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Batavia

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CCCCXXII. Braunschweig: der Altstadtmarkt mit dem Rathhause Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band (1842) von Joseph Meyer
CCCCXXIII. Batavia
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BATAVIA

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CCCCXXIII. Batavia.




„Seit 100 Tagen hatte ich nur Himmel und Wasser gesehen. Die glühende Hitze unter der Linie, verbunden mit dem ewigen Schwanken des Schiffs, hatten mich betäubt; ich war der Entbehrungen der langen Seereise müde, und sehnte mich nach dem Lande so innig, wie ein Liebender nach der Braut seines Herzens. Da stieg am Morgen des 102ten Tages unserer Abfahrt aus Hamburg am äußersten Horizonte eine Wolke auf – der Kapitain spähete: – Land! rief er; Land! Land! jubelte es in den Schiffsräumen und Alle stürzten hinauf, sich davon zu überzeugen. In wenigen Stunden lag die Küste von Sumatra prangend vor uns; aber unsere Sehnsucht wurde nicht gestillt: denn nicht Sumatra, sondern Batavia war unsere Bestimmung und noch war es über hundert Seemeilen fern. Wir steuerten der Küste entlang und tranken mit wahrem Tantalusgefühl das stinkende Wasser der Elbe, während uns die Bäche und Wasserfälle der bezaubernd-schönen Küste entgegen glizzerten. Endlich öffnete sich das Gestade; zwischen den zwei Vorgebirgen Java’s und Sumatra’s zog die Straße von Sunda hin und wir liefen ein. Die Prinzeneilande strichen so nahe an uns vorüber, daß wir die Blätter an den Bäumen zählen konnten. Mit jeder Stunde, die wir dem Ziele näher kamen, übte an Bord die Heiterkeit eine unumschränktere Herrschaft. Alle Ungeduld schwand, selbst der roheste Matrose schwelgte in süßen Gefühlen bei’m Anblicke des Landes. Oerüst zeigte sich dicht an der javanischen Küste, Middelburgs Bastionen stiegen über dem Wasserspiegel empor. Wir setzten nun alle Segel bei; unser prächtiges Fahrzeug zog wie ein stolzer Schwan mit ausgebreiteten Schwingen durch die vielen Schiffe hindurch, welche auf der Rhede lagen. Da donnerten in kurzen, abgemessenen Zwischenräumen die Wachtschiffe und ihr Willkomm’ entgegen, und unsere Kanonen dankten. Unter dem Krachen der Geschütze wurde eingerefft. Mit dem letzten Schusse waren auch die Segel verschwunden, und wie ein müder Wanderer, welcher, in gastlicher Herberge angekommen, seinen Reisemantel abgeworfen, die Bank sucht, legten wir uns auf einem schicklichen Plätzchen der spiegelglatten Rhede vor Anker.

Unser Ankerplatz war eine halbe Stunde vom Lande entfernt; denn Untiefen machen die größere Annäherung für schwerbeladene, tiefgehende Schiffe gefährlich. Ein zweiter Grund, sich so fern zu halten, ist der Pesthauch Batavia’s. Ihm ausgesetzt erkrankt das Schiffsvolk bald, und der Tod, dessen Sense am Lande nie ruht, hält Aerndte dann auch auf dem Meere.

