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BLKÖ:Satter, Gustav

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sattler, Hubert
Band: 28 (1874), ab Seite: 268. (Quelle)
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Satter, Gustav (Compositeur und Clavier-Virtuos, geb. zu Wien im Jahre 1832). Erhielt seine musikalische Ausbildung in Wien, wo er sich vornehmlich im Clavierspiele vervollkommnete, und, von einem praktischen Instincte geleitet, seinen Virtuosenumzug in Amerika begann, wo eben damals die Erfolge der reisenden Virtuosen auf diese in Europa stark vertretene Musikantenspecies ebenso ansteckend wirkten, als das [269] australische Goldfieber auf alle Abenteurer und Vagabunden, welche auf dem Erdballe zerstreut herumlungern. Im Jahre 1855, damals 23 Jahre alt und in Europa unbekannt, trat S. seine Reise in Amerika an und gab seine Virtuosenstücke zuerst in Boston, dann in New-York und Philadelphia, wo er überall längere Zeit verweilte, zum Besten. Nach einigen Jahren kehrte er nach Europa, und zwar in seine Vaterstadt Wien zurück, wohin er, wie Hanslick, der ihn wohl am treffendsten charakterisirte [s. d. Quellen S. 270], den abenteuerlichsten Apparat von Reclame und Humbug, der ihn, wo er hinkam. mehr berüchtigt als berühmt machte, mitgebracht hatte. Es war ihm aber nicht gelungen, die unbefangene Kritik durch dergleichen Kunststücke irre zu machen, und nachdem Satter auch auf journalistischem Gebiete mit herabgelassenem Visir randalirt und andere Künstler herabgesetzt hatte, begab er sich wieder auf Kunstreisen. In Hannover, wo er im Jahre 1866 verweilte, machte er auch großen Scandal. In kürzester Zeit hatte er sich die Gunst des Königs, der ein großer Musikfreund ist, erworben, während das große Publicum entschiedene Opposition gegen ihn machte. Es kam zu tumultuarischen Auftritten, welche zurückzuhalten selbst die Gegenwart des Königs nicht im Stande war. Im März g. J., nachdem er die ihm übertragene Leitung des sogenannten „hannover’schen Musikfestes“ niedergelegt, war der Componist aus Hannover plötzlich verschwunden und der König, der ihm den Titel eines königlichen Capellmeisters verliehen hatte, sah sich sogar veranlaßt, diese Verleihung zurückzunehmen. Von Hannover begab sich S. nach Berlin, wo er gleichfalls, aber ohne die in Hannover verlorenen Lorbeern, Titel und Gage wieder zu gewinnen, plötzlich verschwand und seit dieser Zeit ist von ihm nichts mehr zu hören. Satter ist, wie es bei reisenden Virtuosen immer der Fall, auch als Componist thätig, und mehr vom musikalisch-bibliographischen Gesichtspuncte, als im Hinblicke auf den künstlerischen Werth seiner Compositionen folgt hier eine Uebersicht derselben: „Le Prophète“, grand paraphrase de Concert“, Op. 1 (Hamburg, Schubert; New-York und Leipzig); – „Galopp de Concert“, Op. 2 (ebd.); – „Die Spieluhr“, Charakterstück, Op. 3 (ebd.); – „Rondeau für Pianoforte“, Op. 4 (ebd.); – „La belle Helene“, Polka, Op. 5 (ebd.); – „2 Bluettes de Salon“, Op. 6 (ebd.); – „Meditation religieuse“, Op. 7 (ebd.); – „Il Trovadore“ di Verdi Paraphrase“, Op. 8 (ebd.); – „1. Serenade p. Piano“, Op. 15 (Offenbach, bei André); – „L’Entrée de dieux“, 1 Marche mythologique, Op. 16 (ebd.); – „Le Bijou de Philadelphia“, 2 Valses de Concert, Op. 17 (ebd.); – „Les belles de New-York“, Op. 18 (Hamburg, Schubert); – „1., 2., 3. Ballade p. P“, Op. 20 (Offenbach, André); – „3 Marches mythologiques“, Op. 21 (ebd.); – „Tarantelle de Concert pour 2 Pianoforte“, Op. 22 (ebd.); – „2 Serenaden“, Op. 23 (ebd.); – „2 Morceau Rococo“, Op. 25 (ebd.); – „Nächtlicher Marsch am Rhein“, Op. 37 (Wien, Haslinger); – „Impromptu p. P.“, Op. 38 (ebd.); – „Volksleben in Neapel“, Op. 39 (ebd.); – „La Séduissante. Styrienne originale“, Op. 40 (Wien, bei Spina); – „Fest-Polonaise“, Op. 44 (Offenbach, André); – „Feenmährchen“, 7. Ballade, Op. 46 (Wien, bei Haslinger); – „Ein Maskenball“, humoristische Dichtung, Op. 47 (ebd.); – „Drei Melodien“, Op. 48 (ebd.); – „Zwei [270] Fest-Polonaisen“, Op. 49 (ebd.); – „Deux Scenes de ballet“, Op. 50 (ebd.); – „Caprices fantastiques. 