Aus der Zeit (Die Gartenlaube 1877/25)
Es war ein Fest im Elysee.
Eins jener goldenen Feste;
Ein Blumengarten ist der Palast,
Und zahllos sind seine Gäste.
An einer Marmorsäule lehnt
Ein Mann und blickt in den Reigen;
Er ist von Huldigungen müd’;
Er möchte ruhn und schweigen.
Er schaut in eine andre Welt
Als die von Sammt und Seide –
Es steht ein Nußbaum mitten im Feld,
Bei Wörth auf der grünen Haide.[1]
Dort lehnte er einst im Pulverdampf
Und hat alle Himmel beschworen;
Dort hat er geleitet die riesige Schlacht
Und die riesige Schlacht – verloren.
Die Sage von Frankreichs Waffenruhm
Ward dort zu Grabe getragen;
Dort unter dem Nußbaum ward Mac Mahon
Zum ersten Male geschlagen.
Er lehnt an der Säule – o, wie sie all’
Dem wogenden Reigen lauschen!
Er aber hört nur den Donnerschall
Und den duftigen Nußbaum rauschen.
Rings über die Länder sinkt die Nacht,
Und still ist’s über den Welten.
Da steigt die Stimme der Völker empor
Zu den ewigen Sternenzelten:
„Jehova, Allah, dreieiniger Gott –“
So flehen die Millionen,
„Gieb uns das Leben gieb uns den Sieg,
O, laß uns herrschen und thronen!“
So ruft der Beduine empor
In der grünen heißen Oase;
Es schlummert sein Weib; es weidet sein Roß
Im glühenden Wüstengrase.
So tönt es am eisigen Jenisei
Ueber die Steppen, die fernen;
Es hallt wie ein uralter Schmerzensschrei
Empor zu den uralten Sternen.
Und der Schrei verhallt in der nächtigen Luft –
Es beten die Enkel und Ahnen;
Doch schweigend zieht der Weltgeist dahin
Die großen ewigen Bahnen.
Was ist die Erde – ob sie erblüht,
Ob sie in Nichts versunken?
Ein Tropfen im wogenden Weltenmeer,
Ein Staub, ein Atom, ein Funken!
„Jehova, Allah, dreieiniger Gott,
Hör’ unser Beten und Mahnen –“
Doch schweigend wandelt der Weltgeist dahin,
Die großen ewigen Bahnen.
- ↑ Auf dem hochgelegenen Felde bei Wörth steht ein Nußbaum, unter welchem Mac Mahon mit seinem Stabe das Treffen bei Wörth verfolgte und leitete. Der Baum, der jetzt umfriedet und von den Besuchern vielfach verstümmelt ist, heißt noch heute „l’arbre de Mac Mahon“.