BLKÖ:Kunst, Wilhelm
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 13 (1865), ab Seite: 382. (Quelle) | |||
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Carl in Wien das Theater an der Wien übernahm, worauf Kunst mit Carl’s Gesellschaft in die Donaustadt reiste. Von nun an wurde Wien durch etwa anderthalb Jahrzehende der Ausgangspunct aller seiner Kunstausflüge, zu dem er immer wieder zurückkehrte; es wurde, da er sich dann dort verhältnismäßig am längsten aufhielt, auch die Schule seiner künstlerischen [383] Läuterung, in soweit eine solche bei einem Charakter wie K. überhaupt möglich; und endlich wurde es der Hafen, in den er das zerschellte Lebenswrack steuerte und in welchem er seine letzte Ruhe fand. In Wien auch schloß er die vielbesprochene Ehe mit der berühmten Tragödin Sophie Schröder, eine Ehe von der kürzesten Dauer. Am 12. October 1825 hatte K. auf einem Feste, das Director Carl gab, diese große dramatische Künstlerin kennen gelernt und ihr in wahrhaft leidenschaftlicher Aufregung die Hand angetragen, die auch angenommen wurde, um das wenige Tage später, am 25. October geschlossene Eheband kaum nach so viel Wochen, als seit der ersten Begegnung und der Hochzeit Tage verflossen waren, wieder zu lösen. In Wien, wo K. unter den bequemsten Verhältnissen bei Director Carl engagirt war, feierte er schon damals Triumphe; nun ging er theils mit, theils ohne Carl’s Zustimmung (meist letzteres) auf Kunstreisen, die er, ohne sich weiter um seinen Director zu kümmern, einmal über zwei Jahre ausdehnte. Als er wieder nach Wien zurückkehrte und von Carl, der ihm gegenüber so zu sagen sein eigenes Ich vergaß, mit offenen Armen empfangen wurde, trat er zum ersten Male als Karl Moor auf, und mit dieser Rolle schien es. als ob mit Kunst ein Komet am Horizonte der dramatischen Kunst aufgestiegen wäre. Aber K. fühlte sich, wenn eben nicht vernachlässigt, so doch bei dem Umschwunge, der sich damals auf dieser Bühne allmälig vorbereitete, nicht mehr befriedigt. Das berühmte Kleeblatt Carl, Scholz, Nestroy schwang die Narrenkappe und neben denselben war für den hohen Kothurn nur wenig Platz. K. machte sich also auf und davon und kam nach Leipzig, wo ihn Director Ringelhardt willkommen hieß. Als aber in Wien in der Posse, durch mancherlei Störungen veranlaßt, ein Stillstand eingetreten war, erschien es dem Director Carl denn doch wünschenswerth, eine solche Zugkraft, wie Kunst unter allen Umständen war, wieder sein zu nennen, und Carl’s Bemühungen gelang es, Kunst zu bewegen, daß er, wie er früher aus Wien nach Leipzig, so jetzt aus Leipzig nach Wien durchging. Ueberhaupt gehörte das Durchgehen oder, um sich technisch auszudrücken, das „Imstillenabreisen“ zu Kunst’s charakteristischen Eigenthümlichkeiten; dieser sein Hang, worin ihm bisher keiner gleich gekommen, war bei K. geradezu unstillbar. Als Kunst in Wien ankam, beschenkte ihn der darüber höchstzufriedene Carl mit einem schönen Reitpferde. Indessen verdoppelte Ringelhardt Anbote und Intriguen, um Kunst wieder aus Wien herauszulocken. Aber dießmal war es nicht leicht, dieß zu erzielen. Der oft gewitzigte und deßhalb vorsichtig gewordene Carl hatte sich der Papiere Kunst’s bemächtigt, so daß an ein Fortkommen ohne dieselben kaum zu denken war. Ein Mann wie Kunst kannte jedoch keine Hindernisse, wenn es das Durchgehen galt. Der in Wien anwesende Schauspieler Hanstein reiste eben nach Leipzig; Kunst nahm bei ihm die Stelle eines Bedienten an und kam als Bedienter über die sächsische Grenze und so zu Ringelhardt nach Leipzig. In dieser Weise ging es ab und zu. Seine Leidenschaft, durchzugehen, schmälerte