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BLKÖ:Szalay, Ladislaus von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Szalay, B.
Band: 41 (1880), ab Seite: 136. (Quelle)
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Szalay, Ladislaus von (ungarischer Geschichtsschreiber, geb. zu Ofen 18. April 1813, gest. zu Salzburg 17. Juli 1864). Er stammt aus einer geachteten Adelsfamilie Ungarns. Sein Vater Peter bekleidete die Stelle eines Präsidialrathes bei der ungarischen Statthalterei und war selbst ein Mann von nicht gewöhnlicher Bildung, wie seine Schriften „Igaz magyarnak ohajtásai“, abgedruckt im „Magyar Museum“ 1806, dann „Urbarium regni Hungariae“, 3 Bände (1825), und „Memoria Palatinorum et Locumtenentium Regiorum Regni Hungariae fide diplomatica illustrata studio et opera Petri Szalay concinnata“ bezeugen. Ladislaus’ Mutter Therese, geborene Rudolph, ist, wie schon ihr Name besagt, deutschen Stammes, und so kam es, daß der Sohn mit der Energie und dem Feuer seiner Nation deutsche Gründlichkeit und Gediegenheit vereinte. Das Gymnasium besuchte er in Ofen und in Stuhlweißenburg und nachdem er sich für das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften entschieden hatte, bezog er die Pester Hochschule. Als Rechtshörer frequentirte er neben den vorgeschriebenen Fächern auch die diplomatischen Vorträge des als Historiker geschätzten Stephan Horváth [Band IX, S. 324] und er zeigte bereits damals jene Eigenschaften, welche später den Geschichtsschreiber seines Volkes so bedeutend [137] werden ließen. Er ging stets seinen eigenen Weg, der oft von dem seiner Mitlebenden weitab bog. Als bei der ersten ungarischen Vorstellung im Pesther deutschen Theater im Zuschauerraum ein Beifall so frenetischer Art ausbrach, als wäre das Vaterland von einer neuen Türkeninvasion befreit worden, betrübte den Jüngling dieses Verhalten seiner Landsleute auf das tiefste. Während sie die Hände vollauf zu thun gehabt hätten, um ihre Existenz in Europa zu retten, konnten sie sich über eine solche Lappalie begeistern. „Mir wurde“, schreibt er in einem Briefe, der diesen Umstand berührt, „damals unendlich weich ums Herz, weil ich sah, wie unsere Leute sich noch in einer primitiven Ideenwelt bewegten, weil ich aber auch wußte, daß ein Land zu Grunde gehen müsse, welches sich in der Nachbarschaft so vieler reifer Völker in kindischen Träumen zu wiegen vermöchte, und ich begriff die schmerzliche Entrüstung jenes Engländers, dem einst die Bewohner von Dotis, statt den Wasserreichthum ihrer Gegend nutzbar zu machen, wunderbare Märchen von den goldflossigen und grünäugigen Fischen in der Tiefe ihrer Gewässer erzählten“. – Nachdem er im Jahre 1831 seine Studien beendet hatte, trat er bei Kölcsey [Bd. XII, S. 215], der damals Obernotar in Szathmar war, in die Rechtspraxis ein. Dieser, einer der bedeutendsten Poeten Ungarns, übte nicht geringen Einfluß auf den Jüngling aus, der gleichfalls der Poesie huldigte und bereits seine ersten Dichtungen unter dem Titel „Bimbók“, d. i. Knospen (Pesth 1831) hatte erscheinen lassen. Schon im folgenden Jahre wurde Szalay als Notar der königlichen Tafel in Eid genommen, und nun wirkte er einige Zeit als Concepts-Practicant bei der Statthalterei in Ofen, indem er sich zugleich für die Doctorwürde vorbereitete, nach deren Erlangung er 1833 das Advocaten-Diplom erwarb. Diese anstrengenden Vorbereitungen für seinen Beruf hinderten ihn aber durchaus nicht, der Muse zeitweis ein Stelldichein zu geben, und so erschienen denn: „Alphonse levelei“, d. i. Alphonsens Briefe (Buda 1832) und „Fridrik és Katt“, d. i. Friedrich und Katt (Pesth 1833), in welch’ letzterem Werke er die tragische Episode im Leben Friedrichs des Großen behandelte, der durch die drakonische Strenge seines Vaters seinen Jugendfreund verbluten sah. Aber auch wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichte Szalay in den damaligen, dem erwachenden geistigen Leben Ungarns gewidmeten Zeitschriften, so in „Muzárion“, „Minerva“, „Urania“, „Aurora“ und in der „Tudományos gyüjtemény“, d. i. Wissenschaftliche Sammlung. Der Drang, seine im Heimatlande erworbene Bildung durch Eindrücke, die er in fremden Ländern gewänne, theils zu berichtigen, theils zu steigern, veranlaßte ihn, auf Reisen zu gehen, und so durchzog er außer Oesterreich einen großen Theil der Schweiz, Deutschland, Frankreich, England und Belgien. Ueberall knüpfte er Verbindungen mit gelehrten Männern an, von denen manche nicht ohne bestimmenden Einfluß auf sein Denken und Schaffen blieben, wie er denn selbst, als man ihn spöttelnd in den gelehrten Kreisen Pesths den „Hegelianer“ zu nennen pflegte, diese Bezeichnung mit der Thatsache zurückwies, „daß er nur ein Schüler von einem Jünger Hegel’s sei“. Und dieser Jünger war Moriz Gans[WS 1], den er offen als seinen „Lehrer, Führer und Freund“ bezeichnete. Aus dem Briefwechsel, den er mit diesem [138] durch Jahre führte, spricht auch deutlich diese Freundschaft, ja noch mehr, es geht aus demselben hervor, daß Lehrer und Schüler sich gegenseitig schätzten und verehrten. Bald lenkten die verschiedenen Arbeiten, welche er in wissenschaftlichen Fachblättern mittheilte, die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf den jungen Streber, so daß er schon im Alter von 23 Jahren zum correspondirenden Mitgliede der ungarischen Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. Dies wollte freilich zu jener Zeit nicht eben viel bedeuten, denn um die akademische Halle, da sie nun einmal da war, zu bevölkern, ging man bei der Wahl der Mitglieder nicht zu streng vor und Mancher sah sich in den Schooß der Akademie aufgenommen, der sich in einsamen Stunden der Selbstprüfung die Frage vorgelegt haben mag: „Wie kommt Saul unter die Propheten?