Beschreibung des Oberamts Marbach/Kapitel B 19
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Oberstenfeld selbst ist ein ansehnlicher, in die Länge gedehnter Ort, durch den die Landstraße von Groß-Bottwar nach Beilstein führt; von ihr zweigen innerhalb des Dorfs Vicinalstraßen nach Klein-Aspach und Gronau, beziehungsweise Schmidhausen, ab. Die übrigen Seitenstraßen sind enge und winkelig. An den Straßen lagern sich meist gedrängt, die aus Holz erbauten, theilweise mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude, unter denen sich manches stattliche Bauernhaus geltend macht; überhaupt ist der Ort im allgemeinen freundlich, reinlich und besser aussehend als viele Orte nicht allein im Bezirk selbst, sondern auch im übrigen Württemberg.
Von Groß-Bottwar herkommend überrascht gleich beim Eintritt in das Dorf die etwas erhöht gelegene, münsterartig kräftig sich erhebende, architektonisch sehr interessante Stiftskirche, mit dem anstoßenden, ansehnlichen Stiftsgebäude und dem dazu gehörigen großen Stiftsgarten, welcher der jeweiligen Äbtissin zur Benützung überlassen ist.
Die Stiftskirche, eine der orginellsten, im romanischen Styl erbauten Basiliken unseres Landes, besteht aus einer Unterkirche (Krypta) und einer Oberkirche; die Unterkirche, deren westlicher Theil in sehr frühe Zeit zurückgeht, ist dreischiffig und mit gurtenlosen Kreuzgewölben überspannt, die auf 8 niedrigen mit schlichten Würfelknäufen versehenen Rundsäulen ruhen. Kleine, aus einem Stein gearbeitete Rundbogenfensterchen brachten einst spärliches Licht in diesen still verborgenen heiligen Raum.[2] Über diese Krypta her, über| der vielleicht früher eine kleinere Kirche oder Kapelle stand, ward in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die jetzige großartige romanische Stiftskirche erbaut und zwar so, daß der an der Ostseite des Gebäudes stehende Thurm mit seinem untersten Stockwerk eine Verlängerung der ursprünglichen Krypta, das zweite Stockwerk des Thurms aber den Chor der Oberkirche bildet. Dieser Anbau an die ursprüngliche Krypta ist mit ihr von gleicher Breite, jedoch bedeutend höher und nur einschiffig, im Grundriß quadratisch mit kräftigen, nicht hohen Rundsäulen in den Ecken, die ein hohes, spitzbogiges Gurten-Kreuzgewölbe tragen.Das großartigste und architektonisch interessanteste des Kirchengebäudes ist der dreistockige massiv aus Quadern erbaute Thurm; das vierte Stockwerk wurde styl- und geschmacklos in neuerer Zeit aus Holz aufgebaut und ist, wie auch das ihm aufgesetzte geschweifte Dach, mit Schiefer verkleidet. Das untere, ganz einfach gehaltene Stockwerk des Thurms enthält an der Ostseite (Schauseite) ein kleines tief eingeschrägtes Fenster, das Licht in die Krypta bringt und ist an der sonst schmucklosen Wand mittelst Lisenen in drei hohe Felder getheilt. In das zweite, reicher ausgestattete Stockwerk setzt die Lisenentheilung bis über dessen halbe Höhe hinauf fort, schließt wagrecht mit einem Rundbogenfriese und umfaßt das in den Chor eingehende Rundbogenfenster, welches durch Rundstäbe und Kehlen schön gegliedert ist und auf der tief eingeschrägten Fensterbrüstung zwei gegeneinander springende Thiergestalten (Löwe und Bär) enthält. Die obere Abtheilung dieses Stockwerks zeigt nur noch Lisenen an den Ecken und schließt mit einem kleinen gezahnten, wagrecht hinziehenden Rundbogenfries ab; es enthält ein ebenfalls in den Chor eingehendes Rundfenster. Die beiden anderen freien Seiten (Nord- und Südseite) des Thurms haben keine Theilung durch Lisenen und zeigen nur einfache Rundbogenfensterchen. Das dritte und zugleich schönste Stockwerk enthält an der Ostseite ein sehr schönes großartiges, durch eine Säule getheiltes Rundbogen-Doppelfenster mit Säulen in den beiden Ecken, welche die Bögen tragen; die Südseite schmückt ein dreifaches Rundbogenfenster, dessen Bögen auf schlanken der Tiefe nach gestellten, mit Fratzenköpfen ausgestatteten Doppelsäulen ruhen; auf der Nordseite finden wir wieder ein Fenster, das dem auf der Ostseite ähnlich ist, nur mit dem Unterschied, daß hier in der Mitte zwei Säulen stehen. Über diesen großen Fenstern befindet sich, auch auf der vierten ganz einfach behandelten Seite, je ein durch ein | Säulchen getheiltes Doppelfensterchen. Ein Rundbogenfries schließt das dritte Stockwerk ab.
An dem dreischiffigen Langhaus hat sich am Mittelschiff der ursprüngliche romanische Styl noch erhalten, während die Seitenschiffe an den Langseiten theils in den spätgothischen, minder schönen Styl, theils ganz styllos verändert wurden und nur die südliche Abside, die nördliche ist verbaut, ziert noch den Schluß des Seitenschiffs; an ihr laufen von dem wohlgegliederten Sockel Dreiviertelssäulen bis zum Rundbogenfries des Daches. Die Säulen haben attische Basen und tragen würfelähnliche, mit Laubwerk und Voluten einfach gezierte Kapitäle. Dieser Abside ist in neuerer Zeit ein Verputz gegeben worden, wodurch sie leider an ihrer ursprünglichen Schönheit verloren hat. Das 150′ lange und 50′ breite Innere der Kirche zerfällt in 3 Abtheilungen und zwar: in das eigentliche Langhaus, das bis in die Mitte der ganzen Kirchenlänge reicht; es ist eine dreischiffige flachgedeckte Basilika von je 5 Säulen, deren kräftige Würfelknäufe gedrückte spitzbogige Arkaden tragen. Von hier führen 8 Stufen über die Gewölbe der Krypta in die zweite Abtheilung, einen Pfeilerbau mit zwei quadratischen, einst von hohen Gurtkreuzgewölben überspannten Feldern. Von diesem Raum gelangt man über 11 Stufen, welche über das Gewölbe des Kryptenanbaues führen, in den eigentlichen Chor, nämlich in das zweite mit einem Kreuzgewölbe versehene Stockwerk des Thurms. Die Seitenschiffe setzen sich bis an den Thurm eben fort und schließen mit halbrunder Abside.
