Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels/Erstes Hauptstück
← Erster Theil | Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) von Immanuel Kant Zweyter Theil – Erstes Hauptstück |
Zweyter Theil – Zweytes Hauptstück → |
Die Betrachtung des Weltbaues zeiget in Ansehung der gewechselten Beziehungen, die seine Theile unter einander haben, und wodurch sie die Ursache bezeichnen, von der sie herstammen, zwo Seiten, welche beyde gleich wahrscheinlich und annehmungswürdig seyn. Wenn man eines Theils [24] erweget: daß 6 Planeten mit 9 Begleitern, die um die Sonne, als ihren Mittelpunkt, Kreise beschreiben, alle nach einer Seite sich bewegen und zwar nach derjenigen, nach welcher sich die Sonne selber drehet, welche ihrer alle Umläufe durch die Kraft der Anziehung regieret, daß ihre Kreise nicht weit von einer gemeinen Fläche abweichen, nemlich von der verlängerten Aeqvatorsfläche der Sonnen, daß bey den entferntesten der zur Sonnenwelt gehörigen Himmelskörper, wo die gemeine Ursache der Bewegung dem Vermuthen nach nicht so kräftig gewesen, als in der Naheit zum Mittelpuncte Abweichungen von der Genauheit dieser Bestimmungen Statt gefunden, die mit dem Mangel der eingedruckten Bewegung ein genugsames Verhältniß haben, wenn man, sage ich, allen diesen Zusammenhang erweget: so wird man bewogen, zu glauben, daß eine Ursache, welche es auch sey, einen durchgängigen Einfluß in dem ganzen Raume des Systems gehabt hat, und daß die Einträchtigkeit in der Richtung und Stellung der planetischen Kreise eine Folge der Uebereinstimmung sey, die sie alle mit derjenigen materialischen Ursache gehabt haben müssen, dadurch sie in Bewegung gesetzt worden.
Wenn wir andern Theils den Raum erwegen, in dem die Planeten unsers Systems herum laufen, so ist er vollkommen leer[1] und aller Materie [25] beraubt, die eine Gemeinschaft des Einflusses auf diese Himmelskörper verursachen, und die Uebereinstimmung unter ihren Bewegungen nach sich ziehen könnte. Dieser Umstand ist mit vollkommener Gewißheit ausgemacht, und übertrifft noch, wo möglich, die vorige Wahrscheinlichkeit. Newton, durch diesen Grund bewogen, konnte keine materialische Ursache verstatten, die durch ihre Erstreckung in dem Raume des Planetengebäudes die Gemeinschaft der Bewegungen unterhalten sollte. Er behauptete, die unmittelbare Hand Gottes habe diese Anordnung ohne die Anwendung der Kräfte der Natur ausgerichtet.
Man siehet bey unpartheyischer Erwegung: daß die Gründe hier von beyden Seiten gleich stark und beyde einer völligen Gewißheit gleich zu schätzen sind. Es ist aber eben so klar, daß ein Begriff seyn müsse, in welchem diese dem Scheine nach wider einander streitende Gründe vereinigt werden können und sollen, und daß in diesem Begriffe das wahre System zu suchen sey. Wir wollen ihn mit kurzen Worten anzeigen. In der jetzigen Verfassung des Raumes, darin die Kugeln der ganzen Planetenwelt umlaufen, ist keine materialische Ursache [26] vorhanden, die ihre Bewegungen eindrücken oder richten könnte. Dieser Raum ist vollkommen leer, oder wenigstens so gut als leer; also muß er ehemals anders beschaffen und mit genugsam vermögender Materie erfüllet gewesen seyn, die Bewegung auf alle darinn befindliche Himmelskörper zu übertragen, und sie mit der ihrigen, folglich alle unter einander einstimmig zu machen, und nachdem die Anziehung besagte Räume gereinigt und alle ausgebreitete Materie in besondere Klumpen versammlet: so müssen die Planeten nunmehro mit der einmal eingedrückten Bewegung ihre Umläufe in einem nicht widerstehenden Raume frey und unverändert fortsetzen. Die Gründe der zuerst angeführten Wahrscheinlichkeit erfordern durchaus