“ Dies aber war bei Szalay nicht der Fall. Schon damals stand er auf der Höhe jener Akademiker, wie sie dergleichen wissenschaftliche Corporationen nicht zu häufig aufzuweisen haben. Zwei Jahre danach wurde er ordentliches Mitglied der rechtswissenschaftlichen Abtheilung und nahm als solches seinen Sitz mit dem Vortrage über Franz Adam Kollár [Bd. XII, S. 324] ein, den er als Rechtsgelehrten und Publicisten darstellte, wobei er durch seine freimüthige, unumwundene Sprache allgemeines Aufsehen, ja als er an einer Stelle für vollständige Trennung von Staat und Kirche – im Vormärz! – sich aussprach, in manchen Kreisen geradezu eine gewisse Bestürzung erregte. Im Jahre 1840 unternahm er eine zweite Reise nach Deutschland, und eine Frucht derselben war sein 1841 erschienenes Werk „Ueber das Strafverfahren mit besonderer Rücksicht auf Geschwornengerichte“. Dasselbe ist auf das reichste und zweckentsprechendste mit den Erfahrungen aus dem Rechtsleben aller Culturstaaten ausgestattet, und die Landtagscommission, welche mit der Ausarbeitung eines Strafcodex für Ungarn betraut war, glaubte, zumal auch Deák mit anderen edelgesinnten und gediegenen Patrioten diese Ansicht theilte, den erst 27jährigen Mann in ihrer Mitte nicht entbehren zu können. Und da ereignete sich denn, was weder vor noch nach geschehen: Obgleich Sz. nicht Mitglied des Reichstages war, wurde er doch in die Commission desselben, und zwar in der Eigenschaft eines Schriftführers aufgenommen. Und wenn nun die in jenen Tagen aus dem Schooße der strafrechtlichen Commission hervorgegangenen und dem 1843er Landtage vorgelegten Gesetze noch immer zu den besten gehören, welche die europäische Gesetzgebung auf diesem Gebiete aufzuweisen hat, dann fällt ein großer Theil der Anerkennung, welche man mit Recht diesem Werke zollt, Szalay zu, der in der bescheidenen Rolle eines „Schriftführers“ der eigentliche Gesetzgeber seiner Nation geworden. Durch diese Arbeit trat er dem unvergeßlichen Deák näher, mit dem ihn bald innige Freundschaftsbande verknüpften. In Folge dieser Theilnahme an den Arbeiten der Strafgesetzcommission wurde er aber zur eigentlichen politischen Thätigkeit, der er bis dahin fern gestanden, hinüber geleitet, und seine legislative Thätigkeit entfaltete sich nun zur staatsmännischen, auf welcher er jedoch nicht jene Lorbeern pflücken sollte, die ihm auf ersterer nicht vorenthalten werden können. In den Wahlen zum Reichstage 1843/44 wählte ihn die Stadt Karpfen (Korpona) im Sohler Comitate, eine der ältesten, aber [139] kleinsten unter den königlichen Freistädten, zum Abgeordneten. Zu jener Zeit schrieb ein deutscher Publicist, der die Ungarn nicht eben mit Glacé-Handschuhen anzufassen liebte, über Szalay: „Es ist ein ausgezeichneter und wissenschaftlich gebildeter Rechtsgelehrter, au niveau mit den neuesten Forschungen der ausländischen Rechtswissenschaften, ein thätiger, aufgeklärter Kopf und tiefer Denker, der seinen Platz neben Thibeaudeau, Portalis, Trouchet, Röderer, Berryer, Regnault de Saint Jean d’Angely, Treilhard und Cambacérès einnehmen darf“. Am 1. Juli 1844 trat Szalay die Redaction des „Pesti Hirlap“ an, welche bis dahin Kossuth geführt hatte. „Es gibt wenig Menschen“, fährt der obige Publicist in Szalay’s Charakteristik fort, „die so geeignet sind, an der Spitze eines berühmten Journals zu stehen, wie er. Wenn man die wissenschaftlichen Kenntnisse Kossuth’s und Szalay’s auf die Wage legen möchte, um sie zu messen, so würde die Schale des Letzteren tiefer schweben. Er hat durch eigenes Anschauen die Institutionen des Auslandes in ihrer wirkenden Kraft gesehen, er hat die größten Männer des Auslandes persönlich kennen gelernt, und sein großes Talent hat mit psychologischem Scharfblick die Erfahrung geschöpft, daß zumeist in Ungarn die Politik ein Feld war – und leider heute noch ist – das man bis jetzt mittels eines Luftballons durchlief, daß es Zeit, den Fuß zur Erde zu setzen.“ Die Redaction eines Blattes zu führen, an welchem der damals vergötterte Kossuth thätig gewesen, war eine schwierige Aufgabe, und sein Biograph Falk schreibt, einen Ausspruch Lessing’s variirend, darüber: „Szalay kämpfte wie die alten Juden mit der einen Hand gegen die Philister und baute mit der anderen den Tempel der socialen und politischen Reform“. Dabei ward ihm sein Geschäft nicht leicht gemacht, denn er hatte mit einer Fluth von Angriffen und Verdächtigungen zu kämpfen. Er dagegen verletzte niemals die Gesetze des journalistischen guten Tones. Die in unseren Tagen verloren gegangene Tugend, Princip und Persönlichkeit zu sondern, besaß er in höchstem Grade. Seine schriftlichen Urtheile über seine politischen Gegner Grafen Aurel Dessewffy und Grafen Stephan Széchenyi zeigen, wie er den publicistischen Anstand zu wahren