Im eigentlichen Chor befinden sich schön gothisch gehaltene, mit Schnitzwerk gezierte Chorstühle, die leider wie noch vieles andere innerhalb und außerhalb der Kirche, unkünstlerisch getüncht wurden. Überdieß enthält der Chor einen alten einfachen Altar mit dem Sepulchrum in der Mitte, und an der Chorwand ist ein Sakramentkästchen angebracht, das neben romanischen Charakteren, auch früh- und spätgothische zeigt; oben steht die Jahreszahl 1214.
In der Abside des südlichen Seitenschiffs befindet sich die von Weiler’sche Kapelle mit Begräbnißstätte, die neben mehreren auf dem Boden liegenden, unleserlich gewordenen Grabplatten, ein großes an der Wand stehendes Grabdenkmal enthält, auf dem ein Ritter und seine Frau knieend einander entgegengekehrt, dargestellt sind; unter ihnen sind die Wappen der v. Weiler und der Willich angebracht. Der Sockel enthält folgende Inschrift: Anno dom. 1585 am 2. Tag Martius starb der edel und vest Wolfgang v. Weiler zu Liechtenberg dem Got gnad amen. Anno dom. 1585 am 10. Tag Aprilis starb| die edel und tugendsam Fraw Brigita v. Weiler, geb. Wilchin von Alzheim sein eheliche Hausfraw. Got gnad ihr. Daselbst ist auch ein sehr gut gearbeiteter, leider nicht erhaltener Flügelaltar aufgestellt; er enthält im Mittelbild gut auf Holz gemalt die Kreuztragung des Herrn; an den beiden Innenseiten der Flügelthüren sind Scenen aus der Leidensgeschichte Christi, auf den Außenseiten die Kreuzigung und die Auferstehung und neben den Flügelthüren einerseits Petrus, andererseits Paulus dargestellt. Die Predella zeigt in knieender betender Stellung einen Ritter neben dem v. Weiler’schen Wappen mit 5 geharnischten Söhnen und ihm gegenüber dessen Frau neben dem von Wilchen’schen Wappen mit 2 Töchtern in alter anständiger Tracht. An der Predella steht die Jahreszahl 1578 und am Untersatz des Altars ist das Wappen der Herren von Weiler groß angemalt. Es ist demnach unzweifelhaft, daß die Stifter des Altars die oben angeführten sind, deren Grabmal an der nahen Wand aufgestellt ist. Im Chor und in der Kirche sind noch viele Grabsteine, welche früheren Äbtisinnen angehören, aufgestellt, von denen wir nur die älteren anführen:1. Anno 1570 d. 28. Dag Maii verschied in Got die ehrwürdig edle und tugendrich Frow Magdalena von Thalheim der freyen adeligen Stiftung zu Oberstenfeld Äbtisin etc. Unter der Inschrift ist auf einem Hund stehend eine in Klostertracht gehüllte, weibliche Person, den Rosenkranz in den gefalteten Händen haltend, dargestellt.
2. Eine Frau in klösterlicher Tracht mit einem Gebetbuch in den gefalteten Händen; die Unterschrift lautet: Anno 1582. d. 8. Aprilis ist in Got verschiden die ehrwirdig und edel Fraw Maria Elisabeth v. Weitershausen weilund der freyen adeligen Stiftung Oberstenveld Abbatisin etc.
3. Eine knieende betende Frau in Klostertracht, unter ihr die Inschrift: Anno dom. 1588 d. 31. Maii ist in Got verschiden die ehrwirdig und edel Fraw Christina v. Schwalbach der freyen adeligen Stiftung Oberstenfeld Abbatisin etc.
Außer diesen sind noch Grabdenkmale vorhanden von einer Frau v. Remchingen starb 1614, einer Äbtissen Dorothea v. Neuenhaus starb 1636, einer Rosina Barbara Horneckin v. Hornberg starb 1702, einer Äbtissen Antonia Johanna Fridrika v. Bouwinghausen starb 1724, eines Stiftsfräuleins Sophia Juliana v. Wöllwarth starb 1747, einer Äbtissen Magdalena Friedrika Freien v. Menzingen starb 1780 u. s. w. Auch an der äußeren südlichen Kirchenwand stehen noch Grabsteine aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
| Von den auf dem Thurme hängenden 2 Glocken ist die große von Christian Ginther zu Königsbronn 1773, und die kleine von C. G. Neubert in Ludwigsburg 1798 gegossen worden.Die Stiftskirche ist Eigenthum des Staats, der sie auch zu unterhalten hat.
An die südwestliche Ecke der Kirche ist das sehr ansehnliche, dreistockige Stiftsgebäude angebaut, das im zweiten Stockwerk die Wohnungen der Äbtissin und der Stiftsfräulein enthält, während das dritte Stockwerk unbewohnt ist. In einem von dem Gebäude rechtwinkelig vorspringenden Flügel ist die Wohnung des Stiftspredigers eingerichtet; an demselben steht über dem Eingang in den Keller die Jahrzahl 1713, die ohne Zweifel das Jahr der Erbauung des Stiftsgebäudes angibt. Das Stiftsgebäude ist Eigenthum des Staats. Die Kirche, das Stiftsgebäude, der großartige Garten, der Hofraum und mehrere ehemalige zum Stift gehörigen Gebäude, die jetzt theils in Privat-, theils in Staatshänden sich befinden, nebst dem zum Stifte gehörigen Begräbnißplatz waren mit einer Mauer umfriedigt, welche größtentheils noch erhalten ist und mittelst eines Thors, das bei der Kirche stand, abgeschlossen werden konnte.
Eine weitere Kirche, die Dorfkirche (St. Gallenkirche), steht in der Nähe (nördlich) der Stiftskirche; sie wurde im Jahr 1738 in einem nichtssagenden Style erbaut und enthält auch in ihrem flach gedeckten Innern nichts bemerkenswerthes. Der monströse, unten viereckige, gegen oben in ein Achteck übergehende Thurm ist mit einem Bohlendach, aus dem eine sog. Laterne sich erhebt, gedeckt und enthält 2 Glocken, von denen eine 1716 gegossen wurde, die andere, ebenfalls aus neuerer Zeit, trägt keine Jahrszahl. Die Unterhaltung der Kirche hat die Gemeinde, deren Eigenthum sie ist.
Der Begräbnißplatz liegt außerhalb (westlich) des Orts; auf denselben wurden früher nur die auf der rechten Seite des Söhlbachs und der Bottwar wohnenden Einwohner, die auf der linken Seite wohnenden aber auf den Kirchhof bei der Peterskirche beerdigt. Die dem Stifte unmittelbar angehörigen Personen wurden in der Stiftskirche beigesetzt und die Unterbeamten und Diener des Stifts kamen auf den Stiftsbegräbnißplatz.
