Christliche Symbolik/Melchisedek
der Priester, welcher nach 1. B. Mos. 14, 18. dem Abraham nach dessen siegreicher Rückkehr von Damaskus Wein und Brodt brachte und dafür den Zehnten von ihm empfing. Ein Vorbild des Opfers im Abendmahl und des Verhältnisses, in welchem Kirche und Staat zu einander stehen sollen. Nach dem Hebräerbrief 7, 2 f. ist Melchisedek „ein König der Gerechtigkeit, ein König zu Salem (worin man das spätere Jerusalem hat erkennen wollen), d. i. ein König des Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlecht, und hat weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens. Er ist aber vergleichet dem Sohne Gottes und bleibt Priester in [119] Ewigkeit“. Als „ewiger Priester“ ist er auch Psalm 110, 4. bezeichnet. Er ist mithin Vorbild des königlichen Priesterthums Jesu Christi und der Kirche in jenem höhern geistigen und idealen Sinne, welcher alle menschlichen Gebrechen und Zufälligkeiten des Priesterthums, wie es durch Aaron zunächst im jüdischen Sinne vorgebildet war, ausschliesst.
Die muhamedanische Legende macht den Priesterkönig Melchisedek, welcher mit Abraham verkehrte, zu dem Enkel Noah’s, der die Leiche Adams mit in die Arche genommen haben soll. In Herbelots orientalischer Bibliothek heisst es sub voce: Melchisedek habe die Leiche Adams zu Jerusalem auf dem Berge Golgatha begraben, wo später Christus gekreuzigt wurde, und habe alsdann als Einsiedler, nur mit einem Fell bekleidet, in der Wüste gelebt, ohne je Haar und Nägel zu schneiden, unablässig nur betend für die Menschen. Das stimmt keineswegs mit dem 1. Buche Mosis überein, in welchem Melchisedek als König erscheint und den Abraham gastlich bewirthet. Doch ist die Sache insofern nicht ganz abzuweisen, als sie wenigstens andeutet, es habe sich auch unter den Heiden, unabhängig von Abraham, noch ein Rest der altpatriarchalischen Frömmigkeit erhalten, die von Seth durch Henoch auf Noah vererbt worden war. In Abraham und Melchisedek berührt sich gleichsam die Frömmigkeit des alten Urvolkes mit der des neuen ausschliesslich jüdischen Volkes.
Hierax hielt Melchisedek für den heiligen Geist. Die gnostische Secte der Melchisedekianer hielt ihn für den Ersten unter den Engeln, in dem Sinne, wie Christus der Erste unter den Menschen sey, also noch für höher als Christum. Epiphanius Panarion 55. Rösler, Bibliothek der Kirchenväter VI. 171 f. Baur, Dreieinigkeit I. 161.