BLKÖ:Schwarz, Eduard
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 32 (1876), ab Seite: 286. (Quelle) | |||
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[287] sie arm; dennoch bot die Mutter Alles auf, um den Knaben ordentlich unterrichten zu lassen. Neun Jahre alt, trat dieser in die Pesther israelitische Normalschule ein, wo er bald einer der besten Schüler war, im Jahre 1845 bezog er das Piaristen-Gymnasium und begann, um seiner armen Mutter auszuhelfen, bereits als Schüler der dritten Gymnasialclasse Unterricht zu ertheilen. So hatte er denn den Kampf mit dem Leben begonnen. Die achtundvierziger Ereignisse rissen auch ihn hin und, kaum 17 Jahre alt, stand er in den Reihen der Kämpfer und soll bei Szt. Thomas sich ausgezeichnet haben. Darauf heimberufen, blieb er nur kurze Zeit im Elternhause, sondern wurde sofort nach Prag zu seinem Onkel K. Knapp, später Opernsänger in Weimar, abgeschickt. Im folgenden Jahre begann er in Wien das medicinische Studium, wo er durch seinen Eifer und seine Anstelligkeit bald die Aufmerksamkeit Hyrtl’s auf sich zog, der sich nur noch mehr für seinen tüchtigen Schüler interessirte, als ihm dieser eines Tages eine Abhandlung naturwissenschaftlichen Inhalts überreichte, aus welcher sich Forschersinn, seltene Beobachtungsgabe und Klarheit der Anschauungen kundgaben. Aber das half doch seiner Mittellosigkeit nicht auf, und während S. mit allem Eifer seinem Berufsstudium oblag, mußte er, um das tägliche Brot zu verdienen und seine übrigen geringen Bedürfnisse zu bestreiten, Unterricht ertheilen. Eben daran, das Ziel seiner Wünsche, die medicinische Doktorwürde, zu erlangen, traf ihn 1854 die Nachricht von dem Tode seiner geliebten Mutter. Ein Brief seiner Hand aus dieser Zeit, den Ignaz Reich in dem in den Quellen benannten Werke mittheilt, schildert in grausamer Einfachheit seinen Schmerz, seine damalige Lage, den kummervollen Lauf seiner Jugend und der Noth im Elternhause. Nachdem er, anfangs 1856, Doctor geworden, trat er seine ärztliche Stelle im Wiener allgemeinen Krankenhause an, um sich für die weitere Laufbahn als Arzt vorzubereiten. Um diese Zeit fanden die Vorbereitungen zur Ausrüstung der ersten österreichischen Erdumsegelungs-Expedition der Fregatte „Novara“ Statt. Als zu diesem Zwecke auch der Concurs eines Corvetten-Arztes ausgeschrieben wurde, sollen nicht weniger denn 310 Concurrenten und darunter sogar einige, welche auf jedes Gehalt verzichteten, sich gemeldet haben. Die Wahl traf unseren Schwarz. Zugleich wurde er in die wissenschaftliche Commission, und zwar vereint mit J. Jelinek für die Botanik gewählt. Am 30. April 1857 ging die Expedition unter Segel, am 2. August 1899 kehrte sie wieder zurück. Während der dritthalbjährigen Seefahrt verrichtete S. nicht nur treu und gewissenhaft seine Dienste als Schiffsarzt, sondern sammelte zugleich Schätze des Wissens, geläuterter, lichtverbreitender Ansichten und Erfahrungen, die er nach seiner Rückkehr, obgleich in seinen Körperkräften gebrochen, verarbeiten sollte. Die von ihm allein für die kaiserlichen Museen gesammelten Gegenstände betrugen über ein halbes Hundert Kisten. Sein leidender Zustand bestimmte den Erzherzog Ferdinand Max, der eben diese Expedition angeregt, dem jungen Arzte zu gestatten, daß er zur Herstellung seiner Gesundheit einen Winter in Kairo zubringe. Doch das dortige milde Klima gewährte ihm keine Genesung, wohl aber einige Linderung seines Leidens, so daß er nach seiner Rückkehr doch im Stande war, einen Theil der wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Reise zur Herausgabe zu bearbeiten. [288] Der