Die Peterskirche mit dem sie umgebenden Kirchhof liegt etwa 10 Minuten nordöstlich von Oberstenfeld auf einer sanften Anhöhe zwischen den Thälern der Bottwar und des Söhlbachs, einen freien Ausblick über die lieblichen Thalgründe und über die mit Burgruinen gekrönten Vorberge der Löwensteiner Berge gewährend.
| Das anspruchlose Kirchlein ist im einfachsten romanischen Styl erbaut, jedoch theilweise in den gothischen Styl verändert. Die Südseite des Langhauses enthält 3 schlichte Rundbogenfenster, an der Nordseite eine einfache Thüre mit horizontalem Thürsturz. An der Ostseite steht in gleicher Breite mit dem Langhaus, der nicht ganz quadratische, zweistockige, mit einem Zeltdach gedeckte Thurm, an dessen Nordseite sich eine halbrunde, durch ein tief eingeschrägtes Rundbogenfensterchen erleuchtete Abside befindet, an der Südseite stand auch eine solche, die aber in gothischer Zeit zu einer Sakristei umgebaut wurde. In die Ostseite des Thurmes ist ein großes spätgothisches Fenster eingesetzt worden. Das zweite Stockwerk des Thurms enthält auf den 3 freien Seiten in schöner Einfachheit enge rundbogige Doppelfenster. Das flach gedeckte theilweise noch alt bemalte Innere der Kirche zeigt zwischen Schiff und dem unteren Stockwerk des Thurms, der hier die Stelle des Chors vertritt, einen rundbogigen Triumphbogen; auch führen Rundbögen von dem Thurme in die Absiden. Das untere Gelaß des Thurms ist mit einem spätgothischen Gurtkreuzgewölbe überspannt, dessen großer Schlußstein, Agnus Dei darstellend, ohne Zweifel noch von dem ursprünglichen romanischen Gewölbe herrührt; in der Mitte desselben erhebt sich ein aufgemauerter, quadratischer Altar. Vor der Reformation wurde häufig zur Peterskirche gewallfahrtet. Die Unterhaltung der Kirche und des Begräbnißplatzes liegt dem Staat ob.Da gegenwärtig die Äbtissin wenigstens den Sommer über hier wohnt, so finden Sommers alle Gottesdienste, auch das heil. Abendmahl, mit Ausnahme der Woche- und Sonntagskinderlehre und des Leichengottesdienstes, in der Stiftskirche statt. Des Winters werden die Gottesdienste, ausgenommen das heil. Abendmahl, in der Regel in der wärmeren und weniger feuchten Ortskirche abgehalten.
Die hiesigen Stiftsprediger waren immer auch Dorfpfarrer, mit Ausnahme der Jahre 1714–29, in welchem der Ort einen besonderen Geistlichen hatte. (Binder 213).
Das in der Mitte des Orts stehende, 1842 erneuerte Rathhaus mit Thürmchen und Glocke auf dem First enthält im unteren Stockwerk das Spritzenmagazin, im mittleren 2 Lehrzimmer und im dritten die Gelasse für den Gemeinderath. Der Schulmeister wohnt in einem der Gemeinde gehörigen Gebäude, das früher die Wohnung des Stiftspredigers war; an dasselbe ist das Gemeindebackhaus angebaut, in dessen oberem Stockwerk die Wohnungen für den Unterlehrer und den etwaigen Lehrgehilfen eingerichtet sind.
| An weiteren Gebäuden, die ebenfalls der Gemeinde gehören, sind zu nennen: zwei Keltern, die eine mit 4 Bäumen und einer Schnellpresse, die andere mit einem Baum, ein Armenhaus, ein Ortsgefängniß, ein östlich vom Ort gelegenes Schafhaus und noch ein zweites Backhaus.Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 7 Pump- und 3 Schöpfbrunnen, überdieß sind im Bottwarthal mehrere reichhaltige Quellen vorhanden, von denen der sog. Teufelsbrunnen, welcher für unergründlich gehalten wird, der bedeutendste ist. Die Bottwar, die hier, wie schon oben gezeigt wurde, bedeutende Zuflüsse erhält, tritt zuweilen aus ihrem Bett ohne jedoch Schaden anzurichten. Die Fischerei in der Bottwar und ihren Seitenbächen beschränkt sich auf wenige Forellen und wird nach Belieben, ohne Entrichtung eines Pachtgeldes, von den Ortsbürgern ausgeübt. Von den zwei Seen, die nun in Wiesengrund umgewandelt sind, lag der eine am Ort in den sog. Seegärten, der andere im Hasenthal.
Die Einwohner sind im allgemeinen gesunde, ausdauernde, sehr fleißige Leute, bei denen sich, wie überhaupt bei den Bewohnern des Bottwarthales, im Charakter etwas stilles und in den körperlichen Bewegungen etwas schwerfälliges ausdrückt. Vorherrschende Krankheiten sind Nervenfieber und Ruhr; Kröpfe sind gerade nicht selten, wie sich auch Spuren von Kretinismus zuweilen bemerklich machen. Die Haupterwerbsquellen bestehen im Feldbau, Viehzucht und Weinbau. Von den Gewerben sind die gewöhnlichen alle vorhanden; besonders zahlreich vertreten sind die Maurer, Zimmerleute und Leineweber, welch letztere Tisch- und Bettzeug fabriciren und nach außen absetzen. Auch die ziemlich zahlreichen Schuhmacher setzen ihre Arbeiten theilweise auf Märkten ab und zwei Nagelschmiede treiben ihr Geschäft lebhaft und ausgedehnt; besondere Erwähnung verdienen die Bäckereien, welche ausgezeichnet gut betrieben werden, wie auch einige Schmiede und Wagner, die nach außen arbeiten. Überdieß sind zu nennen 2 Schildwirthschaften, 2 Kaufleute und eine südöstlich vom Ort gelegene, stark betriebene Ziegelhütte. Von den zwei, an der Bottwar gelegenen Mühlen hat die eine 2 Mahlgänge, einen Gerbgang, eine Hanfreibe und eine Ölmühle, die andere 2 Mahlgänge und einen Gerbgang. Die ökonomischen Verhältnisse der Einwohner sind im allgemeinen ziemlich gut und haben sich in neuerer Zeit durch die günstigen Weinjahre wesentlich gebessert; es sind einzelne wohlhabende Bürger, die neben ihrem Grundbesitz noch Kapitalien haben, vorhanden und überdieß findet man einen guten Mittelstand.| Die ärmere Klasse hat, neben einem kleinen landwirthschaftlichen Erwerb, viele Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst. Die größten Güterbesitze betragen 60–70 Morgen, die mittleren 15–20 Morgen und die geringsten 2–3 Morgen. Auf der Markung liegen etwa 200 Morgen Staatsgüter, die an Ortsbürger verpachtet sind, und namentlich der ärmeren Klasse gut zu statten kommen. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig 10–12 Personen.Allhier wurde als Sohn des Stiftspredigers geboren den 12. Juli 1774 Jonathan Friedr. Bahnmaier, 1805 Diakonus in Marbach, 1810 in Ludwigsburg, 1815 Professor der Theologie in Tübingen, 1819 Dekan zu Kirchheim, gest. den 18. August 1841. Ausgezeichnet als Prediger, Seelsorger und Lehrer.
