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Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels

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Textdaten
Autor: Immanuel Kant
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Titel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels
Untertitel: Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt
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Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1755
Verlag: Johann Friederich Petersen
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Erscheinungsort: Königsberg und Leipzig
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Originaltitel:
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Quelle: Transkription der Uni Bonn, Djvu auf Commons
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[I]
Allgemeine
Naturgeschichte
und
Theorie des Himmels,
oder
Versuch
von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge
des ganzen Weltgebäudes
nach
Newtonischen Grundsätzen
abgehandelt.
von Imm. Kant.

Königsberg und Leipzig,
bey Johann Friederich Petersen, 1755
[III]
Dem
Allerdurchlauchtigsten
Großmächtigsten Könige
und Herrn
Herrn
Friederich,
Könige von Preussen,
Marggrafen zu Brandenburg, des H.
R. Reichs Erzkämmerer und Churfürsten,
Souverainen und obersten Herzoge
von Schlesien, etc. etc. etc.


Meinem
Allergnädigsten Könige
und Herrn
[V]
Allerdurchlauchtigster,
Großmächtigster König
Allergnädigster
König und Herr!

Die Empfindung der eigenen Unwürdigkeit und der Glanz des Thrones können meine Blödigkeit nicht so kleinmüthig machen, als [VI] die Gnade, die der allerhuldreichste Monarch über alle seine Unterthanen mit gleicher Großmuth verbreitet, mir Hoffnung einflöset: daß die Kühnheit, der ich mich unterwinde, nicht mit ungnädigen Augen werde angesehen werden. Ich lege hiemit in allerunterthänigster Ehrfurcht eine der geringsten Proben desjenigen Eifers zu den Füssen Ew. Königl. Majestät, womit Höchst Dero Akademien durch die Aufmunterung [VII] und den Schutz ihres erleuchteten Souverains, zur Nacheiferung anderer Nationen in den Wissenschaften angetrieben werden. Wie beglückt würde ich seyn, wenn es gegenwärtigem Versuche gelingen möchte, den Bemühungen, womit der niedrigste und ehrfurchtsvolleste Unterthan unausgesetzt bestrebt ist, sich dem Nutzen seines Vaterlandes einigermaassen brauchbar zu machen, das allerhöchste Wohlgefallen [VIII] seines Monarchen zu erwerben. Ich ersterbe in tiefster Devotion

Ew. Königl. Majestät


Königsberg
den 14. Merz, 1755.

allerunterthänigster
Knecht,
der Verfasser.
[IX]
Vorrede.


Ich habe einen Vorwurf gewählet, welcher sowol von Seiten seiner innern Schwierigkeit, als auch in Ansehung der Religion einen grossen Theil der Leser gleich anfänglich mit einem nachtheiligen Vorurtheile einzunehmen vermögend ist. Das systematische, welches die grossen Glieder der Schöpfung in dem ganzen Umfange der Unendlichkeit verbindet, zu entdecken, die Bildung der Weltkörper selber und den Ursprung ihrer Bewegungen aus dem ersten Zustande der Natur durch mechanische Gesetze herzuleiten: solche Einsichten scheinen sehr weit die Kräfte der menschlichen Vernunft zu überschreiten. Von der andern Seite drohet die Religion mit einer feyerlichen Anklage über die Verwegenheit, [X] da man der sich selbst überlassenen Natur solche Folgen beyzumessen sich erkühnen darf, darin man mit Recht die unmittelbare Hand des höchsten Wesens gewahr wird, und besorget in dem Vorwitz solcher Betrachtungen eine Schutzrede des Gottesleugners anzutreffen. Ich sehe alle diese Schwierigkeiten wohl und werde doch nicht kleinmüthig. Ich empfinde die ganze Stärke der Hindernisse die sich entgegen setzen, und verzage doch nicht. Ich habe auf eine geringe Vermuthung eine gefährliche Reise gewagt, und erblicke schon die Vorgebürge neuer Länder. Diejenigen, welche die Herzhaftigkeit haben die Untersuchung fortzusetzen, werden sie betreten und das Vergnügen haben, selbige mit ihrem Namen zu bezeichnen.

