Zum Inhalt springen

BLKÖ:Schosser, Anton

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Schossel, Andreas
Band: 31 (1876), ab Seite: 240. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Anton Schosser in der Wikipedia
Anton Schosser in Wikidata
GND-Eintrag: 115799605, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Schosser, Anton|31|240|}}

Schosser, Anton (österreichischer Dialektdichter, geb. zu Stiedelsbach bei Losenstein in Oberösterreich 7. Juni 1801, gest. zu Stadt Steyr 26. Juli 1849). Ein Sohn des Nagelschmidgesellen Bernhard Sch. Anton war ein schwächliches Kind, dem die Aerzte kein hohes Alter prophezeiten. Eine Erbschaft, die der Vater gemacht, es war ihm nämlich das sogenannte „Haus im Holz ober der Kirche“ zu Losenstein, eine Nagelschmiede mit nicht unbeträchtlicher Oekonomie, zugefallen, machte es möglich, den Sohn, der zum Handwerke des Vaters [241] ebenso wenig Neigung als Körperkraft besaß, studiren zu lassen. Durch Vermittelung des Losensteiner Pfarrers Franz X. Damböck, eines würdigen Priesters, der zudem sein Firmpathe war und ihn auch in der Musik unterrichtet hatte, kam Anton nach Melk in’s Gymnasium, wo er während vier Jahren seines dortigen Aufenthaltes gute Fortschritte machte. Insbesondere zeigte er Neigung zur Zeichenkunst, die sich bei seinem jeweiligen Aufenthalte im Elternhause während der Ferien an den bemalten Zimmerwänden, wenn gerade auch nicht einen Apelles oder Raphael erwarten lassend, kundgab. Nach dem vierten Studienjahre gestatteten ihm die Eltern auf sein Andringen, die Studien in Klagenfurt fortzusetzen. Aber schon nach zwei Monaten, vorgebend, keinen Kostort gefunden zu haben, kehrte er heim, und nun hatten Schosser’s Studien ein Ende. Ein Jahr verlebte er nun im Elternhause. Als es endlich galt, eine Standeswahl zu treffen, berief ihn der Pfarrer Firlinger im Thernbergerthale, der sich viel mit mathematischen Wissenschaften, sogar mit Astronomie beschäftigte und gehört hatte, daß Schosser ein talentvoller Junge sei, zu sich und unterrichtete ihn in Geometrie und Situationszeichnen. Als sich aber dem Jünglinge keine Gelegenheit darbot, seine Kenntnisse in entsprechender Weise zu verwerthen, betrat er den dornenvollen Pfad des Landschullehrers und wurde Schulgehilfe zu Leonstein im Steyerthale. Nach einiger Zeit brachte er es zum selbstständigen Schullehrer an der Mittelschule zu Kleinreifling an der Enns nahe an der Grenze Steiermarks. Mit einem Male aber gab er diese Stelle auf und kehrte in’s Elternhaus zurück. Die Ursachen, warum S. diesen Schritt gethan, sind nicht aufgeklärt. Offenbar fand er in dem damals ganz unwürdig gestellten Landlehrerstande, dessen Mitglieder mehr Lakeien der Landpfarrer, als Erzieher der Jugend waren, nicht das, was er gesucht und gehofft hatte. Im Vaterhause war seine Stellung auch keine erquickliche, da es von Seite des Vaters an Vorwürfen über sein verfehltes Leben nicht fehlte. Daheim verbrachte S. die Zeit mit Botanisiren, wozu es ihn noch als Lehrer so mächtig zog, daß er oft die Schule sperrte, um in die Berge zu gehen, in denen er seltene Pflanzen suchte, während die Kinder an die geschlossene Schulthüre pochten, die sich trotz alles Pochens nicht öffnen wollte. Um nicht ganz den Eltern zur Last zu fallen, unterrichtete er als Privatlehrer Kinder um kargen Lohn, zeichnete auch eine Karte des Pfarrbezirkes Losenstein, die noch im dortigen Pfarrhofe aufbewahrt wird, war aber mit diesen Verhältnissen nichts weniger als zufrieden, und ging eines Tages auf und davon, ohne Nachricht zurückzulassen, wohin er gegangen. Er