Benutzer:Shruggy/Baustelle/5
← Vierter Akt | Iphigenie in Aulis von Euripides, übersetzt von Friedrich Schiller Fünfter Akt. |
Erster Auftritt.
[Bearbeiten]Clytemnestra kommt. Der Chor.
Clytemnestra.
Ich komme, meinen Gatten aufzusuchen,
noch immer bleibt er aus, es ist schon lange,
daß er das Zelt verließ – und drinnen weint
und jammert die Unglückliche, nun sie
Er nähert sich, den ich genannt. Der ist’s,
das ist der Agamemnon, den man bald
verrucht wird handeln sehn an seinen Kindern.
Zweiter Auftritt.
[Bearbeiten]Agamemnon. Vorige.
Agamemnon.
Gut, Clytemnestra, daß ich außerhalb
mich über Dinge mit dir zu besprechen,
die einer Jungfrau, die bald Braut seyn wird,
nicht wohl zu hören ziemt.
Clytemnestra.
Und was ist das
wozu die Zeit sich dir so günstig zeiget?
Agamemnon.
ist in Bereitschaft, das geweihte Wasser,
das Opfermahl, das heil’ge Feu’r, die Rinder,
die vor der Hochzeit am Altar Dianens,
in schwarzem Blute röchelnd, fallen sollen.
Clytemnestra.
ein Gleiches rühmen könnte! – Aber komm’
du selbst heraus, mein Kind!
(Sie geht und öfnet die Thür des Gezelts.)
Was dieser da
mit dir beschlossen hat, weißt du ausführlich.
Nimm unter deinem Mantel auch den Bruder
(Zu Agamemnon, indem Iphigenie heraustritt.)
Sieh’, da ist sie, deine
Befehle zu vernehmen. Was noch sonst
für sie und mich zu sagen übrig bleibt,
werd’ ich hinzuzusetzen wissen.
Dritter Auftritt.
[Bearbeiten]Iphigenie mit dem kleinen Orestes zu den Vorigen.
Agamemnon.
Was ist dir Iphigenie? – – – Du weinst?
zu Boden und verbirgst dich in den Schleier?
Iphigenie.
Ich Unglückselige! Wo fang’ ich an?
bei welchem unter allen meinen Leiden?
Verzweiflung, wo ich nur beginnen mag,
Agamemnon.
Was ist das?
Hat alles hier zusammen sich verstanden,
mich zu bestürzen – Kind und Mutter außer sich
und Unruh’ im Gesichte –
Clytemnestra.
Mein Gemahl,
antworte mir auf das, was ich dich frage,
Agamemnon.
Braucht’s dazu Ermahnung?
Zur Sache.
Clytemnestra.
Ist’s an dem – willst du sie wirklich
ermorden, deine Tochter und die meine?
Agamemnon.
(fährt auf)
Unglückliche! Was für ein Wort hast du gesprochen!
Was argwöhnst du? – Du sollst es nicht!
Clytemnestra.
Antworte
Agamemnon.
Frage was sich ziemt,
so kann ich dir antworten, wie sich’s ziemet.
Clytemnestra.
So frag’ ich. Sage du mir nur nichts anders.
Agamemnon.
Furchtbare Göttinnen des Glücks und Schicksals
und du mein böser Genius!
Clytemnestra.
Und meiner –
Agamemnon.
Worüber klagst du?
Clytemnestra.
Dieses fragst du noch?
O dieser List gebricht es an Verstande.
Agamemnon.
Ich bin verloren. Alles ist verrathen.
Clytemnestra.
Ja, alles ist verrathen. Alles weiß ich
Dieß Schweigen, dieses Stöhnen ist Beweises
genug. Das Reden magst du dir ersparen.
Agamemnon.
Ich schweige. Reden was nicht wahr ist, hieße
mein Elend auch durch Frechheit noch erschweren.
Clytemnestra.
bei Seit’. Ich will jezt offen mit dir reden.
Erst drangst du dich – das sei mein erster Vorwurf –
gewaltsam mir zum Gatten auf, entführtest
mich räuberisch, nachdem du meinen ersten
von seiner Mutter Brust gerissen, mit
grausamem Wurf am Boden ihn zerschmettert.
