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Auf dem Bazar von Eriwan

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Textdaten
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Autor: Paul von Franken
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Titel: Auf dem Bazar von Eriwan
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 100–103
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[100]
Bilder aus dem Kaukasus.[1]
Nr. 1
Auf dem Bazar von Eriwan.

Nachdem wir bald in der mit Felsen wie besäeten Steppenfläche angekommen waren, deren Einförmigkeit durch hindurchgezogene Canäle und tatarische Dörfer und Gehöfte wenig unterbrochen wurde, ging es ziemlich rasch auf Eriwan, den Hauptort des russischen Armenien, vorwärts. Die Stadt selbst konnten wir wegen eines vor sie hingelagerten Felsenzuges erst sehen, als wir an das Thor gelangten, doch hielt uns dafür zuerst der als öder Kegel aufsteigende, mit ewigem Schnee bedeckte Akagös, dann aber, nachdem wir die Felsenhöhe von Eriwan erreicht hatten, der große 16254 Fuß hohe Ararat schadlos. Von der grandiosen Majestät, mit der sich dieser Bergriese aus der unabsehbaren Steppenfläche erhebt, vermag kaum ein ausgeführtes großes Farbenbild eine genügende Vorstellung zu geben. Wir halten dazu das Glück, diesen weltberühmten Bergkegel in der günstigsten Herbstbeleuchtung zu sehen, bei der allein es möglich ist, ihn bis zum Gipfel mit voller Schärfe und Klarheit zu überblicken, denn in den andern Jahreszeiten lagern entweder dichte Wolkenmassen, welche ihn wie ein ungestalteter Gürtel umgaben, um die Gegend der Schneelinie, oder es umflattern leichte, weiße Gewölle die zierlich in den Aether sich aufbauende Spitze und beeinträchtigen dadurch den Totaleindruck.

Ich hatte von dem Staatsrathe Grafen Salagub Briefe an den Gouverneur, bei dem ich wohnen sollte, und der mich auch später mit einer solchen Gastlichkeit empfing, daß er mich in Wahrheit sein Haus wie das meinige ansehen ließ. Doch während meines ersten Aufenthaltes in Eriwan trafen wir ihn nicht daheim, weshalb Tscherkow, der Flügeladjutant des Kaisers, mein liebenswürdiger Reisegesellschafter, mich zu dem Prinzen Emil von Sayn-Wittgenstein mitnahm, dem er mich ohne Weiteres vorstellte, obgleich ich noch in meinen unförmlichen Reisepelzstiefeln stak und überhaupt nicht so angethan war, wie es nach europäischen Begriffen für eine erste Staats-Visite unumgängliches Erforderniß ist. Der Empfang war trotzdem ein sehr wohlthuender und vielleicht um so mehr, je weniger das conventionelle Ceremoniell hierbei gewahrt wurde, denn auch der Fürst erschien in weiten Morgenbeinkleidern und einer rothen Jacke. Fieber und Reisestrapazen hatten mich so angegriffen, daß ich mich bald in das mir eingeräumte Schlafzimmer begab, dessen große Spiegel, Mahagonimöbel, schwere Teppiche und Vorhänge wenig an den Kaukasus erinnerten. Nur in dem Bettgestell befanden sich nach hiesigem Gebrauche keinerlei Betten, das harte Holz war Alles, worauf auch ich hätte liegen müssen, wenn ich mit Decken und Kissen nicht selbst versehen gewesen wäre.

Eriwan lernte ich bei diesem ersten Besuche wenig kennen, da ich eilte, in das nahe türkische Gebiet zu gelangen, um möglichst ungestört durch Kriegsgetümmel meine Studien zu machen. Der Fürst, Oberst des Regiments, das vor Bajaset stand, der Adjutant des Gouverneurs und mehrere Andere schlossen sich von Eriwan aus der Expedition an. Da sie zu Pferde reisen wollten, so fuhr ich in meiner Civilkleidung im Tarantast allein voraus und hatte dadurch wieder das Schicksal, Ursache einer komischen Verwechselung zu werden. Die hundert Mann Escorte nämlich, welche dem Prinzen und Tscherkow das Geleit zu geben bestimmt waren, Perser und Tataren in ihren reichen und malerischen Parade-Costümen, darunter Beys und andere Große, hielten mich für den geheimen Oberen unserer ganzen Gesellschaft und umritten auf ihren prächtig aufgeschirrten, flinken Pferden stundenlang meinen Wagen, in welchem ich mich behaglich ausdehnte. Bald kam der, bald kam jener salutirend herangesprengt, und da ich der Sprache nicht mächtig war, so mußte ich mir wohl oder übel die mir widerfahrene Ehre gefallen lassen. Auch war der Anblick der wilden, echt orientalischen Cavalcade für mich als Maler viel zu interessant, als daß ich ihn durch eine voreilige Bescheidenheit unterbrechen konnte. Der Kutscher mit dem ehrwürdig langen Barte und mein verschmitzter Kosak drehten sich wohl einmal mit halbem Lächeln nach mir um, doch wagten sie nicht den Irrthum zu heben und die mir erwiesenen Ehrenbezeigungen dem nachgehenden Fürsten zuzuwenden, dem sie ohne Zweifel viel zu lästig waren, um sie mir nicht zu gönnen.