Rest blieb unvollendet. Der Titel dieses Werkes ist: „Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857, 1858, 1859 unter den Befehlen des Commodore B. v. Wüllerstorff-Urbair. Medicinischer Theil. I. Bd. Mit 10 Holzschnitten, 1 lithogr., 1 Kupfertafel und 3 Beilagen“ (Wien 1861, Hof- und Staatsdruckerei, 4°.). In der ersten Abtheilung schildert S. den Einfluß des Lebens zur See auf den menschlichen Organismus in physischer und psychischer Beziehung; in der zweiten gibt er eine allgemeine Krankengeschichte der ganzen Novarafahrt mit Darstellung einiger einzelnen chirurgischen und medicinischen Fälle; die dritte enthalt drei nosologische Monographien, und in der vierten Abtheilung zeichnet er das Bild der Aufgabe eines reisenden Arztes; der zweite Band, der nicht erschien, sollte die eigentliche Anthropologie enthalten. Außer dieser seiner Hauptarbeit stammen aus S.’s Feder noch folgende kleinere: „Mikroskopische Untersuchungen an der Milch der Wöchnerinen“, mit 1 Tafel; – „Ueber eine Methode doppelter Färbung mikroskopischer Objecte und ihre Anwendung zur Untersuchung der Musculatur des Darmtraktes, der Milz, Lymphdrüsen und anderer Organe“, mit 5 Taf.; – „Chemische Analyse des Mineralwassers in Mödling bei Wien“. Die genannten drei Abhandlungen finden sich in den Sitzungsberichten mathem.-naturwiss. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien abgedruckt; – „Ueber Körpermessungen zur Diagnostik der Menschenracen. Entwurf eines Systems, welches den, während der Reise der k. k. österreichischen Fregatte Novara um die Erde an Individuen verschiedener Racen angestellten Messungen zu Grunde gelegt wurde“, wovon zu gleicher Zeit eine englische Uebersetzung: „On Measurement as diagnostic means for distinguishing the human races“ veranstaltet worden. Die deutsche Abhandlung erschien in den Mittheilungen der k. geogr. Gesellschaft, Bd. III (1859), S. 11. Diese Körpermessungen – zusammen 7000 – wurden an 90 Urbewohnern verschiedener Racen vorgenommen und bilden eine nach verschiedenen Gesichtspuncten, namentlich aber dem medicinischen, höchst beachtenswerthe Untersuchung; – in der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien veröffentlichte S.: „Korrespondenz von Sr. Maj. Fregatte Novara° (1858, Nr. 28 u. f., in mehreren Fortsetzungen); – „Medicinische Bemerkungen über die allgemeinen sanitären Verhältnisse in Rio de Janeiro und Beantwortung einiger von der k. k. Gesellschaft der Aerzte gestellten Fragen“ (ebd. Nr. 37); – „Medicinische Bemerkungen über die allgemeinen sanitären Verhältnisse der Cap-Halbinsel und der Capstadt“ (ebd. Nr. 40); – „Mittheilungen über Aerzte, Krankheiten und Medicamente der Tahiter“ (ebd. 1859, Nr. 34); – „Die Nahrungsmittel der Tahiter“ (ebd. Nr. 36); – „Chinesische Aerzte und Medicamente“ (ebd. Nr. 38 und noch sieben Fortsetzungen), in welchen er die verschiedenen Heilstoffe, die tonisirenden, adstringirenden, resolvirenden, dann die Purganzia, die Medicamente, welche auf das Blut wirken, verschiedene Specifica“, und endlich den grünen und schwarzen Thee erörtert. Noch beschickte er die Londoner Weltausstellung mit einigen Modellen der von ihm erfundenen anthropometrischen Instrumente, die er mit einer von ihm selbst in englischer Sprache verfaßten Broschüre, betitelt: „A system of anthropological investigations as a means [289] for the differential diagnosis of human race. Some general results of the Measurement. The instruments required invented and established of Eduard Schwarz M. D.