Auch eine Dotation
Ein deutscher Lenz! Von heller Lerchenweise
Vom Schlaf geweckt, so steigt er neu empor;
Mit gelben Himmelsschlüsseln schließt er leise
Uns auf des Rosenreiches gold’nes Thor.
O, welch’ ein wonnig Duften dort und hier!
Es ist der hohe Festtag für den Dichter
Der deutsche Lenz in seiner Blumenzier!
Ein deutscher Dichter späht umher vergebens
Ein Dichter, nah’ dem Abend seines Lebens,
Darf nicht den Frühling in der Heimath schau’n!
Ihm hüllen dumpfen Dampfes dichte Massen
Das lichte Blau des Frühlingshimmels ein;
Vom frühen Morgen bis zum Abendschein!
Er, der das Lied sang zarter Blumengeister,
Der uns des Südens glühend Reich erschloß,
Er, den die Welt ehrt als den Sängermeister,
Er sieht am Rheinstrom nicht die Reben blühen,
Sieht nicht Westphalens Eichenforst und Tann;
Er kämpft um Brod, er kämpft mit sauren Mühen
Bei fremdem Volke, ein verbannter Mann!
Verbannt in Englands Nebelqualm und Rauch!
Noch grünt dein Saatfeld, liebe, deutsche Erde!
Trägst du nicht Korn für deinen Dichter auch?
Verbannt der Dichter, weil er Wort geliehen
Du sollst ihn liebend an den Busen ziehen
Den deutschen Dichter, deutsches Vaterland!
Er blieb dir treu in jeglichem Gedanken,
Dir schlägt sein Herz, wie es dir immer schlug.
Und Saaten in dem deutschen Land genug.
Ruf’ ihn zurück, der lang an Babels Bächen
In stummem Leid gerungen und geschafft!
Ruf’ ihn zurück, eh’ ihm die Jahre brechen
Er hat gebaut dir hohe Liederdome,
Sein ganzes Leben galt dir einzig nur!
O, ruf’ ihn heim vom gelben Themsestrome,
Bau’ ihm ein Hüttchen auf der deutschen Flur.
Nicht sei sein Grab dereinst am fremden Strand!
O, flicht zum Lorbeer nun des Glückes Rosen
Um’s Haupt des Dichters, deutsches Vaterland!
Für Ferdinand Freiligrath, für den edlen Dichter eines großen Volkes, ertönt unser Ruf. Sein Name ist bekannt, so weit die deutsche Zunge klingt, denn seine Lieder leben im Herzen unseres Volkes.
Sein Lebenslauf ist kein froher und sorgenfreier gewesen. Nach den Jahren der Bewegung, die auch ihn aus dem Volksleben herausrissen, die seinen regen Geist mächtig erfaßten, war er gezwungen das Brod der Verbannung zu essen. Ein bitteres Loos für einen deutschen Dichter! Auf englischem Boden gelandet, belastet mit der Sorge um eine zahlreiche Familie, begann sein Kampf um die Existenz. Er hat ihn tapfer durchgeführt. Indem er sich seinem Berufe, seinen Pflichten gegen Weib und Kind ausschließlich widmen mußte, lehnte er seine Leier an die Seite und nur selten noch entlockte er ihr Töne, die dann aber hinüberklangen über den Canal und Wiederhall fanden im deutschen Lande.
So hat er die Herzen unserer Jugend entflammt, so hat er in unser aller Brust zu erhalten gewußt die Frische und Begeisterung für das Gute, Edle und Schöne, ohne welche der Genius unseres Volkes das hohe Ziel der Größe unseres Vaterlandes, welches heute nicht allein mehr in unsern Hoffnungen lebt, niemals erreichen würde.
Das Ziel, nach dem er unter angestrengter Arbeit strebte, hat er nicht erreicht. Nach fast zwanzigjährigen Mühen und Sorgen auf fremder Erde, am Abend seines Lebens stehend, schaut er in eine ungewisse, unsichere Zukunft.
So wenden wir uns an die deutsche Nation. Ihre Pflicht ist es, dem ergrauten Dichter die Lebenssorgen zu erleichtern und ihm dadurch den Dank und die Anerkennung seines Vaterlandes darzubringen.
Wie oft ist es unserm Volke vorgeworfen worden, daß es die Todten zu feiern, den Lebenden nicht zu huldigen weiß! Die eigenen Worte Freiligrath’s rufen wir ihm zu:
O lieb’, so lang Du lieben kannst!
O lieb’, so lang Du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo Du an Gräbern stehst und klagst!
Es sei ein Weck- und Mahnruf!
Die Unterzeichneten, persönliche Freunde des Dichters aus dem Wupperthal, in welchem er einige Jahre seines Lebens verbrachte, sind zunächst zusammengetreten, um die Initiative zu einem Nationalgeschenk für Freiligrath zu ergreifen. Sie fordern die Freunde und Verehrer des Dichters auf, in allen Städten Special-Comités zu gleichem Zwecke zu bilden, oder sich dem hiesigen Comité anzuschließen. Zugleich ersuchen wir alle Zeitungs-Redactionen um gütigen Abdruck dieses Aufrufs und um Entgegennahme von Beiträgen.
Wir hoffen somit in den Stand gesetzt zu werden, dem verdienten Manne zu seinem Geburtstage im Sommer oder spätestens zu Weihnachten einen ansehnlichen Fond übergeben zu können – im Auftrage der Geber und im Namen des deutschen Volkes.
Barmen, im April 1867.
Es ist uns von ebengenanntem Comité der ehrenvolle Auftrag geworden, mit dem Aufrufe zur Stiftung einer National-Dotation für Ferdinand Freiligrath in der Gartenlaube zuerst an die Oeffentlichkeit zu treten. Indem dies hiermit geschieht, schließen wir uns den Worten der Barmer Freunde des Dichters mit ganzem Herzen an. Wir wenden uns vor Allem an die deutsche Familie allerwärts, in deren Lebenskreise der Dichter so herrliche Perlen gestreut; an die deutschen Patrioten, deren Edelster Einer der Dichter selbst ist; an die deutschen Sänger und Sängerbünde, welche Freiligrath’s Lieder so oft mit Begeisterung gesungen: Jedermann, dem je der Dichter einen Augenblick verherrlicht und die Seele erhoben, hat das Recht und die Pflicht, Mitgenosse dieser Dotationsstiftung zu sein.
In Rheinlands Metropole steht an der Spitze des Comités: Classen-Kappelmann.
Für diejenigen unserer Leser, denen des Dichters letzte Schicksale unbekannt sind, bemerken wir ausdrücklich, daß nur fremde Schuld, daß das plötzliche Aufhören des Geschäfts, dem er Jahre lang seinen ganzen Fleiß gewidmet hatte, ihn und seine Lieben schwerer Sorge überantwortet, und daß um so lauter die Theilnahme für den rastlosen Mann und den edlen Dichter zu sprechen hat.
Die Redaction der Gartenlaube bietet freudig die Hand zur Durchführung auch dieses nationalen Unternehmens und wird Dotationsbeiträge annehmen und öffentlich quittiren.