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BLKÖ:Mayr, Franz (Arzt)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mayr, Franz
Band: 18 (1868), ab Seite: 104. (Quelle)
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32. Mayr, Franz (Arzt, geb. zu Uderns in Tirol 4. October 1814, gest. zu Wien 3. August 1863). Armer Leute Kind, besuchte er die Dorfschule seines Geburtsortes. In frühester Kindheit verlor er seinen Vater, und die Mutter mit fünf Kindern blieb in bitterer Armuth zurück. Auf sich selbst angewiesen, brachte er die Jünglingsjahre unter Entbehrungen aller Art zu, und beendete unter solchen Verhältnissen das Gymnasium und die philosophischen Schulen mit ausgezeichnetem Erfolge. Um seiner Neigung, die Medicin zu studiren, folgen zu können, hatte er frühzeitig gespart und sich so noch mehr Entbehrungen auferlegt, als ihm das Schicksal ohnehin aufgebürdet hatte. Mit seinen Ersparnissen trat er nun die Reise nach Wien an, wo er die Medicin studiren wollte, aber am Ziele seiner Sehnsucht angelangt, waren auch die Ersparnisse verbraucht, und das Ringen mit der Noth, vielleicht durch den Eifer, mit dem er seinem Berufsstudium oblag, einigermaßen gemildert, begann von Neuem. Im Jahre 1843 erlangte [105] M. die medicinische Doctorwürde, bei welcher Gelegenheit er die Inaugural-Dissertation: „De principiis Medicinae diversis“ herausgab. Die ersten praktischen Dienste versah er als Subalternarzt im Wiener allgemeinen Krankenhause, dabei bewarb er sich aber, immer vergeblich, um einen ärztlichen Posten auf dem Lande, bis er im Jahre 1845 eine Anstellung als Secundararzt im St. Joseph-Kinderspitale in Wien erhielt. Aber schon im folgenden Jahre, 1846, übernahm er als Primararzt die ärztliche Leitung dieser Anstalt, auf deren Verbesserung von nun an sein ganzes Sinnen und Trachten gerichtet war. Durch diese Anstellung ward auch seine künftige ärztliche Richtung entschieden, denn M. wurde Kinderarzt mit Leib und Seele und blieb es auch. „Das Kind“, schreibt sein Nekrologist, „war ihm nicht bloß Object der wissenschaftlichen Forschung, er liebte seine kleinen Patienten. Er lebte für sie.“ Bis zum Jahre 1858 verblieb M. im St. Joseph-Kinderspitale, nun wurde er zum Director des St. Annen-Kinderspitals und zum Professor der Kinderheilkunde an der Wiener Universität ernannt, nachdem er kurz zuvor zum Arzte der kais. Hoheiten Rudolph und Gisela, Kinder Sr. Majestät des Kaisers, berufen worden war. Diesen ehrenvollen Posten bekleidete M. bis zu seinem Tode, der ihn im vollen Mannesalter von 49 Jahren zu früh der Wissenschaft und leidenden Kinderwelt entriß. Als Fachschriftsteller auch auf literarischem Gebiete thätig, hat M. schon seit den ersten Jahren seiner kinderärztlichen Thätigkeit seine Beobachtungen und Erfahrungen zuerst in der Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien, dann in anderen periodischen Fachschriften niedergelegt. Mit Vorliebe seine Aufmerksamkeit den Hautkrankheiten des kindlichen Alters zuwendend, veröffentlichte er: „Erfahrungen über angeerbte Syphilis bei Kindern (49 Fälle), gesammelt im Kinderspitale auf der Wieden“; – „Beobachtungen über Masern (594 Fälle), ihre Complicationen, Nachkrankheiten und epidemische Verbreitung“; dann mehrere Abhandlungen über verschiedene Capitel der Dermatologie, wie Herpes, Lichen, Miliaria, Erysipelas, Erythemanodosum, Urticaria u. s. w. Im Jahre 1840 gab er seine „Anleitung zu einer naturgemässen und verständigen Kindespflege, als Leitfaden für den Unterricht im