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Chemnitz am Ende des XIX Jahrhunderts in Wort und Bild/Fünfte Gruppe

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Vierte Gruppe Chemnitz am Ende des XIX. Jahrhunderts in Wort und Bild
von Körner & Lauterbach; Wilhelm Zöllner
Sechste Gruppe
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FÜNFTE GRUPPE.

Die Chemnitzer Schulen.

Auch in Bezug auf das Schulwesen hat Chemnitz im Verlauf des 19. Jahrhunderts einen gewaltigen Fortschritt aufzuweisen. Nur das Lyceum, die alte lateinische Stadtschule, und wenige dürftige Anfänge einer Volksschule brachte die Stadt mit in das Jahrhundert hinein; zahlreiche Lehranstalten und Schulen der verschiedensten Art, humanistische, realistische und gewerbliche, sowie ein grossartig entwickeltes Volksschulwesen nimmt die Stadt mit in den neuen Abschnitt ihrer Geschichte hinüber. Die nun folgenden Ansichten der hauptsächlichsten Schulgebäude mögen ein Bild von dem geben, was die Stadt Chemnitz am Ausgang des 19. Jahrhunderts auch auf diesem Gebiete aufzuweisen hatte.


Die Technischen Staatslehranstalten.

Am Schillerplatze, auf einem zwischen Schiller- und Albertstrasse sich erstreckenden Areale liegen die Technischen Staatslehranstalten. An der Schillerstrasse erhebt sich das im beigegebenen Bilde dargestellte Hauptgebäude, an das sich nach hinten zu zwei Flügelanbauten mit dazwischenliegendem


Technische Staatslehranstalten.

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Maschinensaal der Technischen Staatslehranstalten.

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Saal für Architektur der Technischen Staatslehranstalten.

[97] Kesselhaus anschliessen. Hinter dieser Hauptanlage erhebt sich ein besonderes Laboratoriumsgebäude, während die an der Albertstrasse gelegene Direktorialwohnung den Beschluss der Gesamtanlage bildet.

Nachdem im Jahre 1873 vom sächsischen Landtage 1 350 000 Mark für die Erbauung der jetzigen Staatslehranstalten bewilligt worden waren, konnte der Bau am 7. April 1874 nach den Plänen des Herrn Baurat Professor Gottschaldt begonnen werden. Das ca. 1 Hektar Flächeninhalt betragende Areal bestand aus einer Anzahl Gärten, die an das Gebiet der ehemaligen Lindenteiche angrenzten. Am 16. Oktober 1877 erfolgte die Einweihung des neuen Schulgebäudes, nachdem bereits Ostern 1876 das Laboratoriumsgebäude übergeben worden war. Die beiden anderen beigefügten Ansichten gewähren einen Einblick in die innere Einrichtung und Ausstattung der Technischen Staatslehranstalten, die mit ihrer stetig fortschreitenden Entwicklung nachmals noch mannigfaltige Neueinrichtungen und bauliche Veränderungen erforderten.

Die Technischen Staatslehranstalten haben sich aus einer am 2. Mai 1836 mit 14 Schülern und 4 Lehrern eröffneten Gewerbschule entwickelt. Bereits im ersten Jahrzehnt stieg die Schülerzahl auf das Zehnfache und verdoppelte sich die Zahl der Lehrer. Bei der Einweihung des jetzigen Schulgebäudes 1877 zählte man 600 Schüler mit 38 Lehrern, im Schuljahr 1898/99 wiesen die Staatslehranstalten 52 Lehrer und eine Frequenz von 1020 Schülern auf.

Ursprünglich war mit der Gewerbschule die bereits 1796 errichtete, vormals „churfürstliche“ Fabrikzeichenschule verbunden gewesen; seit 1867 aber wurde diese als Königliche Gewerbzeichenschule selbstständig gemacht, während die Gewerbschule schon seit dem 9. Oktober 1862 als Königliche Höhere Gewerbschule bezeichnet worden war. Nachdem sie dann 1878 eine Bauabteilung und Ostern 1892 eine elektrotechnische Abteilung erhalten hat, besteht sie zur Zeit aus je einer Abteilung für mechanische und chemische Technik, aus einer Bauabteilung und einer solchen für Elektrotechnik. Am 15. Oktober 1837 bereits hatte man der Gewerbschule die noch heute bestehende Königliche Baugewerkenschule angeschlossen. Ostern 1849 verband man hiermit eine Landwirtschaftsschule und 1853 eine Landwirtschaftliche Versuchsstation, trennte beide aber 1870 wieder ab. Michaelis 1855 war ferner eine „Mechanische Baugewerken- und Werkmeisterschule“ gegründet worden, die seit 28. April 1862 als Königliche Werkmeisterschule fortbesteht. Ostern 1869 verband man mit dieser eine Abteilung für Chemiker und wandelte diese 1882 in die jetzige Königliche Färberschule um. Am 11. Juni 1878 schliesslich erhielt das ganze Institut den Gesamtnamen „Technische Staatslehranstalten“ und wurde ausserdem 1879 noch mit Festigkeitsprüfungsanstalten für Materialien des Maschinen- und Hochbaues verbunden.