Ich habe nicht eher den Anschlag auf diese Unternehmung gefasset, als bis ich mich in Ansehung der Pflichten der Religion in Sicherheit gesehen habe. Mein [XI] Eifer ist verdoppelt worden, als ich bey jedem Schritte die Nebel sich zerstreuen sahe, welche hinter ihrer Dunkelheit Ungeheuer zu verbergen schienen und nach deren Zertheilung die Herrlichkeit des höchsten Wesens mit dem lebhaftesten Glanze hervorbrach. Da ich diese Bemühungen von aller Sträflichkeit frey weiß, so will ich getreulich anführen was wohlgesinnete oder auch schwache Gemüther in meinem Plane anstößig finden können, und bin bereit es der Strenge des rechtgläubigen Areopagus mit einer Freymüthigkeit zu unterwerfen, die das Merkmaal einer redlichen Gesinnung ist. Der Sachwalter des Glaubens mag demnach zuerst seine Gründe hören lassen.

Wenn der Weltbau mit aller Ordnung und Schönheit nur eine Wirkung der ihren allgemeinen Bewegungsgesetzen überlassenen Materie ist, wenn die blinde Mechanik der Naturkräfte sich aus dem [XII] Chaos so herrlich zu entwickeln weiß und zu solcher Vollkommenheit von selber gelanget; so ist der Beweis des göttlichen Urhebers, den man aus dem Anblicke der Schönheit des Weltgebäudes ziehet, völlig entkräftet, die Natur ist sich selbst genugsam, die göttliche Regierung ist unnöthig, Epikur lebt mitten im Christenthume wieder auf, und eine unheilige Weltweisheit tritt den Glauben unter die Füsse, welcher ihr ein helles Licht darreichet, sie zu erleuchten.

Wenn ich diesen Vorwurf gegründet fände, so ist die Ueberzeugung, die ich von der Unfehlbarkeit göttlicher Wahrheiten habe, bey mir so vermögend, daß ich alles, was ihnen wiederspricht durch sie vor gnugsam widerlegt halten und verwerfen würde. Allein eben die Uebereinstimmung, die ich zwischen meinem System und der Religion antreffe, erhebet meine Zuversicht in Ansehung aller Schwierigkeiten [XIII] zu einer unerschrockenen Gelassenheit.

Ich erkenne den ganzen Werth derjenigen Beweise, die man aus der Schönheit und vollkommenen Anordnung des Weltbaues zur Bestätigung eines höchstweisen Urhebers ziehet. Wenn man nicht aller Ueberzeugung muthwillig widerstrebet, so muß man so unwiedersprechlichen Gründen gewonnen geben. Allein ich behaupte: daß die Vertheidiger der Religion dadurch, daß sie sich dieser Gründe auf eine schlechte Art bedienen, den Streit mit den Naturalisten verewigen, indem sie ohne Noth denselben eine schwache Seite darbiethen.

Man ist gewohnt die Uebereinstimmungen, die Schönheit, die Zwecke, und eine vollkommene Beziehung der Mittel auf dieselbe in der Natur zu bemerken und herauszustreichen. Allein indem man die Natur von dieser Seite erhebet, so sucht [XIV] man sie anderer Seits wiederum zu verringern. Diese Wohlgereimtheit, sagt man, ist ihr fremd, sie würde ihren allgemeinen Gesetzen überlassen, nichts als Unordnung zuwege bringen. Die Uebereinstimmungen zeigen eine fremde Hand, die eine von aller Regelmäßigkeit verlassene Materie in einen weisen Plan zu zwingen gewußt hat. Allein ich antworte: wenn die allgemeinen Wirkungsgesetze der Materie gleichfals eine Folge aus dem höchsten Entwurfe seyn, so können sie vermuthlich keine andere Bestimmungen haben, als die den Plan von selber zu erfüllen trachten, den die höchste Weisheit sich vorgesetzt hat; oder wenn dieses nicht ist, solte man nicht in Versuchung gerathen zu glauben, daß wenigstens die Materie und ihre allgemeine Gesetze unabhängig wären, und daß die höchstweise Gewalt, die sich ihrer so rühmlichst zu bedienen gewußt hat, zwar groß, aber doch nicht unendlich, zwar [XV] mächtig, aber doch nicht allgenugsam sey?

