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BLKÖ:Giannone, Peter

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 5 (1859), ab Seite: 177. (Quelle)
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Giannone, Peter (Geschichtschreiber, geb. zu Ischitella im Königreich Neapel 7. Mai 1676, gest. zu Turin 7. März 1748). G. hat über ein Decennium in Wien gelebt, für österreichische Interessen gewirkt, österr. Zustände geschildert; ihm also, obgleich er Ausländer war, eine Stelle in unserem Werke anzuweisen, bedarf keiner Rechtfertigung, nur wollen wir uns kurz fassen und vornämlich auf die ihn betreffenden ausführlicheren Quellen verweisen. G. erhielt eine wissenschaftliche Ausbildung und wurde Rechtsgelehrter wie sein Vater. Dabei beseelte ihn der Gedanke, die Geschichte seines Vaterlandes zu schreiben, und er führte ihn unter dem Schutze des Vicekönigs Grafen von Harrach aus. Sein Werk wurde heimlich in der Druckerei des Advocaten Vitagliani bei Neapel gedruckt und erschien unter dem Titel: „Dell’ Istoria civile del Regno di Napoli, libri XL“, 4 Bde. (Neapel, 4°.), mit dem Bildnisse des Kaisers Karl VI., damaligen Landesherrn von Neapel [Ebert Bibl. Lexikon Nr. 8484 und 8485]; das Werk, eigentlich eine Tendenzschrift und gegen die verderblichen Einflüsse Roms gerichtet, machte Aufsehen; der römische Hof und der Clerus von Neapel wütheten gegen den Autor, den weder der Vicekönig, noch Cardinal Althan und die Stadtgemeinde zu schützen im Stande waren, und der am 29. April 1723 Neapel verlassen und seine Zuflucht in Wien suchen mußte, wo er bis 1734 lebte. Indessen wurde G.’s Werk in Rom im Jahre 1723 als ketzerisch verdammt und G. selbst mit dem Banne belegt. In Wien lebte nun G. unter Eugens von Savoyen, Zinzendorfs, Bonnevals (s. d. II. Bd. S. 54) und Garelli’s (s. d. V. Bd. S. 89) Schutze, und den Bann hob der Cardinal u. Erzbischof von Neapel Pignatelli für Wien während seiner Anwesenheit daselbst auf. Als Don Carlos III. von Spanien Sicilien dem Kaiser mit Gewalt der Waffen entrissen hatte, verlor Giannone plötzlich seinen Schutz in Wien und mußte es verlassen (1734). Er suchte Schutz in Venedig. Aber nur für kurze Zeit fand er ihn daselbst. Seinen Feinden gelang es, ihn von da zu vertreiben; in der Nacht vom 23. Sept. 1735 schafften ihn Sbirren auf ferrarisches Gebiet. Doch auch da wurde er nicht gelitten und er ging nun unter falschem Namen nach Modena. So irrte er und sein Sohn, der ihm von Venedig nachgekommen war, brod- und obdachlos umher, bis ihnen Buchhändler Bosquet in Genf, wo sie am 5. Dec. 1735[WS 1] eintrafen, eine Freistätte bot. Daselbst lebten sie einige Monate in Ruhe, bis sie den freundschaftlichen Anerbietungen eines piemontesischen Officiers Gehör gebend, Genf verließen, um sich auf ein ihnen zum Aufenthalte angebotenes Landhaus auf der piemontesischen Gränze zu begeben. Dort angelangt, wurden sie verhaftet. Der piemontesische Officier war ein gedungener Verräther und König Karl Emanuel III. von Rom abhängig. G.’s Sohn wurde entlassen, ging nach Ungarn und trat in ein Regiment. G., der Vater, wanderte aber von Festung zu Festung, zuletzt nach Turin, widerrief, unter dem Eindruck moralischen und physischen Zwanges, am [178] 4. April 1738 feierlich Alles, was er gegen Rom geschrieben und starb im Gefängnisse zu Turin im Alter von 72 Jahren. Während seines Aufenthaltes in Wien erstattete G., anläßlich des lebhaften Streites zwischen Rom und Neapel, welches damals österreichisch war, über die geistliche Legation oder das Tribunal in Sicilien im höheren Aufträge ein Rechtsgutachten, worin er die Eingriffe des päpstlichen Stuhles gründlich darlegte. Die freundlicheren