Bevor die Technischen Staatslehranstalten ihr jetziges Heim erhielten, haben sie ihren Sitz wiederholt gewechselt. Bei ihrer Gründung im Jahre 1836 wurde die Gewerbschule in 3 Zimmern des damals gerade eingegangenen Lyceums untergebracht; 1840 nahm sie aber bereits das ganze Lycealgebäude ein, und schon zwei Jahre nachher musste man sich nach Mietlokalitäten für die Schule umsehen. Am 1. September 1848 siedelte dann die Gewerbschule nach ihrem inzwischen nach den Plänen des Professor Heuchler erbauten eigenen Heim, der jetzigen Höheren Knabenschule an der Neuen Dresdenerstrasse, über. Aber bereits 1856 musste man sich auch hier zu einem Erweiterungsbau entschliessen, der darin 1859 vom Stadtbaudirektor Friedrich ausgeführt, am 12. August 1860 eröffnet wurde und die Räumlichkeiten der Anstalt ganz ausserordentlich vergrösserte. Trotzdem machte sich dann schon nach 15 Jahren wieder ein Neubau der Technischen Staatslehranstalten, der jetzige, nötig.


Das Königliche Gymnasium.

Enger noch als die Technischen Staatslehranstalten hängt das Königliche Gymnasium mit der alten Lateinschule der Stadt, dem Lyceum, zusammen. Nachdem letzteres am 15. April 1835 geschlossen worden war, vereinigte man die letzte Lycealklasse, die inzwischen privatim weitergeführt worden war, mit den Lateinklassen der damals errichteten Bürgerschule zu einem Progymnasium. [98] Im Jahre 1857 wurde dieses mit der neubegründeten Realschule vereinigt und bezog mit ihr das neuerbaute höhere Bürgerschulgebäude an der Poststrasse, das jetzige neue Rathaus. Seit 1866 bemühten sich dann der Rat und ein Teil der Bürgerschaft mit Erfolg um Wiedererrichtung einer vom Staate zu begründenden Gelehrtenschule, und so wurde, nachdem der darauf bezügliche Vertrag zwischen Staatsregierung und Stadtgemeinde vollzogen war, das neue Gymnasium am 13. Oktober 1868 mit 31 Schülern und 3 Lehrern eröffnet. Als Unterrichtslokal hatte der Rat bis zur Erbauung eines Gymnasialgebäudes der neuen Schule das Erdgeschoss der jetzigen Kunsthütte an der Annabergerstrasse zugewiesen. Hierzu mussten Ostern 1871 nach Errichtung einer Untersekunda noch weitere Räumlichkeiten im Uhlich’schen Hause an der Annenstrasse ermietet werden.

Inzwischen hatte der Rat mit Genehmigung der zuständigen Staatsbehörde ein auf dem Kassberg gelegenes Grundstück für rund 67 000 Mark angekauft, auf dem nun nach den Plänen des Bezirksbaumeisters Nauck und unter dessen Oberleitung am 27. April 1871 mit der Herstellung des neuen


Königliches Gymnasium.

Gymnasialgebäudes begonnen wurde. Am 8. Mai 1871 fand die feierliche Grundsteinlegung am südwestlichen Giebel des Baues statt; am 14. Oktober 1872 bezogen 11 Lehrer und 150 Schüler des Königlichen Gymnasiums das stattliche neue Heim, dessen Gesamtbaukosten sich auf 189 000 Mark beliefen. – Im Schuljahr 1898/99 besuchten 461 Schüler die Lehranstalt. –

Am 13. Januar 1873 wurde die inzwischen noch fertiggestellte Turnhalle eingeweiht. Man hatte den Bau des Gymnasiums ein grösseres Stück gegen die Strassenfront einrücken müssen, weil von der benachbarten Fabrikstrasse her die alten Bergkellereien bis unter das Grundstück des Gymnasiums reichen, da sie aber teilweise verschüttet sind, ihrer Lage nach nicht genau bestimmt werden konnten.

