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BLKÖ:Harrach, Karl Borromäus Graf von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 7 (1861), ab Seite: 381. (Quelle)
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Harrach, Karl Borromäus Graf von (Humanist und Arzt, geb. zu Wien 11. Mai 1761, gest. ebenda 19. October 1829). Sohn des Grafen Ernst Guido [382] von der jüngeren Linie (geb. 8. September 1723, gest. 23. März 1783) aus dessen Ehe mit Maria Josepha Gräfin von Dietrichstein (geb. 2. November 1736, gest. 21. December 1799), und Bruder des Grafen Johann [S. 379]. Nach einer sorgfältigen Erziehung und unter der Leitung des Freiherrn von Egger für den Staatsdienst gebildet, trat er in denselben, wurde zum Gubernialrathe in Prag ernannt, trieb aber neben diesem amtlichen Berufe mit besonderer Vorliebe das ärztliche Studium. Die Einwilligung seiner Eltern zur Heirath einer Tochter des Grafen Fries konnte er nicht erlangen, er nahm also das Johanniterkreuz, um gemäß den Pflichten dieses Ordens sein Leben ganz den Zwecken wohlthätiger Menschenfreundlichkeit zu widmen. Er trat nun aus dem Staatsdienste und unternahm vorerst eine Reise durch das nördliche Deutschland und besuchte in Dresden, Weimar, Jena, Göttingen, Berlin die Koryphäen deutschen Geistes, Göthe, Blumenbach, Hufeland, Böttiger u. A. In Wien selbst verkehrte er mit den damaligen Trägern der Intelligenz, mit Alxinger [Bd. I, S. 23], Blumauer (Bd. I, S. 436], Born [Bd. II, S. 71], Denis [Bd. III, S. 238], Eckhel [Bd. III, S. 423], D’Elci [Bd. III. S. 212], dem Botaniker Grafen Wallenstein, u. dgl. m. Auch war er ein oft gesehener Gast im Hause des Regierungsrathes Greiner [Bd. V, S. 326], Vaters der berühmten Karoline Pichler, und des Grafen Purgstall, der damals eben die edle Schottin Johanne Cranestowe (Schwägerin Dugald Stuart’s) als Braut nach Hause geführt und einen Kreis der unterrichtetsten Männer und gebildeter Frauen um sich versammelt hatte. Durch den Umgang aber mit den ersten Aerzten der Residenz, mit Johann Peter Frank [Bd. IV, S. 320], Jacquin, Adam und Wilhelm Schmidt, Wierer[WS 1] und Staudenheim, bildete er sich in der Arzneiwissenschaft aus. Letzterer behandelte ihn auch, als er 1802 von einem gefährlichen Fieber befallen und dem Rande des Grabes nahe gebracht wurde. Staudenheim’s Bemühungen retteten den Grafen, dieser aber bewies dem Retter seine Erkenntlichkeit durch ein Legat von 10.000 fl., dessen Genuß er ihm sogleich nach seiner Genesung überließ. Im Jahre 1803 (25. Juni) wurde Graf Karl Doctor der Medicin und (am 10. August) Magister der Geburtshilfe. Nun trat er seine ärztliche Praxis an. Er widmete seine Hilfe vorzugsweise den Armen, denen er die Arzneien bezahlte, sie unentgeltlich behandelte und auch sonst noch unterstützte. Auch wendete er sein Augenmerk den Eingekerkerten, besonders solchen Sträflingen zu, die, vermögenslos, und wenn sie nach überstandener Strafe gebessert der bürgerlichen Gesellschaft wiedergegeben wurden, eines hilfreichen Armes bedurften, um künftig ihr Fortkommen zu finden. Am 3. November 1804 wurde H. deutscher Herr, und am 7. Juli 1806 erhielt er, zum Hauscomthur befördert, eine ansehnliche Commende. Nun lebte er ausschließlich der leidenden Menschheit. Von großen Gesellschaften sich zurückziehend, beschränkte er seinen Umgang auf wenige Freunde und Aerzte, unter denen die Fürsten Dietrichstein und Sinzendorf, die Grafen Hartig, Herberstein, Salm und Wurmbrand, Baron van Swieten und Steigentesch zu nennen sind. In seiner Vertiefung in ärztliche Studien bildete sich auch seine eigenthümliche Lebensweise aus; den Vormittag brachte er am Krankenbette oder in Collegien zu [383] den Nachmittag mit einem Musikmeister, den Abend mit Professoren des classischen Studiums, die Nacht meistens bis an den Morgen in seinem Lehnstuhle, daher er nie ins Bett kam, was auch seine ohnehin nicht starke Gesundheit zusehends schwächte; merkwürdig war seine Abneigung gegen das Landleben; obgleich ihn sein ärztlicher Beruf täglich in die ärmlichsten Hütten der entferntesten Vorstädte Wiens führte, zu einem ärztlichen Besuche außerhalb der Linien Wiens war er nie zu bewegen. Eine hohe Dame, die in Hietzing lebte, und der es nicht gelingen konnte, H. zu einem Besuche in ihrem Landhause zu überreden, ließ ihm sagen, sie sei gestorben, er möge zur Section kommen, denn nur in seinem wissenschaftlichen Eifer konnte er Herr seiner Abneigung werden. Vom Jahre 1814 bis an seinen Tod widmete er sich als Primararzt dem Institute der Elisabethinerinen mit immer gleicher Liebe und Sorgfalt; besuchte nicht nur täglich, sondern bei bedenklichen Fällen drei- bis viermal des Tages und auch bei Nacht die Kranken, ihnen durch seine