war mit einem Freunde, der ein Porträtmaler war, in’s Innviertel gewandert und seit der Zeit erhielten durch sechs Jahre seine Angehörigen von ihm keine Nachricht. Im siebenten Jahre schrieb er ihnen, daß er bei der Grundvermessung ein gutes Einkommen gefunden habe und sehr zufrieden im Innviertel – herumziehe. Von dieser Zeit ist S. immer im Lande herumgezogen, und wenn er eben vom Wandern ausruhen wollte, kehrte er in sein geliebtes Losenstein zurück, Im ganzen Traunkreise und wohl noch weiter war er als Privat-Ingenieur bekannt, beliebt und beschäftigt. An Arbeit fehlte es ihm nie, „häufiger“, wie sein Biograph bemerkt, „an Lust dazu“. Wie Schosser bei diesem eintönigen, nichts weniger als [242] die Phantasie anregenden Vermeßgeschäfte Dichter geworden, das läßt sich nicht besser als aus seinen Liedern darstellen, auf welche somit gewiesen wird. Wer ein Gefühl für echte Poesie hat, wird bald, was er sucht, herausfinden. Im Gebirge geboren, seine Berge und Thäler, ihre Bewohner und uralten Sitten liebend, frei durch seiner geliebte Heimat wandernd, in Kummer und Noth, in Lust und Freude dahinlebend, der Ausdruck für ein solches Dasein fand und findet sich eben nur in der Poesie. An Lichtblicken, was wir gewöhnlich darunter verstehen, wie erfüllte Erwartungen, gesteigerte Einkünfte, sonstige freudige Überraschungen, an solchen fehlt es in S.’s Leben. Nur einmal lächelte ihm die Gunst des Lebens, als im Herbste des Jahres 1846 der Herzog Max in Bayern das reizende Gmundner Städtchen besuchte und Schosser durch das schöne National-Quartett, das damals ein Herr Tagwerker in Gmunden unterhielt, in die Gesellschaft des Herzogs gelangte. Der Herzog, ein sinniger Kenner und Förderer des Volksgesanges und wohlgeneigter Gönner der Alpensänger und Zitherspieler [vergleiche Petzmayer’s Biographie, Bd. XXII, S. 152][WS 1], erkannte sofort den Werth der vorgetragenen Schosser’schen Dichtungen und forderte den Dichter auf das Dringendste zur Herausgabe auf. So erschienen denn die „Naturbilder aus dem Leben der Gebirgsbewohner in den Grenzalpen zwischen Steyermark und dem Traunkreise“ (Linz 1849, Friedrich Eurich, 8°; zweite Aufl. Steyr 1850, Frz. Sandböck), das Buch ist Sr. königlichen Hoheit dem Herzog Maximilian in Bayern gewidmet und die Naturbilder sind nach den landesüblichen Arien in Liedern und Declamatorien dargestellt. Die Lieder selbst sind nach den vier Thälern des Landes, Ennsthal, Steyer- und Kremsthal, Almthal und Traunthal, geordnet. Die Zahl derselben ist klein, nur deren 26, an welche sich in einem Nachtrage noch 2 neue Dichtungen und Chorstrophen zu einigen der genannten 26 anschließen. Den Schluß des prächtigen Büchleins bildet von S. 127 bis 158 eine alphabetisch geordnete Erklärung volksthümlicher, in dem Buche enthaltener Ausdrücke mit Hinblick auf Aussprache und Sinn der Wörter. Der Empfang, den der Fürst dem Büchlein werden ließ, war der freundlichste und hallte in S.’s dankbarem Gemüthe bis an sein Lebensende nach. Indessen war der Körper durch die Strapazen seiner bisherigen Lebensweise sehr angegriffen und, war sein Leben an Entbehrungen nie arm gewesen, jetzt, wo er zur Arbeit kaum mehr fähig war, steigerten sich dieselben um so empfindlicher. So wohnte er denn in dem kleinen Häuschen seiner armen Schwester, kränkelnd, verdrossen, sein Nachtlager war die harte Ofenbank, sein Kopfkissen sein grauer Steirerrock mit grünem Kragen. Ober dem Hause seines Freundes Lindemayer zu Losenstein ist im Felsen ein steinernes Bad ausgehauen, dabei aus Baumrinden eine Klause nach Schosser’s geschmackvoller Zeichnung