Als meine Brüder drauf, die Söhne Zevs,
die Herrlichen mit Krieg dich überzogen,
du knieend flehtest, ihrem Zorn, und gab
die Rechte meines Gatten dir zurücke.
Seit diesem Tag – kannst du es anders sagen?
fand’st du in mir die lenksamste der Frauen,
untadelhaft im Wandel. Sichtbar wuchs
der Segen deines Hauses – Lust und Freude,
wenn du hineintratst! Wenn du öffentlich
erschienst, der frohe Zuruf aller Menschen!
ist wenigen bescheert. Desto gemeiner sind
die schlimmen! Ich gebähre dir drei Töchter
und diesen Sohn – und dieser Töchter eine
willst du jezt so unmenschlich mir entreissen!
hierauf zur Antwort geben? Sprich! Soll ich’s
in deinem Nahmen thun? Daß Menelaus
Helenen wieder habe, soll sie sterben!
O treflich! Deine Kinder also sind
dem Theuersten, das wir besitzen, wird
das Hassenswürdigste erkauft! – Wenn du
nun fort seyn wirst nach Troja, lange, lange,
ich im Pallast indessen einsam sitze,
und alle jungfräulichen Zimmer öde,
wie glaubst du, daß mir da zu Muth seyn werde?
Wenn ungetrocknet, unversiegend um
die Todte meine Thränen rinnen, wenn
der dir das Leben gab, gab dir den Tod!
Er selbst, kein and’rer, er mit eig’nen Händen!“
Sieh’ zu, daß dir von deinen andern Töchtern,
von ihrer Mutter, wenn du wiederkehrst,
der solcher Thaten würdig ist. O um
der Götter willen! Zwinge mich nicht, schlimm
an dir zu handeln! Handle du nicht so
an uns! – Du willst sie schlachten? Wie? Und welche
Was willst du, rauchend von der Tochter Blut,
von ihm erflehen? Fürchterliche Heimkehr
von einem schimpflich angetret’nen Zuge!
Werd’ ich für dich um Segen flehen dürfen?
das hieße, Göttern die Vernunft abläugnen!
Und sei’s, daß du nach Argos wiederkehrst,
denkst du dann, deine Kinder zu umarmen?
O dieses Recht hast du verscherzt! Wie könnten
mit kaltem Blut erschlug? – Darüber sind
wir einverstanden. – Mußtest du als König,
als Feldherr dich betragen – kam es dir
nicht zu, bei den Achivern erst die Sprache
nach Troja, Griechen? Gut. Das Loos entscheide,
weß’ Tochter sterben soll!“ Das hätte einem
gegolten wie dem andern! Aber nicht,
nicht dir von allen Danaern allein
Da! deinem Menelaus, dem zu Lieb’
ihr streitet, dem hätt’ es gebührt, sein Kind,
Hermione, der Mutter aufzuopfern!
Und ich, der immer keusch dein Bett’ bewahrte
wenn jene Lasterhafte, glücklicher
als ich, nach Sparta heimzieht mit der Ihren!
Bestreit’ mich, wenn ich Unrecht habe! Hab’
ich recht – O so geh’ in dich! – Bring’ sie nicht
Chor.
Laß dich erweichen, Agamemnon! Denk’,
wie schön es ist, sich seines Bluts erbarmen!
Das wird von allen Menschen eingestanden!
Iphigenie.
Mein Vater, hätt’ ich Orpheus Mund, könnt’ ich
zu folgen zwingen, und durch meine Rede
der Menschen Herzen, wie ich wollte, schmelzen,
jezt würd’ ich diese Kunst zu Hülfe rufen.
Doch meine ganze Redekunst sind Thränen,
statt eines Zweigs der Flehenden leg’ ich
mich selbst zu deinen Füßen – Tödte mich
nicht in der Blüthe! – Diese Sonne ist
so lieblich! Zwinge mich nicht, vor der Zeit,
die dich zum erstenmale Vater nannte,
die erste, die du Kind genannt, die erste,
die auf dem väterlichen Schooße spielte,
und Küsse gab, und Küsse dir entlockte.
werd’ ich dich wohl, wie’s deiner Herkunft ziemt,
im Hause eines glücklichen Gemahles
einst glücklich und gesegnet sehn?“ – Und ich,
an diese Wangen angedrückt, die flehend
„Werd’ ich den alten Vater alsdann auch
in meinem Haus mit süßem Gastrecht ehren,
und meiner Jugend sorgenlose Pflege
dem Greis mit schöner Dankbarkeit belohnen?“
Du hast’s vergessen, du, und willst mich tödten.
