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Seite:Chemnitz am Ende des XIX Jahrhunderts in Wort und Bild.pdf/111

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Stadt, zu der sich noch je eine Knaben- und Mädchenschule für die Vorstadt sowie die kleinen, aber selbstständigen Schulen der Niclas-, Schloss- und katholischen Gemeinde gesellten. Ausserdem befriedigten Privat- und Fabrikschulen sowie 17 sogenannte Winkelschulen, letztere teilweise mit fragwürdigen Lehrkräften, das sich steigernde Bildungsbedürfnis. Ja, im Jahre 1826 gab es in der Stadt sogar noch 259 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, die überhaupt noch keinen Schulunterricht genossen. Da brachte dieses Jahr 1826 einen wesentlichen Fortschritt in die Sache. Auf Anregung eines Bürgers, des damaligen Advokaten Moritz August Richter, bildete sich Anfang 1826 ein Verein für Errichtung einer allgemeinen Bürgerschule, dessen äusserst rührigem Vorgehen sich alsbald die Vertretung der Stadt anschloss.

Nach Überwindung grosser, in den oben gekennzeichneten Schulverhältnissen selbst liegender Schwierigkeiten konnte die Stadt unter Beihilfe der Staatsregierung im Herbst 1828 auf dem dazu erwählten Platze am Ausgang der Webergasse und des Planes, im alten Stadtzwinger, mit dem Bau des neuen Bürgerschulgebäudes beginnen. Am 12. Mai 1829 fand die feierliche Grundsteinlegung, am 15. August 1831 die Einweihung dieses ersten Chemnitzer Volksschulgebäudes statt, das, einschliesslich der später hineingebauten Gas- und Wasserleitung, mit einem Kostenaufwand von 93 000 Mark hergestellt wurde und bis zum Jahre 1892 seinem ursprünglichen Zwecke gedient hat.

Zugleich mit dem Schulhausbau war auch die Neuorganisation der Schule erfolgt. Darnach gliederte sich die „Allgemeine Bürgerschule“ in eine niedere, die mit einer Abendschule für die in Fabriken beschäftigten Kinder verbunden war, und in eine höhere Bürgerschule, der man eine zweiklassige Selekta angegliedert hatte. Schon am 1. November 1831 musste man diese Organisation durch Errichtung einer mittleren Bürgerschule vervollständigen, und so besass denn Chemnitz bereits ein völlig geordnetes Volksschulwesen, als das Elementarvolksschulgesetz vom 6. Juni 1835 in Sachsen in Kraft trat. Ausserdem war zugleich noch ausschliesslich aus milden Stiftungen eine Armenschule gegründet worden, die im ehemaligen Meisterhause der Strumpfwirker in der Langegasse, im sogenannten Dörfchen, Unterkommen fand. Im Jahre 1835 wurde dann nach Auflösung des Lyceums mit der höheren Bürgerschule an Stelle der bisherigen Selekta ein dreiklassiges Progymnasium verbunden.

Hatte die Allgemeine Bürgerschule im Jahre 1836 einen Bestand von 2654 Kindern aufzuweisen gehabt, die in 46 Klassen von 1 Direktor und 24 Lehrern unterrichtet wurden, so zählte man 1856 bereits 5590 Kinder in 101 Klassen mit 55 Lehrern unter 1 Direktor. Das Bürgerschulgebäude reichte nicht mehr aus: man hatte bereits das alte Lyceum und das Kantorat von St. Jacobi als Aushilfsräume für die Bürgerschule benutzen müssen. Die stetig wachsende Kinderzahl machte nun seit 1856 eine Decentralisation der Bürgerschule nötig. Zunächst wurde die höhere Bürgerschule abgetrennt und ihr ein besonderes Gebäude in der Poststrasse, das spätere neue Rathaus, mit einem Aufwand von rund 211 000 Mark geschaffen. In diesem Gebäude der höhern Bürgerschule, das Michaelis 1857 bezogen wurde, brachte man auch die gleichzeitig neuerrichtete, mit dem Progymnasium verbundene Realschule unter. Für die mittlere und niedere Bürgerschule mussten gleichfalls weitere Räumlichkeiten beschafft werden. Deshalb kaufte der Rat ein Haus in der Wiesenstrasse, dem er später zu demselben Zwecke die Erwerbung zweier Hausgrundstücke in der Sonnenstrasse folgen liess. Ebenso hatte der Rat bereits im Jahre 1858 ein bisheriges Ziegeleigrundstück an der Waisenstrasse angekauft. Hier erbaute er nun ein grosses Doppelschulgebäude, die jetzige II. Bezirksschule, mit einem Gesamtaufwand von rund 303 000 Mark, das am 1. Oktober 1860 eingeweiht wurde. Zugleich hiermit erfolgte die Selbstständigmachung der mittleren Bürgerschule und die Zerlegung der niederen in eine Knaben- und Mädchenschule, deren jede nun unter eigne Direktion kam und ihr besonderes Lehrerkollegium erhielt. Endgültige Aufhebung der Abendschule, Einführung des Turnunterrichts in der höheren und mittleren Bürgerschule, des Unterrichts in weiblichen Handarbeiten in der niedern Mädchenschule und des fremdsprachlichen Unterrichts in der höhern Knaben- und Mädchenschule vervollständigten den Fortschritt von 1860 in der Organisation des städtischen Volksschulwesens.

Schon elf Jahre darnach, 1871, musste der Rat abermals an die Erbauung eines neuen Bürgerschulgebäudes denken: man kaufte das zwischen dem Reichenhainer- und Bernsdorfer Wege gelegene Günther’sche Gut und erbaute auf diesem Areale am Bernsbachplatze für 823 158 Mark ein grosses Doppelschulhaus, die jetzige III. Bezirksschule, das am 10. November 1874 feierlich

Empfohlene Zitierweise:
: Chemnitz am Ende des XIX Jahrhunderts in Wort und Bild. Körner & Lauterbach, Chemnitz ca. 1900, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Chemnitz_am_Ende_des_XIX_Jahrhunderts_in_Wort_und_Bild.pdf/111&oldid=- (Version vom 5.3.2025)