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Iphigenie in Aulis von Euripides, übersetzt von Friedrich Schiller Erster Akt. |
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Erste Scene.
[Bearbeiten]Agamemnon. Der alte Sclave.
Agamemnon ruft in das Zelt.
Hervor aus diesem Zelte, Greis.
Sclave
(indem er herauskommt)
Hier bin ich.
Was sinnst du neues, König Agamemnon?
Agamemnon.
Du wirst es hören. Komm.
Sclave.
Ich bin bereit.
Mein Alter flieht der Schlummer und noch frisch
Agamemnon.
Das Gestirn dortoben!
wie heißts?
Sclave.
Du meinst den Sirius, der nächst
dem Siebensterne der Pleiaden rollt?
Noch schwebt er mitten in dem Himmel.
Agamemnon.
Auch
läßt noch kein Vogel sich vernehmen, kein
um den Euripus her.
Sclave.
Und doch verlässest
du dein Gezelt, da überall noch Ruhe
in Aulis herrscht und auch die Wachen sich
nicht rühren? König Agamemnon, komm.
Agamemnon.
Ich beneide dich,
und jeden Sterblichen beneid’ ich, der
ein unbekanntes unberühmtes Leben
frey von Gefahren lebt. Weit weniger
beneid’ ich den, den hohe Würden krönen.
Sclave.
Agamemnon.
Zweideutge Zier! Verrätherische Hoheit!
dem Wunsche süß, doch schmerzhaft dem Besitzer!
Jezt ist im Dienst der Götter was versehn,
das uns das Leben wüste macht – Jezt ists
die Menge, die es uns verbittert.
Sclave.
Herr
von einem Hochgewaltigen, von dir,
hör’ ich das ungern. Hat denn Atreus nur
zu thränenlosen Freuden dich gezeuget?
bist du mit Lust und Leiden ausgestattet.
Du magst es anders wollen – also wollen es
die Himmlischen. Schon diese ganze Nacht
seh’ ich der Lampe Licht von dir genährt,
Du löschest das Geschriebne wieder aus,
jezt siegelst du den Brief und gleich darauf
eröfnest du ihn wieder, wirfst die Lampe
zu Boden, und aus deinen Augen bricht
nicht Herzensangst der Sinne gar beraubet!
Was drückt dich Herr? O sage mirs! Was ist
so außerordentliches dir begegnet?
Komm sage mirs. Du sagst es einem guten
im Heurathsgut mit übermacht, den er
der Braut zum sichern Wächter mitgegeben.
Agamemnon.
Drei Jungfraun hat die Tochter Thestias
dem Tyndarus gebohren. Phöbe hieß
mein Weib, die jüngste Helena. Es warben
um Helenas Besitz mit reichen Schätzen
die Fürsten Griechenlands und blutger Zwist
war von dem Heere der verschmähten Freier
dieß fürchtend, bang und ungewiß der König,
den Ehgemahl der Tochter zu entscheiden,
dieß Mittel sinnt er endlich aus. Es müssen
die Freier sich mit hohen Schwüren binden,
Altar, und freundlich sich die Rechte bieten.
Ein fürchterlich Gelübd’ entreißt er ihnen,
das Recht des Glücklichen – sei auch wer wolle
der Glückliche! – einträchtig zu beschützen,
des Griechen oder des Barbaren, der
von Haus und Bette die Gemahlinn ihm
gewaltsam rauben würde, zu verbreiten.
Als nun gegeben war der Schwur, durch ihn
verstattet Tyndarus der Jungfrau, selbst
den Gatten sich zu wählen, dem der Liebe
gelinder Hauch das Herz entgegen neigte.
Sie wählt – o hätte nie und nimmermehr
den blonden Menelaus zum Gemahle.
Nicht lang, so läßt in Lacedämons Mauren,
in reichem Kleiderstaate blühend, blitzend
von Gold, im ganzen Prunke der Barbaren,
wie das Gerücht verbreitet, zwischen drei
Göttinnen einst der Schöne Preis entschieden,
gibt Liebe und empfängt und flüchtet nach
der Ida fernen Triften die Geraubte.
der Fürsten alte Schwüre jezt heraus.
Zum Streite stürzt ganz Griechenland. In Aulis
versammelt sich mit Schiffen, Rossen, Wagen
und Schilden schnell ein fürchterlicher Mars.
zu ihrem Oberhaupt. Unselges Zepter,
wärst du in andre Hände doch gefallen!
