Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[722]
II.
1. Wer reit’t mit sieben Knappen ein zu Heidelberg im Hirschen?
Das ist der Herr von Rodenstein, auf Rheinwein will er pirschen.
2. „Hollahe! den Hahn ins Faß! schenkt ein! Ich fürcht, die Kehlen
rosten! Wir wölln ein halb Jahr lustig sein, und sollt’s ein Dorf auch
kosten!“
3. „Ein Dorf, was ist’s? Ein rußig Loch, und ich hab ihrer zweie!
Ich hab ja Pfaffenbeerfurt noch und Reichelsheim, das treue.“
4. Trommeten klangen mit Schalmein, die Pauken thäten schweigen;
sechs Monden saß der Rodenstein beim süßen Rheinweinreigen.
5. Und als nach halben Jahres Frist der Rechnung er gewunken,
da sprach er: „Hollahe, jetzt ist auch Reichelsheim vertrunken! Reichels=
heim ist hin! Reichelsheim ist fort! Reichelsheim, der treue, schnaps=
brennende Ort! Reichelsheim ist veritrunken!“
6. „Hollahe! doch wie man’s treibt so geht’s! Was liegt an dem
Verlurste? Man spricht vom vielen Trinken stets, doch nie vom vielen
Durste! Reichelsheim ist hin!“ ec.
1857.
III.
1. Wer wankt zu Fuße ganz allein gen Heidelberg zum Hirschen?
Das ist der Herr von Rodenstein, vorbei ist’s mit dem Pirschen.
2. „Herr Wirt! Ein Kännlein dünnes Bier und einen Harung
im Salze! Ich hab vom vielen Malvasier das Zipperlein am Halse.“
3. „Der schönste, größte Durst der Pfalz muß früh in Ruhstand
sinken! Das letzte Dorf des Odenwalds kann ich nicht mehr vertrinken!“
4. „Einen Notary ruft herein, der schreib die Testamenten:
„Pfaffenbeerfurt soll der Hochschul sein, mein Durst den
Herrn Studenten!“
5. „Stets bin ich alter Mann gerührt, seh ich die wackern Jungen,
und schlucken sie, wie ich, so wird dereinstmals doch gesungen: „Pfaffen=
beerfurt ist hin! Pfaffenbeerfurt ist fort! Pfaffenbeerfurt, die duftige
Mistfinkenhöhl, Pfaffenbeerfurt, des Odenwalds Kronjuwel, Pfaffen=
beerfurt ist veritrunken!“
6. „Hollahe! doch wie man’s treibt, so geht’s! Was liegt an dem
Verlurste? Man spricht vom vielen Trinken stets, doch nie vom vielen
Durste! Pfaffenbeerfurt ist hin!“ ec.
1857.
809. Der Knapp. (I. 26.)
Mäßig.
Franz Abt. 1878.
1. Der Herr vom Ro=den=stei=ne sprach fie=brig und scha= [723] bab: „Un=gern duld ich al=lei=ne, un=gern duld ich al=
ju=hei! ju=hei!
wo steckt, wo steckt,
ei=ne, wo steckt wo steckt, wo steckt mein treuer Knapp, wo
ju=hei! ju=hei!
wo steckt, wo steckt,
steckt, wo steckt, wo steckt mein treu=er Knapp?
2. „Ich spür in Haupt und Magen ein Stechen und Geschlapp,
|: diesmal geht mir’s an Kragen, :|: wo steckt, wo steckt, wo steckt
mein treuer Knapp? :|
3. Der Reitersjungen viere durchsuchten Weg und Steg; der
Knapp saß fest beim Biere, juhei! im Bremeneck.
4. Er trank und sprach mit Trauern: „Du braver Rodenstein!
Allein ich muß bedauern, ich kann nicht bei dir sein!“
5. „Ist dir was zugestoßen, auch ich hab was erlebt: Ich bin mit
Rock und Hosen hier völlig festgeklebt.“
6. Die Jungen meld’ten traurig dem Kranken, was geschehen, da
sprache er fieberschaurig: „O Knapp, das ist nicht schön!“
7. „Lässest du dein’n Herrn schwitzen in solcher Not und Plag,
so sollst du übersitzen bis an den jüngsten Tag!“
8. Er sprach’s und starb im Fieber, sein letztes Wort traf zu,
der Knapp sitzt heut noch über, es läßt ihm keine Ruh.
9. Und nachts wie Sturmgewitter jagt’s oft straßauf, straßab, das
ist der alte Ritter, er ruft: „Wo steckt mein Knapp?!“