Beschreibung des Oberamts Horb/Kapitel B 16
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Der kleine, hinter Obstbäumen versteckte Ort hat 1/2 Stunde südwestlich von Horb, an der Stelle wo das Rexinger Thal in das Neckarthal eingeht, eine sehr angenehme, gegen Norden geschützte, romantische Lage und bietet mit seinem alten Kirchlein im Vordergrunde eine wirklich malerische Ansicht. Eine stattliche Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang, wie auch einzelne ziemlich ansehnliche Bauernwohnungen, welche sich an der durch den südlichen Theil des Orts führenden Horb-Sulzer Landstraße lagern, verrathen mehr Wohlhabenheit als man bei näherer Nachfrage findet. Die körperlich minder ansehnlichen Einwohner, unter denen man nicht selten kropfige zum Theil kretinenartige Leute findet, sind meist unbemittelt und ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Taglohnarbeiten und mühsamem Feldbau. Von den Gewerben ist, außer der schon erwähnten Mühle, nur noch eine Schildwirthschaft und ein geschickter Drechsler, der die besten Gewehrschäfte und Spinnräder in der Gegend verfertigt, anzuführen.
Die uralte in Basilikaform mit plattem Chorschluß erbaute Kirche zu St. Jakob trägt noch Spuren von frühgermanischer Bauweise, namentlich ein Doppelfenster an der Ostseite; sie wurde im Lauf der Zeit styllos verändert und im Jahr 1813 erneuert. Der alte, viereckige Thurm hat in seinem unteren Stockwerke nur schmale Lichtöffnungen, im Glockenhaus aber spitzbogige Fenster. Das Innere der Kirche hat nichts Bemerkenswerthes (siehe über diese Kirche oben Horb und die dortige Stiftskirche).
| Um die Kirche liegt der Begräbnißplatz.Das Schulhaus enthält ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und ein Gelaß für den Gemeinderath.
Gutes Trinkwasser ist hinreichend vorhanden und überdieß fließt der muntere, von Rexingen herkommende Mühlbach mitten durch den Ort und mündet nur einige 100 Schritte südlich vom Dorf in den Neckar; die Fischerei in demselben ist von dem Staat an die Stiftungspflege verpachtet. Früher führte er ziemlich viel Forellen, die indessen in jüngerer Zeit beinahe ganz verschwunden sind, indem die Laiche und jungen Fische von den im Orte in ziemlicher Anzahl gehaltenen Enten bedeutend heimgesucht werden.
Die Markung, welche meist einen kalkreichen, gerade nicht unfruchtbaren Boden hat, ist sehr klein und überdieß gehören die meisten auf der Hochebene gelegenen besseren Güter einzelnen Bürgern in dem Nachbarort Rexingen, so daß die Einwohner hauptsächlich auf die Steilgehänge gegen das Neckar- und Rexinger Thal beschränkt sind und hier mühsam mit der Hacke ihr Feld zu bestellen haben. Überdieß führt zu den wenigen Gütern auf der Hochebene nur eine steile, schwer zu befahrende Steige, was den Anbau derselben sehr erschwert und dem Betrieb der Landwirthschaft hemmend entgegentritt.
Der Ackerbau wird theils in der Dreifelderwirthschaft, theils willkürlich mit der Hacke betrieben; man baut die gewöhnlichen Cerealien und in der ganz angeblümten Brache Kartoffeln, Erbsen, Linsen, Angersen, Futterkräuter, Reps, Flachs, Hanf etc. Auch der Hopfenbau ist in neuerer Zeit eingeführt worden und im Jahr 1863 konnten 10 Centner an Händler verkauft werden. Bei einer Aussaat von 8 Simri Dinkel, 4 Simri Weizen, 3 Simri Roggen, 31/2 Simri Gerste und eben so viel Haber wird der durchschnittliche Ertrag zu 6 Scheffel Dinkel, 2 Scheffel Weizen, 11/2 Scheffel Roggen, 31/2 Scheffel Gerste und 31/2 Scheffel Haber per Morgen angegeben. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 60–300 fl.
Der Wiesenbau ist nicht bedeutend und liefert vom Morgen durchschnittlich 25 Centner Heu und 12 Centner Öhmd; Wässerung findet nicht statt. Der höchste Preis eines Morgens beträgt 1000 fl., der mittlere 600 fl. und der geringste 400 fl.
Der Weinbau, welcher auf etwa 50 Morgen getrieben wurde, ist seit ungefähr 80 Jahren abgegangen.
Auf den Obstbau wird viele Mühe verwendet und jeder Bürger ist Baumzüchter; man baut vorzugsweise Knausbirnen, Wein- | und Haberäpfel, Zwetschgen und Pflaumen. Das Obst, welches wegen der geschützten Lage gerne gedeiht, wird im Ort selbst verbraucht. Die Jungstämme bezieht man von Baisingen, Salzstetten,[ER 1] Stuttgart.Die Schafweide wird an einen fremden Schafhalter um 36 fl. jährlich verpachtet und der Pfercherlös trägt etwa 60 fl. der Gemeindekasse ein.