nicht im geringsten den Beifall; im Gegentheil; als er im Juli 1835 wieder nach Wien kam und vor übervollem Hause in der Rolle des Hamlet auftrat, geschah es, daß das Publicum, [384] als er im dritten Acte die Worte Hamlet’s sprach: „Ja, lieber Freund, so sind wir Menschen, wir lieben die Veränderung“, in ein humoristisches stürmisches Bravo ausbrach und so dem Künstler die Verzeihung in der jovialsten Weise zuerkannte. Nicht ganz ein Jahr war K. nun in Wien geblieben und hatte in dieser Zeit sich sein Talent zu seinem Vortheile entfaltet. Dann machte er eine Kunstreise durch Süddeutschland, von wo er im October desselben Jahres nach Wien zurückkehrte, wo er bis Mai 1837 blieb. Nach neuen Kunstausflügen kehrte er im Frühjahre 1838 wieder, wo er zuerst ein Gastspiel im Josephstädter Theater eröffnete, aber bald auch für jenes an der Wien gewonnen wurde. Nun spielte er abwechselnd auf beiden Bühnen, ein Fall, der unseres Erinnerns bei keinem anderen Künstler noch vorgekommen. Nachdem er längere Zeit in Wien geblieben, ging er wieder auf Wanderung und blieb dieses Mat längere Zeit aus, erst 1840 zurückkehrend. Nach einigem Aufenthalte wurde ihm aber anläßlich einer Orgie, welche in seiner Wohnung von blutigen Folgen begleitet war [siehe die Quellen] mit einem Male die Weisung gegeben, binnen drei Tagen Wien zu verlassen. Mit diesem Jahre – Kunst zählte damals 41 Jahre – beginnt allmälig, noch immer sehr langsam, sein Verfall; wohl glänzte er noch hie und da bis 1845 auf verschiedenen Bühnen und in manchen Rollen, aber die Directionen geizten nicht mehr danach, ihn als Gast auf ihren Bühnen begrüßen zu können, und es kam auch die Zeit, wo sie den armen ergrauten Komödianten fast nur wie aus Gnade auftreten ließen. Größere Bühnen hatte sein Fuß mehrere Jahre schon nicht betreten. Ein festes Engagement war in früherer Zeit mit ihm nicht abzuschließen und in späterer Zeit lohnte es sich nicht, es zu thun und wurde gar nichts versucht, als man gehört, er könne nichts Neues mehr memoriren. In wahrhaft tragischer Weise entwickelt sich die Katastrophe seines Unterganges. Im December 1857 hatte er noch in Fünfkirchen gastirt und, wie aus einem dem Schreiber dieses vorliegenden Briefe Kunst’s zu entnehmen ist, „sein Gastspiel dort mit dem glänzendsten Erfolge beendet“, „hatte dort einige sehr schöne Stunden verlebt, die aber auch mit einigen sehr trüben vermischt waren“, als er nun seine Schritte wieder nach Wien lenkte, wo er längere Zeit größtentheils von den Wohlthaten seiner Collegen lebte, bis ihm, ein letzter Sonnenstrahl in seinem umnachteten Alter, die angenehme Hoffnung ward, er werde ein vortheilhaftes Engagement zu Gastspielen in Nordamerika abschließen. Nun, in der That, Kunst war nur mehr in Nordamerika, in diesem Lande des Humbugs, möglich. Ein unternehmender Amerikaner hatte nämlich einen Theateragenten in Frankfurt a. M. beauftragt, Wilhelm Kunst zu engagiren. Dieser erhielt also durch den Agenten den Antrag, ein Jahr lang in verschiedenen Städten Nordamerika’s zu gastiren, und zwar sollte er 100 Dollars für jede Rolle erhalten. Ein zehnmaliges Auftreten in jedem Monate war ihm garantirt und überdieß freie Reise und freie Wohnung zugesichert. Ein Frankfurter Banquierhaus sollte die Garantie für das Honorar übernehmen; der Theateragent aber 100 Thaler bei Abschluß des Contractes und 6 Percent von der Gesammteinnahme erhalten. Kunst ging alle diese Bedingungen ein und es wurde nach New-York geschrieben, damit der dortige Director den Contract unterzeichnen und die Sicherstellung des Honorars bewerkstelligen [385] sollte. Kunst, durch die Erfahrungen der letzten