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BLKÖ:Chlopicki, Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 2 (1857), ab Seite: 346. (Quelle)
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Chlopicki, Joseph (poln. General, geb. in Galizien 24. März 1771, gest. zu Krakau 30. Sept. 1854, Morgens 71/2 Uhr). Entstammt einer unbemittelten Familie; wurde frühzeitig Soldat und kaum 20 J. alt, focht er schon unter Kosciuszko mit Auszeichnung. Nach dem unglücklichen Ausgange jener Kämpfe verließ er sein Vaterland, 1798 trat er in die polnischen Legionen, welche die französische Armee in Italien unterstützten. 1799 focht er an der Trebbia, am 16. Jänner 1800 zeichnete er sich bei Casa blanca aus. Im J. 1807 war er Commandant des ersten Weichselregimentes, das zu der für den spanischen Feldzug 1808 bestimmten Brigade gehörte. In Spanien erkämpfte sich C. das Kreuz der Ehrenlegion. Vor Saragossa war es, wo C. Wunder der Tapferkeit verrichtete. Ueberhaupt gehört dieser Feldzug zu der glänzendsten Periode seines Lebens. Im J. 1811 erhielten die polnischen Truppen Befehl, in ihr Vaterland zurückzukehren und Suchet in seinen Denkwürdigkeiten schreibt aus diesem Anlasse „Die Entfernung des Generals Chlopicki entzog dem Heere einen Officier, dessen Verdienste ihn bald zu dem höchsten Range erhoben haben würden. Lieber als jedem Andern übertrug ich dem polnischen Generale jene Operationen in der Ferne, die ich nicht persönlich leiten konnte“. 1812 wurde C. Brigade-General in der kaiserlichen Garde und bei Smolensk verwundet. 1814 kehrte er nach Polen zurück, wo ihn Kaiser Alexander zum Divisionsgeneral ernannte. Bei der Heerschau des Großfürsten Constantin wurde C. beleidigt; beim Vorführen seiner Division auf dem sächsischen Platze ließ der Großfürst wegen des schlichten Tuchmantels, den C. trug, einige beißende Worte fallen, worauf C. erklärte: „Comme ce ne fut pas dans la cour du palais de Saxe que j’ai cuelli mes décorations, ce ne sera pas dans la cour du palais de Saxe que je voudrais les déshonnorer“, alsdann seinen Abschied nahm und zurückgezogen von jeder öffentlichen Stellung seiner Familie lebte. Als zu Warschau in der Nacht vom 29. auf den 30. Nov. 1830 die Revolution zum Ausbruch kam, wollte C. an einer Sache, deren unglücklichen Ausgang er voraussah, nicht Theil nehmen. Er entzog sich also geflissentlich der öffentlichen Aufmerksamkeit und soll sich, wie es verlautete, sogar einige Zeit versteckt gehalten haben. Endlich mußte er aber der allgemeinen Stimme des Volkes nachgeben, und vorerst in den Administrationsrath treten. Später – am 5. Dec. – von den Bitten vieler Tausende bestürmt, übernahm er die Dictatur. Da er der Anarchie als Dictator ein Ende machen wollte und dem heillosen Treiben ohne Anwendung eiserner Strenge nicht steuern konnte, so fand er unter den Freunden der Unordnung – die aber Freunde des Vaterlandes spielten – heftige Tadler u. Gegner. C. legte die ihm aufgedrungene Dictatur am 31. Jän. 1831 nieder, da die vielen Wühler, welche nicht Unrecht haben wollten und ihres Uebergewichtes wegen es nicht zu haben brauchten, beschlossen hatten, den Mann der Ordnung zur Rechenschaft zu ziehen. Um aber darzulegen, daß die Sache des Vaterlandes die seinige war, trat C. Anfangs Februar als gemeiner Soldat in die Reihen der polnischen Armee, in welcher er mit namenlosem Enthusiasmus aufgenommen wurde, denn in Zeiten von Aufständen und Revolten herrscht nur in geordneten Heeren ein patriotischer und ritterlicher Geist. In der mörderischen [347] Schlacht bei Wawre am 19., und bei Grochow am 20. Febr. 1831 waren seine Kriegserfahrung und seine todtverachtende Tapferkeit die mächtigsten Hebel der errungenen Siege. Als am 25. Februar Unimski auf C.’s Anrathen die russischen Generale Schakoffski und Geismar angriff, führte C. selbst das Regiment des General Milberg gegen ein von den Russen besetztes Erlengebüsch, wo der Kampf am furchtbarsten wüthete. Schon waren ihm 3 Pferde unterm Leibe erschossen worden, aber