O nein! bei Pelops, deinem Ahnherrn! Nein!
bei deinem Vater Atreus und bei dieser,
die mich mit Schmerzen dir gebahr, und nun
Was geht mich Paris Hochzeit an? Kam er
nach Griechenland mich Arme zu erwürgen?
O gönne mir dein Auge! Gönne mir
nur einen Kuß, wenn auch nicht mehr Erhörung,
mit zu den Todten nehme! Komm, mein Bruder!
Kannst du auch wenig thun für deine Lieben,
hinknien und weinen kannst du doch. Er soll
die Schwester nicht um’s Leben bringen, sag’ ihm.
Sieh’ Vater! Eine stumme Bitte richtet er
an dich – Laß dich erweichen! Laß mich leben!
Bei deinen Wangen flehen wir dich an.
zwei deiner Lieben, der unmündig noch,
in ein herzrührend Wort zusammenfassen?
Nichts süßers gibt es, als der Sonne Licht
zu schaun! Niemand verlanget nach da unten.
Der raset, der den Tod herbeiwünscht! Beßer
Chor.
Dein Werk ist dieß, verderbenbringende
Helene! Deine Lasterthat empöret
die Söhne Atreus gegen ihre Kinder!
Agamemnon.
Ich weiß, wo Mitleid gut ist, und wo nicht.
Entsezlich ist mir’s, solches zu beschließen,
entsezlich mich ihm zu entziehn – Seyn muß es.
Seht dort die Flotte Griechenlandes! Seht!
Wie viele Könige in Erzt gewaffnet!
und nimmer fällt die Burg des Priamus,
du sterbest denn, wie es der Seher fordert.
Von wüthendem Verlangen brennt das Heer,
nach Phrygien die Segel auszuspannen,
von diesen Räubern zu befrein. Umsonst,
daß ich dem Götterspruch mich widersetze,
ich – du – und du – und unsre Töchter in
Mycene würden Opfer ihres Grimmes.
Nicht Menelaus ist’s, der aus mir handelt.
Dein Vaterland will deinen Tod – ihm muß ich,
gern oder ungern, dich zum Opfer geben.
Das Vaterland geht vor! – Die Griechen frei
was an uns ist, vor räubrischen Barbaren
zu schützen – das ist deine Pflicht und meine!
(er geht ab.)
Vierter Auftritt.
[Bearbeiten]Clytemnestra. Iphigenie. Der Chor.
Clytemnestra
Er geht! Er flieht dich! – Tochter – Fremdlinge –
Er flieht! – Ich Unglückselige! Sie stirbt!
Iphigenie.
O weh’ mir! – Mutter! Mutter! Gleiches Leid
berechtigt mich zu gleicher Jammerklage![3]
Kein Licht soll ich mehr schauen! Keine Sonne
mehr scheinen sehn! – O Wälder Phrygiens!
erhab’ner Ida, wo den zarten Sohn,
der Mutter Brust entrissen, Priamus
zu grausenvollem Tode hingeworfen!
O hätt’ er’s nimmermehr gethan! den Hirten
am klaren Wasser hingeworfen, wo
durch grüne, blüthenvolle Wiesen, reich
beblümt mit Rosen, würdig von Göttinnen
gepflückt zu werden, und mit Hyazinthen,
mit Hermes, Zevs geflügeltem Gesandten,
zu ihres Streits unseliger Entscheidung,
Athene kam, auf ihre Lanze stolz,
und stolz auf ihre Reitze Cypria
auf Jovis königliches Bette stolz!
O dieser Streit führt Griechenland zum Ruhme,
Jungfrauen, mich führt er zum Tod!
Chor.
Du fällst
für Ilion Dianens erstes Opfer.
Iphigenie.
das jammervolle Leben gab, er flieht!