Leidensjahre belehrt, hoffte sich in einem Jahre, gesetzt, er hätte nur fünfzehn Mal monatlich gespielt, ein kleines Vermögen zu ersparen und dann die letzten Tage seines sturmbewegten Lebens, die ihm ohne dieses Gastspiel trübe entgegenstarrten, sorgenfrei, ruhig und zurückgezogen zu verleben. Von diesen Unterhandlungen erhielt ein Theateragent in Hamburg Kunde und dieser hatte nichts Eiligeres zu thun, als nach New-York an den „Kunstpächter“ zu schreiben und ihm mitzutheilen: „daß der früher berühmte Kunst nur mehr eine Ruine sei; daß dem „Kunstpächter“ in Amerika der Name genüge, um ein Geschäft zu machen, daß er für ihn den Sohn des berühmten Mimen, der auch Wilhelm Kunst heiße und die Rollen seines Vaters spielen könne, engagiren wolle, und zwar um die Hälfte des dem Vater versprochenen Honorars, also um 50 Dollar für eine Rolle“. Der Amerikaner ging auf den Vorschlag des Hamburger Agenten ein und der junge Kunst, der gar nicht wußte, daß er seinen Vater um diese letzte Hoffnung brachte, reiste nach New-York, wo er in der That in den Rollen seines Vaters auftrat. Als Wilhelm Kunst in Wien den Absagebrief des Frankfurter Agenten erhielt und bald darauf in den Zeitungen las, daß sein Sohn in New-York spiele, ihm auch durch einen Hamburger Freund die Nichtswürdigkeit, in Folge deren ihm abgeschrieben wurde, mitgetheilt wurde; als er diese letzte Hoffnung seines Lebens zusammen brechen sah, gerieth er in eine solche Aufregung, daß er bedenklich erkrankte und in das Krankenhaus gebracht werden mußte. Dort erholte er sich in einiger Zeit, aber nur scheinbar; neuerdings erkrankte er und in kurzer Zeit fand er durch den Tod Erlösung von dem Elende, dem er bereits verfallen war, das ihm aber nun nur noch entsetzlicher entgegengrinste. Kunst war eine originelle Persönlichkeit; aber im Leben wie auf der Bühne vom Wirbel bis zur Zehe Komödiant. So zum Beispiel bestand sein größtes Vergnügen darin, mit der erwähnten Hanseaten-Medaille in der Hamburger Gardisten-Uniform oft stundenlang im Zimmer auf- und abzugehen. Als er in Petersburg gastirte, machte er bei den Intendanten, dem Polizeiminister u. s. w. seinen ersten Besuch in der Hamburger Bürger-Uniform. Man hielt dem damals gefeierten Künstler diese Schwachen zu gute. Bei seiner 25jährigen Jubelfeier als Schauspieler, welche er im Jahre 1841 zu Königsberg mit einer Pracht und einem Pompe ohnegleichen beging, erschien er selbst im Costume eines hanseatischen Cavallerie-Officiers, das durch ein Paar colossale Phantasie-Epaulets noch größeren Glanz erhielt. Man sieht, der Komödiant guckte überall hervor. Er hatte übrigens eine goldene Zeit gehabt, wo ihm das Geld in Beuteln in den Schooß flog; so hatte er auf einer Reise in Schleswig, also in einem Lande, wo der Theatercultus nicht gang und gäbe, auf einem Gastspiele von nur 6 Wochen 3000 Speciesthaler verdient. Aus Rußland kehrte er mit Rubeln und Goldstücken buchstäblich beladen zurück. Aber demgemäß trat er auch auf. In Hamburg erschien er mit förmlichem Gefolge, einem Secretär, einem Bedienten, einem Kutscher, 5 Pferden, zwei großen Doggen und einer Unzahl weißer Mäuse und wohnte im ersten Hotel am Alsterbassin. Seine Garderobe war die glänzendste, die jemals von den Brettern geblitzt, und wenn er als Otto [386] von Wittelsbach seinen Racheschwur gegen den Himmel donnerte, war seine Hünengestalt von einer Rüstung bedeckt, die über 600 Thaler gekostet und deren vier hatte er in seiner Garderobe. Ein Jahrzehend später (im Jahre 1850) fuhr er schon auf einem einspännigen Wägelchen – das noch sein Eigenthum war – ohne Kutscher, den er selbst oder sein Neffe abwechselnd