Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/242

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

erscheinen sie indessen nicht viel besser als Lappen eines Purpurmantels auf der Hülle des Elends. Eingestürzte Gräben, verfallene Häuser, öde Straßen begegnen überall dem erstaunten Auge, und außer den, den Geschäften gewidmeten Stunden ist das heutige Batavia gar ein trauriger Ort. Ich kam an dem Rathhause vorüber, einem Gebäude von colossalen Verhältnissen, die stolze Schöpfung des republikanischen Niederlands: Gras wächst vor den Pforten, sie waren verschlossen. Verschlossen waren die Gerichtshöfe, der Tribunalpalast, das Waisenhaus, die Wechselbank; die höhern Schulanstalten sind verlassen, die lernbegierige Jugend ist von ihren Sitzen geflohen: Alles ist geflüchtet, Reichthum, Rang, Amt und Gelehrsamkeit, vor der immer mähenden Sense des Todes; der Feind des Lebens hat hier, nach rechter Despotenweise, vorzugsweise die Armuth, das Laster und Elend um sich versammelt. Was seiner Nähe entrinnen kann, ist allmählig fortgezogen, und die ganze bessere Bevölkerung Batavia’s ist in den gesünderen, höher gelegenen Parthien der Gegend zerstreut, theils in den freundlichen, anmuthigen Orten Molonvliet, Ryswyk, Weldevreden, Koningsplain etc. etc., theils in den Landhäusern, welche bis zu achtstündiger Entfernung jeden luftigen Hügel bedecken.

Jeden Morgen wird das todte Batavia neu belebt. Sobald die Geschäftsstunden nahen, sieht man die Handelsleute und die Beamten der Faktoreien in ihren Wagen zur Stadt eilen, die Straßen gewinnen ein verändertes Ansehen, die Läden und Gewölbe öffnen sich, die Luxusartikel aller Welttheile liegen zur Schau aus; die Europäer in ihrer leichten, weiten Kleidung füllen die Comptoire, die Beamten ihre Büreaus, Bazars und Börse wimmeln von Leuten aus allen Völkerraçen, die Handel und Gewinnlust hier zusammen führen; kein Mensch denkt an das offene Grab, das zu seinen Füßen gähnt, und eine fieberhafte, geräuschvolle Thätigkeit läßt die frühere Oede vergessen; aber bald gehen die Geschäftsstunden vorüber, Jeder beeilt sich, seine städtischen Angelegenheiten in kürzester Zeit zu ordnen, und ehe der Abend kommt, sieht man die wohlgekleidete, die reiche, die europäische Bevölkerung wieder aus allen Thoren fliehen; es bleibt nichts, als die malayische und chinesische Menschenmasse zurück, deren Natur den zerstörenden Wirkungen des Aufenthalts besser Widerstand leisten kann. Jeden Abend entsteigt der sumpfigen Niederung, in welche die große Stadt gebettet ist, jener gefürchtete, weißliche Nebel, der die Keime der Miasmen einhüllt, welche alljährlich einen großen Theil der Europäer wegraffen. Wie ein Leichentuch hängt er des Nachts über Batavia und macht’s zu einem Orte, wo baldiger Tod die Regel ausmacht, und längeres Leben zu den Ausnahmen gehört. Von hundert Europäern, welche hierher kommen, sind nach einem Lustrum durchschnittlich nur noch sieben übrig.

Nicht blos die Lage der Hauptstadt des holländischen Indiens, auch die Bauart hat dazu beigetragen, Batavia zu verpesten. Die holländischen Erbauer hatten sich Amsterdam zum Vorbild genommen, die Straßen mit hohen Häusern eingefaßt und mit Canälen und Gräben durchschnitten, aus welchen die Aequatorialsonne