Der Vertheidiger der Religion besorgt: daß diejenigen Uebereinstimmungen, die sich aus einem natürlichen Hang der Materie erklären lassen, die Unabhängigkeit der Natur von der göttlichen Vorsehung beweisen dörften. Er gesteht es nicht undeutlich: daß, wenn man zu aller Ordnung des Weltbaues natürliche Gründe entdecken kan, die dieselbe aus den allgemeinsten und wesentlichen Eigenschaften der Materie zu Stande bringen können, so sey es unnöthig sich auf eine oberste Regierung zu berufen. Der Naturalist findet seine Rechnung dabey, diese Voraussetzung nicht zu bestreiten. Er treibt aber Beyspiele auf, die die Fruchtbarkeit der allgemeinen Naturgesetze an vollkommen schönen Folgen beweisen und bringt den Rechtgläubigen durch solche Gründe in Gefahr, welche in dessen Händen zu unüberwindlichen [XVI] Waffen werden könten. Ich will Beyspiele anführen. Man hat schon mehrmalen es als eine der deutlichsten Proben einer gütigen Vorsorge, die vor die Menschen wacht, angeführt: daß in dem heissesten Erdstriche die Seewinde gerade zu einer solchen Zeit, da das erhitzte Erdreich am meisten ihrer Abkühlung bedarf, gleichsam gerufen über das Land streichen und es erquicken. Z. E. In der Insel Jamaica, so bald die Sonne so hoch gekommen ist, daß sie die empfindlichste Hitze auf das Erdreich wirft, gleich nach 9 Uhr Vormittags, fängt sich an aus dem Meer ein Wind zu erheben, der von allen Seiten über das Land wehet; seine Stärke nimmt nach dem Maasse zu als die Höhe der Sonne zunimmt. Um 1 Uhr Nachmittages, da es natürlicher Weise am heissesten ist, ist er am heftigsten und läßt wieder mit der Erniedrigung der Sonne allmählig nach, so daß gegen Abend eben die [XVII] Stille als beym Aufgange herrschet. Ohne diese erwünschte Einrichtung würde diese Insel unbewohnbar seyn. Eben diese Wohlthat geniessen alle Küsten der Länder die im heissen Erdstriche liegen. Ihnen ist es auch am nöthigsten, weil, da sie die niedrigsten Gegenden des trockenen Landes fern, auch die größte Hitze erleiden; denn die höher im Lande befindliche Gegenden, dahin dieser Seewind nicht reichet, sind seiner auch weniger benöthigt, weil ihre höhere Lage sie in eine kühlere Luftgegend versetzet. Ist dieses nicht alles schön, sind es nicht sichtbare Zwecke, die durch klüglich angewandte Mittel bewircket worden. Allein zum Wiederspiel muß der Naturalist die natürlichen Ursachen davon in den allgemeinsten Eigenschaften der Luft antreffen ohne besondere Veranstaltungen deswegen vermuthen zu dörfen. Er bemerket mit Recht, daß diese Seewinde solche periodische Bewegungen [XVIII] anstellen müssen, wenn gleich kein Mensch auf solcher Insel lebete, und zwar durch keine andere Eigenschaft als die der Luft auch ohne Absicht auf diesen Zweck bloß zum Wachsthum der Pflanzen unentbehrlich vonnöthen ist, nemlich durch ihre Elasticität und Schweere. Die Hitze der Sonne hebet das Gleichgewicht der Luft auf, indem sie diejenige verdünnet die über dem Lande ist, und dadurch die kühlere Meeresluft veranlasset, sie aus ihrer Stelle zu heben und ihren Platz einzunehmen.

