Benutzer:Ogmios/Sagen
Bergmönch (1920)
[Bearbeiten]Es ist einmal ein armer Bergmann gewesen. Dessen Frau bekam ihr siebentes Kind. Das hat dem Bergmann nun große Sorge gemacht, denn er hatte schlechte Stroffe gehabt, und also hat der Lohn nicht reichen wollen. Eines Abends saß er mit seiner Frau trübselig zusammen. Da klopfte es an die Tür. Gleich darauf trat jemand recht fest auf, und der Bergmönch kam herein, gab beiden die Hand und sprach: „Ihr seid ehrliche Leute, ich weiß es, darum will ich euch aus der Not helfen.“ Damit gab er der Frau enen Packen Flachs, klar wie die Sonne. Dem Manne aber gab er ein Stück Inselt und befahl den beiden, niemand etwas davon zu sagen. Damit verschwand er. Der Flachs aber hat nicht abgenommen, solange die Frau auch davon spinnen mochte, und der Inselt ist niemals verbrannt. Der Bergmann hat davon sein Leben lang das Grubenlicht füllen können. Nach Pröhle, Harzsagen
Der schwarze Hund vom Treibholz (1929)
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In einer warmen Sommernacht saß eine
Bergmannsfrau in ihrem Häuschen im
Sperrentale bei St. Andreasberg mit dem
Strickzeug am Fenster und wartete auf
ihren Eheherrn, der um 1 Uhr nachts von
der Spätschicht nach Hause kommen mußte.
Heller Mondschein lag über Wald und Feld, und
der Duft von frischgemähtem Gras drang durch das
offene Fenster ins Zimmer. Kein Laut ringsum,
nichts störte die heilige Stille. Des Mondes Silberlicht
war so stark, daß die Frau auf eine weite Entfernung
hin alles klar zu überblicken vermochte.
Sie stand auf von ihrem Stuhl, beugte sich aus dem
Fenster und spähte die Straße entlang, auf der ihr
Mann immer heimkam. Da schlug es 12 Uhr vom
Glockenturm, – die Mitternachtsstunde. Es war
noch zu früh, jetzt konnte ihr Heinrich, so hieß ihr
Mann, noch nicht heimkehren. So ging sie an ein
anderes Fenster, das an der Rückseite des Hauses,
nach der Bergseite zu, lag. Ein schmaler Weg
führte dort vorbei, den Berg hinan und dem Treibholze
zu. Als sie nun ein Weilchen aus diesem Fenster
hinaus geschaut hatte, sah sie plötzlich vom
Treibholze her einen großen, schwarzen Hund kommen.
Sie wunderte sich darüber, und ihr Erstaunen
wurde zum Entsetzen, als sie den Hund näher betrachtete.
Es war ein gräuliches, struppiges Tier
mit Augen, die wie Feuer leuchteten, mit einem rotglühenden,
feuerspeihenden Rachen, aus dem eine
lange Zunge hing. In ihrer Todesangst bekreuzigte
sie sich und stammelte ein Vaterunser. Da war der
Hund auch schon an ihrem Häuschen vorüber, lief
über die Brücke der Sperrlutter und von da weiter
die Straße entlang, die ihr Heinrich kommen mußte.