diesen Begriff, und weil zwischen beyden Fällen kein dritter möglich ist; so kann dieser mit einer vorzüglichen Art des Beyfalles, welcher ihn über die Scheinbarkeit einer Hypothese erhebet, angesehen werden. Man könnte, wenn man weitläuftig seyn wollte, durch eine Reihe aus einander gefolgerter Schlüsse, nach der Art einer mathematischen Methode, mit allem Gepränge, den diese mit sich führet und noch mit grösserm Schein, als ihr Aufzug in physischen Materien gemeinhin zu seyn pfleget, endlich auf den Entwurf selber kommen, den ich von dem Ursprunge des Weltgebäudes darlegen werde; allein ich will meine Meinungen lieber in der Gestalt einer Hypothese vortragen, und der Einsicht des Lesers es überlassen, ihre Würdigkeit zu prüfen, als durch den Schein einer erschlichenen [27] Ueberführung ihre Gültigkeit verdächtig machen, und indem ich die Unwissenden einnehme, den Beyfall der Kenner verlieren.
Ich nehme an: daß alle Materien, daraus die Kugeln, die zu unserer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und Cometen bestehen, im Anfange aller Dinge in ihren elementarischen Grundstoff aufgelöset, den ganzen Raum des Weltgebäudes erfüllet haben, darinn jetzo diese gebildete Körper herumlaufen. Dieser Zustand der Natur, wenn man ihn, auch ohne Absicht auf ein System, an und für sich selbst betrachtet, scheinet nur der einfachste zu seyn, der auf das Nichts folgen kann. Damals hatte sich noch nichts gebildet. Die Zusammensetzung von einander abstehender Himmelskörper, ihre nach den Anziehungen gemäßigte Entfernung; ihre Gestalt, die aus dem Gleichgewichte der versammleten Materie entspringet, sind ein späterer Zustand. Die Natur, die unmittelbar mit der Schöpfung gränzete, war so roh, so ungebildet als möglich. Allein auch in den wesentlichen Eigenschaften der Elemente, die das Chaos ausmachen, ist das Merkmal derjenigen Vollkommenheit zu spüren, die sie von ihrem Ursprunge her haben, indem ihr Wesen aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes eine Folge ist. Die einfachsten, die allgemeinsten Eigenschaften, die ohne Absicht scheinen entworfen zu seyn; die Materie, die bloß leidend und der Formen und Anstalten bedürftig zu seyn scheinet, hat in ihrem einfachsten [28] Zustande eine Bestrebung, sich durch eine natürliche Entwickelung zu einer vollkommenern Verfassung zu bilden. Allein die Verschiedenheit in den Gattungen der Elemente träget zu der Regung der Natur und zur Bildung des Chaos das vornehmste bey, als wodurch die Ruhe, die bey einer allgemeinen Gleichheit unter den zerstreuten Elementen herrschen würde, gehoben, und das Chaos in den Punkten der stärker anziehenden Partikeln sich zu bilden anfängt. Die Gattungen dieses Grundstoffes sind ohne Zweifel, nach der Unermeßlichkeit, die die Natur an allen Seiten zeigt, unendlich verschieden. Die von gröster specifischen Dichtigkeit und Anziehungskraft, welche an und vor sich weniger Raum einnehmen und auch seltener seyn, werden daher bey der gleichen Austheilung in dem Raume der Welt zerstreuter, als die leichtern Arten seyn. Elemente von 1000mal grösserer specifischen Schwere sind tausend, vielleicht auch Millionenmal zerstreuter, als die in diesem Maasse leichtern. Und da diese Abfälle so unendlich als möglich müssen gedacht werden, so wird, gleichwie es körperliche Bestandtheile von einer Gattung geben kan, die eine andere in dem Maasse an Dichtigkeit übertrifft, als eine Kugel, die mit dem Radius des Planetengebäudes beschrieben worden, eine andere, die den tausendsten Theil einer Linie im Durchmesser hat, also auch jene Art von zerstreuten Elementen um einen so viel grössern Abstand von einander entfernet seyn, als diese.
