auferstehung fällt diese Fahrt, durch die er nach den Apokryphen die Patriarchen erlöste, die aber überhaupt den Sieg des obern Princips über das untere bezeichnet. Vom Sündenfall des ersten Adam bis zur Menschwerdung des zweiten hat Lucifer ein gewisses Recht. Dem Engelfall ist der Menschenfall gefolgt und die Erlösung ist noch nicht zu Stande gekommen. In dieser ganzen langen Zeit des Heidenthums und Judenthums ist die Menschheit gleichsam umnachtet, im Netz der feindlichen List und Gewalt; da erscheint der Welterlöser und durchreisst jenes Netz des Bösen. Indem er nach dem apokryphen Evangelium Nicodemi 20. die Pforten der Hölle sprengt, um die Patriarchen freizumachen, ist das schon eine symbolische Befreiung der Menschheit überhaupt aus der Macht der Hölle. Dieselbe wird erst vollendet beim Weltgericht. Was die Bibel von Maria sagt, sie werde der Schlange den Kopf zertreten, ist nur möglich durch ihren Sohn. Was sie ferner vom Siege des Erzengels Michael über Satan sagt, ist gleichfalls auf Christum zu beziehen, ohne dessen Leiden und Sterben auch jener Sieg des Engels [187] unmöglich gewesen wäre. Deshalb haben die Kirchenbilder nicht mit Unrecht jene beiden Handlungen auf Christum unmittelbar anwenden können. Auf einem schönen Bilde des Fr. Francia tritt nicht nur Maria der Schlange auf den Kopf, sondern das Christkind drückt auch noch seinen kleinen Fuss auf den der Mutter. Laudon, annales V. 21. Auf einem Bild von Calabrese in Neapel stürzt Christus selbst, statt Michael, den Satan in den Abgrund, Viardot p. 285. Christus tritt auf den Drachen, Statue zu Rheims, Didron, icon. 305. Er tritt auf Löwe und Schlange zu Chartres, das. 304, 305. Ich vermuthe, der Löwe bedeutet hier die Macht des Todes (wie auch Simson, indem er den Rachen des Löwen aufreisst, die Oeffnung der Gräber, die Auferstehung bedeutet) und die Schlange allein die Macht des Teufels.
Christus überwindet Tod und Teufel zugleich auf vielen Bildern. Er steht auf einem Todtengerippe und bohrt dem Teufel eine Lanze in den Rachen, zu Schneeberg im Erzgebirge. Waagen, Deutschland I. 57. Im Dom zu Halberstadt führt Christus den Tod und Teufel gefangen fort. Auf einem Bild von Giulio Romano tritt er den Tod mit Füssen. In einem Miniaturbild des 11ten Jahrhunderts hält er den Tod an einer Kette. Didron, icon. p. 306.
Vorbild Christi, sofern er die Pforten der Hölle aufbricht, ist Simson, der den Löwenrachen aufreisst und der die Thore von Gaza aushebt. Rupert. Tuit. p. 256. Vorbildlich ist auch die Huldigung, welche die Drachen der Wüste dem Christkinde auf der Flucht nach Aegypten darbringen. Evangel. von der Geburt Mariä und Kindheit Christi, 18. – Bosch hat auf einem merkwürdigen Bilde den Heiland in einer Glorie mitten unter scheusslichen Teufelsgestalten gemalt, von denen jede eine andere Sünde darstellt, mit der Inschrift: Cave, cave, dominus videt. Dieses Bild hing im Zimmer Kaiser Karls V. Kunstbl. 1822, S. 218.