vorstellte (letzterer wurde später durch den Hufschlag eines Pferdes getödtet) in München ein und nahm in einem kleineren Gasthofe der Vorstadt sein Quartier. Und noch waren nicht zehn Jahre um, als im November 1859 in einem ärmlichen Stübchen in der Vorstadt Josephstadt in Wien ein Mann starb, dem das Schicksal in seinen letzten Tagen so wenig gelassen, daß es einer Collecte unter Freunden bedurfte, um ihm die letzte Labung zu schaffen. Und dieser Mann war der einst so reiche, so gefeierte Kunst. So schöne Rollen das Fach zählt, welches K. spielte – jenes der ersten Helden – so hatte er doch nur ein sehr kleines Repertoire, weil er eben meist auf Gastspiele reiste, und also mit einem, höchstens zwei Dutzend Rollen vollständig für jeden Bedarf gedeckt war. Zu seinen Glanzrollen gehörten: Otto von Wittelsbach, Götz von Berlichingen, Everard im „Irrenhaus zu Dijon“, Alboin in Pannasch’ gleichnamigem Stücke, Dunois in der „Jungfrau von Orleans“, Posa in „Don Carlos“, Karl Moor, Hamlet, Jaromir in der „Ahnfrau“, Theseus in Schiller’s „Phädra“. Als Mensch war K., der cholerisch-sanguinischen Temperaments war, wie man so im Leben zu sagen pflegt, „ein guter Kerl“; für seine greise Mutter sorgte er bis an ihr Lebensende mit treuer Liebe, mit der vollen Zärtlichkeit eines guten Sohnes. Mit seinen Freunden theilte er das Letzte; als Vater erscheint er höchst achtungswerth, und für arme Collegen hatte er sowohl in den Tagen seines Glückes, als in jenen, da er selbst wenig hatte, stets eine offene Hand. Kunst ist 60 Jahre alt geworden. An seinem Sarge sprach der Prediger Porubsky unter anderem folgende Worte: „Tief bewegt und erschüttert stehen wir an der Leiche eines Mannes, der in seinem Leben viele bewegt und erschüttert hat ... wenn er gefehlt und gesündigt, war er auch stets der Erste, der sich selbst angeklagt, und darum trete Niemand auf und werfe einen Stein auf ihn – er ist mit Gott versöhnt“. Zu seiner Leichenfeier waren kaum fünfundzwanzig Personen, Collegen der verschiedenen Bühnen Wiens erschienen – denn für seine Freunde aus den Tagen seiner Blüthezeit war er ja schon todt, seit er nichts mehr hatte!!
Kunst, Wilhelm (Schauspieler, geb. zu Hamburg 2. Februar 1799, gest. zu Wien in der Nacht vom 16. auf den 17. November 1859). Der Sohn eines unbemittelten Schuhflickers in Hamburg; früh zeigte sich seine Neigung für die Bühne, wenn sich ihm eben auch keine bessere Gelegenheit darbot, diese seine Vorliebe zur Geltung zu bringen, als indem er Schauspieler bediente, für sie Gänge machte, ihre Kleider putzte, ihre Stiefel wichste und endlich, von ihnen protegirt, als Statist auf den Brettern erschien. Da brachte der Einmarsch der Russen in Hamburg, im Jahre 1813, auch in Kunst’s Leben eine nicht unwesentliche Veränderung. Er trat, obgleich erst 14 Jahre alt, in das erste Bataillon der Hanseaten und machte in der Compagnie des Hauptmanns Toderhorst mehrere Affairen, als bei Hamburg, Wilhelmsburg mit. Auf der Fittel unweit Hamburg erlitt das Corps, bei dem K. diente, eine bedeutende Niederlage und K. selbst gerieth dabei in nicht geringe Lebensgefahr, aus der er sich nur befreite, indem er durch die Elbe schwamm. Als bald darauf die Franzosen nach Hamburg kamen, trat er, da er das Französische geläufig sprach, in ihre Dienste. Er machte nun den Feldzug im Mecklenburgischen mit, marschirte nach Westphalen, wo aber die Begegnung mit einer wandernden Schauspielertruppe seine alte Neigung für die Bühne wieder weckte. Er nahm nun seinen Abschied und kehrte nach Hamburg zurück, wo er für seine früheren Dienste die hanseatische Medaille erhielt und seinen Entschluß, zum