[99]
Das Städtische Realgymnasium.

Demselben Stamme gleichsam, wie das Gymnasium, entspross auch das jetzige Realgymnasium der Stadt. Unter Zugrundelegung eines von der Regierung gewährten Staatszuschusses errichtete die Stadtgemeinde im Jahre 1857 eine Realschule, die sich im weiteren Verlaufe der Zeit zu einem Realgymnasium entwickelte. Michaelis 1857 trat diese Realschule ins Leben und wurde, wie bereits erwähnt, zugleich mit dem Progymnasium unter gemeinsamer Leitung in dem Gebäude der damaligen höheren Bürgerschule an der Poststrasse untergebracht. Zehn Jahre darnach beschloss der Rat die Beschaffung eines eignen Realschulgebäudes, das denn auch nach den Plänen des Professor Heyn-Dresden mit einem Kostenaufwand von 267 000 Mark an der Reitbahnstrasse erbaut und am 25. Oktober 1869 eingeweiht wurde.

Bei Gelegenheit des 25jährigen Jubiläums der Lehranstalt, 1882, erteilte das Königliche Ministerium des Innern die Zusicherung, die Aula der Schule auf Kosten des Landeskunstfonds mit Gemälden


Städtisches Realgymnasium.

ausschmücken zu wollen. Der Historienmaler Professor L. Gey-Dresden erhielt den Auftrag, zu diesem Zwecke als Mittelbild „ein Athenäum klassischer Vertreter der realen Wissenschaften“ und je eine allegorische Figur als rechte und linke Seitenbilder zu schaffen. Infolge eingetretener Verzögerung und nachdem die Aula einer entsprechend künstlerischen Renovation unterzogen worden war, konnten die Gemälde erst am 27. Januar 1891 festlich enthüllt werden und bilden nun seitdem einen hervorragenden künstlerischen Schmuck des Realgymnasiums. Es sind drei mit Wachsfarbe auf Leinwand gemalte und mit Rahmen in die Wand eingelassene Gemälde. Das mittlere, das Hauptgemälde, das der Schöpfer des Bildes als „Akademie der Wissenschaften“ bezeichnete, weist als Hauptfiguren die Philosophen Sokrates, Plato und Aristoteles auf, um die sich im Mittel- und Hintergrund, abwechslungsreich gruppiert, Pythagoras und Archimedes, Cicero und Cäsar, Plinius und Vitruv sowie die vornehmsten Dichter des griechischen und römischen Altertums scharen. Die [100] allegorischen Figuren der beiden Seitengemälde stellen links die Philosophie, Naturwissenschaft und Mathematik, rechts die Religion, Poesie und Geschichte dar, und so vereinigt sich der gesamte bildnerische Schmuck der Aula zu einem harmonisch wirkenden Wesensausdruck der Schule selbst.

Im Schuljahr 1898/99 wies das Realgymnasium eine Frequenz von 433 Schülern auf.



Städtische Realschule.

Die Städtische Realschule.

Vom Realgymnasium hat sich dann wieder die Realschule abgezweigt. Nachdem sich in den 80er Jahren für die Stadt mehr und mehr das Bedürfnis herausgestellt hatte, auch eine Mittelschule zur Heranbildung brauchbarer Kräfte für Gewerbe und Industrie zu besitzen, beschlossen die städtischen Kollegien mit Genehmigung des Ministeriums, dem Realgymnasium eine Realschule anzugliedern. Ostern 1888 wurden daher zwei VI. Realschulklassen mit dem Realgymnasium verbunden. Nach fünf Jahren, Ostern 1893, war nun die Realschule als sechsklassige Lehranstalt vollendet; sie wurde daher vom Realgymnasium getrennt und unter eigne Leitung gestellt. Am 9. Oktober 1893 bezog sie ihr inzwischen auf der Höhe des Kassberges, an der Wielandstrasse erbautes eignes Heim, das der Stadt einen Kostenaufwand von rund 398 500 Mark verursachte.