Er meidet sein verrathnes Kind! Weh’ mir,
daß meine Augen sie gesehen haben,
die traurige Verderberinn! Ihr muß
durch eines Vaters frevelhaften Stahl!
O Aulis, hättest du der Griechen Schiffe
in deinem Hafen nie empfangen! Hätte
ein günst’ger Wind nach Troja sie beflügelt,
Ach! Er verleiht die Winde nach Gefallen,
dem schwellt er mit gelindem Wehn die Segel,
dem sendet er das Leid, die Angst dem andern,
den läßt er glücklich aus dem Hafen steuern,
den hält er in der Mitte seines Laufes.
War’s nicht schon leidenvoll genug, nicht etwa
schon thränenwerth genug, des Menschen Loos,
daß er dem Tod noch rief, es zu erschweren?
Chor.
die Tochter Tyndars über Griechenland!
Du aber, Aermste, jammerst mich am meisten.
O hättest du solch Schicksal nie erfahren!
Fünfter Auftritt.
[Bearbeiten]Achilles, mit einigen Bewaffneten, erscheint in der Ferne. Die Vorigen.
Iphigenie
(erschrocken.)
O Mutter! Mutter! Eine Schar von Männern
Clytemnestra.
Der Göttinnsohn ist drunter,
für den ich dich hieher gebracht.
Iphigenie.
(eilt nach der Thür und ruft ihren Jungfrauen.)
Macht auf!
Macht auf die Pforten, daß ich mich verberge.
Clytemnestra.
Was ist dir? Vor wem fliehest du?
Iphigenie.
Vor ihm –
vor dem Peliden – ich erröthe, ihn
Clytemnestra.
Warum erröthen, Kind?
Iphigenie.
Ach! die
beschämende Entwicklung dieser –
Clytemnestra.
Laß
die Glücklichen erröthen! – Diese zücht’ge
Bedenklichkeiten jezt bei Seite, wenn
wir was vermögen sollen –
Achilles
(tritt näher.)
Arme Mutter!
Clytemnestra.
Achilles.
Ein fürchterliches Schreien
hört man im Lager.
Clytemnestra.
Ueber was? Wem gilt es?
Achilles.
Hier deiner Tochter.
Clytemnestra.
O das weißagt mir
nichts Gutes.
Achilles.
Alles dringt auf’s Opfer.
Clytemnestra.
Alles?
Und niemand ist, der sich dagegen sezte?
Achilles.
Clytemnestra.
Gefahr –
Achilles.
Gesteinigt
zu werden.
Clytemnestra.
Weil du meine Tochter
zu retten strebtest?
Achilles.
Eben darum.
Clytemnestra.
Was?
Wer durft’ es wagen, Hand an dich zu legen?
Achilles.
Die Griechen alle.
Clytemnestra.
Wie? Wo waren denn
Achilles.
Die
empörten sich zuerst.
Clytemnestra.
Weh’ mir! Wir sind
verloren, Kind!
Achilles.
Die Hochzeit habe mich
bethöret, schrie’n sie.
Clytemnestra.
Und was sagtest du
darauf?
Achilles.
Man solle die nicht würgen,
Clytemnestra.
Da sagtest du, was wahr ist.
Achilles.
Die der Vater
mir zugedacht.
Clytemnestra.
Und die er von Mycene
ausdrücklich hatte kommen lassen.
Achilles.
Vergebens! Ich ward überschrie’n.
Clytemnestra.
Die rohe
Achilles.
Dennoch rechne du
auf meinen Schutz.
Clytemnestra.
So vielen willst du’s biethen
ein Einziger?
Achilles.
Siehst du die Krieger dort?
Clytemnestra.
O möge dir’s bei diesem Sinn gelingen!
Achilles.
Es wird.
Clytemnestra.
So wird die Tochter mir nicht sterben?
Achilles.
Clytemnestra.
Kommt man
etwa, sie mit Gewalt hinweg zu führen?
Achilles.
Ein ganzes Heer. Ulysses führt es an.
Clytemnestra.
Der Sohn des Sisyphus etwa?
Achilles.
Derselbe.
Clytemnestra.
Führt eigner Antrieb oder Pflicht ihn her?