Theater zu gehen, eben ausführen wollte, als ihm von seinen Eltern und Verwandten so wirksamer Widerstand entgegengesetzt wurde, daß er für einige Zeit diesen Gedanken aufgab und bei einem Kaufmann in Dienste trat. Doch währte dieß nicht lange. Die Liebe für die Bühne war zu mächtig in ihm, er machte sich los und nahm ein Engagement in Möllen mit einer Wochengage von 1 Thaler 12 Groschen. Wir begleiten nun den fahrenden Künstler im Fluge auf seiner mehrjährigen Wanderung. Von Möllen ging’s nach Preußisch-Minden, wo er bald der Liebling des Publicums wurde. Im Frühjahre 1819 wurde er Mitglied des Lübecker Theaters, das die Wiege seines Ruhmes wurde; denn auf dieser Bühne spielte er zuerst jene Rollen, die ihm später seine Berühmtheit verschafften, als z. B. Abällino, Graf Wetter von Strahl u. m. a. Die nächsten Orte, wo er – an jedem nur kurze Zeit – verweilte, nachdem er die früheren oft nicht gerade auf dem legalsten Wege verlassen hatte, waren Stettin, Danzig, Bremen, Münster, Pyrmont, Osnabrück, Leipzig, Elberfeld, Coblenz, Mannheim, Düsseldorf, Würzburg und München. In München verweilte Kunst so lange, bis Director- Unser Planet. Blätter für Unterhaltung, Literatur, Kunst und Theater (Grimma, gedr. bei Reimer, 8°.) 1837, Nr. 180 u. f.: „Wilhelm Kunst“. – Der Adler. Redigirt von Groß-Hoffinger (Wien, gr. 4°.) Jahrgang 1839, S. 1731: „Die Schauspieler Wiens. Wilhelm Kunst“. – Chronik der Europa (Beilage zu der Zeitschrift „Europa“) 1859, Nr. 49, S. 1750: „Wilhelm Kunst“. – Breslauer Zeitung 1860, Nr. 3 u. 5, im Feuilleton: „Erinnerungen an Wilhelm Kunst“. [Diese Erinnerungen schrieb F. Tietz und sie behandeln vornehmlich Kunst’s zweimaligen Aufenthalt in Königsberg: im Jahre 1825 und 1826, zu welcher Zeit auch Jerrmann dort auftrat. Tietz erzählt den interessanten. Conflict zwischen Jerrmann und Kunst, als ersterer zu seinem Benefice Schiller’s „Räuber“ gab und ankündigte: er werde den Franz und Karl Moor zusammenspielen. Kunst hatte keine Ruhe mehr, er schlich sich auf die Bühne und als nach sehr beifälliger Aufnahme Jerrmann hinter die Coulisse trat, warf sich Kunst über ihn, drückte ihn zu Boden und begann die Kehrseite des von der Doppelleistung Entkräfteten zu bearbeiten. Doch auch [387] der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird. Ein wahrer, von Kunst ausgestoßener Otto Wittelsbach-Schrei, verbunden mit dem Einhalt der Züchtigung, zeigte, daß Jerrmann weniger Wurm – in früheren Jahren eine seiner Glanzrollen – als Schlange geworden, die den Feind – in die Waden gebissen. Diese aber besaß der colossal gebaute Kunst nicht vom Wattafabrikanten, sondern in natura. Erst die Umstehenden brachten die Verbissenen auseinander. – Noch schildert Tietz den zweiten Aufenthalt Kunst’s in Königsberg im Jahre 1841, wohin er aus Rußland, beladen mit Rubeln und Imperialen, die ihm sein dortiges Gastspiel eingebracht, gekommen war und wo er sein 25-jähriges Schauspieler-Jubiläum mit aller Pracht feierte. Von diesem Tage sagte Kunst selbst in späteren Jahren, „das war mein letzter heiterer Tag“; von jener Zeit ging es mit Kunst und seiner Kunst stark thalab. – Diese „Erinnerungen an Kunst“ sind auch von dem Wiener Journale „Der Wanderer“ 1859, Nr. 298 u. 299 im Abendblatte, abgedruckt worden.] – Freyschütz (Hamburger Blatt, 4°.) 