Das Realschulgebäude ist ein durch kräftige Architektur sich auszeichnender Renaissancebau, dessen mittlerer, ganz in Sandstein ausgeführter Teil sich von den aus gelben Verblendziegeln hergestellten Seitenflügeln mit ihren Sandsteinsimsen und Fensterumrahmungen aus Sandstein vorteilhaft [101] abhebt. Nach vorn zu reiht sich das Realschulgebäude mit seinen Vorgärten in die fast ausschliesslich von Gärten umsäumte Flucht der Wielandstrasse ein, hinter ihr breitet sich ein gegen 4500 Quadratmeter umfassender Turn- und Spielplatz zwischen den Gärten der Nachbargrundstücke aus, und so bildet die Realschule eins der am schönsten gelegenen städtischen Schulgebäude von Chemnitz.

Die Schülerzahl der Anstalt hat sich von 240 im März 1893 auf 477 Ostern 1899 gesteigert.


Die Öffentliche Handelslehranstalt.

Im Anfang des Jahres 1848 eröffnete die hiesige „Genossenschaft des Fabrik- und Handelsstandes“ die von ihr begründete Öffentliche Handelslehranstalt mit 71 Schülern in einem an der Ecke der Theater- und Lohstrasse gelegenen Hause. Im Jahre 1855 wurde die zunächst für Handlungslehrlinge bestimmte Anstalt durch Errichtung einer Höheren Abteilung erweitert, die seitdem als völlig selbstständige Höhere Handelsschule neben der Lehrlingsabteilung fortbesteht. Nach 1866 erhielt diese Höhere Abteilung der Öffentlichen Handelslehranstalt auch das Recht, Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst auszustellen, und erfreute sich nun fortgesetzt einer lebhaften Frequenz. Das jetzige Schulgebäude der Öffentlichen Handelslehranstalt steht an der Hedwigstrasse und wurde 1878/79 nach den Plänen des Herrn Stadtrat Architekt Duderstaedt-Chemnitz mit einem Kostenaufwand von 106 785 Mark erbaut. Am 16. Juni 1878 erfolgte die Grundsteinlegung, und am 6. Oktober 1879 wurde das Gebäude seiner Bestimmung übergeben.


Öffentliche Handelslehranstalt.


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Die Höhere Webschule.

Auf Anregung des Chemnitzer Handwerkervereins wurde unter Beihilfe des Staates, der Stadtgemeinde und des Fabrik- und Handelsstandes der Stadt am 11. Mai 1857 eine „Höhere Fachschule für Weberei“ mit 5 Schülern eröffnet, denen zunächst fünf Handwebstühle für ihre praktischen Übungen zur Verfügung standen. Die stetig fortschreitende Entwicklung der Anstalt machte später die Herstellung eines eigenen Schulgebäudes erforderlich. Da auch jetzt wieder Staat und Stadt der Sache ihre Unterstützung gewährten, so konnte im Spätherbst 1863 mit dem Bau der Höheren Webschule an der Logenstrasse begonnen werden. Am 29. August 1864 erfolgte die Einweihung des stattlichen Gebäudes. Die Vorderfront des Hauses schmückt die vom Chemnitzer Bildhauer Händler geschaffene Statue Jacquards, des Erfinders des nach ihm benannten Webstuhls. Die technische Einrichtung und Ausstattung der Schule aber legt Zeugnis ab von dem hohen Interesse, das Staatsregierung und Stadtverwaltung dem Institut fortgesetzt entgegenbringen.


Höhere Webschule.


Das Volksschulwesen der Stadt Chemnitz.

Wenn wir nun eine grössere Anzahl von Ansichten der 18 Volksschulgebäude folgen lassen, die Chemnitz am Ende des Jahrhunderts aufweist, so mag auch diese bildliche Darstellung zeigen, welche Anforderungen die Stadt im Zusammenhang mit ihrer Entwicklung gerade auf dem Gebiete des Volksschulwesens zu bewältigen gehabt hat.