er achtete nicht der Gefahr und kämpfte bis ihm eine Granatenkugel Arm und Fuß so schwer verwundete, daß er vom Schlachtfelde weggetragen werden mußte. Zur Herstellung seiner Gesundheit begab sich C. am 10. März nach Krakau, welche Stadt er seit dieser Zeit nicht mehr verließ. Er hielt sich fern von aller Politik u. lebte seinen Erinnerungen, die er jüngeren Soldaten auf seinen Promenaden um das alte Krakauer Königsschloß – auch Schreiber dieses war mehrere Male unter seinen Zuhörern – mit fast jugendlicher Begeisterung und hinreißender Wärme zu erzählen pflegte. Als der Krakauer Aufstand im J. 1846 ausbrach, verließ er mit den Consuln der Großmächte die Stadt. „Verräther“, riefen ihm die Aufrührer nach, weil er an dieser jämmerlichen Parodie nicht theilnehmen wollte. Auch 1848 blieb er der Worte Koscziuszko’s, welche dieser in der Schlacht bei Raclavice an C.’s Seite ausgerufen: „Finis Poloniae“ eingedenk. Als die Leiche im Grabe entweiht worden, meinte man, Fanatismus habe dieses Verbrechen zu begehen nicht gescheut; später stellte es sich heraus, daß es gemeine Diebe gewesen, welche die Leiche des Generals um die kostbaren Gewänder beraubten. C. zählte damals, als ihn Schreiber dieses kennen gelernt, über 60 Jahre; er hatte eine imposante, edle Gestalt, vornehme, scharfausgeprägte Züge. Er schien wie dazu geschaffen, mit seiner heroischen Gestalt, seiner vollen Stimme, seinem leuchtenden Auge, Massen zu beherrschen und anzuführen. Auf dem Schlachtfelde begann erst sein eigentliches Leben; und später als es keine Kämpfe mehr für ihn gab, lebte er auf, wenn er seine Feldzüge erzählte, unter denen namentlich jene in Spanien sein Lieblingsthema waren. In seinem Wesen war er einfach, schlicht, in seinen Antworten kurz. Als Dictator erwiederte er auf die Frage, warum die Polen nicht neues Geld prägen ließen? lakonisch: „Weil kein altes vorhanden ist“. Sie charakterisirt den Helden. – Als Se. Majestät Kaiser Franz Joseph I. im Oct. 1851 in Krakau anwesend war, wurde der alte Held mit Auszeichnung empfangen u. ihm alle gebührenden Ehren erwiesen. Auch des Besuches des FZM. Freiherrn von Heß hatte er sich in letzterer Zeit noch zu erfreuen. – Auf dem Arc de Triomphe de l’Étoile zu Paris ist Ch.’s Name – doch irrig Klopiski geschrieben – eingemeißelt. – C.’s Leichnam wurde auf dem ein paar Meilen von Krakau entfernten, der Familie Potocki gehörigen Krzeszowitz in einer eigenen Gruft beigesetzt.

Straszewicz (Joseph), Les Polonais et les Polonaises de la révolution du 29 novembre 1830 ec. (Paris 1832, Pinard, Lex. 8°.) [daselbst Ch.’s Porträt. Unterschrift: Facsimile seines Namens. Lith. de Villain]. (Am Schlusse des ziemlich ausführlichen Artikels dieses Werkes heißt es: „Un ouvrage allemand très recommandable sous d’autres rapports, et qui a pour titre: Conversation-Lexicon, contient dans une de ses dernières livraisons une biographie du général Chlopicki, incomplète ou puisée tout entière à des sources erronées.) – Das Ausland. Ein Tagblatt für Kunde des geistl. u. sittl. Lebens der Völker (München, Cotta, 4°.) 1831, Nr. 143 [daselbst sein Porträt, 4°.]. – Biographie des hommes du jour, par G. Sarrut et B. Saint-Edme (Paris 1836, gr. 4°.) T. II. 1. Part. S. 26. – Blätter aus der Gegenwart (Leipzig, 4°.) 1831, II. Jahrg. Nr. 25: „General Chlopicki. Biograph. Skizze.“ [348]Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1846, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VII. Bd. 2. Abth. S. 391 [gibt das J. 1772 als Ch.’s Geburtsjahr an]. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden (Leipzig 1832, Brockhaus, gr. 8°.) I. Bd. S. 416. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) IV. Bd. S. 131 [nach diesem im März 1772 geb., überhaupt kommt die irrige Angabe des J. 1772 als Ch.’s Geburtsjahr oft vor]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Parie 1853) X. Bd. Sp. 340 [gibt auch irrig das Geburtsjahr 1772 und Podolien als Geburtsland an]. – Allg. Zeitung (Augsburg, 4°.) 1854, in den October-Nummern.