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Anfang des dramatischen Märchens Fortunatus und seine Söhne

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Textdaten
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Autor: Thomas Dekker
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Titel: Anfang des dramatischen Märchens Fortunatus und seine Söhne
Untertitel:
aus: Wünschelruthe - Ein Zeitblatt. Nr. 21, S. 82/83; Nr. 22, S. 85-87.
Herausgeber: Heinrich Straube und Johann Peter von Hornthal
Auflage:
Entstehungsdatum: 1600
Erscheinungsdatum: 1818
Verlag: Vandenhoeck und Ruprecht
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Erscheinungsort: Göttingen
Übersetzer: Friedrich Wilhelm Valentin Schmidt
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[82]
Anfang des dramatischen Märchens
Fortunatus und seine Söhne,
von Thomas Dekker.
Im Jahr 1600 aufgeführt vor der Königin Elisabeth.
Aus dem Englischen
von F. W. Val. Schmidt.

(Eine Abhandlung über den Grundgedanken dieses Märchens, über die verschiednen Darstellungen im Morgenlande und Abendlande in der 1001 Nacht, den Grimmschen Kindermärchen, im Volksbuch, bei Hans Sachs, im altdeutschen Theater (von Tieck), und von Tieck wird die Uebersetzung begleiten).




(Ein wilder Wald; Fortunatus (ein Alter), der sich verirrt hat, ärmlich gekleidet, geht einige Mal über die Bühne, und knackt Nüsse. Dann spricht er):

     Fortunatus. Heda! He! He! He!
     Echo. He! He! He!
     Fortun. Höre du da!
     Echo. Höre, du da!
     Fort. Wenn du ein ordentlicher Kerl bist, so sag mir, wie nennst du diesen Wald?
     Echo. Diesen Wald.
     Fort. Ja, diesen Wald; und wie wäre ich am besten heraus?
     Echo. Am besten heraus.
     Fort. Ha! ha! ha ! das ist wahr, am besten heraus wäre ich, wenn ich heraus wäre. Aber wie ich zu diesem Auskommen kommen kann, daß weiß ich bei dieser Made (er zeigt auf eine aufgeknackte Nuß) nicht. Hieran erkenn ich, wir sind alle Speise für die Würmer. - Nun, ich bin recht arm, und recht geduldig; Geduld ist eine Tugend; wollte Gott, ich wäre nicht tugendhaft, das heißt, nicht arm; vielmehr reich an Lastern, das heißt reich an Geldstücken. Freilich bin ich wohl reich an Stücken; nämlich mein Rock ist ganz in Stücken, so daß ein einäugiges Pferd mich ganz durchschauen kann. Ich habe lange geseufzt, und das macht mich windig; ich habe lange gefastet, und das macht mich keusch; wahrhaftig, ich habe wenig gebetet, und das macht mich immerfort in diesem Zauberkreise tanzen; ich bin lange gewandert, und das macht mich müde; was meine Müdigkeit betrifft, so will ich mich sogleich nieder legen; statt zu fasten will ich Nüsse speisen; statt zu seufzen, will ich lachen und mager sein. Hör Echo!
     Echo. Hör Echo!
     Fort. Da hast du eine Nuß!
     Echo. Da hast du eine Nuß!
     Fort. Knacke sie auf!
     Echo. Knacke sie auf!
     Fort. An den Galgen mit dir!
     Echo. An den Galgen mit dir!
     Fort. Du bist ein Schuft! ein Schuft!
     Echo. Ein Schuft! ein Schuft!
     Fort. Ha! Ha! Ha!
     Echo. Ha! Ha! Ha!
     Fort. Nun, so lachen zwei Narren über einander. Ich lache über mein schwatzhaftes Mütterchen Echo, und sie über mich. Bald wird ein alberner Wisch im Druck erscheinen, über den alten verlegnen irrenden Ritter, womit ich gemeint bin. Ich möchte wohl das Buch sein: denn, dann wäre ich gewiß herausgekommen, nämlich von hier.