Die Rindviehzucht, welche sich mit einem gewöhnlichen Landschlag beschäftigt, ist von keinem Belang, indem der Mangel an Wiesen einer größeren Ausdehnung im Wege steht. Farren sind nicht aufgestellt und die Kühe müssen nach Rexingen und Horb zur Bedeckung gebracht werden.
Eine verhältnißmäßig nicht unbeträchtliche Schweinezucht besteht und überdieß werden noch ziemlich viele Ferkel von Außen eingeführt; man gibt sich hauptsächlich mit der bayerischen und halbenglischen Race ab und verkauft die gemästeten Schweine meist an Stuttgarter Metzger.
Von dem Geflügel, das in nicht unbeträchtlicher Anzahl gezogen wird, kommen Gänse, Enten und Hühnereier zum Verkauf.
Die früher stark betriebene Bienenzucht hat in neuerer Zeit abgenommen; Wachs und Honig wird nach Außen abgesetzt.
Außer der durch den Ort führenden Landstraße besteht noch eine Vicinalstraße nach Rexingen.
In der Mitte des Orts wird eine Häusergruppe „Burgstall“ genannt.
Ihlingen (Jhilinga, Yhelingen, Jhelingen, Jhiligen, Hiligen) tritt im 11. Jahrhundert in die Geschichte ein; damals erhielt das Kloster Reichenbach allhier Güter und war das angesehene Rittergeschlecht, welches sich von dem Orte nannte und auch in der Umgegend, wie in Altheim, Bildechingen, Dürrweiler, Ergenzingen, Eutingen, Metzingen, Salzstetten begütert war und von den Pfalzgrafen von Tübingen Lehen trug, gegen dieses Kloster wohlthätig (Wirt. Urk.-Buch 2, 485).
Beliebte Familiennamen der von Ihlingen waren Hugo, Konrad, Dietrich, Markward, Friedrich, Wernher, Diemo; auch die Namen Ulrich, Eberhard und Johann kommen vor. Beinamen waren die Faißten (Fetten) und die Müller (ersterer Beiname pinguis schon im 11. Jahrhundert im Reichenbacher Schenkungsbuch. Wirt. Urk.-Buch 2, 417, Marquardus quondam miles dictus molendinarius de J. 1265, Kl. Kirchberger Urk., Fr. dominus molendinator miles 1277 ff., Schmid Mon. Hohenb. 50. Ein Paar Sindelfinger | Pröbste aus dieser Familie s. bei Haug Chron. Sindelf. 4. 5. Ihr Wappen war ein schwarzer Fisch mit langen Rückenfloßen (Schmid Pfalzgr. v. Tüb. 228. Urk. 53, ders. Grafen von Hohenb. 462).Im Jahr 1302 eignete Graf Burkart von Hohenberg dem Johanniterhause in Rexingen allda die Mühle, worüber er Oberlehensherr gewesen war (Schmid Monum. Hohenb. 154).
Von den von Ihlingen kamen die hiesigen Güter und Rechte an die Herren von Ehingen, wie es scheint durch die Heirath, welche Burkhard von Ehingen mit dem Zopf († 1407) 1377 mit Luitgart, Tochter Ulrich Faist’s von Ihlingen, schloß (Crusius Annal. Suev. 3, 331). Diepolt, Burkard und Wolf von Ehingen verkauften sie 1470 für 1776 fl. rhein. an das Spital zu Horb, welches fortan in diesem Besitze verblieb.
Die österreichische Jurisdictionstabelle von 1804 nennt letzteres als Besitzer und Niedergerichtsherrn von Ihlingen, weist aber die Landeshoheit, Blutbann, Geleit und Forstherrlichkeit Österreich zu (Schmid Grafen von Hohenb. 462).
Der hiesige Kirchensatz gehörte vor 1368 den von Neuneck. Von Albrecht von Neuneck erkaufte ihn Graf Rudolf von Hohenberg den 11. Nov. d. J. für die beträchtliche Summe von 1400 Pfund Heller, einverleibte die Kirche aber bereits im Jahr 1487 an das neu errichtete Chorherrnstift Horb (siehe Horb und Schmid Mon. Hohenb. 566. 744). Darauf wurde Ihlingen Filial von Horb.
Bezüglich der Oberherren die Schicksale Horbs theilend, wurde Ihlingen im Jahr 1805 von Württemberg in Besitz genommen.
Errata
- ↑ S. 202. L. 3. Vor „Stuttgart“ setze: Baisingen, Salzstetten. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.
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