Beziehungen aber zwischen Rom und dem kais. Hofe, welche der päpstliche Hof mittlerweile anzubahnen gewußt, hatten zur Folge, daß die Schrift ungedruckt blieb. Als im J. 1731 Papst Clemens XII. das erledigte Erzbisthum Benevent aus eigener Machtvollkommenheit besetzte und dadurch die Rechte des Kaisers verletzte, wurde G. zur Wahrung derselben beauftragt und er verfaßte die Schrift: „Ragioni per le quali si dimostra; che l’ Arcivescovado di Benevento, non ostante che il dominio temporale della citta di Benevento fosse passato a’ Romani pontefici, sia compreso nella grazia conceduta da S. M. Cesarea a’ Nazionali e sottoposto al Regio Exequatur, come tutti gli altri Arcivescovadi del Regno.“ – Eine andere Schrift vollendete er über Aufforderung der Stadtgemeinde zu Neapel, welche über die verschiedenen Tribunale und Rechtscollegien in Wien unterrichtet sein wollte; sie führt den Titel: „Breve relazione de’ Consigli e dicasterj della città di Vienna“ (1731), welche später unter dem falschen Autornamen Janus Perontinus (d. i. Petrus Jannonus) lateinisch: „De Consiliis et dicasteriis quae in urbe Vindobona habentur“ (Halle 1732) herausgegeben wurde. Diese übrigens harmlose Schrift sollte seinen Feinden zur Waffe gegen ihn dienen. Man wollte Verfängliches darin finden und fand es, weil man wollte. So mochte es auch geschehen sein, daß G. 1734 seines ferneren Schutzes in Wien verlustig ward. Ein anderes Werk: „Il triregno“, worin er in 3 Abschnitten: del regno del cielo, della terra e del Papa“, die päpstliche Regierung schildert, hatte er in Wien begonnen, aber erst in Genf beendet. Der neue König von Neapel „Karl von Bourbon“ wußte G.’s Verdienste, freilich erst in dessen Erben, in fürstlicher Weise zu würdigen. Seinem Sohne, dessen Gattin, Tochter und Sohn verlieh er bis zu Aller Ableben ein Jahrgeld von 300 neapolit. Ducaten mit der Erklärung: „Es vertrage sich nicht mit der Ehre und Würde seiner Regierung, Jemanden in Dürftigkeit schmachten zu lassen, dessen Vater der größte, dem Staate nützlichste und auf’s Ungerechteste verfolgte Mann gewesen, welchen das Jahrhundert hervorgebracht habe.“

Panzini (Ferdinand), Vita di Pietro Giannone (Palmira [Lucca] 1765, 4°.). – Lubret (Joh. Friedr.), Abjuratio D. P. Jannonii ab eo sponte facta Taurini in carcere, sita ad Portam Padanam die 4 Aprilis 1738 (Erlangen 1763, 4°.). – Lohenschield (Otto Christian von), Bürgerliche Geschichte des Königreichs Neapel, aus dem Italienischen des P. Giannone übersetzt, 2 Theile (Ulm 1758 u. f., gr. 4°.) [enthält im ersten Bande die ausführlichste Biographie G.’s]. – Dunkel (Johann Gottl. Wilh.) und Schlichter, Histor.-kritische Nachrichten von verstorbenen Gelehrten (Köthen 1753, 8°.) II. Bd. S. 4 u. 643. – Soria (F. A.), Memorie storico-critiche degli Storici Napoletani (Neapel 1781 u. f.) I. Bd. [davon ein Auszug in Wielands „Deutschem Merkur“ XLVIII. Bd. S. 3 u. f.]. – Storia letteraria d’Italia. VIII. Bd. 1. Thl. S. 142 u. f. [Zaccaria theilt darin den Verbalproceß, den Widerruf und die Aufhebung des Bannes durch den Inquisitor zu Turin mit]. – Corniani (G.), Secoli della Letteratura Italiana. Vol. IX, S. 136. – Maffei (Giuseppe), Storia della Letteratura italiana (Mailand 1834, 8°.) III. Bd. S. 227 u. f.Fabroni (Angelo), Vitae Italorum doctrina excellentium ... XIII. Bd. S. 127. – Rovani (Giuseppe), Storia delle lettere e delle arti in Italia (Mailand 1856, Borroni e Scotti, gr. 8°.) II. Bd. S. 342. – Da hier nur jene Werke G.’s angeführt wurden, welche in näherer [179] Beziehung zur Monarchie stehen, so muß betreffs der übrigen auf die vorstehenden Quellen gewiesen werden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1835.