Wir lassen das Weitere der Reise nach Bajaset unsern Gewährsmann in einer spätern Nummer erzählen und begleiten ihn dafür nach seiner Rückkehr nach Eriwan auf seinen Ausflügen durch die Stadt. Noch vor der Stadt sollte er zu einem Reisegefährten kommen, dessen Bekanntschaft ihm nützlich ward. Er erzählt:

Beim Souper wurde mir ein Armenier vorgestellt, der fließend französisch sprach, angeblich in Marseille gewesen war und, nachdem er den französischen Consul von Tiflis bis zur türkischen Grenze begleitet hatte, sich jetzt in ziemlich armseligen Verhältnissen auf dem Rückwege nach Tiflis befand. Ich nahm den armen Teufel mit in meinen Wagen, da ich mir von ihm, wenn auch nicht gerade die beste Gesellschaft, doch allerlei gute Dienste versprechen durfte. Er war der Landessprache nicht blos mächtig, sondern auch in den feineren Verkehrskünsten seinen Landsleuten gewachsen, so daß ich mit ihm reisend die Hoffnung hatte, weniger geprellt zu werden. Schon die erste Nacht war er mein Stubencamerad, und da entdeckte ich denn auch bald, weshalb manche seiner Bewegungen etwas genirt gewesen waren. „Der Zahn der Zeit hat Ihnen den Boden aus Ihren Unaussprechlichen genagt,“ bemerkte ich ihm. „Ach was!“ versetzte er mit gutem Humor auf meine Bemerkung ein gehend, „sitzen die Zähne der Zeit auf den Rücken der Kameele? Das Reisen und Rutschen auf diesem Wüstenschiffe ist schuld, ich bin leider nicht im Besitz eines besseren Paares, sonst würde ich denselben jetzt den Vorzug geben, selbst meine Wäsche ist gedunkelt, Herr Maler, aber große Geister stört das nicht.“ Damit wünschte er mir gute Nacht. Doch was mußte ich an meinem drolligen Armenier erleben, als es 12 Uhr war? Er erhob sich, zündete

[101]

Basar von Eriwan mit der großen Moschee und dem Ararat.
Nach der Natur aufgenommen von Paul Franken.

[102] Licht, dann – eine Pfeife an und rauchte zwei Stunden. Keine Protestation half. Das sei seine Gewohnheit, betheuerte er mir, er könne nicht leben, wenn er um diese Zeit nicht rauche, ich müsse mir das schon gefallen lassen. „So rauche denn“, erwiderte ich ihm, „doch lösche das Licht aus, damit ich schlafen kann.“ „Herr Maler,“ war seine Antwort, „sie sind kein Raucher, sonst würden Sie wissen, daß man den Dampf auch sehen muß, wenn die Pfeife ein Genuß sein soll.“ Ich ließ ihn nach diesen Argumentationen gewähren und lag bald in gutem Schlafe, war ich doch wieder in Eriwan.