1 et 2“, Op. 45 (Hamburg, Schubert); – „Goethe’s Mignon“, 8. Ballade, Op. 51 (Wien, Haslinger) – „Niagara“, 9. Ballade, Op. 52 (Mainz, bei Schott); – „Amour et Jeunesse“, 3me Polka de Concert, Op. 53 (ebd.); – „Scherzo de Concert“, Op. 54 (ebd.); – „La Balle de Vienna“, 6me Valses de Concert, Op. 55 (Hamburg Schubert); – „Impromptu“, Op. 56 (Wien, Haslinger); – „Poesien. Ode an den Wald“, 4 Lieder ohne Worte, Op. 57 (ebd.); – „Une Caprice de femme“, 7ieme Valses de Concert, Op. 58 (Dresden, Meser); – „Les patineuses“, 3me Marche Caprice, Op. 59 (ebd.); – „Invitation à la Joie“, Galopp fac., Op. 60 (ebd.); – „Fidelio“ de Beethoven, grande Phantasie, Op. 61 (Leipzig, bei Peters); – „Galopp de Concert“, Op. 62 (ebd.); – „Impromptu“, Op. 63 (ebd.); – „12 Studien“, 2 Hefte, Op. 64 (Leipzig, bei Kistner); – „Die Spinnerin“, Charakterstück“, Op. 65 (ebd.); – „Sonate in Es“, Op. 66 (ebd.); – „Ouverture de Concert p. 2 Piano“, Op. 67 (ebd.); – „À toi mes pensées“, Op. 68 (ebd.); – ohne Opus-Zahl: „Grand Sonate p. P.“ (Wien, bei Spina); – „Caprice fantastiques“; – „2 Erinnerungen aus Italien“; – „Mazourka de Concert“ – „Sonate in Fis“; – „Sonate in G“; – „Zwei Sonaten“ (3 u. 4); – „Charakteristische Sonate“ (5); – „Un Carneval de Vienne“; – „Valses études et marche“; – „6 Lieder“ (sämmtlich bei Spina). Ueber die Bedeutung Satter’s als Virtuos und Compositeur ist es schwer, zu einem richtigen Urtheile zu gelangen, da er, wie oben schon erwähnt worden, in der Reclame das Menschenmöglichste leistete. Als Pianist charakterisirt ihn Hanslick kurz als „kühnen Bravourspieler ohne geistigen Gehalt“. Ein anderer Kritiker, der ihn einen schwachen Absud von Leopold von Meyer [Bd. XVIII, S. 157, Nr. 94] nennt, schreibt über ihn: „Wo Meyer als Pianist und Componist mit einem an Vermessenheit grenzenden Cynismus auftritt und dabei doch gewissermaßen durch die Größe seiner artistischen Sünden imponirt, dort vibrirt Satter als Schatten seines Vorbildes. Die Sammtpfote und die Geierkralle Meyer’s hat Satter freilich nicht, ja, er haut gar oft daneben, was Herrn Meyer nie passirt. Aber Weltkinder sind sie Beide, die mit sinnlichem Kram auf die Messe ziehen und – ihre Leute finden. Kunst ist nicht ihr Artikel“.

Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortges. von Ed. Bernsdorf (Dresden 1857, Rob. Schäfer, gr. 8°.) Anhang, S. 315. – Hanslick (Eduard), Aus dem Concertsaal. Kritiken und Schilderungen u. s. w. (Wien 1870, Braumüller, gr. 8°.) S. 141 u 301. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1863, Nr. 37, im Feuilleton. – Theater-Zeitung. Herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 16. Jahrg. (1858), Nr. 291, in der Rubrik „Tagesbote“. – Norddeutsche Zeitung 1865, Nr. 5147. – Neue freie Presse (Wiener polit. Journal) 1866, Nr. 555. – Fremden-Blatt. Von G. Heine (Wien, 4°.) 1866, Nr. 74, 75 u. 314. – Wiener Zeitung 1863. Abendblatt Nr. 32. – Treffend charakterisirt Hanslick Satter’s musikalischen Humbug: „Auf dem Titelblatte einiger höchst unbedeutender Concertwalzer von Gustav Satter („Les belles de New-York“) prangt die stolze Frage: Wer ist Satter? Und als Antwort darunter steht: Satter ist unzweifelhaft einer der größten lebenden Pianisten. Satter wüthet auf dem Piano wie ein brausendes Meer. Da wird man fragen: Ist das Alles? Antwort: Nein. Satter singt auf dem Piano wie ein Arion. Er spielte die sechste seiner Piano-Sonaten. Ich fragte: wo sind die anderen? Da bekam ich aber als Antwort tüchtig aufgezählt, indem er sagte: Wissen Sie denn nicht, daß ich [271] auf jedem Gebiete mich versucht habe? Ich componirte drei Opern, fünf Symphonien, sechs Sonaten, zwei Quintetts, fünf Trio’s, mehrere Streichquartette und über hundert Solo’s für Piano. Nun suchte ich ihn als Virtuosen zu ergründen und fragte, was er eigentlich alles spielen könne? Satter antwortete ganz kühl: „„Ich spiele etwa hundert Fugen von Bach und Händel auswendig, ebenso jede andere gute Composition von Bach bis auf die heutige Zeit.““ Dies ist Satter – liebes Publicum.“