erbaut. Das Ganze ist in heißen Sommertagen ein kühler, anmuthiger Winkel. Erst nach dem Tode des Dichters erfuhr man, daß er in den traurigen Wintertagen oft das weiche Ruhebett der Klause als Nachtlager benützt habe. Aber aus falscher Scham verschwieg der an Entbehrungen gewöhnte Mann sein Elend seinen Freunden und förderte sein eigenes Ende. Nur ein einziges Mal brach er sein Schweigen, als er mitten in seinem Trübsale von Herzog Max für die Dedication seiner [243] „Naturbilder“ eine schöne goldene Medaille bekam. Er öffnete das angelangte Päckchen gleich vor dem Postmeister, brach über das schöne Geschenk in Freudenthränen aus und sagte: „Siehst du, Freund, so ist das Künstlerleben. Seit acht Tagen hab’ ich keinen warmen Bissen gegessen und jetzt bekomme ich eine goldene Medaille“. Von da an unterstützten ihn seine Freunde lebhafter und an seinem inzwischen erschienenen Buche erlebte er manche Freude. Als er sich nun im Sommer 1849 von Neuem anschickte, sein Heimatthal zu verlassen, um wieder Arbeit und Nahrung zu suchen, da fühlte er bereits den Wurm, der schon an seinem Leben nagte, und in seinem „Abschied von Losstan“ (Losenstein) ist diese Vorahnung seines nahen Endes voll Wehmuth ausgedrückt. Er kam in Steyr an, verdrossen, leidend, lebensmüde, zog sich von seinen Freunden zurück, suchte wie ein verwundetes Wild die Einsamkeit; wurde endlich bettlägerig, aber blieb es nicht lange, schon am nächsten Tage starb er an der Berstung eines Lungengeschwürs. Schon ein Jahr nach seinem Tode gab sein Freund Julius Alex. Schindler (als Dichter bekannt unter dem Pseudonym Julius von der Traun) [Bd. XXX, S. 12] das Büchlein heraus: „Anton Schosser’s nachgelassene Gedichte in der Volksmundart des Traunkreises. Sammt einer Lebensgeschichte des Dichters und den oberösterreichischen Nationalmelodien zu allen Liedern desselben“ (Steyr 1850, Franz Sandböck, 12°.), welches außer den anziehend geschriebenen Nachrichten über Schosser’s Leben und Dichten noch 17 neue Gedichte, darunter wahre Peilen der Volkspoesie, enthält. Außer diesen in den genannten zwei Sammlungen enthaltenen Poesien soll S. noch mehrere Gedichte hinterlassen haben, die sich im Besitze eines Nagelschmidgesellen, eines guten Sängers, befanden, der für den Poeten große Vorliebe hatte und dem dieser daher gern seine Manuscripte übergab, da er selbst seine Producte alle auswendig wußte. Dieser Nagelschmidgeselle mußte später Soldat werden und kam zur Armee im südlichen Ungarn. Da Schindler im Vorworte zu S.’s Nachlaß ausdrücklich bemerkt, in einer neuen Auflage dieses Buches die Beiträge aus des Freundes Sammlungen in dieselbe aufnehmen zu wollen, was aber nicht geschah, so ist die Vermuthung nahe: daß Schosser’s Freund im Felde geblieben und die Lieder wohl für immer verloren seien. Schosser trug erst in den letzten Lebensjahren seine Lieder selbst vor; früher hatten sich einige der besten von selbst im Volke verbreitet, allmälig aber, als der Poet und seine Dichtungen bekannter wurden, wünschte man sie von ihm vorgetragen zu hören; aber nicht in Concertsälen vor einem hohen, verehrungswürdigen Publicum trat S. auf, sondern in der Schenke vor den Söhnen und Töchtern des Gebirges, die dann jodelnd den Chor bildeten. Dieser Unabhängigkeitssinn des Dichters schützte ihn aber doch nicht vor den Stichen der Welt, die an jeder edleren Natur zerrt und mäckelt. „Noch seh’ ich ihn sitzen“, schildert ihn sein Biograph, „in der weiten, rauchigen Gaststube des Brauhauses auf der braunen Ofenbank, die Arme auf das abgeriebene Tischchen gestemmt, das sonnverbrannte