wußte. Nur ein Jahr, 1844–1845, blieb er als Redacteur des „Pesti Hirlap“ thätig, die nächsten zwei Jahre widmete er ausschließlich literarischer Thätigkeit, und noch war er mit dem „Buche der Staatsmänner und Redner“ beschäftigt, als die Bewegung des Jahres 1848 über Oesterreich hereinbrach. Daß es kommen werde, kommen müsse, hat er an vielen Stellen seiner im Vormärz erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten vorhergesagt. Nun aber, als es da war, wurde ihm mit einem Male bange und seine Stimmung, sein innerster Gedanke sprachen sich in einer Aeußerung zu einem Freunde aus, als die Ereignisse den Gegenstand ihrer Unterredung bildeten. „Ich weiß nicht“, ruft er aus. „warum ich immer an den Ring des Polykrates denken muß; aber noch nie ist einem Volke von der Vorsehung etwas geschenkt worden, und um alles das zu verdienen, was uns jetzt mit einem Male in den Schooß fiel, hatten wir doch noch nicht genug gearbeitet“. Den Ereignissen konnte er nicht Halt gebieten, und auch ihn zogen sie mit sich fort, und seine bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten wirkten [140] auf sein Verhalten selbst dann noch, als er mit der Revolution ging. Der Gedanke an ein enges Bündniß mit Deutschland, das die ungarische Regierung als Damm gegen das bereits damals sich drohend erhebende Gespenst des Panslavismus zu errichten gedachte, führte den Gelehrten zu der wichtigsten, wenngleich ebenso verfehlten Mission seines Lebens, wie es alle Missionen waren, welche die Revolution zu den anderen Völkern des Continentes, bei ihnen Unterstützung suchend, ausgesandt hatte. Mit Dionys Pazmandy dem Jüngeren [Bd. XXI, S. 404] ging er als Abgesandter Ungarns nach Frankfurt a. M., wo der deutsche Reichsverweser Hof hielt. Am 26. August wurde er – Pazmandy war bereits abgereist – vom Reichsverweser empfangen, und am 2. September stand im „Kossuth Hirlapja“ gleich unter dem Kopf des Blattes mit durchschossenen Lettern: „Frankfurt a. M., 26. August: Heute hat der Reichsverweser Ladislaus Szalay als ungarischen Gesandten – Ambassadeur de la Hongrie – officiell bei sich empfangen. Hiermit ist der erste Schritt geschehen, daß Ungarn den seiner würdigen Platz in der Reihe der selbständigen freien europäischen Nationen einnehme. Die Anerkennung von Seite der übrigen Großmächte ist binnen Kurzem zu erwarten. Von Seite des deutschen Reiches wird ein Gesandter für Budapesth dieser Tage von der Reichsregierung ernannt werden“. So standen die Dinge – nämlich in der Zeitung, in magyarischer Sprache schwarz auf weiß. In der Wirklichkeit aber standen sie anders. So weit war man damals wie eben auch heute noch nicht. Szalay war, wie er berichtete, schon von dem Präsidenten der Nationalversammlung Heinrich von Gagern „herzlich und würdig zugleich“ und’ später vom Erzherzog Reichsverweser „mit Wohlwollen“ empfangen worden. Daß dieser Empfang aber durchaus keinen officiellen Charakter besaß, erhellte bald: denn das „Wohlwollen“ hatte keine praktischen Folgen. Szalay schrieb zwar eine „officielle“ Note um die andere, um die „Vorurtheile“ des deutschen Reichsministeriums zu widerlegen, er sprach es zu wiederholten Malen aus, daß Ungarn im deutschen Elemente ein Element der Civilisation sehe und es als solches stets freudig begrüßen werde; er drängte immer aufs neue, einen Gesandten der deutschen Centralgewalt für Ungarn zu ernennen: weil Deutschlands allseitiges Interesse ein starkes und blühendes Ungarn fordere – hier verschrieb sich Szalay offenbar und setzte statt Oesterreich, wie es einzig richtig gelautet hätte, Ungarn. Der Antrag auf Entsendung eines deutschen Abgesandten nach Ungarn war in der Paulskirche auch wirklich gestellt worden; aber Szalay erhielt statt der Mittheilung der Gesandten-Ernennung den officiellen, aus seinen Protest von dem Reichsminister von Schmerling bestätigten Bescheid, daß seine (Szalay’s) Vollmacht als erloschen betrachtet werde, weil die österreichische Regierung die Sendung eines Bevollmächtigten Ungarns an die deutsche Centralgewalt „mißbillige, ja für null und nichtig erkläre“. Die Gesandtenrolle Szalay’s – obgleich er Verwahrung gegen jede Schmälerung, jede Verkümmerung des ungarischen Grundgesetzes vom 11. April 1848 einlegte, war ausgespielt, und als er Frankfurt verließ, that er es mit der dunklen Vorahnung, daß Ungarn erliegen werde. Kein staatsmännisches Resultat, wohl aber ein [141] geistiges war ihm aus jener verfehlten Frankfurter Sendung geblieben, er hatte nämlich während seines Aufenthaltes in der alten Kaiserstadt persönlichen innigen Verkehr mit den besten deutschen Männern, mit Gagern, Heckscher, Radowitz u. A. angeknüpft, blieb mit ihnen in späteren Jahren im Briefwechsel und nannte, da zu jener Zeit die deutsche Reichsregierung abgehenden Gesandten keine Orden verleihen konnte, diese Briefe zutreffend „seine werthvollsten Decorationen“. Von Frankfurt kehrte er nicht ins Vaterland zurück, sondern begab sich nach Frankreich und England, um daselbst die Stimmung für Ungarn zu prüfen und in dessen Interesse zu wirken. Was er da erfuhr, klang wenig tröstlich, ja in London, wo es ihm nach einigem Bemühen gelang, an einem neutralen Orte mit einem der vornehmsten Mitglieder der englischen Regierung zusammenzutreffen, sogar niederschmetternd. „Wenn Ungarn“, bemerkte der englische Staatsmann, „nichts weiter als seine alten verfassungsmäßigen Rechte behaupten, wenn es nichts durchsetzen wolle, was den Bestand der österreichischen Monarchie unmöglich mache, dann werde England nicht ermüden, in Wien zur Nachgiebigkeit und Versöhnlichkeit zu rathen; zerreiße Ungarn jedoch das Band, welches zwischen ihm und der Monarchie bestehe, dann habe es von Großbritannien selbst nicht einmal moralische Unterstützung zu erwarten, ja es könnten sogar Constellationen eintreten, unter denen die britische Regierung sich veranlaßt sehen würde, der österreichischen bei der Wiedereroberung Ungarns jede mögliche Hilfe zu leisten...