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BLKÖ:Rzewuski, Wenzel (I.) Graf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 27 (1874), ab Seite: 350. (Quelle)
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Rzewuski, Wenzel (I.) Graf (Wojwod von Krakau und polnischer Poet, geb. zu Rozdol im Stryjer Kreise Galiziens im Jahre 1706, gest. zu Siedliska [351] im Zolkiewer Kreise Galiziens im Jahre 1779). Ein Sohn des Wojwoden von Belsk, Stanislaus Matthäus R., und der Ludovica geb. Kunicki. Die erste Erziehung erhielt er auf der Stadtschule zu Belsk, wo damals sein Vater als Wojwod residirte, dann schickte ihn dieser auf Reisen, auf welchen er Frankreich, Holland und Italien besuchte. Bald nach seiner Rückkehr zog er durch seine Talente und Kenntnisse die Aufmerksamkeit des Königs August II. und anderer Männer, die damals die Geschicke Polens lenkten, auf sich, wurde – erst 18 Jahre alt – schon Starost von Romanow und erhielt im Jahre 1729 einen ziemlich ansehnlichen Soldatenposten. Im Jahre 1732 wurde er kön. Kronschreiber und bereits im Jahre 1736 Wojwod von Podolien. Als nach des Königs August II. Tode Stanislaus Leszczynszki zum Könige gewählt wurde, stand R. zu ihm, befestigte Kamieniec gegen die feindlichen Ueberfälle und bewaffnete auf eigene Kosten 2000 Mann zu königlichem Schutze. Als König Stanislaus endlich abtrat und August III. ihm folgte, hielt R. treu zu Leszczynszki und mußte in Folge dessen das Vaterland verlassen und außer Landes Zuflucht suchen. Später jedoch wurde ihm die Rückkehr gestattet und er in den Besitz Alles dessen, was er verloren, wieder eingesetzt. So wurde R. im Jahre 1750 neuerdings zum Wojwoden von Podolien ernannt, und als der Chan der Tartaren mit einer Horde von mehreren Tausend in Polen einbrach, bewog ihn R. mit einem Geschenke von 600.000 fl., die er aus den Einkünften seiner eigenen Güter beschaffte, zum Abzuge und stellte so die bedrohte Ruhe des Landes wieder her. Seine Verdienste um das Land wurden 1752 mit dem Feldherrnstabe, um 1762 mit der Wojwodschaft Krakaus belohnt. Im Kreise seiner Adelsgenossen hochgeachtet, wurde er von diesen auf mehrere Landtage und auch im Jahre 1763 auf den sogenannten Pacifications-Landtag entsendet, auf welchem ihm die Würde des Landtagsmarschalls übertragen wurde. Nach dem Tode König August’s III. wurde Stanislaus August Poniatowski, der Liebling der russischen Kaiserin Katharina, am 13. September 1764 zum Könige von Polen gewählt. Gegen diese Wahl erklärte sich Graf Wenzeslaus (I.) und zugleich mit ihm sein Sohn Severin [s. d. Vorigen]. Beide traten dem durch heimliche russische Wühlereien zu Stande gekommenen Conföderations-Reichstage von Radom 1767 bei, auf welchem der russische Einfluß bald eine völlige Spaltung der Parteien erzielte. Als nun die Conföderirten das mit ihnen getriebene Spiel Rußlands durchschauten und dagegen sich auflehnten, wurden in der Nacht vom 13. October 1767 die würdigsten Männer der Nation, wie Cajetan Soltyk, Bischof von Krakau, Joseph Zaluski, Bischof von Kiew, Rzewuski, damals Wojwode von Krakau, und sein Sohn Severin, damals Starost von Dolin, mit Gewalt aus Warschau über Wilna nach Kaluga abgeführt und erst im Jahre 1773 wieder freigegeben. Nach seiner Rückkehr wurde R. am 9. April zum Großhetman der Krone ernannt, welche Stelle er aber schon zu Anfang des folgenden Jahres niederlegte, worauf seine Ernennung zum Castellan von Krakau erfolgte, in welcher Eigenschaft er im Jahre 1779, 73 Jahre alt, starb. Nach seiner Rückkehr aus dem russischen Exil in Kaluga wurde ihm zu Ehren eine große, acht Zoll im Durchmesser fassende [352] Denkmünze geprägt, welche sein Brustbild, mit Bart, einer Schramme auf der Stirne, dem Feldherrnstabe in der Rechten und mit folgender Umschrift weist: Venceslav Rzewuski Palatino cracoviensi, supremo Regni et R. P. Duci ob fortia ejus pro republica gesta, post quinquennem pro religione et patria captivitatem, patriae civibusque redito viro septuagenario, lumini patriae, religionis ac libertatis fulcro, amor populi a civibus nuncupato, forti, pio sacrum. Anno D. 1776. [Ueber die auf seinen Sohn Severin geprägte Medaille vergleiche dessen Lebensskizze S. 349]. Der Graf, der eine schöne Bildung besaß, war Poet und Schriftsteller und hat Mehreres durch