Was vor einen Nutzen haben nicht die Winde überhaupt zum Vortheile der Erdkugel, und was vor einen Gebrauch macht nicht der Menschen Scharfsinnigkeit aus denselben; indessen waren keine andere Einrichtungen nöthig sie hervorzubringen, als dieselbe allgemeine Beschaffenheit der Luft und Wärme, welche auch unangesehen dieser Zwecke auf der Erde befindlich seyn mußten.

[XIX] Gebt ihr es, sagt allhier der Freygeist, zu: daß, wenn man nützliche und auf Zwecke abzielende Verfassungen aus den allgemeinsten und einfachsten Naturgesetzen herleiten kan, man keine besondere Regierung einer obersten Weisheit nöthig habe: so sehet hier Beweise die euch auf eurem eigenen Geständnisse ertappen werden. Die ganze Natur, vornehmlich die unorganisirte, ist voll von solchen Beweisen, die zu erkennen geben, daß die sich selbst durch die Mechanick ihrer Kräfte bestimmende Materie eine gewisse Richtigkeit in ihren Folgen habe und den Regeln der Wohlanständigkeit ungezwungen genug thue. Wenn ein wohlgesinneter die gute Sache der Religion zu retten, diese Fähigkeit der allgemeinen Naturgesetze bestreiten will, so wird er sich selbst in Verlegenheit setzen und dem Unglauben durch eine schlechte Vertheidigung Anlaß zu triumphiren geben.

[XX] Allein laßt uns sehen, wie diese Gründe, die man in den Händen der Gegner als schädlich befürchtet, vielmehr kräftige Waffen sind sie zu bestreiten. Die nach ihren allgemeinsten Gesetzen sich bestimmende Materie bringt durch ihr natürliches Betragen, oder wenn man es so nennen will durch eine blinde Mechanick anständige Folgen hervor, die der Entwurf einer höchsten Weisheit zu seyn scheinen. Luft, Wasser, Wärme, erzeugen wenn man sie sich selbst überlassen betrachtet, Winde und Wolken, Regen, Ströme, welche die Länder befeuchten, und alle die nützliche Folgen, ohne welche die Natur traurig, öde und unfruchtbar bleiben müßte. Sie bringen aber diese Folgen nicht durch ein bloßes Ungefehr, oder durch einen Zufall der eben so leicht nachtheilig hätte ausfallen können hervor, sondern man siehet: daß sie durch ihre natürliche Gesetze eingeschrenckt sind auf keine andere [XXI] als diese Weise zu wircken. Was soll man von dieser Uebereinstimmung denn gedencken. Wie wäre es wohl möglich, daß Dinge von verschiedenen Naturen in Verbindung mit einander so vortrefliche Uebereinstimmungen und Schönheiten zu bewircken trachten solten, so gar zu Zwecken solcher Dinge die sich gewißermaaßen außer dem Umfange der todten Materie befinden, nemlich zum Nutzen der Menschen und Thiere, wenn sie nicht einen gemeinschaftlichen Ursprung erkenneten, nemlich einen unendlichen Verstand, in welchem aller Dinge wesentliche Beschaffenheiten beziehend entworfen worden. Wenn ihre Naturen vor sich und unabhängig nothwendig wären, was vor ein erstaunliches Ohngefähr, oder vielmehr was vor eine Unmöglichkeit würde es nicht seyn, daß sie mit ihren natürlichen Bestrebungen sich gerade so zusammen passen [XXII] solten, als eine überlegte kluge Wahl sie hätte vereinbaren können.