[29] Bey einem auf solche Weise erfüllten Raume dauert die allgemeine Ruhe nur einen Augenblick. Die Elemente haben wesentliche Kräfte, einander in Bewegung zu setzen, und sind sich selber eine Quelle des Lebens. Die Materie ist sofort in Bestrebung, sich zu bilden. Die zerstreuten Elemente dichterer Art sammlen, vermittelst der Anziehung, aus einer Sphäre rund um sich alle Materie von minder specifischer Schwere; sie selber aber, zusamt der Materie, die sie mit sich vereinigt haben, sammlen sich in den Puncten, da die Theilchen von noch dichterer Gattung befindlich seyn, diese gleichergestalt zu noch dichteren und so fortan. Indem man also dieser sich bildenden Natur in Gedanken durch den ganzen Raum des Chaos nachgehet, so wird man leichtlich inne: daß alle Folgen dieser Wirkung zuletzt in der Zusammensetzung verschiedener Klumpen bestehen würde, die nach Verrichtung ihrer Bildungen durch die Gleichheit der Anziehung ruhig und auf immer unbewegt seyn würden.
Allein die Natur hat noch andere Kräfte im Vorrath, welche sich vornehmlich äussern, wenn die Materie in feine Theilchen aufgelöset ist, als wodurch selbige einander zurück stossen und durch ihren Streit mit der Anziehung diejenige Bewegung hervor bringen, die gleichsam ein dauerhaftes Leben der Natur ist. Durch diese Zurückstossungskraft, die sich in der Elasticität der Dünste, dem Ausflusse starkriechender Körper und der Ausbreitung aller geistigen Materien offenbaret, und die ein unstreitiges [30] Phänomenon der Natur ist, werden die zu ihren Anziehungspunkten sinkende Elemente durcheinander von der geradlinichten Bewegung seitwärts gelenket, und der senkrechte Fall schlägt in Kreisbewegungen aus, die den Mittelpunkt der Senkung umfassen. Wir wollen, um die Bildung des Weltbaues deutlich zu begreifen, unsere Betrachtung von dem unendlichen Inbegriffe der Natur auf ein besonderes System einschränken, so wie dieses zu unserer Sonne gehörige ist. Nachdem wir die Erzeugung desselben erwogen haben, so werden wir auf eine ähnliche Weise zu dem Ursprunge der höhern Weltordnungen fortschreiten, und die Unendlichkeit der ganzen Schöpfung in einem Lehrbegriffe zusammen fassen können.
Wenn demnach ein Punkt in einem sehr grossen Raume befindlich ist, wo die Anziehung der daselbst befindlichen Elemente stärker als allenthalben um sich wirket; so wird der in dem ganzen Umfange ausgebreitete Grundstoff elementarischer Partikeln sich zu diesem hinsenken. Die erste Wirkung dieser allgemeinen Senkung ist die Bildung eines Körpers in diesem Mittelpunkte der Attraction, welcher so zu sagen von einem unendlich kleinen Keime, in schnellen Graden fortwächset, aber in eben der Maasse, als diese Masse sich vermehret, auch mit stärkerer Kraft die umgebenden Theile zu seiner Vereinigung beweget. Wenn die Masse dieses Centralkörpers so weit angewachsen ist, daß die Geschwindigkeit, womit er die Theilchen von grossen [31] Entfernungen zu sich zieht, durch die schwachen Grade der Zurückstossung, womit selbige einander hindern, seitwärts gebeuget in Seitenbewegungen ausschläget, die den Centralkörper, vermittelst der Centerfliehkraft, in einem Kreise zu umfassen im Stande seyn: so erzeugen sich grosse Wirbel von Theilchen, deren jedes für sich krumme Linien durch die Zusammensetzung der anziehenden und der seitwärts gelenkten Umwendungskraft beschreibet; welche Arten von Kreisen alle einander durchschneiden, wozu ihnen ihre grosse Zerstreuung in diesem Raume Platz läßt. Indessen sind diese auf mancherlei Art unter einander streitende Bewegungen natürlicher Weise