“. So lautete die Eröffnung des englischen Staatsmannes Szalay gegenüber, der sich beeilte, diese Kunde in die Heimat gelangen zu lassen. Und obwohl Kossuth davon Kenntniß erhielt, und zwar noch geraume Zeit vor dem 14. April 1849, so führte er doch den hochverrätherischen Staatsstreich, die Unabhängigkeitserklärung, am genannten Tage aus, sie mit der erdichteten Angabe begründend, daß nächstens ein Congreß der europäischen Mächte in Verona stattfinden werde; wenn bis dahin die Unabhängigkeit des Landes nicht ausgesprochen und dadurch nicht die Aufmerksamkeit Europa’s auf die ungarische Angelegenheit gelenkt worden sei, dann würde die italienische Frage auf Kosten Ungarns geregelt werden, während im entgegengesetzten Falle die ungarische Nation ebenso gehört werden müßte, wie die Abgesandten der Lombardei in Brüssel. – Die Erfahrungen, welche Szalay in London gemacht hatte, ließen ihn trotzdem nicht alle Hoffnung aufgeben, er eilte nach Brüssel. Doch da erreichte ihn die Kunde von Kossuth’s Staatsverrath und er – war gebrochen. Er zog sich nun in die Schweiz zurück, an die Ufer des Züricher Sees, in der Arbeit – er vollendete daselbst sein Werk: „Ungarns Staatsmänner und Redner“ – das Weh zu vergessen suchend, mit welchem die trostlose Lage seines Vaterlandes ihn erfüllte. Und nur aus diesem Wehe, das seinen gesunden Blick trübte, läßt sich eine That erklären, welche seine Biographen – selbst Falk – sämmtlich verschweigen, seine in französischer Sprache geschriebenen „Briefe über Ungarn“. „Lettres sur la Hongrie“ I–III (Zürich 1849, Orell, Füßli und Comp., 8°.), die nicht wenig dazu beigetragen haben, zu jener Zeit das Urtheil des Auslandes über Oesterreich zu verwirren. Wenn diese in den Tagen tiefsten Wehs geschriebenen Briefe dem Schreiber derselben [142] auch nicht eben zur Ehre gereichen, so schänden sie deshalb noch immer nicht das Andenken eines Mannes, der durch viele Thaten und Werke sein Andenken groß und unvergeßlich gemacht hat. Und das Verschweigen dieser Thal von Seite seiner Biographen ist – wenn sie von den Briefen Kenntniß hatten – ein ungehöriger Act und keineswegs gerechtfertigt durch die Methode des Geschichtsschreibers, alles Licht in Licht zu malen, wo sich doch Anlaß findet, es auch Grau in Grau zu versuchen. Einstweilen blieb Szalay am Züricher See und versenkte sich, um die trüben Gedanken an die Gegenwart zu verscheuchen, in die Geschichte der Vergangenheit seines Volkes, die er nun zu schreiben sich anschickte. Rasch förderte er seine Arbeit. Mitte August 1851 war der erste, in der ersten Hälfte 1852 der zweite Band [die Titel dieser und der anderen Schriften Szalay’s folgen auf S. 143 und 144] des Werkes vollendet. In der Vorrede zu demselben lautet eine Stelle: „Ich führe dem Kreise meiner jungen Freunde die Ahnen vor, deren Tapferkeit dieses Vaterland eroberte, deren Weisheit es behauptete, deren Fehler es in Gefahr stürzten, die es aber wieder aus der Gefahr erretteten durch unverzügliche Bezwingung der widrigen Verhältnisse, wenn es sein konnte, um den Preis langwieriger Leiden mit Geduld und Ausdauer, wenn es sein mußte“. Er lebte mehrere Jahre in der Schweiz, wo sein Name bald bekannt und er sogar von nah und fern in wichtigeren Gesetzgebungsfragen zu Rathe gezogen wurde, so von Baden, dem eidgenössischen Canton Wallis u. s. w. Im Jahre 1855 aber führte ihn das Heimweh in das Vaterland zurück, das seinen berühmten Sohn mit offenen Annen empfing. Daselbst arbeitete er an seinem Geschichtswerke weiter, die reichen Quellen studirend, die ihm die Heimat gewährte. Die Benützung des k. k. Hof- und Staatsarchivs wurde, ungeachtet die ungarische Akademie sich für ihn verwendete, ihm nicht gestattet. So meldet sein Biograph Falk. Wir fügen dem hinzu: dies war keine gegen Szalay speciell gerichtete Maßregel, dies geschah zu jener Zeit auch anderen Gelehrten, die in keine Revolutionsaffairen verwickelt waren; die Oeffnung der Pforten in die Geheimnisse der Archive erfolgte erst einige Jahre später, und werden dieselben heute auch von jenen Historikern gar häufig benützt, welche zum Danke dafür auf Grund österreichischer Archivsquellen die österreichische Geschichte fälschen. Wohl aber hängt eine andere Thatsache mit seinem Verhalten in den Jahren 1848/49 zusammen: er wurde, obwohl vorgeschlagen und empfohlen, nicht in die kaiserliche Akademie der Wissenschaften gewählt. Man gab als Grund dieser Ablehnung an, daß, nachdem Graf Emil Dessewffy resignirt habe, man daraus schließe, ungarische Gelehrte seien überhaupt gegen die kaiserliche Akademie eingenommen. Aus