Nun liegt das ganze aufgebotne Heer,
weil ihm die Winde widerstreben, müßig
Beängstigungen bringt der Seher Kalchas
den Götterspruch hervor, daß, wenn die Winde
sich drehn und Trojas Thürme fallen sollen,
auf Artemis Altar der Schützerinn
als Opfer bluten müsse; blutete
sie nicht, dann weder Fahrt, noch Sieg. Sogleich
erhält Thalthybius von mir Befehl
mit lautem Heroldsruf das ganze Heer
will ich zur Schlachtbank meine Tochter führen.
Durch seiner Gründe Kraft und Erd’ und Himmel
bewegend reißt der Bruder endlich doch
mich hin, das Gräßliche geschehn zu lassen.
ihr, ungesäumt zur Hochzeit mit Achill
die Tochter mir nach Aulis herzusenden.
Hoch rühm’ ich ihr des Bräutigams Verdienst,
sie rascher anzutreiben, setz’ ich noch
nach Ilion zu ziehn, bevor er sie
als Gattinn in sein Phthia heimgesendet.
In dieser fälschlich vorgegebnen Hochzeit
hab’ ich des Kindes Opferung der Mutter
und mir, weiß nur Ulyß um das Geheimniß.
Doch was ich damals schlimm gemacht, mach’ ich
in diesem Briefe wieder gut, den du
im Dunkel dieser Nacht mich öfnen und
damit nach Argos! – Halt – Der Königinn
und meinem Hause, weiß ich, warst du stets
mit Treu und Redlichkeit ergeben. Was
verborgen ist in dieses Briefes Falten,
(er liest)
„Gebohrene der Leda, meinem ersten
„send’ ich dieß zweite Schreiben nach“ –
(er hält inne)
Sclave.
Lies weiter,
verbirg mir ja nichts Herr, daß meine Worte
mit dem Geschriebenen gleich lauten.
Agamemnon (fährt fort zu lesen)
„Sende
„Euböas Busen. Die Vermählung bleibt
„gelegeneren Tagen aufgehoben.“
Sclave.
Und glaubst du daß der heftige Achill,
den du die Gattinn wieder nimmst, nicht gegen
ergrimmen werde? – Herr, von daher droht
Gefahr – Sag an, was hast du hier beschlossen?
Agamemnon.
Unwissend leiht Achill mir seinen Nahmen,
verborgen wie der Götterspruch ist ihm
raubt dieses Opfer keine Braut.
Sclave.
O König
ein grausenvolles Unternehmen ists,
in das du dich verstricket hast. Du lockest
die Tochter, als des Göttinnsohnes Braut
den Danaern ein Opfer zuzuführen.
Agamemnon.
Ach meine Sinne hatten mich verlassen! – Götter!
Versunken bin ich in des Jammers Tiefen!
Doch eile! Lauf! Nur jezt vergiß den Greis.
Sclave.
Agamemnon.
Laß nicht Müdigkeit
nicht Schlaf an eines Baches Ufer, nicht
im Schatten der Gehölze dich verweilen.
Sclave.
Denk besser von mir König.
Agamemnon.
Gib besonders
wohl Acht, wo sich die Straßen scheiden, ob
der Wagen der sie bringen soll. Es ist
gar etwas schnelles, wie die Räder laufen.
Sclave.
Sei meiner Wachsamkeit gewiß.
Agamemnon.
Ich halte
dich nun nicht länger. Eil’ aus diesen Grenzen –
der Wagen aufstößt, o so drehe du,
du selbst die Rosse rückwärts nach Mycene.
Sclave.
Wie aber – sprich – wie find’ ich Glauben bei
der Jungfrau und der Königinn?
Agamemnon.
Nimm nur
Hinweg. Schon färbt die lichte Morgenröthe
den Himmel weiß und flammenwerfend steigen
der Sonne Räder schon herauf – Geh, nimm
die Last von meiner Seele!
(Sclave geht ab)
Ach, daß keiner
sich glücklich bis ans Ende! – Leidenfrey
ward keiner noch gebohren!
(er geht ab.)
Zwischenhandlung.
[Bearbeiten]Chor tritt auf.
