Arme Leute – fromme Leute
(Mit Abbildung, S. 619.)
Es wandelt vom Kloster am Felsenrand
Ein geistlich Paar herab in’s Land.
Sie schauen mit leuchtendem Augenstrahle
Die Kirchlein und Klöster der Höhen und Thale.
Auch der Hütten der Armuth haben sie Acht –
Denn ihr liebster Spruch wie gestern so heute
Ist: „Arme Leute – fromme Leute.“
Da ächzt bergauf ein schwer Gefährt.
Ein Mütterlein alt, ein Weib mit dem Kind,
Ein Mann und ein Bub’ Zugthiere sind.
Gleich öffnet sich der geistliche Mund:
„Gesegn’ Euch der Herr die glückliche Stund’!
„Ihr frei von Eures Nächsten Neid!“
Der Mann, die Noth im Angesicht,
Demüthig lüpft er den Hut und spricht:
„O, bittet für uns die heil’ge Marie,
„Der die Last aufleget, ist Gott der Herr!
„Drum hilft kein Beten, drum hilft nur: Zerr’!“
Da murmelt der Bub’ in zornigem Muth,
Barfüßig, die Feder keck auf dem Hut:
„Und Euch das neidlose Glück verleihn –
„Daß auch Ihr müßt zerren, ihm zur Freude,
„Als arme Leute – fromme Leute!“
Wie dringt des Lichts unaufhaltsamer Schein
Es bohrt und bohrt sich Riß um Riß
Selbst in tirolische Finsterniß! –