BLKÖ:Vannetti, Clementino Ritter von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Vannetti, Joseph Valerian Ritter von | ||
Band: 49 (1884), ab Seite: 256. (Quelle) | |||
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Joseph Valerian Vannetti [siehe diesen S. 258] aus dessen Ehe mit Laura Bianca Saibante, erhielt er eine sorgfältige Erziehung durch geistliche Hauslehrer, unter denen namentlich Gotthard Festi, Mitbegründer der Roveredaner gelehrten Gesellschaft degli Agiati, nachhaltigen Einfluß auf ihn übte. Mit eilf Jahren schrieb er fertig lateinisch und las den Plautus und Terentius; vierzehn Jahre alt, schrieb er einen Commentar zu Ersterem und dichtete in dessen Style eine Komödie, betitelt: „Lampadaria“, d. i. Die Lampenträgerin. Nun kamen Cicero und andere römische Classiker daran, deren Reihe er mit Horaz beschloß, welcher sein Lieblingsdichter blieb, und den er zum Gegenstande seiner noch heute unvergessenen Studien machte. So hatte ihn ausschließlich die alte classische Literatur in Anspruch genommen, und die Meisterwerke seiner italienischen Heimat waren ihm fremd geblieben. Erst im Alter von dreißig Jahren erkannte er, daß er über dem Latein seine Muttersprache, das italienische Idiom, vergessen hatte, und da war es ein Freund, der Abate Pederzani, der ihm den Blütengarten der heimischen Literatur erschloß und ihn, wie Vannetti selbst an einer Stelle schreibt, scherzando aveva in Dante battezzato. Nun vertiefte er sich in das Studium der älteren italienischen Classiker und modelte nach ihnen seinen eigenen italienischen Styl. So wurde er zu einem Kenner der römischen und italienischen Literatur, und zwar in einer Gründlichkeit, daß ihm als solcher wohl nur wenige seiner Zeitgenossen gleichkamen. Darin bestand aber auch seine Hauptstärke. Seine Studien im Griechischen beschränkten sich vornehmlich auf Plato, das Französische trieb er wegen [257] seiner Vertiefung in Horaz, deutsche Sprache und Literatur blieben ihm fremd. Dabei klebte er fest an seiner Scholle, von dem ihm so nahen Italien hatte er nur Verona, Mantua und Venedig besucht. Obwohl er mit ungewöhnlichem Geschick zeichnete und malte, blieb er doch von Rom, welches ihm eine unerschöpfliche Fülle von Motiven geboten hätte, sonderbarer Weise fern. Er lebte je nach der Jahreszeit und Laune auf seinen drei Landgütern, deren er eines – von ihm Suburbanum getauft – in unmittelbarer Nähe Roveredos, ein zweites jenseits der Etsch in Isera, das dritte in Mori besaß. Dort schuf er seine Dichtungen und schrieb Briefe, letztere zum großen Theile in classischem Latein. Mitten in einer anmuthigen, reizenden Natur, in welcher er keine großartigen Alpenscenen, keine Felsenwildnisse, die etwa seine Nerven erschüttern konnten, vor Augen hatte, lebte er theils im unmittelbaren, theils im literarischen, durch Briefe vermittelten Verkehre mit Literatoren und anderen Männern des Geistes, wie Hieronymus Tiraboschi [Bd. XLV, S. 174], Vincenz Monti [Bd. XIX, S. 60, Nr. 3], Hippolyt Pindemonte, Anton Cesari [Bd. II, S. 325], mit gebildeten Frauen, mit geistreichen und würdigen Priestern, mochten diese Weltgeistliche oder Mönche sein. Neben seiner Liebe zu den Wissenschaften kannte er nur noch eine Liebe, jene zu seiner Mutter, an derer mit einer Innigkeit ohne Gleichen hing. In ihrem Bruder Franz Saibante, welcher, da Vannetti seinen Vater frühzeitig verlor, dessen Stelle an ihm vertrat, verehrte er einen zweiten Vater. Um seine eigenen Geschäfte kümmerte er sich, da die Mutter sein Vermögen verwaltete, nicht. Oeffentliche Aemter bekleidete er nicht. Ehren und Auszeichnungen strebte er nicht an, war aber überglücklich, als Papst Pius VI. auf seiner Rückreise von Wien im Jahre 1782 den Gelehrten sich vorstellen ließ, dessen gedruckte Schriften huldvoll entgegen nahm und ihm bei einem zweiten Empfange die erbetene größere Freiheit im Bücherlesen (!) gnädig gewährte. Vannetti wurde ein Opfer seines echt religiösen Sinnes. Als er an einem kalten Märztage 1795 der Ortssitte gemäß das zu einem Kranken getragene hochwürdige Gut begleitete, zog er sich dabei eine Erkältung zu, an deren Folgen er, erst 40 Jahre