Das Verhältniss Christi zum Menschen ist einfach das des Erlösers. Gott nahm menschliche Natur nur an, um die Menschen zu erlösen. Er trat in die Menschheit ein und [188] wieder aus ihr heraus. Man darf ihn daher nicht in allen Beziehungen mit der Menschheit identificiren, wie dies schon von Philo geschehen ist, der ihn als das lebendig gewordene Wort Gottes (Logos), als das Centrum aller Offenbarung des Vaters, und zwar als Urbild der ganzen Menschheit, als Urmensch auffasste. Philo, von Gfrörer I. 301. Neander, gnostische Systeme 15. Der Jude Elxai, der eine christliche Sekte stiftete, hatte von Christo die fabelhafte Vorstellung, derselbe sey ein von Gott geschaffener Geist oder Engel gewesen, der Menschengestalt angenommen habe, aber in colossalen Verhältnissen, so zwar, dass er 96 Meilen lang und 24 dick gewesen, aber, mit Zauberkraft begabt, sich in den Adam (vor der Sünde), wie später in den historischen Christus habe verwandeln können. Epiphanius haeres. 30. Walch, Kirchengesch. I. 592. Alle diese Vorstellungen sind verwerflich. Christus war Gott und ging nur einmal als Christus in die Menschheit ein, weit entfernt, je als Schöpfer mit dem Geschöpf Adam identificirt werden zu dürfen. Vgl. die Art. Adam, Leib, Kreuzigung.
Christus als Tröster und Erbarmer, als der wahre Heiland, der da heilt die schwererkrankte Menschheit. „Kommet Alle,“ spricht er, „zu mir, die ihr mühselig und beladen seyd,“ Matth. 11, 28. Abgesehen von den vielen Bildern, auf denen Christus Blinde, Lahme, Aussätzige etc. heilt, hat man sein Erbarmen möglichst auf einem Bilde zu concentriren gesucht. So erblickt man ihn umgeben von lauter reuigen Sündern, Magdalena, David, dem Schächer und verlorenen Sohn, gemalt von Otto Venius in Mainz, und ganz ähnlich von Rubens in München; unter lauter Armen auf einem Bilde von Nanteuil, Kunstbl. 1837, S. 175. Aller ältern Bilder Ruhm ist aber übertroffen worden durch zwei neue von Begas in Berlin, Kunstbl. 1844, S. 116. 1848, S. 217, und von Scheffer in Paris, das. 1837, S. 165. Das erstere zeigt Christum thronend, umringt von Menschen, die alle Erlösung von ihrer Qual von ihm hoffen, vom König bis hinab zum Bettler, Leidenden aus den mannigfachsten Ursachen, [189] die um den Tod des Geliebten klagen, Verwaiste, Arme, Misshandelte, Sklaven in Ketten, der ruhelose Pilger etc. Das zweite ist entstellt durch politische Beziehungen, indem unter den Leidenden, die Trost bei Christo suchen, griechische und polnische Flüchtlinge, verliebte Nonnen, der vergötterte Dichternarr der weltschmerzlichen Neuzeit Tasso etc., vor Allem die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nichts Christliches, sondern eine Schmeichelei für den damaligen Pariser Geschmack. Das Bild von Begas ist viel edler. Die Franzosen haben überhaupt schon in der ersten Revolution die Huld, welche Christus den Armen und Elenden erwiesen, in demokratischem Sinne genommen, mit ihm als einem „guten Sansculotten“ fraternisirt, und Gallinard hat ihn gemalt, wie er das Wort fraternité auf die Weltkugel schreibt, indem die Freiheitsgöttin in rother Mütze ihm zusieht. Kunstbl. 1836, S. 137.
Konnte Gott den Menschen grössere Liebe erweisen, als indem er seinen einzigen Sohn in den Tod sandte, um sie zu erlösen? Das ist und bleibt der Grundgedanke der Huld und Gnade, welche Allen erwiesen worden ist und wogegen das Erbarmen in Nothfällen Einzelner sich nur verhält wie der Bach zum Ozean; das unergründliche Meer der Gnade kann keine Dankbarkeit ausmessen. Das Bild ist hier zu ohnmächtig, nur der lyrische Gefühlsausdruck dem angemessen, was man bezeichnen möchte und doch nimmer vermag. Daher die hohe Schönheit kirchlicher Hymnen, z. B. des Jesu, dulcis memoria vom heiligen Bernhard von Clairvaux.
Christus ist Haupt der Kirche, Hoherpriester und Bräutigam der Kirche. Sein Priesteramt erhellt aus Psalm 110, 4. Ebräer 5, 14. 7, 3. Auf Bildern der griechischen Kirche ist er im Ornat des Patriarchen gemalt. Die der römischen Kirche behalten jedoch den päpstlichen Ornat Gott dem Vater vor und heben mehr das Königthum in Christo hervor. Beides fällt zusammen, indem Christus sowohl von Priestern als Königen, nämlich zugleich vom Geschlecht Levi und Juda herstammt. Vgl. Hofmann, Apokr. 298.