Die große, von West nach Ost in die Länge gezogene Markung ist, so weit sie für den Acker- und Wiesenbau benützt wird, ziemlich eben und hat im allgemeinen einen aus Lehm bestehenden fruchtbaren Boden; der übrige Theil der Markung ist bergig und besteht aus den Zersetzungen der verschiedenen Keuperschichten, auf denen an den sommerlichen Gehängen mit Vortheil Weinbau, an den winterlichen und auf der Hochebene Waldbau getrieben wird. Eine Lehmgrube ist vorhanden und auf dem Forstberg sind Werksteinbrüche angelegt.
Die klimatischen Verhältnisse sind allen gewöhnlichen Kulturpflanzen günstig, nur Frühlingsfröste schaden zuweilen in den Thälern und Hagelschlag kommt nicht selten, namentlich in der Richtung gegen den Lichtenberg vor, ohne jedoch erheblichen Schaden anzurichten.
Die Landwirthschaft wird unter Anwendung verbesserter Ackergeräthe, wie des Suppinger Pflugs, der Walze, der eisernen Egge etc. gut betrieben und zur Besserung des Bodens neben den gewöhnlichen Düngungsmitteln auch Gips und Kompost angewendet.
Im Dreifeldersystem, mit vollständig angeblümter Brache, baut man die gewöhnlichen Getreidearten, Kartoffeln, sehr viel Futterkräuter, besonders viel Luzerne, Angersen, Erbsen, Linsen, Ackerbohnen, etwas Wicken, viel Hanf, wenig Flachs und Reps, letzterer gedeiht nicht gerne, ziemlich viel Mohn, Zuckerrüben und in geringer Ausdehnung Cichorien. Auf den Morgen rechnet man Aussaat 6–7 Sri. Dinkel, 3–4 Sri. Haber und Gerste, und 3 Sri. Weizen; der Ertrag wird zu 8–10, ausnahmsweise 16 Scheffel Dinkel, 4 bis 7 Scheffel Gerste und Haber, und 4–5 Scheffel Weizen angegeben. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 100 bis 1000 fl. In fruchtbaren Jahrgängen können über den eigenen Verbrauch gegen 2000 Scheffel Getreidefrüchte nach außen abgesetzt werden.
| Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt und verhältnißmäßig der bedeutendste im Bezirk; die Wiesen, welche durchaus zwei-, zuweilen dreimähdig sind, ertragen vom Morgen durchschnittlich 30–40 Centner meist gutes Futter. Wässerung findet nur wenig statt. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 100–1000 fl.Der auf 322 Morgen getriebene Weinbau bildet eine bedeutende Erwerbsquelle der Einwohner und liefert ein Erträgniß, das zu den besseren und haltbarsten des Bezirks gezählt wird. Bei der gewöhnlichen Bauart kommen 2400–2800 Stöcke auf einen Morgen zu stehen und wird etwa 1/3 der Weinbergsfläche bezogen; man baut vorzugsweise Drollinger, Elblinge und Silvaner, die theilweise besonders gelesen und geraspelt werden. Die ausgezeichnetsten Lagen sind der Lichtenberg, der Forstberg, die Eichhalden und der Hagstolz. Die Weinberge sind sehr ergiebig und als höchster Ertrag werden 12 Eimer vom Morgen angegeben; im Jahr 1858 ertrug als Seltenheit 1/4 Morgen am Lichtenberg 5 Eimer. Der höchste Preis eines Eimers betrug in den Jahren 1857 88 fl., 1858 44 fl., 1865 95 fl.; der Preis des am Lichtenberg gewonnenen Weins beträgt beinahe immer das Doppelte. Die besten Weinberge werden mit 800 bis 1000 fl., die mittleren mit 3–400 fl. und die geringsten mit 100 fl. per Morgen bezahlt. Der Absatz des Weins geht in verschiedene Gegenden des Landes.
Von sehr namhafter Ausdehnung ist die noch immer im Zunehmen begriffene Obstzucht, die sich vorzugsweise mit der Anpflanzung von Luiken, Fleinern, Goldparmänen, Reinetten, Lederäpfeln, Palmischbirnen, Träublesbirnen, Bratbirnen etc. beschäftigt; von Steinobst werden viele Zwetschgen und nur wenig Kirschen gezogen. Die Jungstämme werden theils selbst gepflanzt, theils aus der 2/8 Morgen großen Gemeindebaumschule bezogen. Das Obst wird größtentheils gemostet und in günstigen Jahren kann überdieß für 4–5000 fl. nach außen verkauft werden.
Die Gemeinde besitzt gegen 1000 Morgen Waldungen, deren Ertrag wo möglich als Nutzholz verwerthet wird und jährlich etwa 7000 fl. einträgt; hievon erhält jeder Bürger den Erlös von ungefähr 1/2 Klafter Scheiterholz und der Rest fließt in die Gemeindekasse. Auch das an den Gewässern gepflanzte Holz ist von einiger Erheblichkeit und wird als Brennholz, zuweilen zu Schnittwaaren verwendet.
Eigentliche Weiden sind 20 Morgen vorhanden; sie werden nebst der Brach- und Stoppelweide an einen Ortsschäfer um ungefähr 500 fl.| verpachtet, die mit dem 5–600 fl. betragenden Pfercherlös eine kleine Rente für die Gemeinde bilden.In gutem Zustande ist die Rindviehzucht, welche sich mit einem guten Neckar- und Simmenthaler- zuweilen auch Allgäuer-Schlag beschäftigt und durch 4 Farren (ein Simmenthaler und 3 von Neckar und Simmenthaler gekreuzte) nachgezüchtet wird; die Zuchtstiere hält ein Bürger gegen Benützung des 14 Morgen großen Farrenguts und 25 fl. Belohnung. Rindvieh, namentlich auch gemästetes, wird in ziemlicher Ausdehnung nach Baden und Frankreich ausgeführt.
Die Schafzucht treibt ein Ortsschäfer, der den Sommer über 150, den Winter über 4–500 Stück Bastarde, theilweise auch reine spanische Schafe hält und in dem östlich vom Ort gelegenen Schafhaus überwintert. Die Wolle kommt nach Kirchheim und Heilbronn zum Verkauf.