Nunmehro mache ich getrost die Anwendung auf mein gegenwärtiges Unterfangen. Ich nehme die Materie aller Welt in einer allgemeinen Zerstreuung an und mache aus derselben ein vollkommenes Chaos. Ich sehe nach den ausgemachten Gesetzen der Attraktion den Stoff sich bilden und durch die Zurückstoßung ihre Bewegung modificiren. Ich genieße das Vergnügen ohne Beyhülfe willkührlicher Erdichtungen, unter der Veranlassung ausgemachter Bewegungsgesetze sich ein wohlgeordnetes Ganze erzeugen zu sehen, welches demjenigen Weltsystem so ähnlich siehet das wir vor Augen haben, daß ich mich nicht entbrechen kan es für daßelbe zu halten. Diese unerwartete Auswickelung der Ordnung der Natur im Grossen wird mir anfänglich verdächtig, da sie auf so schlechten und einfachen Grunde eine [XXIII] so zusammengesetzte Richtigkeit gründet. Ich belehre mich endlich aus der vorher angezeigten Betrachtung: daß eine solche Auswickelung der Natur nicht etwas unerhörtes an ihr ist, sondern daß ihre wesentliche Bestrebung solche nothwendig mit sich bringet, und daß dieses das herrlichste Zeugniß ihrer Abhängigkeit von demjenigen Urwesen ist, welches so gar die Quelle der Wesen selber und ihrer ersten Wirkungsgesetze in sich hat. Diese Einsicht verdoppelt mein Zutrauen auf den Entwurf den ich gemacht habe. Die Zuversicht vermehret sich bey jeden Schritte den ich mit Fortgang weiter setze und meine Kleinmüthigkeit hört völlig auf.

Aber die Vertheidigung deines Systems, wird man sagen, ist zugleich die Vertheidigung der Meinungen des Epikurs, welche damit die grösseste Aehnlichkeit haben. Ich will nicht völlig alle Uebereinstimmung mit demselben ablehnen. Viele [XXIV] sind durch den Schein solcher Gründe zu Atheisten geworden, welche bey genauerer Erwegung sie von der Gewißheit des höchsten Wesens am kräftigsten hätten überzeugen können. Die Folgen die ein verkehrter Verstand aus untadelhaften Grundsätzen zieht, sind öfters sehr tadelhaft, und so waren es auch die Schlüße des Epikurs, ohnerachtet seyn Entwurf der Scharfsinnigkeit eines grossen Geistes gemäß war.

Ich werde es also nicht in Abrede seyn, daß die Theorie des Lukretz oder deßen Vorgängers des Epikurs, Leucipps, und Demokritus mit der meinigen viele Aehnlichkeit habe. Ich setze den ersten Zustand der Natur, so wie jene Weltweise, in der allgemeinen Zerstreuung des Urstoffs aller Weltkörper, oder der Atomen, wie sie bey jenen genannt werden. Epikur setzte eine Schwere, die diese elementarische Theilchen zum Sinken trieb, und dieses [XXV] scheinet von der newtonischen Anziehung die ich annehme nicht sehr verschieden zu seyn; er gab ihnen auch eine gewiße Abweichung von der geradlinigten Bewegung des Falles, ob er gleich in Ansehung der Ursache derselben und ihren Folgen ungereimte Einbildungen hatte: diese Abweichung kommt einigermaassen mit der Veränderung der geradlinigten Senkung, die wir aus der Zurückstossungskraft der Theilchen herleiten, überein; endlich waren die Wirbel die aus der verwirreten Bewegung der Atomen entstanden ein Hauptstück in dem Lehrbegriffe des Leucipps und Democritus und man wird sie auch in dem unsrigen antreffen. So viel Verwandschaft mit einer Lehrverfassung, die die wahre Theorie der Gottesleugnung im Alterthum war, zieht indeßen die meinige dennoch nicht in die Gemeinschaft ihrer Irrthümer. Auch in den aller unsinnigsten Meinungen welche sich [XXVI] bey den Menschen haben Beyfall erwerben können, wird man jederzeit etwas wahres bemerken. Ein falscher Grundsatz, oder ein Paar unüberlegte Verbindungssätze leiten den Menschen von dem Fußsteige der Wahrheit durch unmerkliche Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt ohnerachtet der angeführten Aehnlichkeit dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen der alten Cosmogonie und der gegenwärtigen um aus dieser ganz entgegengesetzte Folgen ziehen zu können.

