Blum
Vor zwei und vierzig Jahren war’s, da hat mit Macht geschrieen
Ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knieen;
Ein Kind mit breiter, offner Stirn, ein Kind von heller Lunge,
Ein prächtig Proletarierkind, ein derber Küferjunge.
Die Mutter hat mit Lächeln ihn an ihre Brust gehalten;
An ihrer Brust, auf ihrem Arm hat sie ihn eingesungen: –
Es ist zu Köln das Wiegenlied des Knaben hell erklungen.
Und heut in diesem selben Köln zum Wehn des Winterwindes
Nicht singt die Ueberlebende, die Mutter, es dem Sohne:
Das ganze schmerzbewegte Köln singt es mit festem Tone.
Es spricht: Du, deren Schoos ihn trug, bleib still auf deiner Kammer!
Vor deinem Gott, du graues Haupt, ausströme deinen Jammer!
Ich und die Revolution, die grimme, lichterlohe!
Bleib du daheim mit deinem Schmerz! Wir wahren seine Ehre –
Des Robert Requiem singt Köln, das revolutionäre!
So redet Köln! Und Orgelsturm entquillt dem Kirchenchore,
Die Kerzen werfen matten Schein, die Weihrauchwolken ziehen,
Und tausend Augen werden naß bei Neukomms Melodien.
So ehrt die treue Vaterstadt des Tonnenbinders Knaben –
Ihn, den die Schergen der Gewalt zu Wien gemordet haben!
Auf bis zu Frankfurts Parlament mit starker Hand gehauen!
(Dort auch, was er allstündlich war, ein Wackrer, kein Verräther!) –
Was greift ihr zu den Schwertern nicht, ihr Singer und ihr Beter?
Was werdet ihr Posaunen nicht, ihr ehr’nen Orgeltuben,
Den Henkern, die ihn hingestreckt auf der Brigittenaue –
Auf festen Knieen lag er da im ersten Morgenthaue!
Dann sank er hin – hin in sein Blut – lautlos! – heut vor acht Tagen!
Zwei Kugeln haben ihm die Brust, eine das Haupt zerschlagen!
So schall’ ihm denn ein Requiem, ein Lied der ew’gen Ruhe!
Ruh’ ihm, der uns die Unruh’ hat als Erbtheil hinterlassen: –
Mir, als ich heut im Tempel stand in den bewegten Massen,
Mir war’s, als hört’ ich durch den Sturm der Töne ein Geraune:
Es werden, die du singen siehst, das Schwert in Händen tragen –
Denn nichts als Kampf und wieder Kampf entringt sich diesen Tagen!
Ein Requiem ist Rache nicht, ein Requiem nicht Sühne –
Bald aber steht die Rächerin auf schwarzbehangner Bühne!
Wird sie und soll und muß sie sich in Permanenz erklären!
Dann wird ein ander Requiem den todten Opfern klingen –
Du rufst sie nicht, die Rächerin, doch wird die Zeit sie bringen!
Der Andern Greuel rufen sie! So wird es sich vollenden –
Vor zwei und vierzig Jahren war’s, da hat mit Macht geschrieen
Ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knieen!
Acht Tage sind’s, da lag zu Wien ein blut’ger Mann im Sande –
Heut scholl ihm Neukomms Requiem zu Köln am Rheinesstrande.
Köln, 16. November 1848