Eigentliche Schweinezucht wird in größerer Ausdehnung betrieben als in den meisten andern Orten des Bezirks, und gegenwärtig sind 2 Eber und 15 Mutterschweine aufgestellt, so daß ziemlich viele Ferkel nach außen verkauft werden können, dagegen werden aber auch viele eingeführt; man züchtet die hallische, halbenglische und vorzugsweise eine gute Landrace und mästet theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf.
Die Zucht der Ziegen ist gering und die des Geflügels beschränkt sich auf den eigenen Bedarf.
Die im allgemeinen unbedeutende Bienenzucht wird hauptsächlich von dem Stiftsprediger Fleischmann betrieben, der stets einen wohl besetzten Stand mit gutem Erfolg hält.
Die Durchfuhr an Holz vom Pfahl bis zum Holländerstamm aus den östlich gelegenen Waldgegenden ist sehr beträchtlich und bringt dem Ort vielen Verkehr. Der Ort hat das Recht den 22. März und den 19. Juni je einen Vieh- und Krämermarkt und Tags zuvor einen Holzmarkt abzuhalten, auf welch letzterem sehr lebhaft gehandelt wird; überdieß besteht jeden Montag ein Schweinmarkt.
Von Anstalten bestehen, außer der Volksschule, eine Industrieschule und eine gewerbliche Fortbildungsschule.
Die Gemeinde hat außer den Einnahmen aus Wald und Weide noch 14.000 fl. Kapitalvermögen und bezieht überdieß in günstigen Jahren einen Erlös von 6–700 fl. aus dem Ertrag der auf Allmanden stehenden Obstbäume, der sich später, wenn die Bäume mehr herangewachsen sind, noch erhöhen wird.
In dem 1/4 Stunde nordöstlich gelegenen Walddistrikt| „Scheiterburg“ wurden vor einigen Jahren, Bausteine, Bauschutt, Ziegel etc. von der hier gestandenen Burg ausgegraben.Ein alter Weg führt unter der Benennung „Heerweg“ von Oberstenfeld in der Richtung gegen Abstatt.
Die alte Schreibweise von O. ist Oberstenvelt, zuweilen wird in neuerer Zeit der Name fehlerhaft Obristenfeld geschrieben.
Die Gründung des ursprünglich regulären Chorfrauenstifts zu Ehren der heil. Maria, St. Johannis des Täufers und St. Blasius fällt in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die nähern Umstände sind unbekannt; um die Stiftung wesentlich verdient machten sich die Hacken von Hoheneck, welche ihr Erbbegräbniß allda hatten. (Urk. P. Innocenz IV. vom 23. Dez. 1249). Die Urkunde vom J. 1016, wonach ein Graf Adelhard und sein Sohn Heinrich der Stifter gewesen wäre (Württ. Urk.-Buch 1, 249 ff.) ist unterschoben worden; sie hatte mithelfen sollen, das Stift der ordentlichen Jurisdiction des Diözesanbischofs zu Speier zu entziehen und es unmittelbar unter den erzbischöflichen Stuhl von Mainz zu stellen – was freilich nicht gelang. Die älteste ächte Urkunde ist vom 17. Oct. 1244. Am 27. Nov. 1247 ertheilte P. Innocenz IV. der Stiftung seinen Schirmbrief. Spätere päbstliche Bullen schützten das Stift gegen das Aufdringen von Personen in seine Pfründen und sicherten die freie Wahl der Äbtissin; die ältesten Stiftsstatuten sind aus der Zeit des Bischofs Heinrich von Speier (1245–72).
Die Schirmvögte, wenigstens in der ersten Hälfte des 14. Jahrh., waren die Hummel von Lichtenberg, in deren Familie Albrecht Hummel und Heinrich Gebrüder den 27. Aug. 1357 mit Lichtenberg (s. d.) an Württemberg verkauften „die Vogtei über das Kloster zu O. und alle die Recht, so sie an derselben Vogtei und zu dem Kl. O. und zu dem Dorf und zu allem dem, das dazu gehört, hatten oder haben.“ Seitdem blieb diese Vogtei württembergisch; im J. 1396 machte Württemberg auf einen entstandenen Streit im Anschluß an frühere Bestimmungen des Stifts folgenden Vergleich: „die zu den Pfründen der Stiftsfräulein bestimmten Einkünfte sollen diesen ohne Abzug gereicht werden; wenn aber eine derselben stirbt, welche von ihrer Familie ein besonderes Leibgeding genoß, so fällt dieses halb an die Äbtissin, halb an den Konvent. Im Laufe des 15, vielleicht schon im 14. Jahrhundert, fiel die klösterliche Regel weg und O. wurde mehr eine Anstalt zur Aufnahme wenig bemittelter, unverheiratheter Edelfräulein mit freiem Wiederaustritt. Gegenüber dem Ansinnen Graf Eberhards im Bart, welcher einst 1478 ein| Paar wirkliche Nonnen aus dem Vezer’schen Hause, welche in dem regulirten Kloster in Gmünd gewesen waren, aufgenommen wissen wollte, hielt das Stift die Ansicht aufrecht, es dürfen blos adelige Töchter aufgenommen und erzogen werden und erfüllten dem Grafen seinen Wunsch nur als Ausnahmfall.In der österreichischen Zeit Württemberg’s hatte es im Jahr 1529 zwei gerüstete Pferde als Türkensteuer zu geben.
Nach der Wiederoberung des Landes durch Herzog Ulrich, bei welcher das Stift 400 fl. zu den Kriegskosten bezahlen mußte, wurde das württ. Schirmverhältniß erneuert.