bestrebt, einander zur Gleichheit zu bringen, das ist, in einen Zustand, da eine Bewegung der andern so wenig als möglich hinderlich ist. Dieses geschiehet erstlich, indem die Theilchen, eines des andern Bewegung so lange einschränken, bis alle nach einer Richtung fortgehen; zweytens, daß die Partikeln ihre Verticalbewegung, vermittelst der sie sich dem Centro der Attraction nähern, so lange einschränken, bis sie alle horizontal, d. i. in parallel laufenden Zirkeln um die Sonne als ihren Mittelpunkt beweget, einander nicht mehr durchkreutzen, und durch die Gleichheit der Schwungskraft mit der senkenden sich in freien Zirkelläufen in der Höhe, da sie schweben, immer erhalten; so daß endlich nur diejenige Theilchen in dem Umfange des Raumes schweben bleiben, die durch ihr Fallen eine Geschwindigkeit, und durch die Widerstehung der andern eine Richtung bekommen [32] haben, dadurch sie eine freye Zirkelbewegung fortsetzen können. In diesem Zustande, da alle Theilchen nach einer Richtung und in parallellauffenden Kreisen, nemlich in freyen Zirkelbewegungen durch die erlangte Schwungskräfte um den Centralkörper laufen, ist der Streit und der Zusammenlauf der Elemente gehoben, und alles ist in dem Zustande der kleinsten Wechselwirkung. Dieses ist die natürliche Folge, darein sich allemal eine Materie, die in streitenden Bewegungen begriffen ist, versetzet. Es ist also klar, daß von der zerstreuten Menge der Partikeln eine grosse Menge durch den Widerstand, dadurch sie einander auf diesen Zustand zu bringen suchen, zu solcher Genauheit der Bestimmungen gelangen muß; obgleich eine noch viel grössere Menge dazu nicht gelanget und nur dazu dienet, den Klumpen des Centralkörpers zu vermehren, in welchen sie sinken, indem sie sich nicht in der Höhe, darinn sie schweben, frey erhalten können, sondern die Kreise der untern durchkreutzen und endlich durch deren Widerstand alle Bewegung verlieren. Dieser Körper in dem Mittelpunkte der Attraction, der diesem zufolge das Hauptstück des planetischen Gebäudes durch die Menge seiner versammleten Materie geworden ist, ist die Sonne, ob sie gleich diejenige flammende Gluth alsdenn noch nicht hat, die nach völlig vollendeter Bildung auf ihrer Oberfläche hervor bricht.
Noch ist zu bemerken: daß, indem also alle Elemente der sich bildenden Natur, wie erwiesen, [33] nach einer Richtung um den Mittelpunkt der Sonne sich bewegen, bey solchen nach einer einzigen Gegend gerichteten Umläufen, die gleichsam auf einer gemeinschaftlichen Achse geschehen, die Drehung der feinen Materie in dieser Art nicht bestehen kann; weil nach den Gesetzen der Centralbewegung alle Umläufe mit dem Plan ihrer Kreise den Mittelpunkt der Attraction durchschneiden müssen; unter allen diesen aber um eine gemeinschaftliche Achse, nach einer Richtung laufenden Zirkeln nur ein einziger ist, der den Mittelpunkt der Sonne durchschneidet, daher alle Materie von beyden Seiten dieser in Gedanken gezogenen Achse nach demjenigen Cirkel hineilet, der durch die Achse der Drehung gerade in dem Mittelpunkte der gemeinschaftlichen Senkung gehet. Welcher Zirkel der Plan der Beziehung aller herumschwebenden Elemente ist, um welchen sie sich so sehr als möglich häufen, und dagegen die von dieser Fläche entferneten Gegenden leer lassen; denn diejenigen, welche dieser Fläche, zu welcher sich alles dränget, nicht so nahe kommen können, werden sich in den Oertern, wo sie schweben, nicht immer erhalten können, sondern, indem sie an die herumschwebenden Elemente stossen, ihren endlichen Fall zu der Sonne veranlassen.