[143] Der Anblick von unserm Ankerplatz aus war in der That schön. Zwischen den auf der Rhede zerstreueten, immergrünen Eilanden schimmerten die hin- und herziehenden Segel kommender und gehender Fahrzeuge, ragten unzählige Masten mit den flatternden, bunten Wimpeln und zwischen durch guckten die Kuppeln und Thürme Batavia’s von dem niedrigen, mit der üppigsten Vegetation bedeckten Ufer; den Hintergrund schlossen malerische Höhenzüge und in äußerster Ferne streckten die Hochgebirge Java’s ihre blauen Häupter in die Lüfte. Auf der andern Seite hatten wir den Ausblick in das spiegelnde Meer, das an die überstandenen Mühseligkeiten der Seereise denken ließ, und dem Lande erhöhete Reize verlieh. Das größte der Eilande auf der Rhede ist Pulu Kappäl, oder die Schiffsinsel, mit Magazinen der holländischen Handelsgesellschaft; westlich liegt Pulu Dammar, die Falkeninsel, mit den Trümmern eines Leuchtturms. Pulu Saku, die Krankeninsel, zeigt die Ruine eines ehemaligen Lazareths. Weiter südlich sieht man die Vogelinsel (Pulu Borung) und andere, die von malayischen Fischerfamilien bewohnt sind. Auf der Rhede erkannten wir die Flaggen fast aller Nationen. Die holländische, englische und amerikanische waren zahlreich; die französische und dänische weniger häufig; statt einer deutschen begrüßten wir die Bremer und Hamburger. Norweger und Schweden suchten wir vergeblich, auch die russische fehlte; Portugal, Spanien und das junge Hellas aber hatten ihre Repräsentanten. Zwischen den Europäern ankerten die abenteuerlich geformten, unbehülflichen, chinesischen Dschonken, die arabischen Küstenfahrer, die malayischen Prauen, die leichten, halb für Seeraub, halb für Schmuggel gerüsteten Fahrzeuge der Maldiven, die Handelsbarken des indischen Archipels und der siamesischen Küsten. Ein paar stattliche Dreidecker mit der königlichen Flagge Niederlands ragten über das Gewimmel, wie Zwingburgen über die friedliche Häuserschaar einer Stadt, ernst und gebietend. Zollschiffchen und Schaluppen schossen wie Pfeile hin und her und brachten Leben in die Scene.

Es war Nachmittag, als wir ankerten, und erst am andern Morgen waren die Formalitäten so weit beseitigt, daß wir landen durften. Eine Schaluppe führte uns hinüber. Wir landeten im Boom, dem eigentlichen Hafen Batavia’s, vor dem Kay des großen Zollhauses. Der Hafen war leer: – nur ein paar Schaluppen durchschnitten die stille Fluth, und am Zollhause lagen einige Barken. Der Athem des Todes hatte das Leben hinaus auf die Rhede gescheucht. Jeder weilt hier nur so lange, als es die unausbleibliche Nothwendigkeit erfordert.

Die Stadt selbst, einst als Perle des Orients gepriesen, und stets gefürchtet als das offene Grab der Europäer, lag jetzt vor mir. Doch der Glanz der Perle ist verschwunden und von ihrer ehemaligen Pracht blieben nur Trümmer zurück. Die schimmernden Kuppeln, die Paläste, die da und dort noch emporragen, können aus der Ferne das Zaubergemälde von Ehedem zwar vergegenwärtigen; bei näherer Betrachtung [144] erscheinen sie indessen nicht viel besser als Lappen eines Purpurmantels auf der Hülle des Elends. Eingestürzte Gräben, verfallene Häuser, öde Straßen begegnen überall dem erstaunten Auge, und außer den, den Geschäften gewidmeten Stunden ist das heutige Batavia gar ein trauriger Ort. Ich kam an dem Rathhause vorüber, einem Gebäude von colossalen Verhältnissen, die stolze Schöpfung des republikanischen Niederlands: Gras wächst vor den Pforten, sie waren verschlossen. Verschlossen waren die Gerichtshöfe, der Tribunalpalast, das Waisenhaus, die Wechselbank; die höhern Schulanstalten sind verlassen, die lernbegierige Jugend ist von ihren Sitzen geflohen: Alles ist geflüchtet, Reichthum, Rang, Amt und Gelehrsamkeit, vor der immer mähenden Sense des Todes; der Feind des Lebens hat hier, nach rechter Despotenweise, vorzugsweise die Armuth, das Laster und Elend um sich versammelt. Was seiner Nähe entrinnen kann, ist allmählig fortgezogen, und die ganze bessere Bevölkerung Batavia’s ist in den gesünderen, höher gelegenen Parthien der Gegend zerstreut, theils in den freundlichen, anmuthigen Orten Molonvliet, Ryswyk, Weldevreden, Koningsplain etc. etc., theils in den Landhäusern, welche bis zu achtstündiger Entfernung jeden luftigen Hügel bedecken.

