Bergbau (Louise Otto)
Ob Nord ob Süd, ob Schnee ob Sommersgluten,
Das kümmert nie ein echtes Bergmannskind,
Aus ihren Adern muß die Erde bluten
Wo es am reichsten drinnen wallt und rinnt.
Die droben wohnen in des Himmels Blau.
Es fällt ein Schuß – der Tiefe Geister horchen
Und rings ertönt der unterwühlte Bau.
So ist es hier, so ist es allerorten!
Den, der ihm naht, Gefahr zu bringen worden,
Nur Fleiß und Kampf befreit es seiner Haft.
Und Fleiß und Kampf ist sein Geschick hienieden,
So dient es Jedem, der sich’s unterwarf,
Den Schienenweg der Länder einen darf.
Dir, Eisen, möcht ein stolzes Lied ich singen
Du kannst ein Engel für die Menschheit sein,
Auf Deinen Wegen ihr Erlösung bringen
Bis er sich segenbringend rings erschließt
Und grün und wachsend durch ein neues Werde
Nährendes Korn für Alle ihm entsprießt.
Und Du, sein stolzer Bruder, lockend Gold,
Ihr beide brachtet solchen Segen nimmer,
Die Freiheit nicht, Knechtschaft habt Ihr gewollt.
Und wenn als Engel Ihr der Welt erschienen,
Dem Satan nur und seinen Ruhm zu dienen
Steigt Ihr zum Licht empor aus Eurer Nacht.
Steigt Ihr empor – und auf den bleichen Wangen
Des armen Bergmanns glüht ein plötzlich Rot,
Bei Eurem Glanze denkt er seiner Not!
Ist es doch all sein Sorgen und sein Mühen
Euch aus dem finstern Kerker zu befrein,
Ihr aber wollt nicht dankbar für ihn glühen
Er hat kein Silber und kein Gold im Hause,
Nur Thränen, nur der Kinder Hungerschrei,
Die harren sein in seiner engen Klause,
Ein bleiches Weib, in Not und Elend treu.
Und stöhnt und hat ein böses Traumgesicht:
Als höb das Eisen trotz’ge Riesenglieder
Und hielt ob Gold und Silber Strafgericht.
Er springt empor, hebt stolz die starken Arme
Und flüstert tonlos matt vom großen Harme:
„Mir ist’s als ob ich’s plötzlich tagen seh?“
Da ist ihm bei dem Wort der Traum entschwunden,
Er ist erwacht und spricht: „Schnell ist der Lauf
Das Glöckchen ruft mich fort! – leb wohl“ – „Glück auf.“