Der erste Eindruck, den diese ehemalige Hauptstadt von Persisch-Armenien macht, ist kein günstiger; die Straßen sind ungepflastert und schmutzig, die Häuser klein und niedrig und noch dazu hinter zaunartigen, lehmfarbigen Mauern versteckt. Kommt man jedoch aus den Ebenen des Araxes oder den eintönigen Weg von Nakschirwan heraus, welches als Grenzort gegen Persien zwei Tagereisen weit nach Südosten liegt, so empfängt man in dem Anblick der in vielen Abtheilungen am Fuße einer Hügelreihe zwischen Gärten herumliegenden Stadt einen sehr wohlthuenden Eindruck, wiewohl der Ruf ihrer Unüberwindlichkeit sich in keiner Weise bestätigt. Die eigentliche Veste ist einige hundert Schritt von der Stadt entfernt und wird an der einen Seite als schroffer Fels von der Sanga bespült, wogegen sie auf der andern nur einen trocknen Graben und eine doppelte Reihe von Erd- und Lehmwällen besitzt, welche durch eine vierundzwanzigstündige tüchtige Kanonade der Erde gleich gemacht werden könnten. Doch hat der dreimalige vergebliche Sturm der Russen, die hier den siebenzigjährigen, aber höchst tapfern Hussein Khan sich gegenüber fanden, sehr viel zu diesem Rufe beigetragen, zumal dem Sieger Paskjewitsch darnach der Name Eriwansky ward. Wo früher die alten Sadare der Grenze in orientalischer Pracht zu schwelgen pflegten, ist von den Russen jetzt ein Lazareth bestellt. Nur ein einziger gewölbter großer Saal, der allerseits mit Spiegelglas ausgelegt ist, erinnert durch seine Bildnisse vieler berühmter persischer Schah’s und Heerführer, sowie durch Wandverzierungen anderer Art, seine rothseidenen Vorhänge und runden, farbigen Glasscheiben an die vormalige Größe seiner Bewohner. Eriwan hat jetzt etwa 15,000 Bewohner.

Am andern Morgen war mein Armenier noch mit einigen Künsteleien beschäftigt, durch die er seine Rockschöße veranlassen wollte, den Schaden, welchen seine Pantalons auf dem Kameelrücken davon getragen hatten, freundnachbarlich jedem neugierigen Auge zu entziehen, als ich mich schon auf den Bazar von Eriwan begab. Die Bazars großer Städte sind meist die Brennpunkte des orientalischen Lebens und zeigen dasselbe in seiner originellsten Weise. Nicht selten sind es vielfach verzweigte bedeckte Passagen, zu deren beiden Seiten Bilden, Schuppen, Magazine und Kaffeehäuser hinziehen, und in denen Alles, was zum Lebensgenuß und Lebensverkehr gehört, zum Verkauf aufgestapelt ist. Die Buden sind eng und schmal; vor ihnen sitzt der Verkäufer mit untergeschlagenen Füßen, die Pfeife im Munde, das Wasserrohr zur Seite. Die Magazine enthalten die verschiedenartigsten Waaren. Eine Menschenmasse treibt sich den ganzen Tag auf dem Bazar herum und liefert die anziehendsten Motive für den Pinsel des Malers. Bey’s und Aga’s in reicher Kleidung, den reichverzierten Säbel an der Seite, den von Diamanten blinkenden Dolch im Gürtel, begeben sich in die Kaffeehäuser, um sich auf die vor denselben ausgebreiteten Divans niederzulassen und rauchend und Kaffee schlürfend einen Theil des Tages zu verplaudern. Hier, sowie nicht selten in den nahegelegenen Moscheen werden auch ganz im Stillen die Revolutionen und Angriffe verabredet, die plötzlich losbrechen und den Orient in Verwicklungen aller Art stürzen. Innerhalb der großen Bazars hat jede Art von Handel und Gewerbe ihr besonderes Viertel. Hier die Waffenhändler mit den schönsten Säbelklingen von Khorassan, dort die Goldschmiedearbeiten, die Juweliere mit Perlen und geschliffenen Steinen, da die Sattlerarbeiten, Sattel in allen Farben und reichster Verzierung, kostbare Schabracken, Zäume und Halsriemen mit Troddeln und endlich außer vielem Anderen die Buden der Eßwaarenhändler.