Jeden Morgen wird das todte Batavia neu belebt. Sobald die Geschäftsstunden nahen, sieht man die Handelsleute und die Beamten der Faktoreien in ihren Wagen zur Stadt eilen, die Straßen gewinnen ein verändertes Ansehen, die Läden und Gewölbe öffnen sich, die Luxusartikel aller Welttheile liegen zur Schau aus; die Europäer in ihrer leichten, weiten Kleidung füllen die Comptoire, die Beamten ihre Büreaus, Bazars und Börse wimmeln von Leuten aus allen Völkerraçen, die Handel und Gewinnlust hier zusammen führen; kein Mensch denkt an das offene Grab, das zu seinen Füßen gähnt, und eine fieberhafte, geräuschvolle Thätigkeit läßt die frühere Oede vergessen; aber bald gehen die Geschäftsstunden vorüber, Jeder beeilt sich, seine städtischen Angelegenheiten in kürzester Zeit zu ordnen, und ehe der Abend kommt, sieht man die wohlgekleidete, die reiche, die europäische Bevölkerung wieder aus allen Thoren fliehen; es bleibt nichts, als die malayische und chinesische Menschenmasse zurück, deren Natur den zerstörenden Wirkungen des Aufenthalts besser Widerstand leisten kann. Jeden Abend entsteigt der sumpfigen Niederung, in welche die große Stadt gebettet ist, jener gefürchtete, weißliche Nebel, der die Keime der Miasmen einhüllt, welche alljährlich einen großen Theil der Europäer wegraffen. Wie ein Leichentuch hängt er des Nachts über Batavia und macht’s zu einem Orte, wo baldiger Tod die Regel ausmacht, und längeres Leben zu den Ausnahmen gehört. Von hundert Europäern, welche hierher kommen, sind nach einem Lustrum durchschnittlich nur noch sieben übrig.

Nicht blos die Lage der Hauptstadt des holländischen Indiens, auch die Bauart hat dazu beigetragen, Batavia zu verpesten. Die holländischen Erbauer hatten sich Amsterdam zum Vorbild genommen, die Straßen mit hohen Häusern eingefaßt und mit Canälen und Gräben durchschnitten, aus welchen die Aequatorialsonne [145] tödtliche Dünste destillirt. Ehe die europäische Bevölkerung auf die benachbarten Höhen auswanderte, milderte die niederländische Reinlichkeit, die Sorgfalt, mit der man die Canale säuberte und die polizeilichen Einrichtungen, durch die man den klimatischen Einflüssen zu widerstehen trachtete, das Uebel; seitdem aber Batavia den Europäern nicht mehr sowohl ein Wohnort, als vielmehr ein temporärer Aufenthalt ist, dem man, so schnell es nur gehen kann, wieder entflieht, seitdem sind Vernachlässigung und Verfall in Batavia zur Herrschaft gekommen, und unter ihrem Einfluß hat sich das Mörderische der Miasmen von Jahr zu Jahr vermehrt.