Gesicht mit seinem schlichten Schnurbarte und den braunen, gutmüthigen Aeuglein, halb von seinen Händen verdeckt, den grünen Leobenerhut mit dem schmucken Geierflaum tief in die Stirne gedruckt und aus der Kohlenbrennerpfeife schwache Wölkchen vor sich [244] hinblasend. „Jetzt hat’s ihn wieder“, flüstert der reiche Braumeister am Fenstertische vorne dem Pfarrer zu, der zustimmend den Kopf neigt, und der Herr Pfleger versetzt: „Schad’ um den Toni, daß er ein Lumperl ist. Aber er will nicht gut thun. Immer durch’s Gebirge zieh’n – was soll das heißen! Ich habe es ihm oft angetragen, er soll sich in die Kanzlei setzen, in den Katastralarbeiten war er so fest – das Andere hätte sich bald gegeben. Längst wäre er Amtsschreiber – und jetzt!“ Das ist das ganze Glück, welches sie einer Dichterseele zu bieten wissen, das ist die Stätte, die sie dem Genius bereiten, der Menschen-Blume! Ein Buch Papier, ein Tintenfaß, eine Streusandbüchse, zwölf Amtsstunden täglich und jeden Sonn- und Feiertag einen Braten! So ehren die Menschen die Schönheit ihres eigenen Geschlechtes, so jenen Adel, welchen Gott – und nicht der Landesfürst verleiht.“ Zum Schlusse seien aus den ohnehin nicht nummernreichen zwei Sammlungen die schönsten Lieder angeführt: „’s Hoamweh“, „’s Hoamtreibe“, „Der Urlauber“, „’s Hirschrehrn“, „Der Stieg in’s Gamsbiri“, weitaus das schönste von Schosser’s Gedichten, und der „Abschied von Lossta’n“. Daß S. sich auch in hochdeutscher Sprache versucht, erhellt aus dem einzigen bekannt gewordenen hochdeutschen Gedichte: „Sehnsucht nach Losenstein“, einem sinnigen Liede, das uns Schindler in des Dichters Lebensskizze S. 51 mittheilt. Schosser ruht auf dem Kirchhofe zu Steyr.

Ergänzungsblätter. Herausg. von Dr. Fr. Steger (Leipzig und Meißen, Lex. 8°.) Bd. VII, S. 287. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) V. Supplement-Bd. S. 623. – Die österreichischen Dialektdichter. Von Carl Greistorfer, im Programm des k. k. Gymnasiums zu Linz für das Schuljahr 1862/63[WS 2]“ (Linz 1863, 4°.) S. 17. [Dieser Aufsatz sei Herrn Emanuel Geibel, diesem Meister des deutschen Liedes, auf das Nachdrücklichste empfohlen. Als Preisrichter für den von der Goethestiftung ausgesetzten Ehrensold für Volksdichtung in mundartlicher Sprache hat er denselben dem Dichter Klaus Groth zuerkannt. Dagegen ist nun nichts einzuwenden. Wer wird Klaus Groth diesen Ehrensold nicht gönnen? Aber die Art und Weise, wie Herr Emanuel Geibel sein Votum mit einem Gutachten begründet, diese zwingt uns, ihn auf den erwähnten Aufsatz aufmerksam zu machen. Er, der Preisrichter, beginnt mit der sonderbaren Erklärung: daß er der süddeutschen Dialekte nicht genug mächtig sei, um sich auf diesem Gebiete ein entscheidendes Urtheil zu erlauben; es sei ihm aber auch außer Hebel überhaupt kein süddeutscher Dialektdichter bekannt, dessen formelle Vielseitigkeit den von der Goethestiftung aufgestellten Anforderungen entspräche. Emanuel Geibel kennt also nicht Seidl, Lindemayr, Stelzhammer, Kaltenbrunner, Misson, Ferdinand Sauter, Anton Schosser, er kennt aber auch nicht den alten kernigen Grübel, den köstlichen Kobell, den sinnigen Baumann und den neuesten, den liebenswürdigen Rosegger! Wenn also Herr Emanuel Geibel in der süddeutschen Dialektdichtung, wie er selbst bekennt, nicht Bescheid weiß, dann war es seine einzige Sache: sich zu einem Urtheile auf diesem Gebiete der Literatur, und namentlich, da es sich um Zuerkennung eines Ehrenpreises handelt, für incompetent zu erklären].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bd. XX, S. 152
  2. Vorlage: 1862/67