In den beiden ersten Jahrzehnten behalf man sich mit den aus dem 18. Jahrhundert überlieferten Verhältnissen, obwohl schon im Jahre 1801 auf die Notwendigkeit und den Vorteil einer einheitlichen Bürgerschulorganisation aufmerksam gemacht worden war. Mit dem alten, in stetigem Rückgange begriffenen Lyceum war eine Elementarschule für die Knaben der inneren Stadt verbunden. Neben dieser bestand die schon in der Reformationszeit begründete Mädchenschule für die innere [103] Stadt, zu der sich noch je eine Knaben- und Mädchenschule für die Vorstadt sowie die kleinen, aber selbstständigen Schulen der Niclas-, Schloss- und katholischen Gemeinde gesellten. Ausserdem befriedigten Privat- und Fabrikschulen sowie 17 sogenannte Winkelschulen, letztere teilweise mit fragwürdigen Lehrkräften, das sich steigernde Bildungsbedürfnis. Ja, im Jahre 1826 gab es in der Stadt sogar noch 259 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, die überhaupt noch keinen Schulunterricht genossen. Da brachte dieses Jahr 1826 einen wesentlichen Fortschritt in die Sache. Auf Anregung eines Bürgers, des damaligen Advokaten Moritz August Richter, bildete sich Anfang 1826 ein Verein für Errichtung einer allgemeinen Bürgerschule, dessen äusserst rührigem Vorgehen sich alsbald die Vertretung der Stadt anschloss.

Nach Überwindung grosser, in den oben gekennzeichneten Schulverhältnissen selbst liegender Schwierigkeiten konnte die Stadt unter Beihilfe der Staatsregierung im Herbst 1828 auf dem dazu erwählten Platze am Ausgang der Webergasse und des Planes, im alten Stadtzwinger, mit dem Bau des neuen Bürgerschulgebäudes beginnen. Am 12. Mai 1829 fand die feierliche Grundsteinlegung, am 15. August 1831 die Einweihung dieses ersten Chemnitzer Volksschulgebäudes statt, das, einschliesslich der später hineingebauten Gas- und Wasserleitung, mit einem Kostenaufwand von 93 000 Mark hergestellt wurde und bis zum Jahre 1892 seinem ursprünglichen Zwecke gedient hat.

Zugleich mit dem Schulhausbau war auch die Neuorganisation der Schule erfolgt. Darnach gliederte sich die „Allgemeine Bürgerschule“ in eine niedere, die mit einer Abendschule für die in Fabriken beschäftigten Kinder verbunden war, und in eine höhere Bürgerschule, der man eine zweiklassige Selekta angegliedert hatte. Schon am 1. November 1831 musste man diese Organisation durch Errichtung einer mittleren Bürgerschule vervollständigen, und so besass denn Chemnitz bereits ein völlig geordnetes Volksschulwesen, als das Elementarvolksschulgesetz vom 6. Juni 1835 in Sachsen in Kraft trat. Ausserdem war zugleich noch ausschliesslich aus milden Stiftungen eine Armenschule gegründet worden, die im ehemaligen Meisterhause der Strumpfwirker in der Langegasse, im sogenannten Dörfchen, Unterkommen fand. Im Jahre 1835 wurde dann nach Auflösung des Lyceums mit der höheren Bürgerschule an Stelle der bisherigen Selekta ein dreiklassiges Progymnasium verbunden.

Hatte die Allgemeine Bürgerschule im Jahre 1836 einen Bestand von 2654 Kindern aufzuweisen gehabt, die in 46 Klassen von 1 Direktor und 24 Lehrern unterrichtet wurden, so zählte man 1856 bereits 5590 Kinder in 101 Klassen mit 55 Lehrern unter 1 Direktor. Das Bürgerschulgebäude reichte nicht mehr aus: man hatte bereits das alte Lyceum und das Kantorat von St. Jacobi als Aushilfsräume für die Bürgerschule benutzen müssen. Die stetig wachsende Kinderzahl machte nun seit 1856 eine Decentralisation der Bürgerschule nötig. Zunächst wurde die höhere Bürgerschule abgetrennt und ihr ein besonderes Gebäude in der Poststrasse, das spätere neue Rathaus, mit einem Aufwand von rund 211 000 Mark geschaffen. In diesem Gebäude der höhern Bürgerschule, das Michaelis 1857 bezogen wurde, brachte man auch die gleichzeitig neuerrichtete, mit dem Progymnasium verbundene Realschule unter. Für die mittlere und niedere Bürgerschule mussten gleichfalls weitere Räumlichkeiten beschafft werden. Deshalb kaufte der Rat ein Haus in der Wiesenstrasse, dem er später zu demselben Zwecke die Erwerbung zweier Hausgrundstücke in der Sonnenstrasse folgen liess. Ebenso hatte der Rat bereits im Jahre 1858 ein bisheriges Ziegeleigrundstück an der Waisenstrasse angekauft. Hier erbaute er nun ein grosses Doppelschulgebäude, die jetzige II. Bezirksschule, mit einem Gesamtaufwand von rund 303 000 Mark, das am 1. Oktober 1860 eingeweiht wurde. Zugleich hiermit erfolgte die Selbstständigmachung der mittleren Bürgerschule und die Zerlegung der niederen in eine Knaben- und Mädchenschule, deren jede nun unter eigne Direktion kam und ihr besonderes Lehrerkollegium erhielt. Endgültige Aufhebung der Abendschule, Einführung des Turnunterrichts in der höheren und mittleren Bürgerschule, des Unterrichts in weiblichen Handarbeiten in der niedern Mädchenschule und des fremdsprachlichen Unterrichts in der höhern Knaben- und Mädchenschule vervollständigten den Fortschritt von 1860 in der Organisation des städtischen Volksschulwesens.