alt, starb. Seine Mutter überlebte ihn um zwei Jahre, sie segnete 1797, als 74jährige Matrone, das Zeitliche. Werfen wir nun noch einen Blick auf Vannetti’s schriftstellerische Thätigkeit. Vor Allem sind da, außer der schon erwähnten Jugendarbeit „Lampadaria“, anzuführen: seine „Dialoghi“, unter welcher damals in der Literatur üblichen Form halb didaktisch, halb satyrisch Tages- und literarische Fragen behandelt wurden; – die „Osservazioni sopra Orazio“, im schönsten Florentiner Wälsch, sind eine ebenso durch die gründliche Kenntniß der Dichtungen des berühmten Römers, wie dessen verschiedener Uebersetzer noch heute geschätzte Arbeit – „Ragionamento sopra il toscano sermone“; – „Trattato sopra lo stile giuochevole ossia bernesco“, diese Arbeiten bezeichnet der gewiegte Literarhistoriker Maffei als ein „miracolo di giudizio“; – „Il lazzaretto letterario“, eine Sammlung satyrischer Kritiken über fingirte schlechte Werke; eine etwas barocke Arbeit, und in lateinischer Sprache sein „Liber memorialis de Caleostro quum esset Roboreti“ worin er Alles, was der berühmte Abenteurer [258] Cagliostro in Roveredo trieb, erzählt und ihn dem Gelächter preisgibt. Man sieht, in wie engem Kreise Vannetti auch sich bewegte, er hatte einen weiten Blick und schaute die Dinge, von denen Andere sich berücken lassen, mit der Vorurtheilslosigkeit und Unbefangenheit des feinen Weltmannes an. Schließlich ist noch seiner „Elogi d’illustri Roveretani“ zu gedenken, welche die Sammlung der Gedächtnißreden bilden, die er als Secretär der Accademia degli Agiati auf deren verstorbene Mitglieder zu halten hatte; wegen der Männer, denen sie gelten, haben sie für die Culturgeschichte seiner engeren Heimat unbestreitbaren Werth, und seine Nachrichten über die Maler Caspar Anton Baroni-Cavalcabo von Socco und Adam Chiusole von Villa Lagarina bieten dem Kunsthistoriker reiches Material. Von seinem Freunde P. Cesari wurde eine Ausgabe seiner von der Roveredaner Akademie mit großer Sorgfalt gesammelten Schriften veranstaltet unter dem Titel: „Opere italiane e latine del cav. Clementino Vannetti Roveretano“ Volumi 8 (Venezia 1826 et s., tipografìa d’Alvisopoli). Der 1. Band dieser Sammlung enthält das Leben des Autors und die Dialoghi con alcune lettere ed articoli, der 2. Band Le cose Pliniane con alcune lettere e Considerazioni, der 3., 4. und 5. Band Le Osservazioni e gli altri componimenti sopra Orazio, der 6. Band Operette in prosa di vario argomento e le Poesie, der 7. Band Gli opuscoli latini e le iscrizioni und der 8. Band Altri opuscoli latini e le lettere italiane. Ungedruckt fanden sich in seinem Nachlasse eine Umarbeitung seiner Osservazioni sopra Orazio, Materialien zu einer Biographie Girolamo Tartarotti’s, die er zu schreiben gedachte, nachdem er dessen Rime mit einer ausführlichen Einleitung und gelehrten Anmerkungen früher schon selbst herausgegeben hatte. Clementino Vannetti, durch frühen Tod sowohl zum tiefen Leidwesen seiner Freunde als der Literatur hingerafft, war, wie ihn Cesari charakterisirt, ein Mann, ausgezeichnet durch seine Eigenart, wie durch seine Tugenden und bemerkenswerth durch die eigenthümliche, ja fast fremdartige Weise in seinen Sitten und Urtheilen, welche um so empfehlenswerther erscheint, als sie von der heutzutage üblichen abweicht.
Vannetti, Clementino Ritter von (Schriftsteller, geb. zu Roveredo in Südtirol am 14. November 1754, gest. ebenda am 13. März 1795). Ein Sohn des Roveredaner Provveditore- Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 511. – Florilegio scientifico-storico-letterario del Tirolo italiano (Padua 1856, Sicca, gr. 8°.) p. 100: „Lettere inedite del cav. Clem. Vannetti; p. 681: „Tre Lettere de C. V. alla Contessa Roberti“. – Maffei (Giuseppe). Storia della letteratura italiana dall’origine della lingua sino a’ nostri giorni (Milano 1834, Società tipogr. de’ classici italiani, 8°.) Vol. III, p. 280–283. – Die Biographie des Dichters schrieb (in breitspuriger, nichts weniger als zu empfehlender Weise) P. Ant. Cesari, der Herausgeber der Werke desselben, und sie ist im ersten Bande der „Opere italiane e latine“ von Vannetti enthalten.