Batavia’s Bevölkerung war ehedem streng in verschiedene Fraktionen geschieden, welche ihre besonderen Quartiere bewohnten; seitdem aber die Europäer meist auf das Land zogen, sind viele ihrer Häuser Eigenthum von Arabern und Mauren geworden. Indessen ist die bei weitem größte Masse der letztern immer noch in ihrem alten Stadtviertel, dem arabischen Kamp, zu finden. Dort wechseln niedrige, holländische Häuser mit buntem Anstrich mit den leichten Wohnungen von Bambus; der Stadttheil sieht fast ländlich aus. Die Araber und Mauren sind stille, betriebsame, geachtete Leute. Sie hängen treu und streng an den Vorschriften des Korans und halten viel auf den Ruf der Frömmigkeit. Die Holländer mengen sich nicht in ihre Gemeindeverhältnisse; sie genießen große Freiheit, ihre selbstgewählten Kadi’s schlichten ihre Angelegenheiten, und ihr Chef, dem das holländische Gouvernement den Majorsrang zugesteht, ist für das Betragen seiner Landsleute verantwortlich. Manche Araber erwarben sich in Batavia große Reichthümer. Die Geschäfte mit Gold, Silber, Perlen, Diamanten und andern kostbaren Waaren sind ausschließlich in ihren Händen. Sie machen in ihrem Leben wenigstens einmal eine Wallfahrt nach Mekka, und durch eine Ehrenpforte vor dem Hause bezeichnet man die glückliche Heimkehr jedes Pilgers. – Das chinesische Stadtviertel ist am dichtesten bevölkert. Der Weg dahin aber ist traurig; denn der Stadttheil, durch den er führt, ist fast menschenleer. Früher galt er als der reichste; aber die Ungesundheit des Orts hatte Anfangs dieses Jahrhunderts die Bevölkerung so grausam dezimirt, daß ein panischer Schrecken sie ergriff, Tausende ihre Wohnungen verließen und auf dem Lande oder in weniger verrufenen Stadttheilen ein Asyl suchten. Verfallene Häuser, eingestürzte Gräben, versumpfte Kanäle, verschlossene Wohnungen, mit wucherndem Unkraut überwachsene, todte, schmutzvolle Straßen bilden diesen Theil Batavia’s, und nicht eher, als bis man das chinesische Quartier betreten hat, wird die Scene anders. An die Stille tritt ein geschäftiges Leben, und das Menschengewühl auf den Straßen erinnert an die Zeiten, wo Batavia mit seinen 200,000 Einwohnern wohl verdiente, das Amsterdam des Ostens zu heißen. Die Chinesen treiben Handwerke aller Art, wozu ein natürliches Geschick zu allen mechanischen Arbeiten sie vorzugsweise eignet; die Werkstatt ist dem Chinesen zugleich sein Laden, wo er die Erzeugnisse seiner Hände zu Kauf auslegt; Gewerbsfleiß und Handelsgeist sind in ihm immer vereinigt. Kleidermagazine mit den nadelflinken Schneidern, Conditoreien und Parfümerieläden, niedlich aufgeputzter Galanteriekram in den Fenstern der Werkstätten [146] wechseln mit Fleischbuden, Gahrküchen, Fruchtläden, Apotheken etc. Für alle Bedürfnisse der Chinesen, Japanen und Europäer ist hier gesorgt. Die meisten Chinesen sind schon seit mehren Generationen ansässig, und jährlich wandern ein paar tausend aus dem Mutterlande neu hinzu, die Lücken auszufüllen, welche der Tod der Bevölkerung schlägt. – Java und die ostindischen Inseln überhaupt sind für China das, was für Deutschland und England Nordamerika geworden ist: der Ueberschuß der Bevölkerung fließt dahin ab, und es ziehen alle dahin, die im Heimathlande der Erwerbsmittel entbehren, oder welche der Drang nach einem freieren Zustande peinigt. Die Barbarei der Gesetze, welche in China die Auswanderung bei Todesstrafe verpönen, zwingt dort so wenig die Willensfreiheit des Menschen, als anderwärts, wo man Zeitungsschreiber dingt und Histrionenkünste aufbietet, den Leuten die Auswanderungslust zu verleiden, indem man die Lichtseiten der nordamerikanischen Zustände verdeckt, die Schatten mit den schwärzesten Farben aufträgt und alle Tage eine neue Lüge der Verleumdung erfindet, welche Servilität und Dummheit gleich geschäftig auf den Papierschwingen ihrer Eintagsfliegen durch Europa tragen. –