Schon elf Jahre darnach, 1871, musste der Rat abermals an die Erbauung eines neuen Bürgerschulgebäudes denken: man kaufte das zwischen dem Reichenhainer- und Bernsdorfer Wege gelegene Günther’sche Gut und erbaute auf diesem Areale am Bernsbachplatze für 823 158 Mark ein grosses Doppelschulhaus, die jetzige III. Bezirksschule, das am 10. November 1874 feierlich

[104]

Höhere Knabenschule. (Neue Dresdenerstrasse.)

Höhere Mädchenschule. (Annenstrasse.)

[105]

I. Bezirksschule. (Kastanienstrasse.)

V. Bezirksschule. (Mühlenstrasse.)

[106] eingeweiht wurde. Zugleich hiermit vollzog sich aber auch eine einschneidende Umgestaltung des Chemnitzer Volksschulwesens, der Übergang zum Bezirksschulsystem. Man löste die bisherige mittlere und niedere Bürgerschule auf und verwandelte sie in eine Bezirksschule mit I. und II. Abteilung. Dieser Bezirksschule waren nun fortan alle schulpflichtigen Kinder der Stadt zuzuführen, soweit sie nicht die höhere Knaben- oder Mädchenschule besuchten. Nur die vormalige Nicolaivorstadt bildete trotz ihrer bereits 1843 erfolgten Einverleibung in die Stadt noch eine besondere Schulgemeinde, und diese ist dann erst am 1. Oktober 1882 mit der städtischen Schulverwaltung verschmolzen worden. Das ehemalige Bürgerschulgebäude am Theaterplatz, die Schulen an der Waisenstrasse und am Bernsbachplatz bildeten jetzt die drei ersten Bezirksschulen. Die gleichzeitige Einführung des Zeichen- und Turnunterrichts in der II., des Handarbeitsunterrichtes in der I. Mädchenabteilung, die Herabsetzung der Maximalzahl des Klassenbestandes in der II. Abteilung von 60 auf 50 Kinder sowie die Verminderung der Pflichtstundenzahl aller Lehrer machten bei dieser Umgestaltung des städtischen Volksschulwesens im Jahre 1874 auch die Neuanstellung zahlreicher Lehrkräfte nötig. Im folgenden Jahre, 1875, wurde dann auch auf Grund des Volksschulgesetzes vom 26. April 1873 die Fortbildungsschule errichtet, die man nun mit der vom Handwerkerverein bereits im Jahre 1829 gegründeten gewerblichen Fortbildungsschule, der sogenannten Sonntagsschule, in Zusammenhang brachte.


IV. Bezirksschule. (Uhlandstrasse.)

Inzwischen wuchs die Zahl der schulpflichtigen Kinder aber immer mehr. Die vorhandenen Schulgebäude reichten nicht mehr aus: wieder musste man zur interemistischen Benutzung der städtischen Grundstücke in der Wiesenstrasse und auf dem Sonnenberg greifen, konnte sich aber trotzdem der Errichtung neuer Schulgebäude nicht entziehen. Da sich vor allem zunächst eine Trennung der höhern Bürgerschule in eine entsprechende Knaben- und Mädchenschule nötig machte, so erbaute man im Jahre 1876/77 zwei Gebäude für die höhere Mädchenschule, von denen das an der Brückenstrasse am 8. Oktober 1877 geweiht wurde und einen Kostenaufwand von 191 700 Mark verursachte, das an der Annenstrasse für 212 000 Mark hergestellte gleichfalls am 8. Oktober 1877 eröffnet wurde. An demselben Tage fand aber auch die Einweihung des am Körnerplatz errichteten Mädchenschulgebäudes der IV. Bezirksschule statt, während das dazugehörige Knabenschulhaus Ostern 1878 bezogen wurde. Die Herstellung der IV. Bezirksschule hatte der Stadt einen Kostenaufwand von 431 398 Mark verursacht. Im nächsten Jahre, 1878, verlegte man die höhere Knabenschule aus ihrem bisherigen Heim nach der dem Staat für 300 000 Mark abgekauften vormaligen Gewerbschule an der Dresdenerstrasse, für deren Umbau noch weitere 123 749 Mark von der Stadt verausgabt worden waren; Ostern 1878 fand diese Übersiedelung statt.