[83]

Ich müßte einen guten Kriegsmann abgeben - denn ich kann meine Stelle unvergleichlich behaupten. Meiner Treu, ich sehe weder Freunde noch Feinde, nichts als Spechte und Eichkätzchen und Affen und Eulen und Dohlen und Bachstelzen: das ärgste aber ist, daß keiner von diesen Grasfressern meine Sprache reden kann, nur bloß diese Närrin, die mich zum besten hat, und geschworen, daß sie das letzte Wort haben will, meinen Zähnen zum Trotz. Nun, sie soll es haben, weil sie ein Weib ist. Diese Art Geschöpfe sind doch lauter Echo; nichts als Zunge. Sie sind wie die große Glocke auf den Michaelis-Thurm in Cyprus, die den meisten Lärm macht, wenn die Leute am liebsten schlafen möchten. Echo, hol dich der Teufel, weil du mich verhöhnst.
     Echo. Hol dich der Teufel, weil du mich verhöhnst!
     Fort. Immer zu, Wischewasche! der Krieg hat ein Ende. Aber diese Wildniß ist eine Welt ohne Ende. Sieh einer an, wie Reisen einen umgestalten kann! Meine Zähne find zu Nußknackern geworden. Tausend gegen eins, ich muß nächstens ausschlagen, denn ich bin inwendig ganz vollgepfropft mit Kernen. Wenn ich noch drei Tage in dieser Hecke voll Kuckucksnestern herum springe, werde ich wahrhaftig zum wilden Mann; und sie werden mich miethen, um Schwärmer unter das Volk an einem feierlichen Tage zu werfen. Inzwischen will ich, ohne weitere Umstände, hier liegen. Lebe wohl, Narr!
     Echo. Lebe wohl, Narr!
     Fortun. Sind das nicht tröstliche Worte für einen verständigen Mann? - Gott segnen Euch, Herr Baum! Mit Eurer Erlauhniß, ich muß unter Eurem Laube schlafen. (Der Wind schüttelt die Aeste des Baums.). Ich bitte verneigt Euch vor mir, und ich will mich vor Euch nieder werfen; denn ich vermuthe, Euer Rücken und meine Stirn werden noch unterschiedliche Male angeblasen werden, eher ich wieder aufwache. - Nieder, großes Herz, nieder!
(Er gähnt) I, ha! Gut! (Er streckt sich unter den Baum hin, und schläft ein).