“ (Vienna 1862, kl. 8°.) begleitete. Dem Büchlein ist eine Quarttafel mit vier von dem Maler Canon gezeichneten, in lithogr. Farbendrucke ausgeführten Figuren beigegeben; auch in dem Texte der Schrift sind einige Holzschnitte eingefügt. Die anthropometrischen[WS 1] Instrumente, nach Schwarz’s Angabe von Kraft und Sohn in Wien ausgeführt, bestehen aus einem Prosopometer (Gesichtsmesser) und Gnotometer (Kiefermesser). Die letzte Lebenszeit verbrachte Dr. Schwarz in stiller Abgeschiedenheit, schwer leidend, in Wien, bis ihn der Tod im Alter von erst 31 Jahren (er starb an Tuberkulose) dahinraffte. Sein literarischer Nachlaß bestand aus einem Packet von Zeichnungen und Maßtabellen. Er wurde in Wien auf dem israelitischen Friedhofe beigesetzt und ihm im Juli 1863 auf Anregung des Dr. Scherzer von seinen Kameraden auf der „Novara“ ein Denkmal errichtet, das nach den Zeichnungen des Architekten Professor J. Hieser der Bildhauer Robert Streschnak ausgeführt hat. Erzherzog Ferdinand Max spendete selbst einen nicht unbedeutenden Beitrag. In einem ihm gewidmeten Nekrologe heißt es wörtlich: „Die Gewalt der Stürme aller Meere hatte ihn verschont, der giftige Strahl der Tropensonne sein Gehirn nicht getroffen, selbst das verbrennende Klima emphitischer Eilande des Oceans hatte nur vorübergehend dem kräftig gebauten Jünglinge mit der Todesfackel gedroht – daheim auf dem continentalen Leintuche eines Bettes in der Leopoldstadt zu Wien starb aus Mangel an Sauerstoff ein Weltumsegler in jenem Augenblicke, wo er die eigentliche wissenschaftliche Aufgabe seines Lebens zu lösen beginnen sollte.“ Mit diesen Schlußworten, daß er die wissenschaftliche Aufgabe seines Lebens eben zu lösen beginnen sollte, ist der Nagel auf den Kopf getroffen; solche emphatische Uebertreibungen, wie sie der Reich’sche Nekrolog enthält, der, während er Seitenhiebe auf einen verdienstvollen Collegen des Verblichenen abdruckt, thut, als hätte Oesterreich einen Humboldt verloren, machen den Mann der Wissenschaft nicht wissenschaftlicher und sein Wirken nicht wirksamer, sondern werfen nur auf die israelitische Eigenthümlichkeit, oft aus ihren Küchenschaben brasilianische Leuchtkäfer zu machen, ein komisches Streiflicht.
Schwarz, Eduard (Arzt und Naturforscher, geb. zu Miskolcz in Ungarn 13. September 1831, gest. zu Wien 22. September 1862). Sohn armer israelitischer Eltern, kam er mit denselben, als diese nach Pesth übersiedelten, einjährig dahin. Auch da, wo sie ihr Schicksal zu verbessern meinten, blieben- Reich (Ignaz), Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth 1862, Alois Bucsánszky, 4°.) V. Heft. S. 20–45 [nach diesem geb. am 13. September 1831, gest. 24. September 1862. Bemerkenswerth erscheinen die Worte, welche Dr. Sch. nach dem Ableben seiner geliebten Mutter im Frühling 1854 auf ihren Grabstein schrieb: „Hier ruhet Rosalie Schwarz, und ihr bald in’s bessere Leben zu folgen, ist ihres Sohnes und einzigen Kindes schönste Hoffnung“. Der Sohn hielt Wort, acht Jahre später folgte er ihr in’s Jenseits nach]. – Allgemeine illustrirte Judenzeitung. Redigirt von Dr. David Schwab (Pesth. 4°) III. Jahrg. (1862), Nr. 42: „Dr. Eduard Schwarz“ [nach dieser geb. am 14. September 1831, gest. am 22. September 1862]. Nach anderen Angaben, so in der „Süddeutschen Zeitung“ 1862, Nr. 165, ist er bereits am 21. September 1862 gestorben. – Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: Dr. Eduard Schwarz. Holzschnitt ohne Ang. des Zeichn. u. Xylogr. (4°.); – 2) Unterschrift: Dr. Eduard Schwarz | k. k. Corvettenarzt | gest. 22. September 1862. Lithographie ohne Ang. des Zeichn. u. Lith. (4°.).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: antropometrischen.