seinem stillen Gelehrtenleben in den Vordergrund trat Szalay, als mit den veränderten politischen Verhältnissen Oesterreichs 1861 auch das parlamentarische Leben in Ungarn zur vollen Geltung gelangte. In diesem Jahre trat der denkwürdige Reichstag in Pesth zusammen, in welchen er auf Empfehlung seines Freundes Eötvös zum Abgeordneten der Pesther Leopoldstadt gewählt wurde. In der Berathung darüber, ob die nach Einberufung des Landtages an den König von Ungarn zu richtende Ansprache in Form einer Adresse, eines Beschlusses oder eines Manifestes zu [143] geschehen habe, gipfelte die Thätigkeit dieses ersten nach der Niederwerfung der Revolution einberufenen Landtages. Es war eine reine Formfrage, aber von weittragender Wichtigkeit, und die damals in der Magnatenhalle und im Ständesaale gehaltenen Reden bieten einen vollständigen Cursus ungarischer Geschichte und ungarischen Staatsrechtes. Es platzten die Meinungen nicht selten aufeinander, und es beschlich Einen ein wohlthuendes Gefühl, wenn man nach langen leidenschaftlichen Reden für den Beschluß den historisch-staatsmännischen Vortrag Szalay’s hörte, der für die Adresse sprach und stimmte. Wir können hier nicht einzelne Fragmente aus diesem Prachtstücke staatsmännischer Rhetorik mittheilen, sondern nur auf die deutsche Uebersetzung verweisen, welche in dem ersten Bande, Seite 153–160, des Werkes „Der ungarische Reichstag 1861“ (Pest 1861, Osterlamm) enthalten ist. In diesem für Ungarn denkwürdigen Jahre wurde Szalay zum ersten Secretär an der ungarischen Akademie der Wissenschaften gewählt, und die 1863 und 1864 in derselben von ihm erstatteten Berichte werden nicht nur zu dem Besten, was die akademischen Schriften aufweisen, sondern speciell zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gezählt. Die letzte Rede, welche dieser Gelehrte in der Akademie gehalten, erörterte seinen Lieblingsgedanken: daß Ungarn die europäische Cultur in ihrer ganzen Fülle und Größe in sich aufnehmen müsse. Es war sein Schwanengesang. Er sprach seitdem öffentlich nicht wieder. Von früher Jugend war er kränklich, und sein Zustand besserte sich mit den Jahren nicht, sondern nahm seit 1860 einen so bedenklichen Charakter an, daß ihn behufs einer Radicalcur die Aerzte im Sommer 1864 auf Reisen schickten. Es war zu spät oder überhaupt vergebens, denn sein Uebel, Anwachsen des Gehirns, war unheilbar. Auf dem Rückwege aus dem Wildbade erreichte er noch Salzburg, daselbst erlag er seinem furchtbaren, mit heroischer Standhaftigkeit getragenen Leiden im Alter von 61 Jahren. Ein Weh, ein wahres tiefgefühltes Weh ging durch das ganze Land bei der Nachricht seines Todes. Die Besten der Nation eilten von allen Seiten aus der größten Entfernung nach der Hauptstadt, wohin die Leiche des Verblichenen gebracht wurde. Die Zeitungen aller Farben erschienen mit Trauerrand. Beileidsadressen von Nah und Fern trafen ein, und der ehemalige Präsident der deutschen National-Versammlung zu Frankfurt am Main im Jahre 1848 schrieb an Szalay’s Witwe Worte innigster Theilnahme über den Hingang des Gelehrten, der, als er diese letzte Badereise angetreten, ihn in Wien besucht und dabei die Absicht ausgesprochen hatte, auf seiner Heimkehr den Besuch zu wiederholen. Er hat ihn nicht wiederholen können. Es erübrigt uns nur noch, eine Uebersicht der wissenschaftlichen Thätigkeit Szalay’s zu geben. Außer den im Laufe dieser Skizze bereits erwähnten Werken erschienen von ihm: „Themis“, I–III, d. i. Themis. Verständigungen im Gebiete des Rechtes und der Landwirthschaft, drei Hefte (Pesth 1837 bis 1839); – „Majthényi Sándor emléke“, d. i. Alexander Majthenyî’s Andenken (Ofen 1836); – „A büntető eljárásról különös tekintettel az esküttszékekre“, d. i. Von dem Strafverfahren, mit besonderer Rücksicht auf die Schwurgerichte (Pesth 1841); – „Státusférfiák és szónokok könyve“, d. i. Buch der Staatsmänner und Redner (Pesth 1846 [144] bis 1850; 2. Aufl. 1864); – „Diplomatische Actenstücke zur Beleuchtung der ungarischen Gesandtschaft in Deutschland“ (Zürich 1849, Orell, Füßli und Comp.) ; – „Kemény János önéletirása“, d. i. Johann Kemény’s Autobiographie (Pesth 1856), welche auch den ersten Band des bei Heckenast in Pest erscheinenden Sammelwerkes „Magyar történelmi emlékek“ bildet; – „Gróf Károlyi Sándor naplójegyzetei. Szathmári békesség Putay Jánostól“, d. i. Tagebuch des Grafen Alexander Károlyi. Szathmarer Frieden. Von Joh. Putay, vierter und fünfter Band des obigen Sammelwerkes; – „M. T. Cicero a kötelességekről“, d. i. Des Marcus Tullius Cicero Buch von den Pflichten. Ins Ungarische übersetzt (Pesth 1857, 8°.); – „Fiume a magyar országgyülésen“, d. i. Fiume auf dem ungarischen Reichstage (Pesth 1860), davon auch eine italienische Uebersetzung: „Fiume e la dieta Ungarica“ (Fiume 1860, Ercole Resza, 8°.); – „A magyar történelméhez“, d. i. Zur ungarischen Geschichte, erster Band (Pesth 1860, Lauffer, 8°.); – „Zur ungarisch-croatischen Frage“ (Pesth 1863, Lauffer, gr. 8°.); – „Das Rechtsverhältniss der serbischen Niederlassungen zum Staate in den Ländern der ungarischen Krone“ (ebd. 1862, gr. 8°.); – „Galantai Gróf Eszterházy Miklós Magyarország nádora“, I–III, d. i. Geschichte des Grafen Nicolaus Eszterházy von Galanta, Palatins von Ungarn, drei Theile (ebd. 186., 8°.); – „Magyarország története“, I–VI, d. i. Geschichte von Ungarn, sechs Bände (ebd. 1852 u. f., 2. Aufl. 1862, gr. 8°., 23 fl.), davon erscheint ebenfalls bei Lauffer in Pesth seit 1866 eine deutsche Uebersetzung: „Geschichte Ungarns, deutsch von Heinrich Wögerer“, von welcher bisher drei Bände, der dritte Band in zwei Abtheilungen, ausgegeben wurden; – „Erdély és a Porta 1567–1578“, d. i. Siebenbürgen und die Pforte 1567 bis 1578 (ebd. 1862, 8°.); – „A horvát kérdéshez“, d. i. Zur ungarisch-croatischen Frage (ebd. 1863, 8°.), auch deutsch (ebd.), – und „Második Rákóczy Ferencz bujdosása“, d. i. Franz Rákóczy’s II. Exil. Ein Tagebuch (ebd. 1863 u. f.). In seinem Nachlasse fand sich verhältnißmäßig wenig vor, nämlich die schon angeführten Tagebücher Károlyi’s und Kemény’s Autobiographie. Ueber Szalay’s Bildnisse, Büste, Grabmal u. s. w. vergleiche die Quellen. In dem Urtheile über seine Bedeutenheit als Mensch, Staatsmann und Gelehrter waren alle Parteien einig. Auch das Ausland widmete ihm mehr Theilnahme, als man sonst den Koryphäen der ungarischen Nation zuzuwenden beliebt. Sogar in den Gelehrten-Ausschuß des germanischen Museums in Nürnberg ist er gewählt worden. Er war durch und durch ein ehrenwerther Charakter, ein edelherziger Mensch von seltener Bildung, kein Schwabenfresser, im Gegentheil ein Freund der Deutschen, deren edelste Männer ihn achteten und ehrten. Für Ungarn war er ein Bahnbrecher der Humanität, der edlen Zeitideen des gebildeten Europa; frei von der Selbstüberhebung seiner Nation, verschwieg er nicht deren Gebrechen, die er durch den lindernden Balsam der wahren Geschichte des Vaterlandes zu heilen versuchte. Er kannte, wie nur vielleicht noch Einer neben ihm: Franz Deák, die heimatlichen Zustände, aber er war auch mit den Institutionen des Auslandes vertraut und holte gern und ohne es zu verschweigen, das Beste aus ihnen, wenn es zum Gedeihen [145] seiner Nation frommen konnte. Hätte man seine Kraft, sein Wissen im Vormärz an maßgebender Stelle zu benützen verstanden, vielleicht, wir sagen vielleicht, wäre Manches anders gekommen, als es kam, wäre manches Unheil erspart geblieben, von dem damals Ungarn und mit ihm Oesterreich so schwer getroffen wurde. Auch der Monarch anerkannte den Verlust, den Ungarn durch Szalay’s Tod erlitt. In Seiner Gnade hat er der Witwe des Verblichenen Francisca Szalay, geborenen Békeffy, welche ihrem Gatten zwei Kinder, einen Sohn Paul und eine Tochter Sophie geschenkt, Jahresgehalt und Erziehungsbeiträge anweisen lassen. – Ladislaus Szalay’s zwei Brüder, sowohl der ältere, August, als der jüngere, Stephan, stehen im königlichen Staatsdienste. August (geb. 1811) ist Senats-Präsident der königlichen Gerichtstafel in Budapesth, Präsident der königlich ungarischen Commission für Conservirung der Baudenkmale und correspondirendes Mitglied der philosophisch-socialwissenschaftlich-historischen Classe der königlich ungarischen Akademie der Wissenschaften; er ist auch der Herausgeber des „Magyar leveles Tár. A régibb magyar közélet erkölcsök történet és nyelv ismeretének-előmozditására kiadja a M. Tudom. Akademia történelmi Bizottmánya“, d. i. Ungarisches Briefmagazin u. s. w. Herausgegeben von der historischen Abtheilung der ungarischen Akademie der Wissenschaften (Pesth 1861, Lauffer und Stolp, 8°.); die erste Abtheilung enthält vierhundert Briefe aus den Jahren 1504 bis 1560. – Stephan (geb. 1820) ist Ministerialrath im königlich ungarischen Ministerium des Innern in Budapesth und Präsident der königlich ungarischen Grundentlastungs-Fonds-Directionen. Beide Brüder sind mit dem Ritterkreuze des St. Stephans-Ordens ausgezeichnet, August seit 1873 und Stephan schon seit 1860.

I. Szalay’s Oelbildniß. Als die Kunde von seinem Ableben in Pesth eintraf, stellten die eben versammelten Mitglieder der königlichen Akademie der Wissenschaften ihre Verhandlungen ein. Franz Toldy’s Antrag, Szalay’s Bildniß im Sitzungssaale aufzuhängen, ward sofort zum Beschluß erhoben. Zur Witwe wurde, sobald dieselbe mit dem Leichnam ihres Mannes aus Salzburg zurückgekehrt, eine Deputation entsendet, um ihr das Beileid der Akademie über den [146] unersetzlichen Verlust, der diese, die Gattin und die Gesellschaft getroffen, auszudrücken. Vom Fenster des Akademiesaales flatterte seit dem 18. Juli die Trauerfahne.
II. Porträte. 1) Unterschrift: „Szalay László“. Im „Vasárnapi ujság“, 1856, Nr. 22 [schöner Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen]. – 2) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen, in „Magyar irók arczképei és életrajzai“, S. 65. – 3) Lithographie auf einem großen Gruppenbilde, betitelt: „Magyar irók arczképcsarnoka 1857“. – 4) Lithographie in „Az ország tükre“, d. i. Reichsspiegel, 1864, Nr. 22 [als Büste, das Antlitz trägt sichtbare Spuren des Leidens]. – 5) Stahlstich. L. Jacobisc. Druck von F. Kargl (Wien, 8°.) ]schönes Blatt, Exemplare vor der Schrift selten]. – 6) Unterschrift: „Szalay László“. Marastoni Jos. 1862 (lith.). – 7) Lithographie nach dem Leben, von Maler Canzi. Kniestück (gr.-Fol.). – Außerdem erscheint Szalay noch auf verschiedenen lithographirten und im Holzschnitte ausgeführten Gruppenbildern, bald mehr, bald weniger ähnlich. Der Jacobi’sche Stich steht über allen.