(Es treten auf ein Pflüger, ein Bauer, ein Mönch, ein Schäfer; alle viere gekrönt. Dann eine Nymphe mit Fortuna’s Rade; dann Fortuna; hinter ihr vier Könige mit zerbrochnen Kronen und Sceptern, in silberne Ketten geschmiedet. Die vier ersten treten singend ein; die vier Könige werfen sich vor der Fortuna nieder, welche auf ihre Leiber tritt, indem sie ihren Wagen besteigt).
          Einer der vier Gekrönten singt.
     Fortuna lächelt, o Seligkeit!
     Von dem freundlichen Blick noch jeder genas!
     Fortuna zürnt, o Herzeleid!
     Ihre Lieb’ ist Himmel, und Hölle ihr Haß!
     Da Himmel und Hölle sich beugt Ihrem Thron,
     Erbebt Ihrer Augen entsetzlichem Drohn!
     Da Himmel und Höll Ihrem Throne sich beugt,
     Ruft: Seligkeit! wenn sie lächelnd sich zeigt!
     Wir beten dich an; Aus freudiger Brust
     Erschallet dein Loblied voll Jubel und Lust.
     Singt Preis und Dank der Göttin Fortuna!
     Singt Preis und Dank der Göttin Fortuna.
          Alle, außer den vier Königen.
Singen wir fröhlich denn, fröhlich denn, fröhlich denn!
     Unser Lied gen Himmel tönt,
     Da Fortuna’s Hand uns krönt!
Singen wir fröhlich denn, fröhlich denn, fröhlich denn!
Erster König. Verfluchte Königin des Glücks, o sprich.
Wir, die wir sonst, wie junge Phaëtons,
Gefahren in der Sonne Strahlenwagen
Als deine Trauten, da noch Deine Finger
In unsern Locken Liebesnetze webten,
Mit süßem Gaukelkuß die Wang’ uns wärmtest -
Was thaten wir denn Deinen stolzen Augen,
Daß wir zermalmt, getreten werden müssen,
Indeß der siechen Welt erkrankte Glieder
          (Er zeigt auf die vier gekrönten).
Hier Sterne sind durch dich im lichten Kranze,
Wo wir gestrahlt in sonnengleichem Glanze?
     Alle Könige. Verfluchte Königin! du Zauberin!
     Die übrigen. O mächtge Königin! du Herscherin!
     Fortuna (zu den übrigen). Nicht weiter Ihr! (zu den Königen). Musik ist Euer Schreien,
Es schallt zu meiner Ohren heilger Wölbung
Mit Tönen, süßer als der Sphären Klang.
Flucht immer! Seht auf unsrer Himmels-Stirn
Unendlich Lächeln von dem Throne schimmern,
Wenn Knechte jubeln, und Monarchen wimmern.
Seht diese goldne Kugel, dieses Spielzeug,
Das Welt heißt, hier vor unsern Herscherfüßen!
Fortuna’s Ball ist diese Welt zum spielen.
Zuweilen schlag’ ich sie hoch in die Luft,
Und so erschaff’ ich Könige und Kaiser.
Zuweilen tret ich drauf; dann kriecht hervor
Das wilde Thier: die Menge. Flucht Ihr Narren.
Ich reiße Fürsten von dem Thron herab,
Umgürte niedre Braun mit goldnem Stirnband.
Ich trete auf die Nacken der Erobrer,