Der Einführung der Reformation und der damit zusammenhängenden Untersuchung der Verwaltung im Stifte um 1536 setzten sich die Stiftsfräulein entgegen. Zuerst mußte sich Herzog Ulrich damit begnügen, ins Dorf einen evangelischen Prediger zu schicken, welcher hier in der St. Galluskirche und bei anwachsender Zuhörerschaft auf dem Kirchhof predigte. Nur bei Regenwetter erlaubte ihm die Äbtissin den Gottesdienst in der Stiftskirche. Die württembergische Kommission – endlich zugelassen – fand den Stiftshaushalt sehr im Argen; Rechnung war seit Jahren keine abgelegt und die Einkünfte waren von den Stiftsfräulein nach Belieben vertheilt worden. Statt der ordnungsmäßigen Anzahl von 12 waren nur 7 Stiftsfräulein eingekleidet, welche auch die Einkünfte von zwei Kaplaneien für sich genossen. Unter diesen Umständen griff Herzog Ulrich durch und es wurde – mit „freier ungezwungener Zustimmung“ der Stiftsfräulein – Jakob Herterich als evangelischer Prediger angestellt; das Chorfrauenstift selbst wurde nicht aufgehoben wie die landsäßigen Klöster, sondern in ein evangelisches adeliges Fräuleinstift verwandelt. Dieses benützte das Unglück Herzog Ulrichs im Schmalkaldischen Krieg von 1546, um sich von Württemberg loszusagen, dessen Einfluß von der Verwaltung abzuhalten und sich dem Ritterkanton Kocher, aus welchem vorzugsweise Fräulein aufgenommen werden sollten, anzuschließen, als „ein gemeiner freier Reichsritterschaft inkorporirtes Mitglied.“
Über solchen Schritt des Stiftes ließ Herzog Christoph die Stiftsgefälle mit Beschlag belegen und verlieh die Stiftspredigerstelle. Die Sache kam aber vor dem Reichskammergericht zu einem langwierigen Prozeß, auf dessen ihm ungünstigen Spruch vom 23. Mai 1587 hin sich Herzog Christoph am 30. Mai 1588 zu einem Vergleich herbeiließ, worin er dem Stift Befreiung von Landschatzung und von Hilfszahlung und 3300 fl. Entschädigung zusagte,| das Stift dagegen seinen Ansprüchen auf die Pfarrei zu Kleinaspach, die Kaplaneien in der Magdalenenkirche zu Beilstein und in der St. Blasiuskapelle auf dem Petersberg bei O. für Bezahlung von 500 fl. entsagte und die Obrigkeit in Winzerhausen dem Herzoge überließ. Über die Nomination zur Stiftspredigerstelle spann sich der Streit noch fort (wobei Württemberg geltend machte, daß die Stiftskirche seit langer Zeit auch zum Gottesdienst für die Gemeinde diene), bis durch Vertrag vom 25. Mai 1609 dem Stift das Patronat- und Kollaturrecht zugesprochen wurde, wogegen dem württ. Konsistorium die Prüfung des Pfarrers in Rücksicht auf die Reinheit seiner Lehre und auf seinen Lebenswandel zustehen sollte; auch sollte der württ. Special alljährlich die Visitation vornehmen. Unordnungen, welche in dem Stifte eingerissen waren, veranlaßten 1709 den Reichshofrath, daß er dem Herzog Eberhard Ludwig befahl, eine Untersuchungskommission dahin zu senden, welche über den Lebenswandel der Stiftsdamen Arges berichteten. Indeß brachte es das Stift, mit welchem auch die schwäbische Ritterschaft im Streite lag, abermals zu einem Reichshofrathsprozeß mit Württemberg, welcher nach 20jähriger Dauer durch Vergleich vom 9. Januar 1730 beendigt wurde. Hienach erkannte das Stift die Herzoge von Württemberg als seine ewigen und unwiderruflichen Schutz- und Schirmherren an, und bekannte, daß es ihnen jederzeit mit geziemendem Respekt und Ehrerbietung zu begegnen so schuldig als willig sei. Württembergische Abgeordnete sollten befugt sein, jeder Äbtissinwahl, jedoch ohne Koncurrenz, Einmischung oder Einrede beizuwohnen.Bereits im J. 1247 erscheint das Stift im Genuß ansehnlicher Güter (Würt. Jahrb. 1840, S. 545); seine bedeutendste Besitzung überhaupt war das Dorf Winzerhausen, welches 1610 an Württemberg verkauft wurde. Die Sage läßt die damalige Äbtissin sehr lebensfroh und tanzlustig sein und es hieß von ihr, sie habe das Dorf vertanzt. Sonst besaß das Stift keine Ortschaften und Höfe, dagegen die Stiftsmühle in O.; an Zehnten und Gefällen bezog es vor 1802 jährlich 15.000 fl., besonders zu O., Kirchberg, Mundelsheim und Weinsberg. Außer in O. besetzte es in Eberstadt (OA. Weinsberg) und in Mundelsheim die Pfarrei.
Vor der Umgestaltung im gegenwärtigen Jahrhundert war das Stift mit einer Äbtissin, 3 Stiftsdamen und 2 Novizfräulein besetzt, welche wo möglich immer aus Familien des ritterschaftlichen Kantons Kocher erwählt wurden und, wenn sie wollten, das Stift wieder verlassen und heirathen durften (jedoch in diesem Fall den vierten Theil| ihres Vermögens dem Stift überlassen mußten). Nur die Äbtissin durfte nicht mehr weltlich werden. Diese hatte dem Bischof von Speier ihren Eid zu leisten, ihm in allen billigen und redlichen Dingen unterthänig und gehorsam zu sein. (Burgermeister Cod. dipl. equ. 2, 1213). Sie war Regentin und bestellte einen Konsulenten und Amtmann. Innerhalb der Ringmauer hatte das Stift seine eigene Jurisdiktion. Obwohl unter württemb. Schutz und Schirm stehend, war es doch fortwährend der Oberaufsicht der Direktion des Kantons Kocher, dessen katholischer Theil jedoch hiebei keinen Antheil hatte, untergestellt und Bevollmächtigte dieses Kantons wohnten mit württembergischen Abgeordneten auch der Wahl der Äbtissin bei. Zur Kocherschen Kasse zahlte das Stift jährl. 24 fl. Rittersteuer. Durch klösterlichen Zwang war man hier auch vor 1802 keineswegs eingeschränkt; nicht einmal eine ausgezeichnete Kleidung (früher schwarzes Gewand und Mantel, Schleier und Haube) war am Ende mehr geboten. Zur Aufnahme waren 16 Ahnen nöthig. Die Zahl der Stiftsdamen war nach Zeit und Umständen verschieden. Das Stiftswappen war Johannes der Täufer.Durch den Pariser Frieden vom 20. Mai 1802, endgültig durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Febr. 1803 verlor das Stift seine Reichsunmittelbarkeit an den damaligen Herzog Friedrich II. von Württemberg, welcher es im Nov. 1802 in Besitz nahm, aber die Fortsetzung desselben, jedoch mit veränderten Bestimmungen und Formen, unter Aufstellung neuer Statuten vom 23. Dez. 1802 [3] erklärte und am 24. Juni 1805, nachdem die Äbtissin Caroline Friederike von Weiler am 21. Jan. d. J. gestorben war, als nunmehriger Kurfürst die genannten neuen Statuten verkündigte, während er seine Tochter, die Prinzessin Katharina (nachherige Königin von Westphalen), mit der Äbtissinwürde feierlich vor dem ganzen Hofe in der Stiftskirche bekleidete. Bestimmt wurde die Unterordnung des freiadelichen Stiftes unter den Landesherrn, welcher alle Stiftsdamenstellen verlieh. Das nächste Recht zur Äbtissin, welche jetzt, wie die Stiftsdamen, heirathen durfte, aber mit der Verehelichung austrat, wurde unverheiratheten Prinzessinnen des Fürstenhauses zugetheilt. Neue Statuten vom 24. Juni 1808 enthielten gegenüber den früheren nur die neue Bestimmung, daß der Minister des Innern die Äbtissin und die Stiftsdamen, und zwar, wenn| erstere eine württembergische Prinzessin ist, in Gegenwart des Königs beeidigt.
