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Berlin, Dezember 1923

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Joachim Ringelnatz
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Titel: Berlin, Dezember 1923
Untertitel:
aus: Reisebriefe eines Artisten, S. 74–75
Herausgeber:
Auflage: 5.–9. Tausend
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928 (EA 1927)
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[74]
 BERLIN, DEZEMBER 1923


Guten Morgen, Liebling! Gestern nacht
Hat ein Kerl mich überfallen,
Wollte mich niederknallen,
Schrie: „Geld her!“ und schoß.

5
Ich habe ihm fünf auf den Schädel gekracht:

Hammer auf Am–bam–bam–bam–boß.
Das hat mein Haustürschlüssel gemacht.

Und heute starb er im Lazarett.
Was der wohl noch dachte – zuletzt – auf dem Sterbebett?

10
Und was soll ich denken?

Welche Mächte die Kugeln lenken –
Not und Irrtum – Notwehr und Reue –?
Ob ich lache? Ob ich mich freue,
Weil dieser Kerl danebengezielt

15
Mich Armen für einen Reichen hielt –?


Erfrorenes Vögelchen früh
Auf meinem Fensterbrett. –
Draußen: tut – kling – hottehüh! –

Der Großstadtverkehr. –

20
Da kroch ich noch einmal ins Bett.

Denn ich friere so sehr. –

[75]

Wenn ich ein Vöglein wär –
Ja schön, aber kalt ist es hier …
Und so lange getrennt zu sein …

25
Erfrorenes Vögelein –

Flög ich zu dir.