Nun packte sie eine heiße Angst, laut und hart pochte
ihr Herz, und am liebsten wäre sie ihrem Manne
entgegengeeilt, wenn die lähmende Furcht sie nicht
zurückgehalten hätte[WS 1]. Sie wartete von Schrecken und
Grauen geschüttelt, doch ihr Heinrich kam nicht, und
als die Glocken die zweite Stunde des neuen Tages
verkündeten, war er immer noch nicht da. Jetzt
weinte sie bitterlich und schluchzte: „Was mag ihm
nur passiert sein, der Hund hat ihm sicher etwas
Böses angetan!“ Eine große Unruhe trieb sie hin
und her. Endlich gegen 3 Uhr morgens kam der sehnlichst
Erwartete heim und war erstaunt, seine Frau
noch wachend anzutreffen. Weinend warf sie sich an
ihres Mannes Brust und frug: „Heinrich, wo warst
Du, ich habe mich ja so sehr gefürchtet und mich um
Dich gebangt.“ Dieser beruhigte nun seine Frau,
schalt mit ihr und sagte, sie sei eine kleine Närrin,
die in Zukunft rechtzeitig schlafen gehen sollte. Doch
auf ihre nochmalige Frage nach seinem Verbleib, erzählte
er ihr: „Denk Dir einmal, was mir passiert
ist. Als ich auf dem Heimweg von der Grube bin,
sehe ich vor dem Hause des Hufschmiedes, dort, wo
die beiden hohen Bäume stehen, den Kameraden Sch.
liegen. Ich stoße ihn an, er regt sich aber nicht.
Ich rüttele ihn und denke, hat der aber einen über
den Durst getrunken. Als er jedoch gar kein Lebenszeichen
von sich gibt, glaube ich, daß ihm doch
wohl etwas Ernsteres fehlen müsse. Ich lade ihn
mir also auf den Rücken und trage ihn nach seinem
Hause. Als dieses nun geöffnet wird und die Frau
des Kameraden und ich den Bewustlosen aufs Bett
gelegt haben, bittet mich die Frau, doch den Herrn
Oberbergchirurg A. zu holen. Ich eile fort und der
Arzt kommt gleich mit. Bald nun hat er den Kameraden
so weit, daß er ein paar Worte spricht. Er
redet wirre Sachen von einem großen, schwarzen
Hund mit feurigen Augen, schaurig anzuschauen, dem
aus einem Feuerspeienden Rachen eine lange Zunge
hängt. Als das Tier auf ihn losgesprungen wäre,
sei alles Leben aus ihm gewichen. Unser Herr
Oberbergchirurg schüttelte den Kopf, untersuchte den
Kranken, konnte aber keine Verletzung feststellen. Er
blieb dann noch bei ihm und sprach beruhigend auf
ihn ein. Ich bin dann heingegangen.“ – Darauf
[51] erzählte ihm seine Frau: „Auch ich habe den Hund
gesehen, genau so, wie ihn Dein Kamerad geschildert
hat. Dort hinten vom Treibholze ist er gekommen,
über die Brücke und die Straße gelaufen, von
woher Du kommen mußtest. Deinem armen Kameraden
ist er begegnet, und der hat sich erschreckt, daß
ihm das Blut erstarrte. Wie leicht hätte es Dir
ebenso ergehen können. O, was habe ich für eine
Angst um Dich ausgestanden.“ Ihr Mann schwieg
lange Zeit und hub dann an: „Als ich noch ein Kind
war, hat mein Großvater mir erzählt, daß es auf
dem Treibholz nicht ganz geheuer sei. Dort soll vor
langen, langen Zeiten ein Schloß gestanden haben,
dessen Bewohner sehr böse Menschen waren. Nichts
war ihnen heilig, sie nahmen, was ihnen nicht gehörte,
und was ihnen in den Weg trat, mußte sein
Leben lassen. Schon lange hatte das himmlische
Strafgericht gedroht. Sie trieben es jedoch immer
ärger, und als sie einmal wieder von einem Raubzug
zurückgekehrt waren und ein höllisches Fest
feierten, brach es, als ihre Bosheit reif geworden
war, plötzlich über sie herein. Schreckliche Blitze
zuckten hernieder, und mit furchtbarem Krachen barst