Am 6. April 1818 und 27. Jan. 1838 stiftete K. Wilhelm noch eine Anzahl Präbenden hinzu für unbemittelte Fräulein des ritterschaftlichen Adels ohne Unterschied der Konfession. Es sind jetzt – ernannt vom Könige – 1 Äbtissin und 10 Stiftsdamen und 10 präbendirte Fräulein. Die Äbtissin bezieht, wenn es eine Prinzessin ist, jährlich 2000 fl., außerdem 1500 fl., jede Stiftsdame 600 fl., jedes Fräulein 200 fl. Die Äbtissin und die 6 ältesten Stiftsdamen haben freie Wohnung im Stiftsgebäude anzusprechen. Von 1805 bis 1850 wohnte jedoch keine Äbtissin mehr hier, aber seit den letzten Jahren dient das Stift wieder zum Sommeraufenthalt derselben. Unter den Stiftsdamen hat im letzten halben Jahrhundert vorlängst nur eine einzige von der stiftungsgemäßen Benützung des Gebäudes Gebrauch gemacht. Verehelichung hat überall den Verzicht auf den Stiftsgenuß zur Folge.
Zu der Gemeinde gehören:
b. Lichtenberg, Schloß, das mit einem dazu gehörigen 311 Morgen 27 Ruthen großem Gut, worunter 202/8 Morgen Weinberge und 726/8 Morgen 45 Ruthen Waldungen, Eigenthum des Freiherrn v. Weiler ist. Das Gut ist gegenwärtig an den Ökonomen Stockmayer verpachtet, der es in einem achtschlägigen Fruchtwechsel mit Luzerne im Außenschlag sehr rationell bewirthschaftet und einen tüchtigen Viehstand, bestehend in 20 Stück Rindvieh (Neckarschlag), 4 Pferden und 100 Stück Bastardschafen aufgestellt hat.
Das Schloß Lichtenberg erhebt sich großartig auf der äußersten Spitze eines schmalen Ausläufers der Löwensteiner Berge und bildet eine Zierde der ganzen Umgegend. Auf einem angenehmen, anfangs durch fruchtbare Ackergelände, weiterhin durch schattigen Buchwald führenden Weg, gelangt man in 1/4 Stunde von Oberstenfeld bis zum Schloß, dessen von Natur allein zugängliche östliche Seite durch einen tiefen, in den Keupersandstein gebrochenen, mit Gebüsch und Bäumen üppig verwachsenen Graben unzugänglich gemacht wurde; an den übrigen drei Seiten sind Vorwerke angelegt, die freundliche Blumengärten und Hofräume mit Ökonomiegebäuden einschließen. Über den Graben führt an der Stelle der ehemaligen Zugbrücke eine steinerne Brücke zu dem Eingang in den äußeren Schloßhof; über dem Eingang ist eine Bildhauerarbeit angebracht mit der Jahrszahl 1486, den gekreutzigten Christus, von mehreren größtentheils sehr beschädigten Figuren umgeben, darstellend. Unter| demselben befindet sich der h. Benedictus in einem Dornbusch liegend und zu dessen Seiten 2 Wappen, von denen eines den Herren von Weiler angehört. Von dem äußeren Hof gelangt man durch einen rundbogigen Eingang in den inneren geräumigeren Schloßhof; rechts (östlich) vom Eingang steht ein massiver Bau, der im untern Stockwerk die Burgkapelle enthält und an den sich ein viereckiger, gegen 100′ hoher, sehr massiver Thurm, Bergfried, anlehnt, über den malerisch begiebelten, mit wechselnden Anbauen belebten Schloßkomplex majestätisch emporragend; der durchaus fensterlose Thurm hat 10′ dicke Mauern und an der gegen den innern Schloßhof gerichteten Seite 25′ über der Erdfläche einen rundbogigen Eingang. Die an den Buckelsteinen sparsam angebrachten Steinmetzzeichen zeugen von hohem Alterthum und stellen Kreuze, Pfeile, Hämmer etc. dar. Von diesem Thurm lauft die innere sehr starke Umfassungsmauer bis zu der nordöstlichen Ecke der Burg, wo ebenfalls ein viereckiger, kräftiger Thurm steht, der jedoch, wie auch die Verbindungsmauer, in neuerer Zeit theilweise abgetragen wurde. Links (westlich) von dem Eingang in dem innern Schloßhof lehnen sich die Schloßgebäude an, die westliche Seite des Schloßcomplexes bildend; sie enthalten zunächst am Burgthor den Rittersaal mit 3 hohen, schmalen Fenstern gegen den äußern Hof, und überdieß die modern eingerichtete Wohnung der Gutsherrschaft, die Gelasse für den Gutspächter, Stallungen etc. Von den Schloßgebäuden lauft wieder eine Mauer bis zu dem an der nordwestlichen Ecke stehenden Thurme, so daß der ganze innere Hofraum fest geschlossen und umfriedigt ist. Die Burgkapelle, in die 3 sehr schöne, schmale Fenster aus der Übergangsperiode Licht bringen, enthält nur noch ein aus einem Stein gut gearbeitetes Kruzifix, vor dem ein Ritter und seine Gemahlin knieen; unterhalb sind 2 Wappenschilde, von denen einer der Familie von Weiler angehört und die Inschrift „1573 gestiftet von Wolf v. Weiler“ angebracht. An den Wänden der Kapelle bemerkt man noch Spuren von alten Fresken, die leider übertüncht wurden.Der ganze Schloßcomplex bietet noch das echte Bild einer festen, mittelalterlichen Burg aus der romanischen und der Übergangsperiode mit späteren Zuthaten. Die durchgängig aus Buckelquadern vortrefflich ausgeführten Mauern und Gebäude blicken ernst und seltsam in die gegenwärtige Zeit hinein und machen auf den Beschauer einen bleibenden Eindruck.