den Druck veröffentlicht. Die Titel seiner Schriften sind: „Zabawki wierszem polskiem przez Józefa Rzewuskiego“, d. i. Poetische Belustigungen des Joseph Rzewuski (Warschau 1760, 4°.). Rzewuski führt auf diesem Titelblatte den Taufnamen Joseph; R. scheint sich des Taufnamens seines Sohnes Joseph bedient zu haben, denn sein eigener Taufname ist Wenzeslaus. Diese poetischen Belustigungen enthielten zwei Tragödien aus der vaterländischen Geschichte, deren eine den Titel „Zolkiewski“, die andere „Wladislaw bei Warna“ führt; die erstere erschien bereits früher (Warschau 1758) im Drucke; ferner zwei Lustspiele, betitelt: „Dziwak“, d. i. Der Sonderling, und „Natręt“, d. i. Der Zudringliche; außerdem sind noch etliche Gedichte beigegeben; – „Żal publiczny po nieoplakanej wiekami smierci Augusta II.“, d. i. Offener Schmerz nach dem noch nach Jahrhunderten zu beweinenden Tode des Königs August II. (Warschau 1733); – „Psalmy przełozone wierszem“, d. i. Die Psalmen, metrisch übersetzt (2. Ausgabe Warschau 1773, Groll), ist nur eine Uebersetzung der sieben Bußpsalmen, deren erste Ausgabe unbekannt ist. – „Monumentum doloris piae memoriae Mariae Josephae Poloniarum Reginae Augusti III. conjugis dicatum“, mit polnischer Uebersetzung (Krakau 1758, bischöfliche Druckerei); – „Mens humana immortalis“ (Varsoviae 1761, Piaristen-Druckerei, 4°.), ein Gedicht über die Unsterblichkeit der Seele; – „Supplex libellus populorum ad reges“ (Poczajow 1762, 4°.), der Dichter stellt darin die zur Zeit des siebenjährigen Krieges um Frieden flehenden Völker dar; – „Mowy i listy Wacława Rzewuskiego, Wojew. Podols. zebrane“, d. i. Reden und Briefe Wenzeslaus Rzewuski’s, Wojwoden von Podolien (Poczajow 1761, 4°.). Von seinen in Handschrift hinterlassenen Arbeiten sind zu erwähnen: Die Oden des Horaz, in’s Polnische übersetzt, eine Arbeit, welche er während seiner Gefangenschaft in Kaluga ausgeführt hat; – Ueber die Kunst der Rede in Prosa; – Gedanken über die polnische Republik; – Abhandlung über das liberum veto, gegen Konarski gerichtet; – Sieben Reden über die Religion. Wenzel R. gehört in der Reihe der polnischen Schriftsteller zu jenen, welche Anderen voran sich der Reinheit der Sprache durch Vermeidung der Fremdwörter beflissen, wodurch andere polnische Werke jener Zeit geradezu ungenießbar werden. Sein Vers, wenn es hie und da auch störende prosaische Wendungen gibt, ist im Ganzen fließend und ziemlich rein; seine Dramen und Lustspiele sind wohl sehr mangelhaft und eben nur als Anfänge dieser Gattung in der polnischen Literatur literarhistorisch bemerkenswerth; aber aus allen seinen Arbeiten spricht ein edler, echt ritterlicher [353] Sinn, der seinen hochherzigen Charakter kennzeichnet, den Chodynicky folgendermaßen zeichnet: Mit allen Tugenden, welche den echten Edelmann charakterisiren, verband R. auch die Vorzüge des Verstandes, niemals ließ er sich durch Hochmuth oder Leidenschaftlichkeit hinreißen, nie war es seine Sache, seine Gegner zu verfolgen oder sie durch üble Nachrede zu verlästern. Zum Andenken der von ihm für sein Vaterland erlittenen Unbilden ließ er sich in der Gefangenschaft den Bart wachsen, den er bis an sein Lebensende trug. Von seinen Söhnen spielte Severin in der Geschichte seines Vaterlandes eine große, leider in seinen späteren Jahren nicht beneidenswerthe Rolle.

(Caraccioli) Vie du comte Wenc. Rzewuski, premier Sénateur de Pologne (Liège 1782, 12°.). [Caraccioli war der Reisebegleiter der Söhne des Grafen Rzewuski; die oben angeführte, selbstständig erschienene Biographie befindet sich auch in der „Galerie universelle des hommes illustres“ (Paris 1784, Tome I) abgedruckt.) – Chodynicki (Ignacy), Dykcyonarz uczonych Polaków etc., d. i. Lexikon der gelehrten Polen (Lemberg 1833, Kuhn u. Milikowski, 8°.) Bd. III, S. 53 u. f. – Juszyński (Hieronym X. M.), Dykcyonarz poetów polskich, d. i. Lexikon polnischer Poeten (Krakau 1820, Jos. Matecki, 8°.) Bd. II, S. 145. – Rycharski (Lucyan Tomasz), Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Polnische Literatur im historisch-kritischen Grundriß (Krakau 1868, Himmelblau, gr. 8°.) Bd. I, S. 32, 34, 281. – Wóycicki (K. Wl.), Historyja literatury polskiej w zarysach, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1845, Sennewald, gr. 8°.) Bd. III, S. 168.