Und wenn, Halbgöttern gleich, sie prangend fuhren
Zum Capitol im Sitz von Elfenbein,
Umgeben rings von aller Augen Staunen,
Von Freuderuf, von Liebe eines jeden,

[85]

Fortunatus.. Wie, was, bin ich verzückt? Ist das die Erde?
Ist es Elysium?
          Fortuna. Auf, Fortunatus!
Fortunatus. (steht auf, und wirft sich vor Fortuna nieder).
Furchtbare Göttin! Solch ein armer Schelm,
Wie ich, darf solche hehre Gottheit sehen?
Verzeihung! denn ich kam hierher, geführt
Von meinem Schicksal, nicht durch eignen Vorwitz.
In diesem Wald hab ich mich matt gelaufen.
Ich sah die müde Sonne dreimal ruhen,
Dreimal die tolle Cynthia reiten nackt
Auf rostgen Wegen an dem Firmament,
Besetzt mit Sternenlichtern, deren Pracht
Gefunkelt, huldigend der schwarzen Nacht.
Fortuna. Dies Wandern hört nun auf. Doch diesen Kreis,
Wo ich und jene Feenschwärme hausen,
Kannst du verlassen nur, wenn ich dich führe.
Ich bin die Kaiserin der Welt, Fortuna.
In dicke Blätter Stahls schrieb diese Hand
Ein ewig Buch, wo wandellos entschieden,
Wer glücklich ist, wer elend ist hienieden.
Fortunatus. Ist jeder Name dort geschrieben, Fürstin,
Steht meiner sicherlich in schwarzen Lettern.
Obgleich ich nach dem Glücke bin benannt,
Bin ich ein Sohn der Schmach, ihr eng verwand.
Die Könige. Wir sind der Schmach verwandt, sind ihre Söhne.
Fortuna (zu Fortunatus). Du sollst Fortuna’s Liebling fortan sein.
Sieh diese vier, wie Sklaven angefesselt,
Sie schuf ich einst zu Königen und Kaisern,
Die jetzt am tiefsten unter mir sich finden.
Hier dieser war einmal ein deutscher Kaiser
Der vierte Heinrich; ward dann abgesetzt,
In einen finstern Kerker drauf geworfen,
In Silberketten schmacht’ er so zu Tode. -
Friedrich der Rothbart ist der andre, Kaiser
Von Deutschland einst, doch dann trat Alexander,
Der Papst, wenn er sein Roß bestieg, auf jenen,
In diesen Fesseln sterb’ er als sein Knecht. -
Der Arme hier trug vormals Frankreichs Krone,
Ludwig der fromme, durch der Söhne Stolz
Macht’ ich, daß er vor Hunger hier vergeht. -
Hier steht das wahre Abbild jedes Jammers,
Der arme Bajazet, der Türken Kaiser,
Und einst der größte Fürst im Morgenland.
Fortuna selbst, erzählt man, schaute zu
Bei deinem Fall, als gierig du die Brocken
Verschlangst, dich krümmend vor dem Scythen-Bauer,
Dem tapfern Tamerlan, Fortuna’s Schooßkind.
Im Eisenkäfig wirst du nun geschleift
Ihm nach, dem Sieger, und kannst dort im Grimm
Dein Hirn zerschmettern.
     Vierter König. Weh mir elenden!
Fortuna. Nicht Thränen schmelzen des Geschickes Herz.
Hier diese stürzt’ ich, jene hob ich auf.