1840, Sp. 665 [gibt Nachricht von jener nächtlichen Orgie Kunst’s in Wien, in welcher der Kammerdiener des im zweiten Flügel des Hauses, das Kunst bewohnte, logirenden Secretärs der englischen Gesandtschaft, von den halb und ganz betrunkenen Gästen Kunst’s gröblich beleidigt und gereizt, ein auf dem Tische der Zechenden liegendes Messer ergriff und es dem ersten ihm Nahenden durch die Wange stieß. Der Vorfall machte großes Aufsehen und Kunst erhielt die Weisung, binnen drei Tagen Wien zu verlassen. Wallner erzählt in der „Gartenlaube“ in seiner anregenden Weise, jedoch, wie es scheint, nicht ganz so, wie die Sache sich zugetragen, diesen absonderlichen Vorgang]. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1859, Nr. 238, im Feuilleton „Wiener Chronik“ [interessante Einzelnheiten über die Ursachen von Kunst’s Krankheit, die zuletzt seinen Tod herbeiführte. Es ist ein fast tragisches Geschick, dem der Mime unterlag]; Nr. 298 [Nekrolog]; Nr. 301 [sein Leichenbegängniß]; Nr. 303: „Aus Kunst’s Leben“. – Wiener Zeitung 1859, Nr. 292. – Wiener Theater-Chronik 1859, Nr. 13 u. 14. – Rheinische Blätter (Beiblatt des „Mainzer Journals“) 1859, Nr. 272. – Nordböhmischer Gebirgsbote (Rumburg, 4°.) 1860, Nr. 42: „Ein Künstlerleben“. – Kertbeny (K. M.), Silhouetten und Reliquien. Erinnerungen ... (Prag 1863, Kober, 8°.) S. 7 [nach diesem geb. 9. Februar 1799. Kertbeny erzählt uns von Kunst: „Auch in seiner besten Zeit spielte er oft „zum Wanzen zu vertreiben“ (sic) und dann wieder in glücklich getroffenem schwungvollen Rhythmus, der mit sich riß und aus dem in Momenten sogar die Flamme der Genialität aufblitzte. Jener dämonische Zug geistiger Dominirungskraft fehlte ihm jedoch gänzlich, er wirkte nur mit schönen oder unschönen physischen Mitteln. Und noch merkwürdiger ist es, daß er um so schlechter spielte, je edler die Dichtung war, die er zur Darstellung zu bringen hatte, wie umgekehrt. Außer seinem unstillbaren Hange zum „Durchgehen“ besaß er den noch bekannteren, in gewisse Fußstapfen Jupiters zu treten, und bald den Komatos, bald Herakles, Theseus, Coridon zu spielen, je nachdem er auf Lakons, Hylos, Peirithoos, Endymions oder Alexis stieß. In der türkischen Komödie heißt diese stehende Figur „Kulombara“]. – Pilsner Bote (4°.) 1860, Nr. 37. – Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt (Leipzig, Keil, 4°.) Jahrg. 1864, S. 168: „Eines Bühnenhelden Glück und Ende“. Von Franz Wallner [mit Porträt im Holzschnitt: Kunst als Karl Moor]. – Porträte. 1) Herr lith. (Wien, Spina, Fol.); – 2) Lithographie ohne Angabe des Zeichners und Lithographen (Leipzig, bei Pönicke, Fol.); – 3) Kunst und Sohn. Lithogr. von Gaupmann (Wien, Spina, Fol.); – 4) Kunst als Karl Moor. Bruststück. Lithogr. (Fol.). – Urtheile über Kunst. Herausgeber läßt hier eine Blumenlese von Aussprüchen verschiedener in der Kunst und Literatur hervorragender Männer über den Mimen Kunst folgen Kein Künstler Deutschlands wurde so hoch gepriesen, keiner so tief herabgesetzt wie Kunst, keiner so reich belobt und so verächtlich geschmäht wie er. Talma nannte ihn „ein erlauchtes Talent“. – L. Devrient meinte: „Sähe ich dem Kerl zu bei seinem göttlichen Karl, so holte der Teufel meinen Franz“. – P. A. Wolff äußerte: „Nur ein Jahr ernsten Wollens und vernünftigen Studiums und dieser Junge ist Deutschlands erster Künstler“. – Ferdinand Raimund fühlte sich nach jeder Ansicht einer Rolle von Kunst zum Dichten begeistert und wunderbar angeregt, bemerkt aber, „daß er dann immer gewiß tolles Zeug schrieb“. – J. Spitzeder rief eines Abends hinter der Coulisse: „Lieber Herr Gott, ich glaube, so spielen deine Engel im Himmel, [388] wenn sie zu viel Champagner getrunken haben“. – Karl Schall parenthesirte eine kritische Dissertation über ihn mit den Worten: „Ganz recht, das Göttliche ist in ihm vorhanden; Kunst ist ein Gott für jeden Dichter und Zuschauer, sobald er menschlich reden lernt“. – Der alte geistvolle Dr. Grattenauer sah von ihm nur Hamlet und Faust von Goethe. „Es ist ein Räthsel der Natur“, sagte er, „wie sie in demselben Menschen, einen so großen mächtigen Dichter und einen so argen Narren vereinigen kann; dort Alles Wahrheit, Frische, Schönheit, Geist, Gesundheit – hier Alles Krankheit und Albernheit!