Achilles.
Clytemnestra.
Ein traurig Amt, mit Blut sich zu besudeln!
Achilles.
Ich werd’ ihn zu entfernen wissen.
Clytemnestra.
Sollte
er wider Willen sie von hinnen reissen?
Achilles.
Er? – Hier bei diesem blonden Haar!
Clytemnestra.
Was aber
Achilles.
Du hältst die Tochter.
Clytemnestra.
Wird
das hindern können, daß man sie nicht schlachtet?
Achilles.
Das wird dieß Schwerdt alsdann entscheiden![4]
Iphigenie.
Höre
mich an, geliebte Mutter. Hört mich beide.
Was tobst du gegen den Gemahl? Kein Mensch
Das größte Lob gebührt dem wohlgemeinten,
dem schönen Eifer dieses Fremden Freundes,
du aber, Mutter, lade nicht vergeblich
der Griechen Zorn auf dich, und stürze mir
Vernimm jezt, was ein ruhig Ueberlegen
mir in die Seele gab. Ich bin entschlossen
zu sterben – aber ohne Widerwillen
aus eig’ner Wahl, und ehrenvoll zu sterben!
Das ganze große Griechenland hat jezt
die Augen auf mich Einzige gerichtet.
Ich mache seine Flotte frei – durch mich
wird Phrygien erobert. Wenn fortan
aus Hellas sel’gem Boden weggeschleppt
zu werden von Barbaren, die nunmehr
für Paris Frevelthat so fürchterlich
bezahlen müssen – aller Ruhm davon
Ich werde Griechenland errettet haben,
und ewig selig wird mein Nahme strahlen.
Wozu das Leben auch so ängstlich lieben?
Nicht dir allein – du hast mich allen Griechen
die Tausende, die ihre Schilde schwenken,
dort andre Tausende, des Ruders kundig,
entbrannt von edelm Eifer kommen sie,
die Schmach des Vaterlands zu rächen, gegen
zu sterben für das Vaterland. Dieß alles
macht’ ich zu nichte, ich, ein einzig’s Leben?
Wo, Mutter, wäre das gerecht? Was kannst
du hierauf sagen? – Und alsdann –
(sich gegen Achilles wendend.)
Soll der’s
aufnehmen und zu Grunde gehn? Nein doch!
Das darf nicht seyn![5] Der einz’ge Mann verdient
das Leben mehr, als hunderttausend Weiber.
Und will Diana diesen Leib, werd’ ich,
Umsonst! Ich gebe Griechenland mein Blut.
Man schlachte mich, man schleife Trojas Veste!
Das soll mein Denkmal seyn auf ew’ge Tage,
das sei mir Hochzeit, Kind, Unsterblichkeit!
der Grieche und es diene der Barbare!
denn der ist Knecht, und jener frei gebohren!
Chor.
Dein großes Herz zeigst du – doch grausam ist
dein Schicksal, und ein hartes Urtheil sprach Diana!
Achilles.
mir geben wollte, Tochter Agamemnons!
Glücksel’ges Griechenland, so schön errettet!
Glückselig du, durch ein so großes Opfer
geehrt! Wie edel hast du da gesprochen!
Nothwendigkeit willst du nicht widerstreben,
was einmal seyn muß, muß vortreflich seyn.
Je mehr dieß schöne Herz sich mir entfaltet,
ach desto feuriger lebt’s in mir auf,
O sinn’ ihm nach. So gern thät’ ich dir Liebes,
und führte dich als Braut in meine Wohnung.
Kann ich im Kampfe mit den Griechen dich
nicht retten – o bei’m Leben meiner Mutter!
Es ist nichts kleines um das Sterben!
Iphigenie.
Meinen
Entschluß bringt kein Beweggrund mehr zum Wanken.
Mag Tyndars Tochter, herrlich vor uns allen,
durch ihre Schönheit Männer gegen Männer
sollst du nicht sterben, Fremdling! Meintwegen
soll niemand durch dich sterben! Ich vermag’s
mein Vaterland zu retten. Laß mich’s immer!
Achilles.
Erhab’ne Seele – Ja! Ist dieß dein ernster
Warum, was Wahrheit ist, nicht eingestehn?