[190] Christus daherfahrend in den Wolken wie Jehovah als der verheissene Messias. Daniel 7, 13. Matth. 24, 30. Offenb. Joh. 1, 7. 14, 14. Umgeben und angebetet von allen Wesen nach Psalm 148 und 150. Vgl. Piper, Myth. II. 84. Christus auf dem Siegeswagen von Titian. Christi grosser allegorischer Triumphzug in eilf Tafeln von Führig. Kunstbl. 1840, Nr. 54. Hier gehen die Christusbilder in die Triumphbilder der Kirche überhaupt über. Verschieden von den Triumphen der Kirche auf Erden sind die Bilder der im Himmel triumphirenden Kirche, der Einzug des Heilands im neuen Jerusalem (welchem der irdische nur zum Vorbild diente). Der Offenb. Joh. gemäss zeigt ein grosses Bild in Padua den auf weissem Ross in das neue Jerusalem einziehenden Christus, dem die Heiligen als weisse, gleichfalls berittene Jünglinge folgen. Kunstbl. 1838, S. 50.
Des Heilandes königliches Auftreten auf Erden beim Einzug in die Stadt Jerusalem hat zum Gegenbild die Verspottung des ecce homo im Purpurmantel, mit der Dornenkrone und dem Rohrscepter. Ganz eben so hat seine Verklärung (Transfiguration) zum Gegenbild die Angst und den blutigen Schweiss auf dem Oelberg. Hierin liegt ein tiefer Sinn, entsprechend dem Dogma von der zweifachen Natur des Heilands.
Anders verhält es sich mit dem auferstandenen, zur Rechten Gottes thronenden Christus. Sinnig malten ihn die altdeutschen Maler gewöhnlich mit der deutschen Königskrone neben dem Vater mit der Kaiserkrone. In der königlichen Würde trägt er ein Kristallscepter (welches die Herrschaft des Lichts bedeutet) und die Weltkugel als Reichsapfel. Auch trägt er nur nach der Auferstehung den königlichen Mantel, vorher immer nur die einfache Tunica. Oft thront er auf Wolken mit der Siegesfahne, um anzudeuten, dass er schon das Werk der Erlösung vollbracht hat, umringt von himmlischen Heerschaaren, die ihn anbeten. So ein Bild von Fiesole in Rom. Bunsen, Beschreibung von Rom III. 3, 156. So erscheint er auch mit der Siegesfahne triumphirend und [191] tröstend seiner Mutter auf einem Bilde von A. Dürer. Heinecken, neue Nachrichten I. 169. In einer Glorie auf den Wolken schwebend über den vier Evangelisten von Hübner in Berlin; über den zwölf Aposteln von Correggio in Parma.
Christus als Richter. Der Vater hat das Richteramt dem Sohne übertragen. Der sich zu den Menschen herabliess, selber Mensch wurde, durch seinen Tod die Menschen erlöste, soll sie auch am jüngsten Tage richten. Dieses Dogma ist von Wichtigkeit, indem es von vornherein den Zorn des altjüdischen Jehovah von der Gesinnung des Richters ausschliesst. Die griechische Kirche, die überhaupt mehr vom alten Testament, z. B. die Patriarchen und Propheten unter ihre Heiligen aufgenommen hat, stellt auch den Heiland als Richter noch in strengerer Weise, gleich dem zürnenden Jehovah dar und lässt gewöhnlich unter seinen Füssen das Feuer der Hölle ausfliessen. Didron, manuel p. 268 f. Die römische Kirche fasste ihn milder auf, wenn auch ernst und strenge, doch nicht leidenschaftlich. Nach der Offenb. Joh. 1, 12 f. ist er weiss gekleidet mit weissglänzendem Haar, goldgegürtet, seine Augen flammen und ein Schwert geht aus seinem Munde. Daselbst 14, 14. trägt er auch eine goldene Krone und eine Sichel in der Hand. Auf ältern deutschen Bildern des Weltgerichts hat er gewöhnlich das Schwert im linken, einen Lilienstengel im rechten Auge, jenes über die Verdammten, diesen über die Seligen ausstreckend. Ganz kriegerisch mit Schwert, Pfeil und Bogen kommt er vor bei Didron, man. p. 111. Auf einer rothen Feuerkugel thronend malte ihn Ambrogio di Lorenzo. Mit einer Sense ist er auf einem Bild in Padua bewaffnet. Kunstbl. 1838, S. 50.
