Aurora
Aurora.
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Aurora beklagte sich unter den Göttern, daß sie, die von den Menschen so viel gelobt, von ihnen so wenig geliebt und besucht werde; am wenigsten aber von denen, die sie am meisten besängen und priesen. „Gräme dich nicht über dein Schicksal, sprach die Göttin der Weisheit, gehets mir anders?
Und dann, fuhr sie fort, siehe die an, die dich versäumen, und mit welcher Nebenbuhlerin sie dich vertauschen. Blick auf sie, wenn du vorbeyfährst, wie sie in den Armen der Schlaftrunkenheit liegen und modern an Leib und Seele.
Ja hast du nicht Freunde, hast du nicht Anbeter gnug? Die ganze Schöpfung feyert dir: alle Blumen erwachen, und kleiden sich mit deinem Purpurglanz in neue bräutliche Schönheit. Das Chor der Vögel bewillkommt dich: jedes sinnet auf neue Weisen, deine flüchtige Gegenwart [185] zu vergnügen. Der fleißige Landmann, der arbeitsame Weise versäumen dich nie: sie trinken aus dem Kelch, den du ihnen darbeutst, Gesundheit und Stärke, Ruhe und Leben; doppelt vergnügt, daß sie dich ungestört genießen, ununterbrochen von jener geschwätzigen Schaar schlafender Thoren. Hältst du es für kein Glück, unentweiht genossen und geliebt zu werden? Es ist das höchste Glück der Liebe bey Göttern und Menschen.
Aurora erröthete über ihre unbedachte Klage; und jede Schöne wünsche sich ihr Glück, die ihr gleich ist an Reinigkeit und Unschuld.