III. Szalay’s Bestattung. An dieser betheiligten sich alle Stände der hauptstädtischen Bevölkerung in unübersehbarer Menge. Erzbischof Lonovics , auch Mitglied der königlich ungarischen Akademie, vollzog persönlich den kirchlichen Act der Einsegnung, die Akademiker umstanden in ungarischem Galakleide den Sarg, dessen einzigen Schmuck zwei Lorbeerkränze bildeten, deren einen ein Leipziger Buchhändler in sehr sinniger Weise dargebracht. In den Straßen, durch welche der endlose Zug sich bewegte, wehten von den Fenstern Trauerfahnen und alle Laden waren geschlossen. In der Mitte der Kerepeserstraße wurde der Sarg zum zweiten Male eingesegnet, und dann ging es unaufgehalten dem Friedhof zu.
IV. Szalay’s Schreibtisch in der Bibliothek des Nationalmuseums zu Pesth. In der genannten Bibliothek ist der Schreibtisch, an welchem Ladislaus Szalay neun Jahre hindurch fast täglich gearbeitet hat, zum Andenken an den Gelehrten mit dessen bekränztem Bildniß geschmückt und mit einer entsprechenden Inschrift versehen worden.
V. Grabdenkmal. Szalay liegt auf dem Friedhofe vor der Kerepeser Linie bestattet. Sein Grab bezeichnet ein schlichter, acht Fuß hoher Granitobelisk, auf welchem unter einem reichvergoldeten Kreuze folgende einfache Inschrift angebracht ist: „Szalay László született 1813 Aprilis 18., meghalt 1864 Julius 17. (d. i. Ladislaus Szalay, geb. am 18. April 1813, gest. am 17. Juli 1864). Dieser Obelisk wurde am 21. October 1864 aufgestellt. Ob das eiserne Gitter, mit welchem Szalay’s Grab und Denkstein umgeben werden sollte, ausgeführt worden, ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht bekannt.
VI. Szalay’s Büste. Der Stuhlweißenburger Casinoverein hatte beschlossen, die lebensgroße Büste Szalay’s anzukaufen in der Vereinsbibliothek aufzustellen und ein volles Jahr hindurch mit einem Trauerschleier zu verhüllen.
VII. Aranyos Kákay’s Charakteristik Szalay’s. In jedem Worte zutreffend ist die politische Charakteristik, welche dieser geistvolle Pamphletist von Szalay entwirft. Wir setzen sie darum auch ihrem vollen Wortlaute nach hieher, den Landsleuten des Verblichenen insbesondere die Schlußstelle derselben ans Herz legend. Aranyos Kákay schreibt: „Wie wir in der hervorragenden staatsmännischen Capacität Dessewffy’s sowohl auf dem Felde unserer Nationalökonomie als auch auf dem politischen Gebiete einen unersetzlichen Verlust erlitten, so ließ Ladislaus Szalay eine nicht minder unausfüllbare Lücke in unserer Literatur und im Secretariat der Akademie zurück. Damit will ich nicht gesagt haben, daß Ladislaus Szalay als Politiker unbedeutend gewesen; es hätte dies um so weniger Sinn, als Szalay der Politiker und Szalay der Schriftsteller nicht von einander zu trennen sind. Derselbe Szalay, der die Ideen, Principien und Theorien des parlamentarischen Repräsentativsystems theoretisch entwickelte, illustrirte dieselben auch praktisch in seinem Buche der „Staatsmänner und Redner“ und übte sie als Redner und Gesetzgeber aus. Es ist wohl wahr, daß zwischen dem Szalay vor 1848 – obwohl er früh gereift, ernst und vielleicht nie „jung“ war – und dem Szalay nach 1860 dennoch ein großer Unterschied bestand. [147] Die Hekatomben der Erfahrung hatten mittlerweile auch bei ihm mehr als eine Hoffnung verschlungen – und aus seinen schmerzlich melancholischen Augen war nicht selten die Täuschung eines halben Lebens herauszulesen. Worin er sich getäuscht, hat er sich jedoch mit seinem Jahrhundert und mit den Edelsten und Besten seiner Zeit getäuscht. Und obwohl er als Politiker auf dem starken Postamente wissenschaftlicher Schlagfertigkeit stand, mußte er dennoch zurückkehren zur Geschichte, um darin neue Stützpunkte zu suchen für seinen geschwächten Glauben an eine schönere Zukunft des Vaterlandes und für seine weiteren politischen Bestrebungen. Und hier fand er sein eigentliches Terrain, auf dem der eine oder andere unserer Landsleute vielleicht in einzelnen schriftstellerischen Eigenschaften, keiner aber in der Gesammtsumme seiner Fähigkeiten mit ihm concurriren kann. Schade nur, daß Szalay seiner historiographischen Thätigkeit einen Rahmen gab, der so weit war wie sein Horizont; darum blieben auch so viele Bruchstücke in seinem Nachlasse zurück, denn er hätte noch zwanzig Jahre leben müssen, um die Arbeiten, die er sich vorgesetzt hatte, vollenden zu können. Das neidische Geschick, das beinahe wie ein Fluch seit Jahren auf unserem Vaterlande ruht, auf volkswirthschaftlichem Gebiete unsere Saaten mit Dürre und unsern Viehstand mit Seuchen heimsucht, richtet auch gleichsam absichtlich in unseren geistigen Schätzen Verheerungen an, indem es unsere Koryphäen einen nach dem anderen hinwegrafft, während es die zahlreichen Mumien des ungarischen Michelthums und die altersschwachen und durch die 1848er Ideen zu Caricaturen gewordenen Invaliden aus der Zeit vor 1847 übrig läßt; sie bleiben „dem Vaterlande“, auch wenn sie die Gicht befällt, sie sind unsterblich.“