Die angeführten Lehrer der mechanischen Erzeugung des Weltbaues leiteten alle Ordnung die sich an demselben wahrnehmen läßt aus dem ungefehren Zufalle her, der die Atomen so glücklich zusammentreffen ließ, daß sie ein wohlgeordnetes Gantze ausmachten. Epikur war gar so unverschämt, daß er verlangte, die Atomen wichen von ihrer geraden Bewegung ohne alle Ursache ab, um einander [XXVII] begegnen zu können. Alle insgesammt trieben diese Ungereimtheit so weit, daß sie den Ursprung aller belebten Geschöpfe eben diesem blinden Zusammenlauf beymaßen und die Vernunft wirklich aus der Unvernunft herleiteten. In meiner Lehrverfaßung hingegen finde ich die Materie an gewiße nothwendige Gesetze gebunden. Ich sehe in ihrer gänzlichen Auflösung und Zerstreuung ein schönes und ordentliches Ganze sich ganz natürlich daraus entwickeln. Es geschiehet dieses nicht durch einen Zufall und von ungefehr, sondern man bemerket daß natürliche Eigenschaften es nothwendig also mit sich bringen. Wird man hiedurch nicht bewogen zu fragen: warum muste denn die Materie gerade solche Gesetze haben, die auf Ordnung und Wohlanständigkeit abzwecken? war es wohl möglich, daß viele Dinge, deren jedes seine von dem andern unabhängige Natur hat, einander von selber [XXVIII] gerade so bestimmen sollten, daß ein wohlgeordnetes Ganze daraus entspringe und wenn sie dieses thun, giebt es nicht einen unleugbaren Beweis von der Gemeinschaft ihres ersten Ursprungs ab, der ein allgenugsamer höchster Verstand seyn muß, in welchem die Naturen der Dinge zu vereinbarten Absichten entworfen worden?

Die Materie die der Urstoff aller Dinge ist, ist also an gewisse Gesetze gebunden, welchen sie frey überlassen nothwendig schöne Verbindungen hervorbringen muß. Sie hat keine Freyheit von diesem Plane der Vollkommenheit abzuweichen. Da sie also sich einer höchst weisen Absicht unterworfen befindet, so muß sie nothwendig in solche übereinstimmende Verhältnisse durch eine über sie herrschende erste Ursache versetzt worden seyn, und es ist ein GOtt eben deswegen, weil die Natur auch selbst im Chaos nicht anders [XXIX] als regelmäßig und ordentlich verfahren kan.

Ich habe so viel gute Meinung von der redlichen Gesinnung dererjenigen, die diesem Entwurfe die Ehre thun, ihn zu prüfen, daß ich mich versichert halte, die angeführte Gründe werden, wo sie noch nicht alle Besorgniß schädlicher Folgen von meinem System aufheben können, dennoch wenigstens die Lauterkeit meiner Absicht ausser Zweifel setzen. Wenn es dem ungeachtet boshafte Eiferer giebt, die es vor eine würdige Pflicht ihres heiligen Berufs halten, den unschuldigsten Meinungen schädliche Auslegungen anzuheften, so bin ich versichert, daß ihr Urtheil bey Vernünftigen gerade die entgegengesetzte Wirkung ihrer Absicht hat. Man wird mich übrigens des Rechts nicht berauben, das Cartesius, als er die Bildung der Weltkörper aus blos mechanischen Gesetzen zu erklären wagte, bey billigen Richtern jederzeit [XXX] genossen hat. Ich will deswegen die Verfasser der allgemeinen Welthistorie[1] anführen: „Indessen können wir nicht anders als glauben: daß der Versuch dieses Weltweisen, der sich bemühet die Bildung der Welt in gewisser Zeit aus wüster Materie durch die blosse Fortsetzung einer einmal eingedrückten Bewegung zu erklären, und solches auf einige wenige leichte und allgemeine Bewegungsgesetze gebracht, so wenig als anderer, die seit dem mit mehrerem Beyfall eben das versucht haben aus den ursprünglichen und anerschaffenen Eigenschaften der Materie zu thun, strafbar oder GOtt verkleinerlich sey, wie sich manche eingebildet haben, indem dadurch vielmehr ein höherer Begriff seiner unendlichen Weisheit verursacht wird.