Du hast die Wahl des Edelsten getroffen!
Doch dürfte die gewaltsame Entschließung
dich noch gereun, drum halt’ ich Wort und werde
dir nahe stehn – kein müß’ger Zeuge deines Todes,
dein Helfer vielmehr und dein Schutz. Wer weiß,
wenn nun der Stahl an deinem Halse blinkt,
ob dich des Freundes Nähe nicht erfreuet?
ein allzurasch gefaßter Vorsatz kürze.
Jezt führ’ ich diese –
(auf seine Bewaffneten zeigend.)
nach der Göttinn Tempel,
dort findest du mich, wenn du kommst.
(er geht ab.)
Sechster Auftritt.
[Bearbeiten]Iphigenie. Clytemnestra. Der Chor.
Iphigenie.
Nun Mutter? –
Es netzen stille Thränen deine Augen?
Clytemnestra.
O ich Unglückliche!
Iphigenie.
Nicht doch! Erweichen
mußt du mich jezt nicht, Mutter. Eine Bitte
gewähre mir.
Clytemnestra.
Entdecke sie, meine Kind.
Die Mutter findest du gewiß.
Iphigenie.
Versprich mir,
Gewand um dich zu schlagen –
Clytemnestra.
Wenn ich dich
verloren habe? Kind, was forderst du?
Iphigenie.
Du hast mich nicht verloren – Deine Tochter
wird leben und mit Glorie dich krönen.
Clytemnestra.
Iphigenie.
Nein Mutter! Für mich gibt’s kein Grab.
Clytemnestra.
Wie das?
Führt nicht der Tod zum Grab?
Iphigenie
Der Tochter Zevs
geheiligter Altar dient mir zum Grabe.
Clytemnestra.
Du hast mich überzeugt. Ich will dir folgen.
Iphigenie.
die Segen brachte über Griechenland.
Clytemnestra.
Was aber hinterbring’ ich deinen Schwestern?
Iphigenie.
Auch sie laß keinen Trauerschleier tragen.
Clytemnestra.
Darf ich die Schwestern nicht mit einem Worte
Iphigenie.
Mög’
es ihnen wohlergehen! – Diesen da
(auf Orestes zeigend)
erziehe mir zum Mann!
Clytemnestra.
Küß’ ihn noch einmal,
zum leztenmale!
Iphigenie.
(ihn umarmend.)
Liebstes Herz! Was nur
in deinen kleinen Kräften hat gestanden,
Clytemnestra.
Kann ich noch etwas Angenehmes sonst
in Argos dir erzeigen?
Iphigenie.
Meinen Vater
und deinen Gatten – haß’ ihn nicht!
Clytemnestra.
O! der
soll schwer genug an dich erinnert werden!
Iphigenie.
Clytemnestra.
Sprich, hinterlistig, niedrig, ehrenlos,
nicht, wie es einem Sohn des Atreus ziemet!
Iphigenie.
(sich umschauend.)
Wer führt mich zum Altar? – Denn an den Locken
möcht’ ich nicht hin gerissen seyn.
Clytemnestra.
Ich selbst.
Iphigenie.
Clytemnestra.
Ich fasse deinen Mantel.
Iphigenie.
Sei mir zu Willen, Mutter! Bleib! – Das ist
anständiger für dich und mich! – Hier, von
des Vaters Dienern findet sich schon einer,
der zu Dianens Wiese mich begleitet,
(Sie wendet sich zum Gefolge.)
Clytemnestra
(folgt ihr mit den Augen.)
Du gehst,
mein Kind?
Iphigenie.
Um nie zurück zu kehren!
Clytemnestra.
Verlässest deine Mutter?
Iphigenie.
Und unwürdig
von ihr gerissen, wie du siehst.
Clytemnestra.
O bleib!
Verlaß mich nicht!
(will auf sie zu eilen.)
Iphigenie
(tritt zurück.)
Nein! Keine Thränen mehr!
(sie redet den Chor an, mit dem sie gekommen ist.)
ein hohes Loblied an aus meinem Leiden,
zum frohen Zeichen für ganz Griechenland!
Das Opfer fange an – Wo sind die Körbe?