[86]

Die Hand zwang Spanien. Diese Stirne füllt
Den goldnen Reif des reichen Portugal.
Viriat, ein Schäfer von Geburt, jetzt Herscher;
Hier Primislaus, Böhmens König, gestern
Ein Pflüger, dieser Mönch Gregorius
Erhoben jetzt zur Würde eines Papstes.
     (Zu den vier Königen).
Und nagt Ihr Armen nicht die Finger ab,
Zerbeißt die Zungen, da Ihr unten schmachtet,
Der deutsche Schneider, von Geburt verachtet,
Johann von Leiden, Münsters Krone trägt,
Die ihm Fortuna’s Gunst hat umgelegte ? -
(Zu Fortunatus). Wie diese, so will ich auch Dich erheben;
Sechs Gaben pfleg’ ich sterblichen zu geben:
Gesundheit, Weisheit, Schönheit, Lebensdauer,
Reichthum und Kraft. Nun nimm, was dir gefällt,
Und ich gewähr es.
     Fortunatus. Königin der Welt!
O, laß mir Zeit, mit Augen voll Entzücken
In deinen sonnenhellen Glanz zu blicken.
Gesundheit, Weisheit, Schönheit, Lebensdauer,
Reichthum und Kraft?
     Fortuna. Du willst dein Loos dir ziehn
Aus diesem Glückstopf, dir von mir verliehn.
Bedenk, die erste Wahl ist auch die letzte.
Drum wähle klüglich, denn des Schicksals Wort,
In Stahl gegraben, währet fort und fort.
Fortunatus. Ihr Parzen, Töchter Zeus und reiner Nacht,
Führt meinen Schutzgeist recht, der mich bewacht! -
Gesundheit, Weisheit, Schönheit, Lebensdauer,
Reichthum und Kraft?
     Fortuna. Noch Einmal höre mich!
Wenn Weisheit dein wird durch Vermählungskuß,
So haucht sie deinen Lippen Gottheit ein,
Und Wahrsagung, wie Phöbus, wirst du reden.
Dein gottbeseelter Geist auf Weisheits-Schwingen
Fliegt aufwärts hin zu Jovis Herschersitz,
Und liest die Satzungen der Ewigkeit,
Sieht was vergangen, lernt was künftig wird. -
Ergreifst du Kraft, so werden Heere beben
Von deinem Drohn. Dein Fuß zertritt die Reiche,
So wie der meine diese Könige. -
Willst du Gesundheit, bleibst du unversehrt,
Dringt noch so tief der Pfeil der Ueberfüllung
Bist immer lustig, schwärmst du noch so sehr. -
Doch wählst du Schönheit, wird in deinen Augen
Ein Paar von nackten Liebesgöttern schwimmen,
Auf deinen Wangen misch’ ich weiß und roth,
Daß Jupiter den Ganymed entfernt,
Und dich in seine Götterarme schließt. -
Begehrst du Lebensdauer? Nun, dein Faden
Soll lang sich dehnen; Königshäuser wirst du
Im Wechsel schaun, und sterben sehn die Kinder
Von jetzt gewiegten Ur-Ur-Ur-Großvätern. -
Wenn dich des Goldes schnöder Hunger peinigt:
Die hellen Stäubchen, welche ziehn in Schwärmen,
Den zarten Leib im Sonnenstrahl zu wärmen,
An Zahl sind sie den Haufen Goldes gleich,
Die reich und stolz vor deinen Füßen schwellen,
Unendlich sollen diese sein wie jene. -
Erwecke deiner Seele beste Gaben,
Und küsse des Geschickes milde Hand,
Da sein du sollst, wie du bisher genannt.
Könige. Halt, alter Mann, ihr Lächeln mordet dich.
Die übrigen. Nein, alter Mann, mit Wohlfahrt krönt sie dich.
Fortunatus. Wie bin ich außer mir! Wohin verzückt?
Bestürmt nicht milder mich des Herzens Drang,
Als Paris, wählend Troja’s Untergang?
Soll ich ein Bündniß mit der Weisheit schließen?
Dann fehlt mir Reichthum; und ein armer Weiser
Ist wie ein heilig Buch im Bücherschrein,
Für alle todt, und lebt sich selbst allein.
Denn diese Zeit schätzt einen schmucken Tropf
Weit mehr, als eines Weisen kahlen Kopf. -
Ich wähle Kraft; doch mangelt Lebensdauer;
Und wenn mein Arm auch zwanzig Welten zwingt,
Ein hagrer Bursche schlägt die Helden alle,
Die größte Kraft entschwindet mit dem Leben,
Der stärkste muß sich auch dem Tod ergeben. -
Nimm Lebensdauer, nimm Gesundheit - häßlich
Würd’ ich vielleicht; die Rolle beim entfalten
Kann wohl als Inhalt manchen Gram enthalten. -
Drum will ich Schönheit bitten; nein, doch nicht,
Die schönste Wange hat oft eine Seele
Wie Sünde krank, und schlimmer als die Hölle. -
Die Weisheit dieser Welt ist voller Einfalt:
Die Kraft ein schwaches Rohr; Gesundheit ist
Der Krankheit Feind, die letzte siegt doch endlich;
Schönheit ist Schminke nur; und Lebensdauer
Ist eine lange Reis’ im Wintermonat,
Langweilig und voll mancherlei Beschwerde.
(Er kniet nieder). Drum hehre Kaiserin, o, mach mich reich!
Ich wähle Gold, denn weise ist der Reiche,
Und wer stolzirt in reichen Kleidungsstücken

[87]