Der Bazar von Eriwan unterschied sich wesentlich von dem von Tiflis und nahm mein Interesse im höchsten Grade in Anspruch, sowohl wegen der malerischen Motive, an denen er überreich ist, als auch wegen der ganz vorzüglichen Früchte, die hier feil geboten wurden. Mehr als durch die unvergleichliche Augenweide wurde ich durch den über alle Beschreibung süßen und aromatischen Geruch entzückt, den die hoch in Körben und auf dem Boten aufgestapelten Pfirsichen und Melonen (Dutma), verbreiteten. Es ist viel gesagt, aber wahr, daß ihr Duft trotz der vielerlei unangenehmen Dünste dieses, wie wohl jedes Bazars, der vorherrschende war und mich noch mehr, als ihr liebliches Aussehen, zu verlocken drohte, den dringenden Warnungen meines Freundes Hofrath Dr. Roth in Tiflis ungehorsam zu werden und diese für den Fremden so gefährlichen Leckerbissen zu versuchen. Doch ich widerstand den Versuchungen siegreich und freute mich der Pracht der herrlichen Früchte. Trauben zur Kelterung werden hier, wo der Islam dem Weinbau entgegen ist, nur wenig gezogen; was ich sah, waren Tafeltrauben, aber welche Trauben! Jede Beere groß wie eine Pflaume und in allen Farben: weiß, gelb, violett, röthlich, schwarz und von der zartesten, wie mit Duft und Schmelz überzogenen Haut. Dieses herrliche Obst bildet mit einem trefflichen Brode die Hauptnahrung der Bevölkerung von Eriwan. Schwerlich kommt auf die Tafeln unserer Fürsten so liebliches Obst. Das Brod ist dem jüdischen Osterkuchen ähnlich, aber wohlschmeckender, weil es gesalzen und frisch genossen wird.

Der Prinz und Tscherkow, welche auch auf dem Bazar lustwandelten, theilten meine Ueberraschung über das mannigfaltig Interessante des Platzes. Wir mischten uns unter die Gruppen, um sie ungestörter belauschen zu können. Hier Schmaußende, die für ein oder zwei Pfennige nach unserem Gelde ihre Mahlzeit einkaufen; zuerst ein flaches, frisches Brot, dann etwas Obst, das sie malerisch und oft sogar anmuthig daher trugen, um es in irgend einem Winkel niedergekauert zu verspeisen; dort Plaudernde, mit einem Eifer, einem Gebehrdenspiel und einer so lebhaften Gesticulation Plaudernde, als handele es sich um das Heil der Welt; dort Handelnde, denen man ansah, daß, wie bei uns, Käufer und Verkäufer nur darauf bedacht waren, einander gegenseitig zu übervorteilen; da endlich ganze Haufen Indifferenter, Indolenter, Schlafender. Die Buntheit des Marktgewühls wird um so vorstellbarer, wenn ich hervorhebe, daß nicht blos die Früchte und Landeserzeugnisse ziemlich der ganzen Levante auslagen, sondern auch die interessantesten orientalischen Stämme in ihren echten Nationalcostümen vertreten waren, besonders Armenier, Türken und Perser, die zum Theil Eriwaner waren, dann viele Tataren und Kurden, welche das Bedürfniß eines Marktes zum Einkaufen und Verkaufen hergezogen hatte. Eine Kurdenfamilie bot Schafe aus, unter denen ein prächtiges, schwarzes Thierchen, ein sogenanntes Astrachanschaf, besonders ausgezeichnet war. Ich fragte nach dem Preise und erfuhr, daß es sechzig Kopeken, also etwa zwanzig Silbergroschen, kosten solle, während das herrliche Fell allein bei uns mehrere Thaler werth sein würde.