der Berg auseinander. In Feuer und Rauch versanken
das Schloß und seine Bewohner. Die unermeßlichen
Schätze aber, die sie angesammelt, werden
da unten, tief im Innern des Berges, von einem
feurigen Hunde bewacht, der jeden zerrreißt, den es
nach den Schätzen gelüstet. Nur einmal alle hundert
Jahre verläßt dieser den Ort, kommt an die Erdoberfläche,
und wem es dann glückt, während seiner
Abwesenheit an den Schatz heranzukommen, kann sich
so viel davon nehmen, daß er genug für sein ganzes
Leben hat. – Heute waren gewiß wieder einmal hundert
Jahre um, und wenn Du den Hund so genau
gesehen hast, muß es wahr sein, was mir mein alter
Großvater immer von dem großen Schatz
im Treibholze zu erzählen wußte.“
Aus dem Sagenschatz des Oberharzes (1931)
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Im Erzgebirge und im Oberharzer weben sich eine Reihe wunderbarer Sagen um
den Beruf des Bergmannes. Dort wie
hier steht ein Bergmann im Mittelpunkt
der Erzählungen, der seinen Kameraden
als Mönch gekleidet erscheint und darum
den Namen Bergmönch trägt. Im Erzgebirge
und im Oberharz ging der erste Bergbau von
Klosterstätten aus. Mönche des Klosters Altencella,
dessen Ueberreste noch in dem heutigen
Gasthof „Klosterhof“ bei Clausthal-Zellerfeld erkennbar
sind, waren hier die ersten Bergleute.
Man kann daher mit großer Sicherheit annehmen, daß die Gestalt des Bergmönchs auf Jene ersten Bergleuten in Mönchskutte zurückzuführen ist.
In den Bergwerken um Clausthal und St. Andreasberg ließ sich von Zeit zu Zeit ein Geist sehen, der die Kleidung eines Mönchs trug. Nur war er überlebensgroß und trug ein riesiges Unschlittlicht in seiner Hand. Dieses Licht besaß die wunderbare Eigenschaft nie zu verlöschen. Wenn die Bergleute morgens einführen, stand der Bergmönch mit seinem Lichte über der Einfahrt und ließ sie unter sich durchfahren. Aber auch in den Schächten ist er ihnen oft begegnet. Dort hielt er die Ordnung aufrecht. Er duldete kein Fluchen, kein Pfeifen, kein Schelten; er half, rettete und warnte den pflichtgetreuen Bergmann.
Bei St. Andreasberg war nun einmal ein Bergmann, der arbeitete in der Samsal (Samson). Er hatte viele Kinder und so wurde es ihm bitter schwer, seine Familie auskömmlich zu ernähren. Da hatte er nun schon oft an den Bergmönch gedacht, der ihm wohl aus seiner Not helfen könnte. Eines Morgens, bevor er einfuhr, Sagte er zu seiner Frau „Wollte Gott, es begegnete mir Heute der Bergmönch, ich wollte ihm mein ganzes Leid klagen, er würde mir vielleicht helfen.“ Seine Frau zwar versuchte ihm diesen Aberglauben auszureden. Er aber bleibt dabei und mit diesem Gedanken fährt er an. Als er nun an den Schacht kommt und einfahren will, ist der Bergmönch da tritt heran, drückt ihm Unschlitt auf seine Lampe; dann winkt er ihm, einzufahren. Der Bergmann glaubt den rechten Augenblick für gekommen und nähert sich dem Bergmönch. Dieser jedoch winkt ihm nochmals, ruhig an seine Arbeit zu gehen. Da gehorcht der Bergmann. Als er am Abend ausfährt, da tritt der Bergmönch wieder heran und drückt ihm einen „Knorbel“ in die Hand, ein großes Stück gewöhnlichen Gesteins. Der verwunderte Bergmann wagt nicht zu fragen; er kommt nach Hause und – – trägt statt des Steins einen Batzen reines Gold bei sich. An dem Unschlitt aber, das ihm der Bergmönch auf die Lampe gedrückt, hat er Zeit seines Lebens genug gehabt, denn es wurde niemals weniger.