Kunst, seinen Geist und sein Gemüth Heilung und Trost gewährend. Als ihm nach Verlauf des ersten Jahres die Elisabethinerinen das gewöhnliche Honorar von 400 fl. übergaben, nahm es der Graf an, sandte es aber den folgenden Tag verdoppelt zurück und that dieß jährlich. In seinem letzten Willen, wozu ihn wenige Wochen vor seinem Tode der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Anton durch ein besonderes Schreiben befugt hatte, vermachte er sein ganzes Vermögen den Armenanstalten Wiens. Bei dieser allgemeinen Schilderung des Grafen ist es nöthig, einzelne Momente seines Wirkens wenigstens zu erwähnen. Mit goldener Schrift verdiente in der Geschichte des österreichischen Adels ausgezeichnet zu werden, was Graf Karl in den Unglücksjahren 1805 und 1809 geleistet, als Wien und seine Umgebungen mit einem Heere von nothleidenden Gefangenen, Kranken, Verwundeten und Sterbenden überschwemmt war. Selbst Napoleon wurde auf diesen Edelmann – in des Wortes echtesten und herrlichsten Bedeutung – aufmerksam; übrigens gehören die in den Zeitblättern jener Tage mitgetheilten Unterredungen zwischen Harrach und Napoleon zu der Classe biographischer Legenden, mit denen man das Leben großer Menschen gern aufzuputzen pflegt. Die unerschütterliche Hingabe an seinen praktischen Beruf ist zumeist Ursache, daß Graf Karl als Fachschriftsteller nur Weniges leistete, da eben er als lebendiges Repertorium aller seit 40 Jahren in der Medicin und in den mit ihr verwandten Naturwissenschaften gemachten Entdeckungen, Vor- und Rückschritte, aller Ansichten und Versuche, die in diesem wichtigen Wissenschaftsgebiete gemacht wurden und immer noch werden, zunächst berufen gewesen wäre, auch als Schriftsteller zu wirken. Er veröffentlichte durch den Druck nur eine Uebersetzung, die Schrift von John Mason Good: „Ueber die Krankheiten der Gefängnisse und Armenhäuser“ (Wien 1798), und als Frucht seiner persischen Studien, welche er 1797–1799 mit seinem Freunde Hammer [s. d. S. 267 dieses Bandes] betrieb, einige Auszüge und Uebersetzungen etlicher Oden aus dem Divan Hafis. Wenn er aber auch selbst nichts weiter producirte, so blieb ihm doch keine auch nur etwas bedeutende Erscheinung der Literatur und Kunstwelt fremd. Alle berühmten Reisenden und Gelehrten suchten ihn auf, und sein staunenswerthes Gedächtniß, seine unerschrockene freisinnige Denkungsart und sein kaustischer Witz machten ihn zur [384] wahren Zierde jener Kreise, in welchen er lebte. Viele humanistische und wissenschaftliche Gesellschaften ehrten sich und ihn durch Verleihung ihrer Diplome, und sein Tod, der ihn im Alter von 68 Jahren der leidenden Menschheit und der Wissenschaft entriß, wurde im In- und Auslande mit Recht als Nationalverlust beklagt. Eine auf seinen Reisen gesammelte höchst werthvolle Sammlung Carricaturen überließ er seinem als Kunstfreund und Sammler, wie auch als Humanist bekannten und verehrten Bruder, dem Grafen Johann [s. d. S. 379 dieses Bandes], und seine Sammlung von mehr als 10.000 Dissertationen aus allen Fächern der Arznei- und Wundarzneikunde wurde in der Auction von der Wiener Hofbibliothek angekauft [siehe: Mosel, Geschichte der Hofbibliothek zu Wien, S. 294].

Zeitgenossen (Leipzig. Brockhaus, gr. 8°.) Dritte Reihe, Bd. II, S. 67. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau, kl. 8°.) VII. Jahrg. (1829), Bd. 2, S. 702. – Allgemeine Zeitung 1829, Nr. 310. – Inland (Münchener Blatt, 4°.) 1829, Nr. 317, S. 1273: „Nekrolog“. – Oesterreichische National-Encyklopädie, herausg. von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 511. – Vaterländische Blätter, redigirt von J. M. Armbruster (Wien). Jahrg. 1810, S. 355. – Neuigkeiten (Brünner polit. Journal, Fol.) 1857, Nr. 287. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1850 et seq., gr. 8°.) Bd. XXIII, Sp. 443. – Christlicher Hausschatz. Beiblatt zum Gmundner Wochenblatt, IV. Jahrg. (1861), Nr. 15: „Karl Graf von Harrach“. – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845, Fr. Beck, 8°.) Bd. I, S. 247, im Genrebild: „In der Redoute; vor 40 Jahren“; Bd. III, S. 30, im Aufsatz: „Neuere Grabenschau“. – Derselbe, Wiener Dosenstücke (Wien 1852, J. F. Greß, 8°.) Bd. II, S. 13, im Aufsatze: „25“ [über des Grafen Methode, die Wiener Fiaker gehörig im Zaume zu halten]. – Porträte. 1) Mit der Unterschrift: Harrach, ohne Angabe des Zeichners und Lithographen[WS 2]; auch in der „Porträten-Gallerie berühmter Aerzte und Naturforscher des österreichischen Kaiserstaates“ (Wien 1838, Fr. Beck, 4°.) Blatt 4; – 2) gemalt 1821 von Agricola, gestochen von Rahl; – 3) gestochen von Bolt (Berlin, Reimer, gr. 4°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist vermutlich Franz von Wirer
  2. Vorlage: Litographen.