Die chinesische Bevölkerung ist im ganzen ostindischen Archipel der Kern, aus dem sich die Civilisationskeime entwickeln; der Boden, auf dem Handel und Gewerbe in diesen Himmelsstrichen Früchte treiben. Die Eingebornen kommen den Chinesen an Geschick, Arbeitsamkeit und Thätigkeit nirgends bei, und der Europäer ist nur da, um zu ärndten, nicht, um den Acker zu roden und auszusäen unter dem Schweiße seiner Hände. Alle Zweige der Industrie ohne Ausnahme werden durch die Chinesen gepflegt und betrieben, und versucht es auch einmal ein europäischer Handwerker, mit ihnen zu konkurriren, so geht er zu Grunde. – Die Chinesen in Batavia stehen ebenfalls unter selbstgewählten Magistraten, welchen die holländische Colonialregierung verschiedene Ranggrade vom Major abwärts zugesteht.

Ein Halbkreis von Gartenanlagen umgibt die Stadt, wird aber durch zahlreiche, stehende Gewässer, Teiche oder Gräben unterbrochen, welche das Wasser des Sumpfbodens sammeln und dem Flusse zuführen, der an Batavia vorbei dem Meere zuschleicht. Dem Strande entlang ziehen sich zu beiden Seiten Moräste und Lagunen hin, aus deren Dünsten die glühende Sonne ihren Giftschleier webt, mit dem sie jeden Abend bei ihrem Untergange die schlummernde Bevölkerung zudeckt. Daher kein Wunder, daß, trotz einer jährlichen Einwanderung von mehren Tausenden, Batavia’s Bevölkerung jährlich sinkt. Sie beträgt jetzt höchstens 52,000; davon sind 3000 Europäer, 23,000 Eingeborne und Malayen, 15,000 Chinesen, 600 Araber und 10,000 Sklaven.