Oestlich von Clausthal-Zellerfeld liegt das Mönchstum. Seinen Namen verdankt es dem Bergmönch, der hier seinen Lieblingsaufenthalt gehabt hat. Dort hat es auch früher schon zahlreiche Gruben gegeben. Da ist der Bergmönch Oft in den Gruben erschienen, ja sogar manchmal in die „Bucht“ gekommen, die Geipelstube, wo sich die Bergleute an- und abmeldeten. So gewöhnten sich die Bergleute an den Bergmönch und haben keine Furcht mehr vor ihm gehabt. Aber manchmal hatte er seine Launen. Er hob die Schützen auf, daß man die Wasserräder nicht zum Stehen bringen konnte, oder er hielt die Kunst auf und erschreckte die Bergleute durch
mancherlei abenteuerliche Spiele und Neckereien. Dadurch wurde er schließlich den Bergleuten zur Last, und sie wollten ihn gern los sein. Endlich folgten ihm einmal einige Bergleute und legten, wo sie gingen, hölzerne Kreuze vor sich auf den Erdboden. Da ging der Bergmönch zuletzt in eine Schlucht hinein, welche im Hintergrund durch eine nackte Steinwand abgeschlossen war. Der Bergmönch blickte sich noch einmal um und schaute seine Verfolger zornig an. Darauf rührte er den Stein an, dieser öffnete sich, Und der Bergmönch verschwand. [55] Die Wand schloß sich hinter ihm mit Donnergetöse.
Seit dieser Zeit ist der Bergmönch nicht wieder in die Gruben gekommen. Diese sind darauf alle überschwemmt. An der Stelle, wo der Bergmönch in den Felsen gegangen ist, war auf der Felswand das Bild des Berggeistes zu sehen.
Auf dem Andreasberg hat sich früher in den Gruben ein gar merkwürdiges Wesen gezeigt, wie ein Ochse anzusehen; dann haben die Alten gesagt: „Calvör mit der Ochsenhaut geht um!“ Und damit verhielt es sich wirklich so.
In ganz alter Zeit, als dort in den Gruben noch das Rotgülden gegraben wurde, ließ man keinen Bergmann aus der Grube, den man nicht am ganzen Körper untersucht gehabt hätte; so wertvoll war das Rotgülden. Da trug es sich zu, daß mehrere Bergleute nicht mehr aus der Grube zurückkehrten, auch war alles Suchen vergeblich. Und weil bald Tag für Tag Bergleute Fehlten, wurde die Belegschaft unruhig und verlangte nach Hilfe. Zwei mutige Bergleute erboten sich schließlich, in dem unheimlichen Stollen Obacht zu geben.
Am ersten Tage merkten sie nichts. Doch am zweiten Tage merkten sie plötzlich ein unheimliches Brüllen, wie das eines Ochsen; in dem Augenblick kam auch ein gewaltiger Ochse aus dem Dunkel hervor und wollte sie in die Tiefe stürzen. Sie verstanden aber keinen Spaß, griffen zu den Fäusten und schlugen kräftig darauf los. Da hörte der Ochse auf zu brüllen und flehte sie mit einer menschlichen Stimme um Gnade an. Sie ließen sich auch erweichen; dann fiel die Ochsenhaut, und Steiger Calvör stand vor ihnen am ganzen Leibe zitternd. Er bat, sie möchten ihn doch nicht verraten, er habe ja die Bergleute immer erschreckt, ihnen auch das Rotgülden abgenommen und sie dann abgestürzt. Er bot ihnen Viel Schweigegeld, aber sie wollten den schnöden Lohn nicht und zeigten ihn an. Als sie ihn aus der Grube holen wollten, fanden sie ihn tief unten mit zerschmettertem Leibe; er hatte sich hinabgestürzt.
Er fand aber noch keine Ruhe, sondern mußte lange Zeit umgehen; dann sagten die Bergleute: „Das ist Calvör mit der Ochsenhaut“.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ fehlendes Wort eingefügt