Dr. Biehler’schen Kindsfrauen-Bildungs-Institute“ heraus. Das Virchow’sche „Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie“ enthält seine Abhandlungen über Scharlach und Masern; und eine Reihe von Aufsätzen brachte das Jahrbuch für Kinderheilkunde und physische Erziehung, dessen Hauptredacteur er bis zum 6. Jahrgange gewesen. Das bei weitem Bedeutendste leistete M. in seiner Semiotik, oder in der Darstellung der Krankheitserscheinungen in Kinderkrankheiten, wo er in seinen Beobachtungen großen Scharfsinn beurkundet, da die Schwierigkeit der Diagnose der Kinderkrankheiten nicht so sehr auf der Sprachlosigkeit der kleinen Patienten, als vielmehr auf dem Schweigen der objectiven Erscheinungen für unsere Wahrnehmung beruht. Das erste Heft davon erschien im oberwähnten Jahrbuch für Kinderheilkunde, der Tod hinderte M. an der Vollendung dieses von Fachmännern als „musterhafte Arbeit“ bezeichneten Werkes. Aus dem Todtenbette noch übergab er das nahezu fertige Manuscript zur Vollendung und Veröffentlichung seinem Collegen Dr. Hermann Widerhofer. Im Vereine mit den Doctoren Schuller, Schrott und Widerhofer gab [106] er die Schrift: „Ueber Syphilis haereditaria. Nach Beobachtungen“ (Wien 1862, typ. liter. artist. Anstalt, gr. 8°., mit fünf Farbenabdrücken) heraus. Als Lehrer – erst im Jahre 1858 angestellt – wirkte M. nur wenige Jahre an der Wiener Schule, aber in dieser kurzen Zeit bildete er einige tüchtige Schüler heran, und hob die Klinik der Kinderkrankheiten auf jene Höhe, daß sie würdig den anderen Zweigen der Medicin an die Seite gestellt werden konnte. Durch seine eifrigen Studien, die er im St. Joseph-Kinderspitale durch mehr als ein Decennium unverdrossen fortgesetzt hatte, fußend auf den Grundsätzen, wie sie Rokitansky lehrte, ward er nach dem Muster Rillies’ und Barthez’ in Paris, und Löschner’s [Bd. XV, S. 402] in Prag, der Gründer der klinischen Pädiatrik in Wien, und hatte sich nach nur kurzer Thätigkeit als klinischer Lehrer einen namhaften Kreis von Schülern aus dem In- und Auslande geschaffen. Im Frühlinge 1862 war er von Venedig zurückgekehrt, wo er als Leibarzt der kaiserlichen Kinder den Winter zugebracht hatte. Bald darauf stellte sich ein Leiden ein, das immer bedenklicher wurde. Mit der Hoffnung auf Genesung, begab er sich im Februar 1863 nach Görz, von dem dortigen Klima die Heilwirkung erwartend. Aber im Mai d. J. kehrte er gebrochen heim, er selbst hatte alle Hoffnung auf seine Genesung aufgegeben. Noch eine frohe Stunde sollte ihm, ehe er für immer die Augen schloß, werden: der Besuch der Allerh. Majestäten, wie der seiner ärztlichen Obsorge anvertrauten durchl. Kinder. Am 3. August hauchte er nach unsäglichen Leiden seine Seele aus. Auf dem Friedhofe von Hietzing nächst Schönbrunn liegt er begraben. Auf seinem Grabsteine lebt sein Andenken in der schönen Inschrift fort: „So reich der Geist! So treu das Herz! So schlicht der Mann!“

Widerhofer (Hermann Dr.), Nekrolog nach Dr. Franz Mayr, Ihrer kais. Hoheiten des durchl. Kronprinzen Rudolf u. s. w. Leibarzt u. s. w. (Wien 1864, 8°.) [auch im Jahrbuch für Kinderheilkunde und physische Erziehung (Wien, 8°.) 1863]. – Wiener Zeitung 1863, Abendpost Nr. 31. – Porträte. 1) Auf dem von Stadler 1855 lithographirten und der polygraphischen Zeitschrift „Faust“ von Auer beigelegten Gruppenbilde: „Medicinisches Professoren-Collegium der Hochschule Wien“, jedoch mit der irrigen Schreibung Meyr (4°.); – 2) Unterschrift: Dr. Franz Mayr (Facsimile des Namenszuges) (4°.), Lithographie.