VIII. Quellen zur Biographie, in alphabetischer Folge. a) Deutsche. Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1864, Beilage zwischen Nr. 199 und 205. – Croquis aus Ungarn (Leipzig 1843, Otto Wigand, kl. 8°.) S. 160; Neue Croquis aus Ungarn (Leipzig 1844, J. B. Hirschfeld, kl. 8°.) Bd. II, S. 273. – Csengery (Anton), Ungarns Redner und Staatsmänner (Leipzig und Wien 1852, Fr. Manz, 8°.) S. 322 his 415. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) 1864, Nr. 1103. – Kertbeny (K. M.), Album hundert ungarischer Dichter in eigenen und fremden Uebersetzungen (Dresden u. Pesth 1854, R. Schäfer und Hermann Geibel, 12°.) S. 144 und 517. – Kákay Aranyos, Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtages (Pesth 1867, Wilhelm Lauffer, gr. 8°.) S. 12. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pest 1850, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 200. – Lugoser Anzeiger. Zeitschrift für Belletristik u. s. w., 25. Mai 1861, Nr. 21. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig, Karl B. Lorck, 4°.) II. Serie (1862), Sp. 350. – Magazin für die Literatur des Auslandes. Redigirt von J. Lehmann (Leipzig, 4°.) 1865, S. 583. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.), Zweite Abtheilung, Bd. X, S. 1232; V. Supplementband, S. 1177. – Nürnberger Correspondent, 1864, Nr. 427, im „Feuilleton“. – Oesterreichische Revue (Wien, Gerold, gr. 8°.) III. Jahrgang (1865) Bd. II, S. 1–87: „L. Szalay’s Leben und Wirken“. Von Dr. M. Falk. – Oesterreichische Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben. Beilage zur kais. Wiener Zeitung (Wien, Gerold’s Sohn, gr. 8°.) Jahrgang 1864, Bd. IV, S. 1049. – Dieselbe, 1865, Bd. I, S. 252. – Pesther Sonntagsblatt (4°.), 1855, Nr. 19: „Ehre, dem Ehre gebührt“. – Pesther Lloyd (Pesth-Ofener polit. Blatt) 1865, Nr. 287–293: „Eötvös’ Denkrede, gehalten in der feierlichen Jahressitzung der ungarischen Akademie am 11. December 1865“. – Derselbe, 1865, Nr. 77: „Heinrich von Gagern’s Brief an die Witwe Szalay’s“. – Politik (Prager Parteiblatt) 1864, Nr. 199, im „Feuilleton“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1864, Nr. 1 und 200. – Tagesbote aus Böhmen (Prager polit. Blatt) 1865, Nr. 119 und 121, im „Feuilleton“. – Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 195. – Ungarns Männer der Zeit. Biographien und Charakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten... Aus der Feder eines Unabhängigen (Prag 1862, A. G. Steinhauser, 12°.) S. 294. – Ungarische Nachrichten (Pesth-Ofener polit. Blatt) [148] 1864, Nr. 164. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Osterlamm, 8°.) Bd. I, S. 153: „Szalay’s Rede für die Adresse“. – Volks- und Wirthschafts-Kalender (Wien, Lex.-8°.) 1866, S. 50. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1864, Nr. 200, 1865, Nr. 93, im „Feuilleton“. – Wiener Lloyd (Wiener polit. Blatt) 1864, Nr. 199, im „Feuilleton“. – Wiener Zeitung, 1864, Nr. 179, S. 212 und Nr. 182, S. 248. – Zarncke (Friedrich Dr.), Literarisches Centralblatt für Deutschland (Leipzig, Avenarius, 4°.) 1864, Sp. 744, und 1866, Sp. 692. – b) Ungarische. Az ország tükre, d. i. Der Reichsspiegel, 1. Februar 1862, Nr. 3. – Eötvös (József Báro), Magyar irók és államférfiak. Emlékbeszédei, d. i. Ungarns Schriftsteller und Staatsmänner. Gedächtnißreden (Pesth 1868, Moriz Ráth, gr. 8°.) S. 201–243. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Emich, 8°.) I. Theil, S. 562. Zweiter (den ersten ergänzender) Theil, S. 417. – Magyar irók árczképei és életrajzai, d. i. Bildnisse und Biographien ungarischer Schriftsteller (Pesth 1855, kl. 4°.) S. 64. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1863, Mor. Ráth, 8°.) Bd. X, S. 463. – Toldy (Ferencz), Irodalmi beszédei. Első kötet. Gyász- és emlékbeszédek, d. i. Literarische Reden. Erster Band. Trauer- und Gedächtnißreden (Pesth 1872, Moriz Ráth, 8°.) Bd. I, S. 260. – Toldy (Ferencz), A Magyar nemzeti irodalom története a legrégibb időktől a jelenkorig rövid előadásban, d. i. Geschichte der ungarischen National-Literatur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. In gedrängtem Umriß (Pesth 1864–1865, Gust. Emich, gr. 8°.) S. 195, 306, 320, 321, 328, 329 und 429. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntagsblatt (Pesth, 4°.) 1. Juni 1856, Nr. 22.
[145]
Stammtafel der Familie Szalay.
Johann.

Johann.

Matthias.
Katharina Baranyay.
Peter [S. 136, im Texte]
geb. 1763, † 1825.
Therese Rudolph.
Peter †. Sigmund †. August
geb. 24. Oct. 1811.
Caroline Türck.

Irene.      Emerich.
Ladislaus [S. 136]
geb. 18. April 1813, † 17. Juli 1864.
Francisca Békeffy.

Sophie.      Paul.
Stephan
geb. 28. Jänner 1820.
Ida Mayerfy.

Peter.      Maria.      Paul.      Rosa.      Gisela.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist möglicherweise der Hegelianer Eduard Gans (ADB).