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Amor (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Amor
Untertitel: Von Anton Raphael Mengs
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
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Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Cupid.     Amor.

[295]
Amor.
Von Anton Raphael Mengs.

Einen ungemein großen Einfluß auf den Entwickelungsgang der Kunst seiner Zeit auszuüben, war dem gefeierten Meister Anton Raphael Mengs beschieden. Sein Name ist mit der Kunstgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts so genau und vielfach verflochten, daß wir diese bedeutungsvollen Beziehungen hier kaum anzudeuten den Raum besitzen. Er ward als der Sohn des dänischen, am Hofe zu Dresden angestellten Malers Ismael Mengs zu Aussig am 12. März 1728 geboren. Ismael war ein Künstler von untergeordneten Fähigkeiten in der Praxis der Malerei, besaß übrigens nicht wenig von jener Anlage für die theoretische Seite der Kunst, wodurch sein Sohn so groß werden sollte. Der Vater, welcher längst daran verzweifelt hatte, als Maler den Namen Mengs berühmt zu machen, entschloß sich sofort nach der Geburt seines Sohnes, diesem dies schwere Werk aufzuerlegen. So ließ er das Kind auf die Namen des Antonio Allegri da Correggio und des Raphael Sanzio, als Anton Raphael taufen, um anzudeuten, daß dieses Kind bestimmt sei, jene beiden Maler noch zu übertreffen. Der Vater war überzeugt, daß er seinen Sohn durch die Macht der Theorie und durch die äußerste Anstrengung des Kindes in dem praktischen Theile der Malerei auf die hohe Stufe erheben könne, die sein Ehrgeiz ihm vorspiegelte. Mit Gewalt und durch die consequenteste Strenge sollte Anton Raphael auf seiner Bahn fortgetrieben werden, und über den Mangel einer rigorosen Consequenz in Hinsicht auf den Vater hat der arme Schüler der Grazien ganz gewiß nicht Ursache zu klagen gehabt.

Hier dürfte übrigens ein Moment in Anton Raphaels Richtung liegen, das in seinen Wirkungen selbst in den besten Werken des Künstlers noch erkältend durchblickt. War Mengs zum Künstler geboren? War es ihm verliehen, in der bildenden Kunst seinen vollsten, natürlichsten Gedanken- und Gefühlsausdruck zu finden? Schwerlich; vielmehr zeigt Mengs später, daß Fleiß und Anstrengung allerdings Bedeutendes in der Kunst zu erreichen vermögen, aber [296] dennoch nicht genügen, um die Begeisterung des Malers zu ersetzen, der in seinen Bildwerken das weder durch das Wort, durch Dichtung oder philosophische Abhandlungen, noch durch die Töne der Musik zu erschöpfende Maaß seines innern Menschen findet. Mengs hat auch in seiner höchsten Glanzperiode nicht aus innerer Urkraft heraus geschaffen; er war stets ein malender Kritiker, der es viel besser verstand, etwas Unschönes und Fehlerhaftes zu unterlassen, als etwas Schönes und Vorwurfsfreies aus sich heraus zu gebären. Er konnte keinen Wald machen, aber sehr wohl aus einem vorhandenen Walde einen saubern Park herstellen. Mengs war kein Künstler wie einer unserer neuen Lyriker singt:

„Der etwas mehr im Pinsel führt,
Als kritisch-reine Phrasen,
Daß man die Stürme rauschen spürt,
Wenn er sie schickt zu blasen.“

Das Treibhauspflanzenartige, das Gemachte, Angelernte hat Mengs nie verleugnen können. Er wäre jedenfalls als Kunstphilosoph von viel bedeutenderem Werthe gewesen, als er ihn mit Pinsel und Palette erringen konnte. Es ist eine Aehnlichkeit zwischen ihm und den Caracci, was die kritische Methode, den Eklekticismus in der Kunst betrifft, die so in die Augen springt, daß man sich verwundern muß, weswegen die Parallele zwischen diesen Künstlern nicht längst gezogen wurde, um namentlich über den eigentlichen Werth Anton Raphael Mengs in’s Klare zu kommen, den man mehr als ein Mal nicht allein neben, sondern über die Raphael und Correggio zu stellen Veranlassung genommen hat. So der Ritter Azara, ein unzertrennlicher Freund des Meisters.

Schon im sechsten Jahre zeichnete Mengs nicht übel, im achten mußte er bereits in Oel und Email zu malen beginnen, in welch letzterm Zweige der Vater Ismael Mengs Ruf erworben hatte. Dieser quälte seinen Sohn fast grausam. Das Kind hatte keine Erholungsstunden, und war das ihm Aufgegebene bei der Heimkunft des Präceptors nicht vollkommen, und zwar zur Zufriedenheit desselben, vollendet: so verhängte er Executionen der schonungslosesten Art über den zukünftigen Nacheiferer von Raphael und Correggio. Anton Raphael Mengs war im dreizehnten Jahre seines Alters bereits so weit vorgeschritten, daß ihn der Vater nach Rom führen zu müssen glaubte. Stufenweise, mit der höchsten Sorgfalt leitete hier Ismael seine Bildung, ließ den Knaben mit dem Copiren der alten Sculpturwerke beginnen, und eröffnete ihm dann erst die Gnade, daß er nach Michel Angelo in der Sixtina copiren durfte.