“ – Heinrich Laube (damals noch jung), sang Hymnen des Entzückens nach diesem Karl Moor und schrieb im Drange seiner Begeisterung einige treffliche kritische Blätter und einen Gustav Adolph für Kunst. – Goethe räumte ihm in der Rolle des Hamlet den Rang über alle übrigen Darsteller dieses Charakters ein. Und treffend bemerkte eine geistvolle Dame über Kunst: „Er ist wahrhaftig Apollo selbst, dem die deutschen Verse noch nicht recht geläufig sind, und der sich zuweilen in einen gewöhnlichen Komödianten verwandelt, damit unsere Herzen gegen ihn sicher bleiben“. – Einer seiner Biographen charakterisirt K. ebenso kurz als treffend: „Seine Berühmtheit erwarb er sich vor Allein durch die imposanten äußeren Mittel, über die er in seiner Jugend zu gebieten hatte, und die er sich trotz seines unruhigen, rastlosen Lebens sehr lange frisch zu erhalten wußte. Seine gewaltige kraftvolle Gestalt, sein glutherfülltes beredtes Auge, ein herrliches, im Zorn wie im Scherz gleich voll und schön tönendes Organ, angeborner Sinn für Plastik und eine poetische Individualität würden ihn zum ersten Heldenspieler Deutschlands gemacht haben, wenn sich seinem Genie mehr Studium und künstlerische Bildung zugesellt hätten. Die Studenten, aber nicht bloß diese, die Philister aller deutschen Städte schwärmten für K. Aber es war auch was Apartes an diesem Manne. Es sprangen Einem die Augen aus dem Kopfe, wenn man ihn ansah, wie er dastand, dieser zweite Eßlair, nur jünger, kräftiger und schöner als sein bereits alterndes Vorbild, und ebenso wie dieser „Bühnenheros“ als Karl Moor auf die mit gelben Nägeln am Schaft beschlagene Streitaxt sich stützend, gleich ihm den aus Pappendeckel geformten Theaterbaum bis in seine Wurzeln erschütternd, wenn er mit dem Strick seinen Arm daran gebunden, aber bei weitem süßer sein „Amalie, du weinst!“ hervorhauchte. Nicht minder wie sein Vorbild ur-ehrlich als Otto von Wittelsbach auf des Kaisers Empfehlungsbrief bauend, aber ebenso ur-grimmig sein Mordschwert gegen das graubärtige schelmische Reichsoberhaupt schwingend. In ähnlicher mittelalterlicher Derbheit als eisenhändiger Götz von Berlichingen, einem anderen Kaiser seinen Respect vermelden lassend, dem Hauptmanne der Reichstruppen aber einen ganz anders lautenden „Despect“. Jedoch die Auffassung war bei ihm immer nur Sache des Zufalls und für diese seine Auffassung sprechen Thatsachen, die von gewissenhaften Personen aufgezeichnet wurden. So geschah es, daß Kunst den Schröder’schen Hamlet meisterhaft spielte, während er dem Schlegel’schen nicht eine gelungene Scene abgewinnen konnte; daß er im Klingemann’schen Faust vortrefflich war, während er den Goethe’schen nie recht zu lernen vermochte; daß er als Wallenstein in Bahrt’s Grabesbraut ein herrliches historisches Bild lieferte, während ihm der Schiller’sche nur stückweise gelang. Leiteten ihn Naturell und momentane Stimmung glücklich. so konnte er die Zuseher zum Entzücken hinreißen; hingegen kam es vor, daß er am nächsten Tage in derselben Rolle, z. B. dem Grillparzer’schen Ottocar ganz abfiel. Wo physische Kraft den Erfolg bedingte, da war Kunst immer unübertrefflich. Kunst ist als vorzüglichster und blendendster Repräsentant jener Zeit, der Ritter- und Räubertragödien zu betrachten; er gab in dem Wust derselben oft Einzelnheiten, die der Verewigung werth gewesen wären.“