Wenn man also diesen herumschwebenden Grundstoff der Weltmaterie in solchem Zustande, darinn er sich selbst durch die Anziehung und durch einen mechanischen Erfolg der allgemeinen Gesetze des Widerstandes versetzet, erweget; so sehen wir [34] einen Raum, der zwischen zwey nicht weit von einander abstehenden Flächen, in dessen Mitte der allgemeine Plan der Beziehung sich befindet, begriffen ist, von dem Mittelpunkte der Sonne an, in unbekannte Weiten ausgebreitet, in welchem alle begriffene Theilchen, jegliche nach Maaßgebung ihrer Höhe und der Attraction, die daselbst herrschet, abgemessene Zirkelbewegungen in freyen Umläufen verrichten, und daher, indem sie bey solcher Verfassung einander so wenig als möglich mehr hindern, darinn immer verbleiben würden, wenn die Anziehung dieser Theilchen des Grundstoffes unter einander nicht alsdenn anfienge, seine Wirkung zu thun und neue Bildungen, die der Saame zu Planeten, welche entstehen sollen, seyn, dadurch veranlassete. Denn, indem die um die Sonne in parallelen Zirkeln bewegte Elemente, in nicht gar zu grossem Unterschiede des Abstandes von der Sonne genommen, durch die Gleichheit der parallelen Bewegung, beynahe in respectiver Ruhe gegen einander seyn; so thut die Anziehung der daselbst befindlichen Elemente, von übertreffender specifischer Attraction, sogleich hier eine beträchtliche Wirkung[2], die Sammlung [35] der nächsten Partikeln zur Bildung eines Körpers anzufangen, der, nach dem Maasse des Anwuchses seines Klumpens, seine Anziehung weiter ausbreitet, und die Elemente aus weitem Umfange zu seiner Zusammensetzung bewegt.
Die Bildung der Planeten, in diesem System hat vor einem jeden möglichen Lehrbegriffe dieses voraus: daß der Ursprung der Massen zugleich den Ursprung der Bewegungen und die Stellung der Kreise in eben demselben Zeitpuncte darstellet; ja, daß sogar die Abweichungen von der grössesten Genauheit in diesen Bestimmungen eben sowol, als die Uebereinstimmungen selber, in einem Anblicke erhellen. Die Planeten bilden sich aus den Theilchen, welche in der Höhe, da sie schweben, genaue Bewegungen zu Zirkelkreisen haben: also werden die aus ihnen zusammengesetzte Massen eben dieselbe Bewegungen, in eben dem Grade, nach eben derselben Richtung fortsetzen. Dieses ist genug, um einzusehen, woher die Bewegung der Planeten ohngefehr cirkelförmig, und ihre Kreise auf einer Fläche seyn. Sie würden auch ganz genaue Zirkel seyn,[3] wenn die [36] Weite, daraus sie die Elemente zu ihrer Bildung versammlen, sehr klein, und also der Unterschied ihrer Bewegungen sehr gering wäre. Da aber dazu ein weiter Umfang gehöret, aus dem feinen Grundstoffe, der in dem Himmelsraum so sehr zerstreuet ist, einen dichten Klumpen eines Planeten zu bilden; so ist der Unterschied der Entfernungen, die diese Elemente von der Sonne haben, und mithin auch der Unterschied ihrer Geschwindigkeiten nicht mehr geringschätzig, folglich würde nöthig seyn, daß, um bey diesem Unterschiede der Bewegungen dem Planeten die Gleichheit der Centralkräfte und die Zirkelgeschwindigkeit zu erhalten, die Theilchen, die aus verschiedenen Höhen mit verschiedenen Bewegungen auf ihm zusammen kommen, eine den Mangel der andern genau ersetzten, welches, ob es gleich in der That ziemlich genau