Ein berühmtes Bild von Rubens in Lyon stellt Christum vor, wie er im höchsten Zorn die Erde mit einem Blitze zerschmettern will. Aber der heilige Dominicus breitet schützend seinen Mantel über die Erde und der heilige Franciscus deckt die Hände darüber und die Madonna wirft [192] sich flehend dem Erzürnten zu Füssen, der ihrer jedoch nicht zu achten scheint, ja ihr sogar mit dem Blitze zu nahe kommt. Kein glücklicher Gedanke. v. Quandt, Reise in’s mittägliche Frankreich S. 99. Der Heiland, der sich aus Liebe für die Menschen opferte, kann nicht zum alten zornigen Jehovah oder Jupiter degradirt werden. Er selbst ist ja höchste Quelle der Gnaden. Allein man würde in’s andere Extrem fallen, wenn man in ihm den Gott der Gerechtigkeit verkennen wollte. Seine Marter, sein Erlösungstod waren unerlässlich, um die Gerechtigkeit zu sühnen. In demselben Act, in dem er die überschwenglichste Gnade übte, vollzog sich auch die strengste, unumstösslichste Gerechtigkeit. Darum und nur darum ist das Opferlamm zugleich der Richter.
Das Schreckliche, das dem Heiland als Weltrichter zukommt, liegt vorzugsweise in seinen Augen, in dem durchdringenden Blicke, vor dem auch der geheimste Gedanke sich nicht mehr verbergen kann, der Alles an’s Licht zieht. Es bedarf keiner drohenden Geberde, der Blick allein macht Mark und Gebeine beben. „Siehe, er kommt mit den Wolken und es werden ihn sehen alle Augen, und die ihn gestochen haben, und werden heulen alle Geschlechter der Erde.“ Offenb. Joh. 1, 7. Weiter durchgeführt in einer schönen Hymne: Jucundantur et laetantur. Zabuesnig I. 241.
Die letzte Erscheinung Christi ist in der Offenb. Joh. 19, 11 f. geschildert, wie er einzieht in’s neue Jerusalem als König der Seligen, auf weissem Rosse, im weissen, aber blutbesprengten Gewande, mit vielen Kronen auf dem Haupte, in seinem Gefolge das himmlische Heer auf weissen Rossen.
Christi Attribute sind verschieden nach der Art seiner Erscheinung und den Scenen seines Lebens, Leidens und Triumphes. Die bildende Kunst legt auch schon dem Christkind alle Attribute des erwachsenen Heilands bei, als poetische Vorbedeutungen. Das Christkind schläft auf dem Kreuze, es spielt mit der Waage (des Gerichts), dem Lamm, es trägt die Siegesfahne; es trägt die Krone und die Weltkugel etc.
[193] Die Symbole, unter denen Christus dargestellt wird, sind theils von seinem Namen, theils von seinem Wesen entlehnt. Auf den ältesten christlichen Denkmälern, Gräbern, Siegeln etc. ist sein Namenszug ein griechisches Ch, auf welchem ein griechisches R steht . Dieses Zeichen kommt bei Bottari I. tav. 30. in einem dicken Lorbeerkranz vor, in antiker Weise. Vgl. die Abbildungen der übrigen Katakombenwerke und Bunsens Beschr. von Rom I. 395. Die Formen sind nur Abkürzungen. Der Namenszug I H S (Jesus hominum salvator) kam erst zur Jesuitenzeit auf. Das A und O hat der Sohn mit dem Vater häufig gemeinsam.
Vorbilder Christi im alten Testament sind Abel, Isaak (wegen seiner Opferung), Melchisedek, Joseph, die Quelle und eherne Schlange Mosis, Aarons blühender Stab, das Manna in der Wüste, Simon, David, Salomo, Elias, Daniel, Jonas. Vgl. diese Artikel.