Noch tieferen Eindruck hinterläßt die Aussicht von der Rückseite des Schlosses, die zwar nicht zu den ausgedehntesten, aber doch zu| den anmuthigsten und ansprechendsten des Landes gezählt werden darf. Im Vordergrunde des hier sich entrollenden landschaftlichen Bildes schweift mit Entzücken der Blick in das anmuthige, fruchtbare Bottwarthal, in dessen Wiesengründen die mit dem herrlichsten Holzarten malerisch besetzte Bottwar sich an lachenden Ortschaften vorbei schlängelt, wie an dem zunächst am Fuß des Lichtenbergs gelegenen Oberstenfeld, aus dem sich münsterartig die Stiftskirche erhebt und zu dem das einsam stehende Peterskirchlein freundlich herunter winkt. Thalabwärts erblickt man das ländliche Dorf Hof und in einem kleinen Seitenthälchen zwischen Rebengeländen und üppigen Waldungen abgeschieden gelegen das mit ihm verbrüderte Lembach; weiter abwärts ist das altstädtische Großbottwar mit seiner anziehenden Umgebung sichtbar. In der Richtung gegen Norden bietet ein Blick über Gronau und Schmidhausen hinweg in die engen, waldreichen Thälchen der Löwensteiner Berge einen seltsamen, anziehenden Gegensatz zu dem fruchtbaren Flachlande an dem Fuß derselben. Gegen Nordwesten erscheint das an den Bergabhang hinangebaute Städtchen Beilstein mit seinem altehrwürdigen Langhans im Rücken und noch ferner ragen die malerischen Ruinen der Burg Helfenberg hervor.Hinter diesem herrlichen, lang gedehnten Vordergrunde des Landschaftsbildes erhebt sich gegen Westen aus dem mit vielen Ortschaften belebten Flachlande frei und majestätisch der wohl geformte Wunnenstein, den schönsten Ruhepunkt dem Auge gewährend; über ihn ragen im Hintergrunde der Stromberg und der Heuchelberg hervor. Rechts vom Wunnenstein sind in blauer Ferne die Vogesen und noch mehr rechts der weitgedehnte Odenwald sichtbar. Links vom Wunnenstein schweift der Blick über das Flachland hinweg, aus dem sich der Asperg kräftig erhebt, an den Schwarzwald, in die Stuttgarter Gegend, an den Schönbuch und im fernen Hintergrunde an die das landschaftliche Bild vollendend abschließende Alb.
Hier saßen die Herren von Lichtenberg, welche im 12. Jahrhundert in die Geschichte eintreten; ein Albertus de Lihtenberc erscheint 1197 in einer Urkunde Markgraf Hermanns von Baden (Mone Zeitschr. 6, 423), Albertus nobilis de L. 1255 in einer Urkunde des Klosters Ellwangen, und es wurden Albrecht und Konrad (K. der Bruder eines Albrechts 1280 Mai 27. St. A.), auch Hermann und Heinrich die üblichsten Namen der Familie, welche den Beinamen Hummel dauernd annahm (Albertus dictus Hummel de Lichtenberc 1297. Sattler Grafen 1, Beil. Nr. 22). Von| derselben war Sigibodo, Geheimschreiber K. Albrechts, Bischof von Speier 1302–1314 (Stälin, Wirt. Gesch. 3, 105). Albert Hummel von L., Gemahl Agnesens von Mühlhausen, war getreuer Anhänger K. Ludwigs des Baiern und dessen Marschall, zeitweilig Landvogt im Elsaß (Art de vérif. les dates 3, 71, ed. 1787), † vor 1353. Ein Bruder dieses Alberts, Hermann, ward Kanzler desselben Kaisers, welcher ihm 1333 die Bischofswürde in Würzburg verschaffte, die er gegen seinen Nebenbuhler Otto von Wolfskeel zeitlebens behauptete († 1335).Aber bereits – wie es scheint – Enkel genannten Alberts, Albert (Albrecht) und Heinrich verkauften mit ihrer Mutter Beatrix von Eberstein am 27. August 1357 um 5600 Pf. Heller ihre Burg Lichtenberg mit einer Reihe zugehöriger Ortschaften, auch der Vogtei über das Kloster Oberstenfeld, an den Grafen Eberhard von Württemberg und seine eheliche Wirthin Elisabeth von Henneberg und deren Erben (vrgl. A. VII. 1). Solche Entäußerung ihres Hauptbesitzes überlebte der Mannsstamm der Familie nur noch ein halbes Jahrhundert. Erwähnt wird zuletzt Heinrich Hummel, welcher am 7. August 1401 von K. Ruprecht den Speicherhof zu Speier verliehen erhielt und noch 1403 als Burgmann auf Lichtenberg saß.
Den neuen Besitz trug der Erwerber Graf Eberhard mit seinem Bruder Graf Ulrich den 3. Dez. 1361 nebst Beilstein, Großbottwar (s. d.) und Neuenbürg der Krone Böhmen zu Lehen auf und erst durch den Presburger Frieden vom 26. Dez. 1805 wurde diese böhmische Lehensherrlichkeit für erloschen erklärt.
Im J. 1434 erhielten Hermann Nest von Obrigheim und Dorothee von Wisenbrunnen, seine Hausfrau, von Württemberg den lebenslänglichen Sitz auf hiesiger Burg eingeräumt gegen Abtretung ihres Viertheils an dem Schloß Lauffen. (Steinhofer 2, 781).
Am 16. Juni 1483 belehnte Graf Eberhard im Bart die Familie von Weiler mit dem Schloßgut als böhmischem Afterlehen und noch h. z. T. besitzt solches als württembergisches Mannlehen der Freiherr Wilhelm Friedrich Franz von Weiler.
c. Neuwirthshaus, liegt an der Oberstenfeld–Backnanger Straße, 1/2 Stunde südöstlich von Lichtenberg, mit dem es eine eigene Markung bildet. Es besteht hier eine Wirthschaft, welche früher die Verpflichtung hatte, nur Lichtenberger Weine auszuschenken.
d. Schafhaus (s. oben).
e. Ziegelhütte, südöstlich vom Mutterort auf der entgegengesetzten Seite des Bottwarthales gelegen (s. oben).
- ↑ Pfaff Geschichte des adelichen Fräuleinstiftes Oberstenfeld in Württ. Jahrb. 1840. S. 319–346. Siehe auch Mader reichsritterschaftliches Magazin 3, 582. 9, 620.
- ↑ Bei einer in neuerer Zeit veranstalteten kleinen Nachgrabung in der Krypta, kam man auf dem Boden derselben auf viele, regellos aufgehäufte menschliche Gebeine und eine runde 4′ 3″ hohe und 1′ dicke, aus weißem Marmor gefertigte Säule, die vielleicht ursprünglich einen der 4 Füße des Altartisches bildete.
- ↑ Die letzten waren gewesen von den Jahren 1710. 1730.
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