Aus Chalcis, meiner Heimat, bin ich gezogen,
die mit Meeran treibenden Wogen
Ueber den Euripus hab’ ich gesetzt,
der Griechen herrliche Schaaren zu sehen,
und die Schiffe am lebendigen Strand,
die so rasch und gelehrig sich drehen
In der Trojer fernes Land
folgen sie, wie ich daheim erfahren,
Agamemnons fürstlichem Haupt,
und dem Bruder mit den blonden Haaren,
Helena vom Ufer der Barbaren.
Von des Eurotas schilfreichem Strand
führte sie Paris in Priamus Land,
Paris, dem am thauenden Bach,
und mit Hären um den Preis der Schöne
Cypria das schöne Weib versprach.
Antistrophe.
Ich bin durch die heiligen Hayne gegangen,
wo sie Dianen mit Opfern erfreun,
mischt’ ich mich in die kriegrischen Reyhn,
an des Lagers eisernen Schätzen
an der Schilde furchtbarer Wehr’
meinen bewundernden Blick zu ergötzen,
Erst sah ich die tapfern Zeitgenossen
der Ajaxe Heldenpaar, vereint
mit Protesilas dem Freund,
auf den Sitzen friedlich hingegossen;
Salamis – furchtbarer Telamone!
An des Würfels wechselndem Glück
labte sich der Helden Blick.
Gleich nach diesen sah ich Diomeden,
und Poseidons Enkel Palameden
und Laertes listenreichen Sohn,
seiner Felsenithaka entstiegen
Nireus dann, den schönsten aus dem Zug,
lustig sich vergnügen.
Epode.
Auch der Thetis Sohn hab’ ich gesehen
den der weise Chiron auferzog,
raschen Laufes, wie der Winde Wehen,
wie er flüchtig längs dem Ufer flog,
schwergeharnischt mit geschwinden Solen
eines Wagens Flug zu überhohlen
den die Schnelle von vier Rossen zog.
Bunte Schenkel, gelbes Mähnenhaar
schmückten das Gespann auf jedem Flügel,
weißgeflecket war das Deichselpaar.
Mit dem Stachel und mit lautem Rufen
aber immer dicht an ihren Hufen,
gieng des waffenschweren Läufers Bahn.
Zweite Strophe.
Jezt sah ich – ein Schauspiel zum Entzücken!
ihrer Wimpel zahlenloses Wehn,
was mein weiblich Auge hier gesehn.
Funfzig Schiffe tapfrer Myrmidonen –
Zevs glorreicher Enkel führt sie an –
zieren rechts der Flotte schönen Plan.
Zeichen des unsterblichen Peliden,
goldne Nereiden.
Zweite Antistrophe.
Funfzig Schiffe zählt’ ich, die, regieret
von Capaneus und Mecistens Sohn,
Sechzig führt zum Streit nach Ilion
Theseus Sohn von der Athener Küste,
Pallas mit geflügeltem Gespann
ist ihr Zeichen – auf der Wasserwüste
Dritte Strophe.
Der Böoten funfzig Schiffe kamen,
kenntlich an des Stifters Schlangenbild.
König Leitus, aus der Erde Saamen,
bringt sie aus dem phocischen Gefild.
Ajax, aus der Lokrier Gebiete.
Dritte Antistrophe.
Von Mycene kam mit hundert Masten
Agamemnon, Atreus Sohn,
seinen Scepter theilend mit Adrasten,
Treu und dienstlich seines Freundes Harme
folgt’ auch er der Griechen Heldenzug,
heimzuhohlen, die in Räubers Arme
des geflohnen Hymens Freuden trug.
Alpheus schönen Stromgott sieht man hier,
der die Heimat nachbarlich umfließet,
Oben Mensch und unten Stier.
Dritte Epode.
Mit zwölf Schiffen schließt an die Achäer
Elis Herrscher folgen, die Epeer,
des Eurytus Scepter unterthan.
Von den Echinaden, wo zu wagen
keine Landung, führt der Taphen Macht,
Meges, Sohn des Phyleus, in die Schlacht.
Beide Flügel bindend, schließt der Telamone,
den die stolze Salamis gebahr,
mit zwölf Schiffen – dieses Zuges Krone.
Dieses Volk, im Ruderschlag erfahren,
mit Verwundrung hab’ ich’s nun erblickt.
Weh’ dem kühnen Fahrzeug der Barbaren,
das die Parze ihm entgegenschickt!
hoffe keines freudig einzufahren!
Auch das Schlachtgeräthe und der Schiffe Menge,
(vieles wußt’ ich schon) hab’ ich gesehn,
die Erinnerung an diese Dinge,
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