Willkührlich gewählte Vorbilder aus dem Heidenthum: Jupiter, Herkules, Perseus, Orpheus.
Sinnbilder Christi aus der unorganischen Natur entlehnt sind vorzugsweise die Sonne, das Licht, die Quelle, der Stein; aus der Pflanzenwelt der Weinstock, Oelbaum, Weihrauch, Balsam; aus der Thierwelt das Lamm, der Löwe, der Fisch, das Einhorn, der Pelikan, Phönix, Hahn.
Anderweitige Sinnbilder: der Weg, die Pforte, das Brodt.
In diese Symbolik hat sich viel fromme Spielerei eingemischt, die in den Vergleichungen nicht selten bis zum Unanständigen ausgeschweift ist. In Uhlands Volksliedern II. 88. und 893. finden sich Vergleichungen des Heilands mit einem Müller und mit einem Bergwerke. Bei Pierius, hierogl. 72. mit einem Käfer. Ein spanisches Epos macht ihn zum Löwenritter, der unter den Augen des Kaisers (Gott des Vaters) turniert und abentheuert. Grässe, Poesie Europa’s 131.
In die Erscheinungen und Besuche Christi bei frommen Personen, wie in die an Christusbilder sich knüpfenden Wunder [194] hat sich ebenfalls häufig fromme Spielerei eingeschlichen. Solche Wunder können sich nur zutragen, wo die würdigste Veranlassung gegeben ist, und unter ehrfurchtgebietenden Umständen, nicht aber in einer kindischen, sentimental kränklichen oder kokettirenden Weise. Von der letztern verwerflichen Art sind z. B. die nicht selten vorkommenden Bilder, auf denen Christus als antiker Eros mit buhlerischen Blicken einen Pfeil gegen die mehr irdisch als christlich schmachtende heilige Therese abschiesst. Auch dass Christus in der Legende des heiligen Johannes de Deo diesem als Bettler erscheint und sich von ihm förmlich in’s Spital tragen lässt, ist keine würdige Auffassung. Görres, Mystik I. 449. Christus kann auch zum besten Zwecke keine Comödie spielen. Zu den abzuweisenden Dingen gehören auch die mannigfachen Vertraulichkeiten der Heiligen mit Christo. Der Abstand, der Respect wird hier oft vergessen. Albigi, ein Minorit zu Pisa, schrieb am Ende des 14ten Jahrhunderts sogar ein liber conformitatum, worin er den heiligen Franciscus mit Christo verglich und weit über denselben stellte, ja die ganze Bibel nur für ein Vorbild und eine Weissagung des heiligen Franciscus ausgab. Das tolle Buch wurde von Erasmus Alber in „der Barfüssermönch Eulenspiegel und Alcoran“, 1531, derb verhöhnt. Wie billig, denn wenn die Frömmigkeit sich übersteigt und wahnwitzig wird, bekommt der Teufel sein Recht wieder.
Auch mit dem Christkinde sollten nicht so viel Mönche und Nonnen spielen dürfen, wie uns in Legenden berichtet und in Bildern dargestellt wird. Nur ganz kindliche Seelen sind dazu berechtigt, und am meisten, wenn es sich nicht blos dabei von einer andächtigen Spielerei, sondern von einem ganz besondern Trost handelt. So der Besuch des Christkindes bei der kranken Nonne Elisabeth von Ruffach (Görres, Mystik I. 295.). Noch mehr sein Besuch der blinden Sibylla von Pavia nach Steills Ephemeriden des Dominicanerordens zum 19. März; die nichts sehen konnte, die nie eines Menschen Angesicht erblickt, sah Christum allein. Höchst lieblich [195] ist auch die Legende von Santirena in Portugal. Hier sassen einst fromme Kinder in der Kirche vor einem Marienbilde und reichten dem Christkinde einen Apfel, das Christkind aber stieg vom Schoosse der Mutter herab, spielte mit ihnen und lud sie dann ein, auch einmal zu ihm zu kommen. Drei Tage nachher aber waren sie todt. Acta SS. zum 8. Mai.