Aus einem Salon in Rom
[124] Aus einem Salon in Rom. (Mit Abbildung S. 121) Das alte Wort, daß Könige und Künstler erst nach dem Tode die ihnen gebührende Anerkennung finden – das französische Original läßt noch ein hauptsächlich seines Fleisches wegen geschätztes vierfüßiges Thier theilnehmen – dieses Wort findet auf unsre modernen Musiker wenig Anwendung. Staunend hat's die Welt gesehen, wie dem Einen ungezählte Herzen und Cassenschränke entgegenflogen und zur Verfügung standen, wie er fürstliches Machtgebot zum Vollstrecker seiner Wünsche fand und wie er zuletzt, dank eiserner Willenskraft, als Erneuerer olympischer Spiele der Nation seine Bühnenfeste bot.
Unbestrittenere Verehrung noch, ja Anbetung fast wurde seinem Freunde, dem großen Virtuosen Liszt, zu Theil; wenn der Meister seine Memoiren schreiben wollte, sie würden sich lesen wie ein Märchen aus „Tausend und einer Nacht“. Zwar hat er schon seit geraumer Zeit seine europäischen Siegeszüge eingestellt und läßt sich öffentlich nur noch in den seltensten Fällen und zum Besten wohlthätiger Unternehmungen hören; nur wenige Bevorzugte dürfen noch hier und da seinem Spiele lauschen und die Tradition erhalten von der wunderbar dämonischen Gewalt des Meisters über die Töne, aber unverändert geblieben, ja gewachsen ist der Zauber seiner Persönlichkeit, seines halb mythisch werdenden Namens, wo er auch auftritt. Sind es ja gleichmäßig beide Factoren, denen er den Erfolg seiner ehren- und ruhmreichen Laufbahn verdankt und den bestrickenden, unbegrenzten Einfluß auf Alle, die mit ihm in Berührung gekommen: seine Kunst und die bezaubernde Liebenswürdigkeit seines Wesens.
Alljährlich sieht Rom Franz Liszt als Gast in seinen Mauern. Während der berühmte Meister den Sommer in seiner ungarischen Heimath verbringt, widmet er der ewigen Stadt den Winter oder wenigstens einen Theil desselben, denn mit Vorliebe verweilt er in der ländlichen Zurückgezogenheit der Villa d'Este in Tivoli als Gast des seit dem Concil in Deutschland lebenden Cardinals Hohenlohe. Doch erscheint er auch oft als vielumworbener und gefeierter Stern in der römischen Gesellschaft.
Es war in einem Gesandtschaftshotel, bei einer jener Soiréen, die alle Schichten der Gesellschaft vereinigen, „vom Fürsten bis herab zum Künstler“, daß ich ihn zuerst sah. Er erschien spät am Abend mit großem Gefolge, und es war ein eigenthümlicher Anblick, wie sich der Zug durch die modernste Gesellschaft hindurchbewegte: der Maestro selbst mit dem Löwenkopfe, dem mächtigen Auge, in dem schwarzen halbgeistlichen Gewande; es folgten perlen- und diamantenstrahlende Damen, hocharistokratische Freundinnen und Verehrerinnen des Meisters, und zuletzt Schüler und Schülerinnen in theilweise phantastischer Erscheinungsform und Tracht. Das Ganze war ein Bild, würdig unsres Menzel's, und das nur von seinem geistsprühenden Pinsel wiedergegeben werden könnte; die Phantasie suchte nach einem Vergleichungspuukt und wurde unwillkürlich an einen Triumphzug des indischen Bacchus erinnert. Ebenso interessant und reizvoll war die Scene beim Aufbruch. Die ganze Gesellschaft hatte sich zusammengedrängt, und der Gefeierte, von einem seiner Schüler begleitet, mußte die Front des „versammelten Kriegsvolkes“ abschreiten, nicht anders als ein gekröntes Haupt. Aller Augen folgten den beiden Gestalten, wie sie die Flucht der glänzenden Räume durchschritten, und erst nach ihrem Verschwinden wandte sich die Aufmerksamkeit Anderem zu.
Rom.