geschiehet[4], dennoch, da an dieser vollkommenen [37] Ersetzung etwas fehlet, den Abgang an der Zirkelbewegung und die Excentricität nach sich ziehet. Eben so leicht erhellet, daß, obgleich die Kreise aller Planeten billig auf einer Fläche seyn sollten, dennoch auch in diesem Stücke eine kleine Abweichung anzutreffen ist weil, wie schon erwehnet, die elementarischen Theilchen, da sie sich dem allgemeinen Bestehungsplane ihrer Bewegungen so nahe als möglich befinden, dennoch einigen Raum von beyden Seiten desselben einschliessen; da es denn ein gar zu glückliches Ohngefehr seyn würde, wenn gerade alle Planeten ganz genau in der Mitte zwischen diesen zwey Seiten, in der Fläche der Beziehung, selber sich zu bilden anfangen sollten, welches denn schon einige Neigung ihrer Kreise gegen einander veranlasset, obschon die Bestrebung der Partikeln, von beyden Seiten diese Ausweichung so sehr als möglich einzuschränken, ihr nur enge Grenzen zulässet. Man darf sich also nicht wundern, auch hier die grösseste Genauheit der Bestimmungen so wenig, wie bey allen Dingen der Natur, anzutreffen, weil überhaupt die Vielheit der Umstände, die an jeglicher Naturbeschaffenheit Antheil nehmen, eine abgemessene Regelmäßigkeit nicht verstattet.
- ↑ Ich untersuche hier nicht, ob dieser Raum in dem [25] allereigentlichsten Verstande könne leer genannt werden. Denn allhier ist genug zu bemerken, daß alle Materie, die etwa in diesem Raume anzutreffen seyn möchte, viel zu unvermögend sey, als daß sie in Ansehung der bewegten Massen, von denen die Frage ist, einige Wirkung verüben könnte.
- ↑ Der Anfang der sich bildenden Planeten ist nicht allein in der Newtonischen Anziehung zu suchen. Diese würde bey einem Partikelchen, von so ausnehmender Feinigkeit, gar zu langsam und schwach seyn. Man würde vielmehr sagen, daß in diesem Raume die erste Bildung durch den Zusammenlauf einiger Elemente, die sich durch die gewöhnlichen [35] Gesetze des Zusammenhanges vereinigen, geschehe, bis derjenige Klumpen, der daraus entstanden, nach und nach so weit angewachsen, daß die Newtonische Anziehungskraft an ihm vermögend geworden, ihn durch seine Wirkung in die Ferne immer mehr zu vergrössern.
- ↑ Diese abgemessene Cirkelbewegung betrifft eigentlich [36] nur die der Sonne nahen Planeten: denn von den grossen Entfernungen, da sich die entlegensten Planeten oder auch die Cometen gebildet haben, ist leicht zu vermuthen, daß, weil die sinkende Bewegung des Grundstoffs daselbst viel schwächer, die Weitläuftigkeit der Räume, da sie zerstreuet seyn, auch grösser ist, die Elemente daselbst an und vor sich schon von der zirkelgleichen Bewegung abweichen, und dadurch die Ursache der daraus gebildeten Körper seyn müssen.
- ↑ Denn die Theilchen von der zur Sonne nähern Gegend, welche eine grössere Umlaufsgeschwindigkeit [37] haben, als in dem Orte, da sie auf dem Planeten sich versammlen, zur Cirkelbewegung erfordert wird, ersetzen dasjenige, was denen von der Sonne entfernteren Theilchen, die sich eben demselben[WS 1] Körper einverleiben[WS 2], an Geschwindigkeit fehlet, um in dem Abstande des Planeten zirkelförmig zu laufen.
Anmerkungen (Wikisource)
← Erster Theil | Nach oben | Zweyter Theil – Zweytes Hauptstück → |
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext. |