Burg Landeck im Innthale in Tyrol
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in Tyrol.
Sind die Naturscenen der Schweiz groß, erhaben, allbewundert, so sind es nicht minder die Schönheiten unsers viel größern deutschen Alpenlandes, denen, im Vergleich zu jenen, der Vorzug weit größerer Mannichfaltigkeit nicht abgestritten werden kann. Ein Thal aus dem Voralberg, ein Thal aus der breiten Centralkette Tyrols, oder aus jener Steyermarks, eine Gegend um Klagenfurt, um Botzen, um Idria; aus dem Fassa-, oder aus dem Pusterthale: wie himmelweit sind die Hauptzüge dieser Gegenden von einander verschieden! Bald die Hochgebirgsgemälde der Kalkalpen mit ihren öden, 7–8000 Fuß hohen, rissigen und ausgehöhlten Hochflächen; bald bis an ihre Gipfel mit saftiggrünen Matten bedeckte Bergspitzen, Schneefelder auf dem braunen Fels des Urgebirgs; bald die Eisgefilde, Eismeere, in allen ihren Formen: als Hochfirnen, Gletscherebenen, Gletscherstufen und Gletscherstürze; Eisberge, Eishörner, Eisnadeln, Eiskegel und Riffe; die Thal-, Strom- und Seegebilde von allen Abstufungen: Thalengen und Weitungen; Thalstürze und Ebenen; da ein weiter Seespiegel im Hügelland, nur in der Ferne von den Hochalpen begrenzt; dort ein reizender Seebusen, azurblau und von hohen Marmorwänden umschlossen; dort ein Hochsee, schon in der Wolkenregion schwebend und nur von dem grau-grünen Kranze zackigter Hochgipfel noch eingefaßt und getragen.
Jede Gegend der deutschen Alpen hat des Eigenthümlich-Schönen so Vieles, daß es gewissermaßen ungerecht wäre, eine einzige als die vorzüglichste zu bezeichnen. Mancher setzt die Szenerien des üppig-wilden Etschthals Allem voran; Mancher reicht den Naturgemälden des Salzathals den Preis; Mancher erkor die Gegenden der Drau und der Ens zu seinen Lieblingen: die meisten Meinungen für die größern Vorzüglichkeiten möchte indeß immer das Innthal für sich vereinigen, das in seiner 50stündigen Länge dem Wanderer einen wirklich unendlichen Reichthum von Naturschönheiten, von den lieblichsten an bis zu den grauenhaftesten und grandiosesten, darbietet. Kein Gebirge hat einen Strom aufzuweisen, wie diesen mächtigern Alpenstrom, der seine grünlich-weißen Wogen bald durch weites, tiefes Thal treibt, belebt von Städten und volkreichen Flecken, bald durch wild-schauerliche Engen fortwälzt, während ihm vom plötzlichen Abbruch eines Hochthals der mächtige Giesbach [117] donnernd zustürzt, Dampfwolken, wie ein Vulkan, von sich schleudernd, oder der Schleier eines Staubbachs, kaum hörbar, von duftiger Wand ihn umflattert. –
Landeck ist in diesem Szenenschmuck ein kostbarer Juwel. Von Innsbruck führt die Bregenzer Straße bei der steilen Martinswand vorbei (wem hätte wohl nicht die Romanze die Geschichte vom Kaiser Max erzählt!) über Zirl, Telfs und Nassereith (von dem Gipfel des diesem Ort nächsten Bergs fällt der Blick auf das prachtvollste Amphitheater der ganzen Alpenwelt) nach Imst, einem schönen, gewerbthätigen Flecken, berühmt durch seinen Bergbau und noch mehr durch die Zucht der schönsten Kanarienvögel, mit welchen bis in die fernsten Weltgegenden Handel getrieben wird. Von Imst aus wird das Thal enger, das Flußgefälle steiler, die Bergwände höher und senkrechter. Nach 3 Stunden erreicht man Landeck, dessen Häuser in der finstern Schlucht hinziehen, welche hier so enge ist, daß die hintern Wände der Wohnungen oft von dem Felsen selbst gebildet werden, an denen sie, gleich Schwalbennestern an den Häusern, angebaut sind. Doch hat das gewerbfleißige und gar nicht arme Dorf eine niedliche Kirche. Hoch über dem Orte prangt auf einem Felszacken, wie der Horst eines Lämmergeiers, die uralte Felsenburg, welche dem Dorfe den Namen gab. Die Trümmer sind nicht ohne Anstrengung auf schlüpfrigem Steinpfade zu erklimmen. Aber es lohnt die Mühe der herrliche Blick auf eine der frappantesten Szenen des romantischen Innthals. Unten fluthet und tobt über sein schroff abstürzendes Felsenbett hin der gewaltige Inn und sprühet Dampfwolken auf; ruhig überschreitet die feste Brücke den Zürnenden und der friedliche Verkehr zieht auf ihr unbesorgt unter den Mauern hin, denen einst kein Fuhr- und Handelsmann ohne Todesfurcht im Herzen nahe zu kommen wagte: – denn Landeck war eines der berüchtigsten Raubnester, und seine Besitzer, so oft sie auch wechselten, lebten vom Sattel und Stegreif.
Die Ruinen Landecks sind noch von großer Bedeutung. Wände, Thurmtheile und gewaltige Mauerreste stehen noch, ungerechnet, was von den Burggebäuden zu neuern Wohnungen im Dorfe verwendet worden ist. Die Zerstörung der Veste fällt in das fünfzehnte Jahrhundert.