Ich hatte mehr malerische Motive gesehen, als ich zeichnen konnte, und schlenderte deshalb am andern Morgen sofort wieder auf den Bazar. Mein Armenier begleitete mich und führte mich in ein türkisches Kaffeehaus, das sich aber von denen in Constantinopel, die jeder Reisende kennt, wenig unterscheidet. Der edle Trank wird schwarz genommen, die Türken verspeisen auch den Bodensatz und rauchen dazu, meist in stumpfsinnigem Hinbrüten, ihren Stambulk oder Papier-Cigarren. Neu war mir das Innere des Bazars, wo mehr die täglichen Bedürfnisse an Kleidern und Haushaltungsgegenständen auslagen und wo ich meinen Plan ausführen konnte, mir einige echt türkische, tatarische und andere Waffen und Nationalcostüme zu erhandeln, sowohl um sie vor der Hand selbst zu tragen, als um sie für meine Costüme-Sammlung später mit nach Europa zu entführen. In einem Pelzladen erhandelte ich um ein Geringes eine persische und tatarische Pelzmütze, die mir auf meinen späteren Reisen über den Pontus und durch Rußland vortreffliche Dienste geleistet haben; in einem Kurdenzelte echt türkische Jacken, Pantalons, Stiefeln und einen Turban, der, von dem türkischen sehr verschieden, eine zuckerhutähnliche weiße Filzmütze ist, bis an die Spitze mit farbigen Tüchern umwunden. Mir fehlte noch ein Aba, ein Kurdenmantel, und da ich nach einem nagelneuen kein Verlangen trug, weil die steif sind wie Pappe und sich nicht zu malerischer Drapirung eignen, so sah ich mich nach einem schon getragenen um. Und glücklich sehe ich sofort einen Kurden, der einen Mantel trug, wie für eine Costümkammer gemacht, mit einem Armenier im eifrigen Gespräche nahe vor mir. Mein Begleiter mußte ihn fragen, was der Mantel koste. Der Kurde sah uns aber nicht an, und unterbrach sein Gespräch [103] nur dadurch, daß er auf meine Frage „Vier Rubel!“ antwortete. Mein Begleiter versetzte: „Der ist zu theuer, drei Rubel ist genug.“ „Nein, vier!“ war die lakonische Antwort, worauf ich ihm vier Rubel hinreichte. Sie nehmen, prüfen und einstecken, war Eins, und sein Gespräch in eifriger Weise fortsetzend, knöpfte er oben vom Halse den Mantel los, daß er ihm von den Schultern in den Staub glitt. Ich glaube, daß er hieraus auch nicht die geringste Notiz mehr von uns nahm. Langsamer und fast majestätischen Schrittes strich er mit seinem Begleiter zwischen den Kramläden weiter dahin, und wollte ich meinen Mantel haben, so mußte ich ihn selbst vom Boden aufheben. Das that ich dann, reinigte ihn vom Staube und – noch jetzt trage ich das bequeme, warme Kleidungsstück, wenn der rheinische Herbstnebel ernsthafteren Schutz nöthig macht, als ihn ein – deutscher Schlafrock leistet.

Es war Morgens gegen elf Uhr, also die Zeit des zweiten Frühstücks herangekommen, und mein Armenier und ich verspürten dies um so mehr, als uns aus den Garküchen des Bazars ein besonders leckerer Fleischgeruch entgegenkam. Wir machten also Halt und traten an einen der aus Latten und Schilf errichteten Läden, vor denen das Heerdfeuer stets im Gange erhalten wird.

„Macht uns Kebab,“ redete ihn mein Begleiter an, „und gebt uns dazu frisches Brod!“ Geschäftig, aber ohne eine Miene zu verziehen, machte sich der Wirth sofort an das Werk; er war Perser, die Mütze, die er amtsmäßig auf dem Kopfe zurecht schob, war die hohe Persermütze, dann strich er den ebenso wie seine Fingernägel zinnoberroth gefärbten Bart, wusch die Hände und trocknete sie auf’s Sorgfältigste. Aus einer neben ihm stehenden Schüssel nahm er nun das schon zu haché zerhackte und gewürzte Schaffleisch, formte es mit großer Virtuosität zu zwei Finger langen und zwei Finger breiten Stücken und faltete deren etwa je zehn um messerklingenartige Eisenstäbe. Diese legte er über die Steinwände seines Holzkohlenfeuers und während er sie mit der Rechten fleißig hin und her wendete, damit der Kebab auf allen Seiten gleichmäßig gar werde, wedelte er mit einem Fächerchen, das er in der linken Hand hielt, den Dampf des in die Kohlen träufelnden Fettes bei Seite, um jeden brandigen Beigeschmack zu verhüten. In einigen Minuten war der Kebab fertig und wurde uns, auf frischgebackenes Brod gelegt und mit dem säuerlichen Granatenpulver leicht bestreut, zum Verspeisen hingereicht. Wir aßen mit bestem Appetit und nach Herzenslust und ich glaubte, nie etwas Leckereres als Frühstück gehabt zu haben. Bei solchem Kebabmahle aus der Faust dient das Brod nicht blos mit als Speise und als Teller, sondern endlich auch als Serviette, um Mund, Bart und Hände vom Fett zu reinigen. Wer nichts umkommen lassen will, verspeist zuletzt dann also noch Teller und Serviette. Wir aber hatten überhaupt mehr all dieser guten Sachen erhalten, als wir trotz ihres Wohlgeschmacks und unseres Appetites genießen konnten; es blieb noch ein gut Theil übrig, und trotzdem hatte ich nicht mehr als nach unserm Gelde einige Pfennige zu verspeisen gehabt. „Wollt Ihr nun nicht auch noch Ploff?“ fragte der Garkoch und zeigte auf eine Schlüssel mit einer Reisspeise, die auch nicht unappetitlich erschien. Wir dankten aber und setzten unsere Streifereien fort.