[107]

VI. Bezirksschule. (Waldstrasse.)

VIII. Bezirksschule. (Josephinenplatz.)

[108] Nachdem dann am 28. September 1880 bei der Verschmelzung der Gemeinde Schlosschemnitz mit der Stadtgemeinde die von der ersteren für 235 000 Mark erbaute, am ersten Oktober 1876 eingeweihte Schule an der Waldstrasse mit 1276 Kindern in 28 Klassen und mit 19 Lehrkräften dem Chemnitzer Volksschulverband als VI. Bezirksschule einverleibt worden und mit Ablauf dieses Jahres 1880 die Übernahme sämtlicher, bisher von der Schulgemeinde Chemnitz erbauter Schulgebäude durch die Stadtgemeinde erfolgt war, wurden nun von dieser, dem weiteren Wachstum der Stadt entsprechend, die andern zur Zeit bestehenden Bezirksschulgebäude errichtet. Am 1. Oktober 1882 fand die Einweihung der V. Knabenbezirksschule am Brühl, am 6. Oktober 1884 die der zugehörigen Mädchenschule statt. Das Gebäude für die Knabenabteilung der VII. Bezirksschule an der Rudolfstrasse ist Ostern 1889 eröffnet worden, während das Schulhaus der entsprechenden Mädchenabteilung bereits am 4. Oktober 1886 geweiht worden war. Die VIII. Bezirksschule, die ursprünglich in der jetzigen, 1886/88 erbauten Mädchenschule des I. Bezirkes an der Kastanienstrasse untergebracht worden war, wurde Ostern 1892 in das jetzige, am 30. April 1892 geweihte Knabenschulgebäude am Josephinenplatz verlegt, und erst am 3. Oktober 1892 erhielt diese VIII. Bezirksschule ein eigenes Mädchenschulgebäude an der Agnesstrasse.


IX. Bezirksschule. (Freigutstrasse.)

Am 18. Juli 1890 war ferner das jetzige, erst seit 1896 dieser Bestimmung übergebene Knabenschulgebäude der IX. Bezirksschule an der Freigutstrasse eingeweiht worden, während die dazugehörige Mädchenbezirksschule erst am 5. Oktober 1896 feierlich eröffnet wurde. War ferner schon zu Ostern 1888, wie oben berührt, ein Gebäude für die VIII. Bezirksschule an der Kastanienstrasse in Gebrauch genommen worden, so folgte diesem am 30. April 1892 die Weihe eines zweiten Gebäudes daselbst; in diesem wurde nun nach Einziehung des alten Gebäudes, der vormaligen Bürgerschule an der Theaterstrasse, die Knabenabteilung der I. Bezirksschule untergebracht, während das bisherige Gebäude der VIII. für die Mädchen der I. Bezirksschule an der Kastanienstrasse eingerichtet wurde. Am 1. Oktober 1894 erfolgte dann die Schulhausweihe der X. Bezirksschule an der Philipp- und Reinhardtstrasse. An demselben 1. Oktober 1894 ging aber auch bei der Einverleibung von Altchemnitz die nach den Plänen des Herrn Baumeister C. G. Wenzel-Altchemnitz für 160 000 Mark, ausschliesslich Areal und Einrichtung, erbaute, am 23. September 1889 geweihte Altchemnitzer Schule als XI. Bezirksschule in den Besitz der Stadt über. Dazu ist die Errichtung weiterer Bezirksschulgebäude im Jahre 1899 bereits teils geplant, teils schon, wie der Ergänzungsbau für die III. Bezirksschule an der Reichenhainerstrasse, in Angriff genommen.