Die Flamme lodre um den Opferkuchen!
Heil und Triumph zu bringen den Achivern!
Kommt! Führt mich hin! Der Phrygier und Trojer
furchtbare Ueberwinderinn! Gebt Kronen,
gebt Blumen, diese Locken zu bekränzen!
um den Altar der Königinn Diana,
der Göttlichen! der Seligen! Denn, nun
es einmal seyn muß, will ich das Orakel
mit meinem Blut und Opfertode tilgen.
Chor.
(wendet sich gegen Clytemnestra, die in stumme Traurigkeit versenkt steht.)
die heil’ge Handlung duldet keine Thränen.
Iphigenie.
Helft mir Dianen preisen, Jungfrauen,
die, Chalcis nahe Nachbarinn, in Aulis
gebiethet, wo die Flotte Griechenlands
O Argos! Mütterliches Land! Und du,
der frühen Kindheit Pflegerinn, Mycene!
Chor.
Die Stadt des Perseus rufst du an, von den
Cyclopen für die Ewigkeit gegründet!
Iphigenie.
in deinem Schooß – Doch nein. Ich will ja freudig sterben.
Chor.
Im Ruhm wirst du unsterblich bei uns leben.
Iphigenie.
O Fackel Jovis! Schöner Strahl des Tages!
Ein ander Leben thut sich mir jezt auf,
Geliebte Sonne, fahre wohl[6].
(sie geht ab.)
Anmerkungen.
[Bearbeiten]- ↑ [67] Verzweiflung wo ich nur beginnen mag! Verzweiflung wo ich enden mag!) Josua Barnes übersetzt: Quodnam malorum meorum sumam exordium? Omnibus enim licet uti primis, et postremis et mediis ubique. Angenommen, daß dieser Sinn der wahre ist, so liegt ihm vielleicht eine Anspielung auf irgend eine griechische Gewohnheit zum Grunde, dergleichen man im Euripides mehrere findet. Da der Reitz, den eine solche Anspielung für ein griechisches Publikum haben konnte, bei uns wegfällt, so würde man dem Dichter durch eine treue Uebersetzung einen schlechten Dienst erweisen.
- ↑ [67] Besser in Schande leben, als bewundert sterben.) Der französische Uebersetzer mildert diese Stelle: une vie malheureuse est même plus prisée qu’une glorieuse mort. Wozu aber diese Milderung? Iphigenie darf und soll, in dem Zustande worin sie ist, und in dem Affekt, worin sie redet, den Werth des Lebens übertreiben.
- ↑ [68] Gleiches Leid berechtigt mich zu gleicher Jammerklage.) Wehe mir! ruft die Mutter. Wehe mir! ruft die Tochter, denn das nehmliche Lied schickt sich zu beider Schicksal. Der P. Brumoy nimmt es in der That etwas zu scharf, wenn er dem Euripides Schuld gibt, als habe er mit dem Wort μελοσ die Versart bezeichnen wollen, und bei dieser Gelegenheit die weise Bemerkung macht, daß ein Akteur niemals von sich selbst sagen müsse, er rede in Versen.
- ↑ [68] Das wird dieß Schwert alsdann entscheiden.) Wörtlich heißt es: Es wird (oder er wird) aber doch dazu kommen! – Nun kann es freilich auch so verstanden werden. „Clytemnestra. Wird darum mein Kind nicht geopfert werden? Achilles. Darum wird er wenigstens kommen“ oder es kann heissen: Achilles. Du hältst deine Tochter fest. Clytemnestra. Wird das hindern können, daß man sie nicht opfert? Achilles. Nein, er wird aber dort seinen Angriff thun.“ – Die angenommene Erklärungsart scheint die natürlichste zu seyn.
- ↑ [69] Dieß ist eine von den Stellen, die dem Euripides den Nahmen des Weiberfeindes zugezogen hat. Wenn man sie aber nur auf den Achilles deutet, so verliert sie das Anstößige; und diese Erklärungsart schließt auch der Text nicht aus.
- ↑ Hier schließt sich die dramatische Handlung. Was noch folgt, ist die Erzählung von Iphigeniens Betragen bei’m Opfer und ihrer wunderbaren Errettung.
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Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände. |