Endlich wurden dem jetzt aus eignem Antriebe mit fieberischer Thätigkeit arbeitenden Kunstjünger auch Raphaels ewige Schönheiten erschlossen. Ismael gab jedoch von seiner Strenge nichts nach. Anton Raphael mußte, um Eins zu erwähnen, bei Brod und einer Flasche mit Wasser den ganzen Tag über im Vatikan arbeiten.

Nach einem solchen Studium von drei Jahren kehrte Mengs nach Dresden zurück, erregte hier durch seine erstaunliche Fertigkeit die Bewunderung August des Starken, erhielt ein damals sehr bedeutendes Stipendium und durfte mit Vater und Schwestern wieder nach Rom zurückkehren. Zu erwähnen ist das eifrige Studium der Anatomie, welchem Mengs sich hingab. Seit 1748 trat der jugendliche Meister mit eigenen Compositionen auf; die erste war eine heilige [297] Familie, im Styl des Raphael Sanzio gehalten, sorgfältig, fast ängstlich genau gezeichnet, aber von geringem innerlichen Leben. Die Jungfrau Maria malte er nach einem schönen, jungen Mädchen, welches Margaretha Quagi hieß, verliebte sich in dasselbe und trat zur katholischen Kirche über, um seine Braut heirathen zu können.

Als er bald darauf wieder nach Dresden kam, malte er für die katholische Hofkirche das berühmte Altarblatt, die Himmelfahrt Maria darstellend. Es ward von ihm jedoch erst zwölf Jahre später, und zwar in Spanien, vollendet. Nach Rom zurückgekehrt, übernahm Mengs, dessen Ruf damals schon ein sehr bedeutender war, die Direction der neuerrichteten capitolinischen Malerakademie, und malte in San-Eusebio für die Cölestinermönche eine schöne Decke, dann in der Villa Albani ein Deckengemälde und viele Oelbilder, als eine heilige Familie, Cleopatra zu den Füßen Cäsars, eine Magdalena in ganzer Figur u. s. w. Auch schrieb er eine Abhandlung über die Schönheit, und Betrachtungen über die drei großen Meister der Kunst: Raphael, Tizian und Correggio. Ein Engländer, D. Webb, ward an diesem Manuscript zum Plagiarius und machte großes Aufsehen mit Mengs’ Gedanken, die indeß von den Freunden des Malers, Winkelmann und dem Ritter Azara, sofort als sein Eigenthum in Anspruch genommen wurden.

Im Jahre 1761 ward der Meister vom König Karl III. nach Spanien berufen, wo er eine Reihe großer Arbeiten ausführte, unter denen eine Kreuzabnahme und eine Götterversammlung die hervorragendsten sind. Durch Kabalen ehrsüchtiger Nebenbuhler und Gegner verleidete man ihm indeß den Aufenthalt in Madrid und er ging wieder nach Rom, wo er im Vatikan ein großes, allegorisches Deckengemälde schuf. Mengs verweilte drei Jahre in seiner Lieblingsstadt, machte dann eine zweite Reise nach Madrid, wo er den Plafond des königlichen Speisesaales durch eine Darstellung der Vergötterung Trajans und des Ruhmestempels schmückte. Diese in kurzer Zeit vollendete Arbeit, wozu noch ein Deckengemälde im Theatersaale zu Aranjuez kommt, erschöpfte die Körperkräfte des Malers, der sich 1776 wieder nach Rom begab, wo er, ganz niedergebeugt durch den Tod seiner Gattin, am 29. Juni 1779 starb. Er besaß zwanzig Kinder, wovon ihn sieben überlebten.

Als Mensch war Mengs höchst ausgezeichnet; seine mildthätige Freigebigkeit war fürstlich, und strebsame junge Künstler fanden an ihm immer eine Stütze. Er starb arm, da seine feine Lebensweise, seine Reisen, die ausgezeichnete Erziehung seiner Kinder und seine kostbaren Kunstsammlungen seinen großen Verdienst hinweggenommen hatten.

Composition und Gruppirung sind bei Mengs einfach, oft höchst edel, aber auch gesucht und von dürftiger Erfindung. Ein ausgezeichneter Geschmack ist dem Künstler nicht abzusprechen, und das Colorit ist sauber und lebhaft, obgleich er sein großes Vorbild, Tizian, darin nie erreichte. Die vollendete Reinheit der nach der Antike gebildeten Form ist zu bewundern, doch zeigen eben deshalb viele seiner Figuren etwas Statuenartiges und lassen meist den Beschauer kalt, statt ihn hinzureißen. Sein Beispiel und seine Schriften, welche italienisch verfaßt wurden, richteten die Blicke der Künstler auf die Antike und die großen Meister und mitbegründeten einen kritischen Geschmack, aus welchem später schöne Keime für die sich der Natur selbständig wieder zuwendende Kunst erblühten. Große Schüler bildete Mengs nicht; keiner derselben kam ihm auch nur nahe. Zwei seiner Töchter haben ganz artige Stücke gemalt, namentlich Maria Anna. Seine [298] Schriften erschienen deutsch, Halle 1786, in drei Bänden. Unser Amor, der die Pfeilspitze prüft, hat an Grazie und Naivetät unter den Mengs’schen Werken nicht seines Gleichen.