Die entferntern Umgebungen Batavia’s sind sehr anmuthig. Terrassenartig steigt die Landschaft empor, mit lieblichen Thälern durchschnitten und von Flüssen und Bächen reichlich bewässert. Gebahnte, sorgfältig unterhaltene Landstraßen führen nach den verschiedenen Orten, welchen der reichere und vornehmere Theil der Bevölkerung [147] zu seinen Wohnsitzen erkor. Weltevrede ist das Tibur Batavia’s; die höchsten Beamten und die Millionairs der Kaufleute haben sich hier inmitten des schönsten Parks der Natur, den die Kunst nicht reizender machen konnte, ihre Villen gebaut. Der Weg von der Stabt dahin ist höchst anmuthig; die üppigste indische Vegetation ist ihm stets zur Seite. Alle Welt, die sich nicht zu dem Plebs rechnet, fährt hier und die Wagen sind an der Rückseite offen, damit ein steter Luftzug hervorgebracht werde, welcher die furchtbare Gluth der Sonne mäßigt. Tausend Wohlgerüche, welche von den gewürzhaften Bäumen und Sträuchen ausströmen, erfüllen die Luft und versehen den Fahrenden in einen halbtrunkenen Zustand. Wie der Weg die Niederung verläßt, schmückt sich die Landschaft mit größerer Mannichfaltigkeit. Kokosnußwäldchen krönen die Hügel, Haine von Pisangbäumen und Pompelmusen wechseln mit den fruchtbeladenen, weißblüthigen Baumgruppen der Citronen und Apfelsinen. Dazwischen liegen die Wohnungen der Europäer zerstreut, wie im Garten des Paradieses. Oft ist der Anblick wahrhaft feenhaft; die Schilderungen in den arabischen Mährchen erscheinen hier als eine Wirklichkeit. Die Architektur dieser Wohnungen für üppigen, flüchtigen Genuß (denn je kürzer das Leben, je schwelgerischer wird hier gelebt!) steht mit der zauberischen Natur in Harmonie. Alle Gebäude, auch die größten, sind nur einstöckig, mit plattem Dache und einer zierlichen Gallerie ringsumher. Zwischen den schlanken, blendend weißen Marmorsäulchen sind Rouleaux angebracht, um sich vor den brennenden Sonnenstrahlen besser schützen zu können. Alle Zimmer sind groß, hoch, und ausgestattet mit dem, was die üppigste Phantasie in Asien oder Europa zur Bequemlichkeit und zum Genusse des Menschen erdacht hat. Glanz, Luxus und Weichlichkeit herrschen im ganzen Hause, und eine Schaar schwarzer Diener und Mädchen lauscht fortwährend auf den Augenwink des immer müden Europäers. Sein matter Blick ergötzt sich an dem Luxus um sich her, an der Demuth und Willfährigkeit seiner Leibeigenen, zu jedem Spiel der Laune und der Lüsternheit, an der Blumenpracht, die ihm auf bunten Gestellen aus jeder Fensteröffnung entgegenschaut, an den saftigen Früchten der Bäume, die, täglich wechselnd, in Porzellangefäßen die Corridors und Säulenhallen zieren; aber alles Gold und aller Genuß des zauberischen Indiens sind ihm doch nur ein kümmerlicher Ersatz für das verlorene Vaterland, und – die Sense des Todes schwebt immer über seinem Haupte, wie das Schwert des Damokles. Die meisten Europäer, die nach Batavia gingen, thaten es, um, nachdem sie dort schnell ihr Glück gemacht hatten, in ihre Heimath zurückzukehren: aber von hunderten erfüllte kaum einer seinen Vorsatz. Reich kann der Beamte, der dort so viel Tausende erhält, als in Europa Hunderte, reich kann der Kaufmann, dem dort die lukrativsten Unternehmungen offen stehen, leicht und schnell werden; aber so wie er reich geworden ist, nimmt ihn das Beispiel der Weichlichkeit und Ueppigkeit gefangen, und der Tod rafft ihn fort, ehe sein Schwanken zwischen Sehnsucht zur Heimath und Liebe zum schwelgerischen Fortgenuß im indischen Zauberlande zum Entschlusse reift, oder dieser zur That wird. Kehrt aber auch ein Europäer als Nabob zurück, so ist er für das Heimathsleben verdorben, und es hat das Vaterland [148] nichts mit ihm gewonnen, als einen reichen Unglücklichen, oder einen Wüstling, oder Schwelger mehr! Fast alle Europäer in Batavia leben unbeweibt; und da nur die ehelich gebornen Kinder erben können, so fallen die meisten der dort erworbenen Vermögen an die Seitenverwandten in Europa. Man schätzt die batavischen Erbschaften der Holländer seit hundert Jahren auf mehr als tausend Millionen Gulden; doch einen sehr bedeuten den Theil nimmt immer der Staat zu sich, theils in der Form als Erbschaftssteuer, theils als herrenloses Gut in den vielen Fällen, daß die rechten Erben sich nicht melden, oder diese die Beweise des Erbschaftsrechts nicht so vollständig beibringen können, als es die holländischen Gesetze fordern, welche, aus sehr handgreiflichem Grunde, den Erben das Erben so schwer machen, als nur immer möglich.

Als Handelsplatz steht Batavia, trotz seines Verfalls, immer noch auf erster Linie unter den Märkten des Ostens. Ein- und Ausfuhr Java’s berechnen sich jährlich über 180 Millionen Gulden, und der größte Theil dieses ungeheuern Verkehrs hat in Batavia seinen Mittelpunkt. Verhältnißmäßig nur wenige Hände sind bei der goldnen Aerndte thätig; denn bei allem Reichthum eines überfruchtbaren Bodens, trotz dem, daß Java mit Hülfsquellen gesegnet ist, wie wenige Länder, sucht man bei der Masse der Bevölkerung vergeblich nach Wohlstand, und der Verfall des Privathandels ist augenfällig. Das sind die Früchte eines übertriebenen und hartnäckig festgehaltenen Monopolsystems, welches, in der großen niederländischen Handelsgesellschaft concentrirt, alles für das Mutterland fordert, wie der Raubbau treibende Bergmann blos auf den Vortheil des Augenblicks sieht, und darüber die höheren Interessen und die Zukunft sorglos vergißt.