Hatte die Stadt im Jahre 1880 bei der obenerwähnten Übernahme der damals vorhandenen Volksschulgebäude in die Gemeindeverwaltung für die 4 Bezirksschul- und 3 höheren Bürgerschulgebäude 2 479 500 Mark berechnet, so repräsentieren die seit jener Zeit von der Stadt erbauten, [109] beziehentlich übernommenen übrigen Volksschulgebäude einen Wert von 3 067 099,98 Mark. Denn die Bauausführungskosten betrugen je für die Knaben- und Mädchenschule der I. Bezirksschule 220 953,05 und 283 280,45 Mark, der V. 238 042,16 und 205 271,83 Mark, für die VI. 237 900 Mark, für die Knaben- und Mädchenschule der VII. 223 961,64 beziehentlich 232 490,84 Mark, der VIII. 227 005,97, beziehentlich 249 056,93, der IX. 281 227,42, beziehentlich 265 853,74 Mark, für die X. 242 055,95 und für die XI. ausschliesslich der Einrichtungskosten 160 000 Mark.

Diese bedeutenden Summen wird man aber verstehen, wenn man sich die Entwicklung des städtischen Volksschulwesens noch zahlenmässig vergegenwärtigt. Hatte es da im Jahre 1856 insgesamt 5590 Bürgerschüler gegeben, so betrug schon 1860 allein in der mittlern und niedern Bürgerschule, also der nachmaligen Bezirksschule, die Gesamtkinderzahl 5420. Bei Einführung des Bezirksschulsystems, 1874, hatte sich diese Kinderzahl bereits auf 8976 gesteigert. Im Jahre 1885 weisen dann die vorhandenen Bezirksschulen einen Bestand von 15 351 Kindern auf, der bis 1898 auf 24 107 angewachsen ist. Dementsprechend wuchs auch die Zahl der Bezirksschulklassen von 98 im Jahre 1860 auf 180, 331 und 550 in den Jahren 1874, 1885 und 1898.


Katholische Volksschule. (Kassbergstrasse.)

Wie sehr aber Stadt- und Schulverwaltung bemüht sind, auch in der Volksschule den hygienischen und sozialen Forderungen der Zeit gerecht zu werden, das zeigen drei seit 1890 mit der Volksschule verbundene Einrichtungen, deren zum Schluss noch an dieser Stelle Erwähnung gethan werden soll. Das sind die bereits oben erwähnten Jugendspiele, die Freibäder und der hauswirtschaftliche Unterricht. Während an den ersteren regelmässig alle Volksschulen, Knaben und Mädchen, teilnehmen, beschränkt sich die Erteilung von Freikarten für die beiden städtischen Badeanstalten auf täglich ungefähr 400 Kinder der II. Abteilung der Bezirksschulen; der hauswirtschaftliche, beziehentlich Kochunterricht dagegen ist auf die im letzten Schuljahr stehenden Mädchen der einfachen Volksschule (II. Abteilung) beschränkt und wird zur Zeit in zwei besonders dafür hergestellten Kochschulgebäuden erteit. Das erste derselben wurde bereits im Jahre 1891 auf dem Areal der V. Mädchenbezirksschule an der Mühlenstrasse erbaut und am 10. August jenes Jahres eröffnet; das zweite, auf dem Grundstück der III. Bezirksschule am Bernsbachplatze errichtete Kochschulgebäude wurde am 17. April 1893 seiner Bestimmung übergeben. Die Herstellung beider Gebäude erforderte einen Gesamtaufwand von rund 26 500 Mark.

[110] Ausser den zur Zeit bestehenden städtischen Volksschulen ist auch noch diejenige der hiesigen katholischen Gemeinde zu erwähnen. Bereits im Jahre 1820 stellte das Apostolische Vikariat einen Lehrer für die Kinder der katholischen Gemeinde zu Chemnitz an. Jahrzehntelang waren dann die Schulräumlichkeiten im Apostolischen Vikariatsgebäude am Rossmarkt untergebracht. Schliesslich aber wurden sie so unzulänglich, dass die überaus rührigen Leiter der katholischen Schulgemeinde die Erbauung eines eignen Schulhauses beschlossen. Für 53 520 Mark erwarb man 1889 ein an der Kassbergstrasse gelegenes Areal und errichtete hier mit einem Bauaufwand von 182 000 Mark das freundlich gelegene katholische Schulhaus, das Ostern 1891 eingeweiht und mit 525 Kindern bezogen wurde. Das Schuljahr 1898/99 wies einen Bestand von 671 Kindern, 315 Knaben und 356 Mädchen, auf.