Ist weise, und wenn ihn Midas Ohren schmücken.
Gold ist die Kraft, das Mark der Welt, ihr Nerve,
Gesundheit, Seele, göttergleiche Schönheit;
Die goldne Larve birgt jedweden Mangel;
Gold ist Arznei des Himmels, Lebensbalsam.
O, darum mach mich reich, nicht wie der Knicker,
Der magre Kost nur seinem Auge vorsetzt,
Gold hat, doch hungert, darbt bei vollen Händen:
Laß immer reich mich sein, und stets verschwenden.
Fortuna. Dein letztes Wort entscheidet dein Geschick.
Du sollst beständig reich sein, stets verschwenden.
Hier nimm den Beutel, (sie giebt ihm einen ledernen Beutel) damit diese Kraft:
So oft du deine Hand in diesen steckst,
Sollst du zehn Stücke glänzend Gold hervorziehn,
In jedem Lande gültig, wo du lebst.
Wenn du die See ausschöpfen kannst in Tropfen,
Dann wird dir’s fehlen; dies kann nie geschehen,
Und nimmer wird der Beutel leer.
     Fortunatus. Ich danke.
Fortuna. Dies währt, so lang du lebst und deine Söhne.
Der Weg führte ich nach Cyprus. Mach dich fort.
Fahr wohl du gierger Narr. Es wird dich reuen,
Daß du der Weisheit göttliche Umarmung
Verschmäht hast, Schlacken haschend; aller Noth
Entschwangst du dich, die sterblichen hier droht.
Dein Loos ist Sorge jetzt, und rascher Tod.
Könige. Die Sorg’ ist unser Loos, uns flieht der Tod.
     (Fortuna geht ab mit den übrigen in der Ordnung, wie sie aufgetreten waren, während des obigen Gesanges):
          Fortuna lächelt, o Seligkeit u. s. w.
Fortunatus (allein). „Dein Loos ist Sorge jetzt, und rascher Tod.“ Wie so, rasch? Muß ich morgen sterben, will ich heute vergnügt sein; wenn erst übermorgen, will ich morgen vergnügt sein. „Dein Loos ist Sorge jetzt.“ Wo wohnt Sorge? ha, ha! in welcher Gegend wohnt Sorge, damit ich mir einen anständigen Nachbar aussuchen kann? Etwa an den Höfen der Fürsten? Nein. - Unter schönen und vornehmen Frauen? Auch nicht. Die haben nur die Sorge, wie sie sich recht putzen sollen. - Also wohl unter Stutzern? Pfui, pfui, nein. Sorge fürchtet sich wahrhaftig vor einem vergoldeten Degen; der Geruch des Moschus ist Gift für sie; sie erstickt im Tabacksdampf, reiche und knapp anliegende Kleider drücken sie zu Tode. Fürsten, vornehme Frauen, Gott grüß Euch denn. Diese naß-äugige Person, die Sorge, wohnt bei armen Teufeln. Ein armer Teufel ist, wer Mangel empfindet; ich empfinde keinen, wenn ich nimmermehr arm bin; derobalben, Sorge, verbanne ich dich aus meiner Gesellschaft. Ich kann gar nicht begreifen, was das für eine blinde Frau Gevatterin ist, diese freigebige Madam. Zu den gutwilligen muß sie wohl gehören, da sie so wenig Umstände macht. Fortuna ist ihr Name. Na, es kömmt nicht darauf an, was sie ist, wenn sie nur erfüllt, was sie sagt: „Du sollst beständig reich sein, stets verschwenden.“ Der Tausend! (Er faßt langsam in den Beutel). Aber ich fühle nichts, was mich reich machen kann. Hier ist keine Musik „mit ihren Silberklängen“ zu spüren. Suche weiter unten. (Er holt Gold heraus). I, alle Wetter! ha, ha. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun und zehn; richtig, gerade zehn. Es ist wahrhaftig Gold, es ist so schwer. Versuch es noch einmal. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn. Wieder richtig! Gerade zehn. Ha! ha! ha! das ist unvergleichlich. Eine lederne Münze. Vortrefflich! Eine indianische Goldmine in einem Lammsfell. Ich will drei bis vier große Säcke für meine Söhne voll machen, aber das hier für mich behalten. Wenn der hagre Tabaksdampfer mit dem schwarzgelben Gesichte, der Tod, der alles in Rauch verwandelt, mich so geschwind in Asche verwandeln soll, will ich wenigstens nicht in Asche trauern, sondern in Musik. Frisch, heißa lustig! alter Junge. Hierin liegt Reichthum, Weisheit, Kraft, Gesundheit, Schönheit und Lebensdauer, wohlbemerkt, wenn ich nicht bald sterbe. Du allerliebster Beutel, ich küsse dich! Fortuna, ich bete dich an! Sorge, du bist mir zu gemein! Tod, mit dir nehme ich es auf! (Ab).