Auf einer Ecke des Bazars hatte ein Mirza Posto gefaßt, ein ähnlicher öffentlicher Schreiber wie Bodenstedt’s Mirza Schaffy und kaum unbedeutender als Schaffy, den ich sehr wohl gekannt habe und von dem man in Tiflis so wenig Notiz zu nehmen Ursache hatte, daß er starb und begraben wurde, ohne daß auch nur ein Hahn danach krähte. Wird dem Bodenstedt’schen Schreiber Schaffy ein Platz in der Literaturgeschichte eingeräumt, so wisse also hiermit Jedermann, daß auch dieser Platz Niemandem gebührt, als dem geistreichen Bodenstedt, der den armseligen Schaffy nur benutzt hat, um seine Zuckersachen, die oft über scharfe Pfefferkörner gebacken sind, scheinbar anspruchsloser auf unsern Markt zu bringen. Der Mirza auf dem Bazar von Eriwan trug zum Zeichen, daß er schon nach Mekka gewallfahrtet war, einen grünen Turban und schien überhaupt ein Mann von Welt, denn er hatte in mir gleich den weither gekommenen Ausländer erwittert, lächelte mir freundlich zu und winkte mich endlich an seinen Schreibladen heran. Was er ausbot an Schriftstücken, blieb mir unverständlich, weil es türkisch oder arabisch war, hauptsächlich Koransprüche und einige Lieder. Auch sein russisches Kauderwälsch konnte ich nur mit Mühe verstehen, weshalb ich mich bald von ihm losmachte und in seiner Nähe einen geeigneten Punkt zum Zeichnen aufsuchte. Aber war mir meine europäische Kleidung schon lästig, weil sie die Augen des neugierigen Volkes reizte und mich bei den Vornehmen als hohen Beamten erscheinen ließ, so war mein Zeichnen jetzt vollends Anlaß, daß ich gleich einem Verkäufer umlagert war und vor der Unmasse gaffenden Volkes nicht den geringsten Blick auf die Gegenstände frei hatte, die ich zeichnen wollte. Zum Glück trieb sich auch mein Kosak auf dem Bazar herum. Ich winkte ihn heran und ließ mir von ihm, wie man sich wohl sonst die Mücken verscheuchen läßt, wenigstens so viel freien Raum machen, daß der Blick auf den entfernten Markttrouble, die Festung und den Ararat im Hintergründe frei wurde.

Nachdem ich schließlich noch ein Pulverhorn gekauft hatte, und einen großen Kindschall oder Dolch, persische Strümpfe, Stiefelchen und allerliebste Damenpantöffelchen, ging ich mit meinem Armenier in das Hotel des Gouverneurs zurück. Eben setzte man sich zur Mittagstafel, und mein Armenier zeigte, daß trotz des Kebabs sein Appetit wieder ganz vortrefflich war.

  1. Wir erlauben uns, unsere geehrten Leser auf diese Fragmente besonders aufmerksam zu machen. Dieselben sind dem in Kurzem erscheinenden größeren Werke entnommen: „Acht Jahre im Kaukasus, Reiseskizzen vom Maler Paul Franken, herausgegeben von Dr. Schauenburg.“ Mit zahlreichen Originalabbildungen. – Der Reisende, ein rheinischer Künstler, hat den Kaukasus in den verschiedensten Richtungen durchkreuzt, zum Theil im Auftrage des Grafen Salagub, alle denkwürdigen Schlachtfelder für das von der russischen Krone bestellte Werk über den orientalischen Krieg zu malen, und bereitet jetzt, nachdem er vor einigen Monaten zurückgekehrt ist, die reichen Schätze seiner Skizzenhefte zur Veröffentlichung vor. – Außer diesen Reiseskizzen beabsichtigt er ein größeres Prachtwerk, eine „Kaukasus-Mappe“, in photographischen oder Farbendruckblättern zu veranstalten, das weiter dazu beitragen soll, diesen interessanten Theil des Orients, in dem der Kampf zwischen dem griechischen Kreuze und dem türkischen Halbmonde, zwischen Civilisation und Barbarei früher oder später wieder entbrennen muß, unserer genaueren Kenntniß aufzuschließen.
    Die Red.