Ich habe die Schwierigkeiten, die von Seiten der Religion meine Sätze zu bedrohen schienen hinweg zu räumen gesucht. [XXXI] Es giebt einige nicht geringere in Ansehung der Sache selber. Wenn es gleich wahr ist, wird man sagen, daß GOtt in die Kräfte der Natur eine geheime Kunst gelegt hat, sich aus dem Chaos von selber zu einer vollkommenen Weltverfassung auszubilden, wird der Verstand des Menschen, der bey den gemeinsten Gegenständen so blöd ist, in so grossem Vorwurfe die verborgene Eigenschaften zu erforschen vermögend seyn. Ein solches Unterfangen heißt eben so viel als wenn man sagte: Gebt mir nur Materie, ich will euch eine Welt daraus bauen. Kan dich die Schwäche deiner Einsichten, die an den geringsten Dingen, welche deinen Sinnen täglich und in der Nähe vorkommen, zu schanden wird, nicht lehren: daß es vergeblich sey, das Unermeßliche und das was in der Natur vorging ehe noch eine Welt war, zu entdecken. Ich vernichte diese Schwierigkeit, indem deutlich zeige, daß [XXXII] eben diese Untersuchung unter allen, die in der Naturlehre aufgeworfen werden können diejenige sey, in welcher man am leichtesten und sichersten bis zum Ursprunge gelangen kan. Eben so wie unter allen Aufgaben der Naturforschung keine mit mehr Richtigkeit und Gewisheit aufgelöset worden, als die wahre Verfassung des Weltbaues im Grossen, die Gesetze der Bewegungen und das innere Triebwerk der Umläufe aller Planeten; als worinn die Newtonische Weltweisheit solche Einsichten gewähren kan, dergleichen man sonst in keinem Theile der Weltweisheit antrift; eben also, behaupte ich, sey unter allen Naturdingen, deren erste Ursache man nachforschet, der Ursprung des Weltsystems und die Erzeugung der Himmelskörper, samt den Ursachen ihrer Bewegungen, dasjenige, was man am ersten gründlich und zuverläßig einzusehen hoffen darf. Die Ursache hievon ist leicht zu ersehen. Die [XXXIII] Himmelskörper sind runde Massen, also von der einfachsten Bildung, die ein Körper, dessen Ursprung man sucht, nur immer haben kan. Ihre Bewegungen sind gleichfals unvermischt. Sie sind nichts als eine freye Fortsetzung eines einmal eingedrückten Schwunges, welcher, mit der Attraktion des Körpers im Mittelpunkte verbunden, kreisförmigt wird. Ueberdem ist der Raum, darinn sie sich bewegen, leer, die Zwischenweiten, die sie von einander absondern, ganz ungemein groß und also alles sowohl zur unverwirrten Bewegung, als auch deutlichen Bemerkung derselben auf das deutlichste aus einander gesetzt. Mich dünkt, man könne hier in gewissem Verstande ohne Vermessenheit sagen: Gebet mir Materie, ich will eine Welt daraus bauen! das ist, gebet mir Materie, ich will euch zeigen, wie eine Welt daraus entstehen soll. Denn wenn Materie vorhanden ist, welche mit einer wesentlichen [XXXIV] Attraktionskraft begabt ist, so ist es nicht schweer diejenigen Ursachen zu bestimmen, die zu der Einrichtung des Weltsystems im Großen betrachtet, haben beytragen können. Man weiß was dazu gehöret, daß ein Körper eine Kugelrunde Figur erlange, man begreift was erfordert wird, daß frey schwebende Kugeln eine kreisförmige Bewegung um den Mittelpunkt anstellen gegen den sie gezogen werden. Die Stellung der Kreise gegeneinander, die Uebereinstimmung der Richtung, die Eccentricität, alles kan auf die einfachsten mechanischen Ursachen gebracht werden, und man darf mit Zuversicht hoffen sie zu entdecken, weil sie auf die leichtesten und deutlichsten Gründe gesetzt werden können. Kan man aber wohl von den geringsten Pflanzen oder Inseckt sich solcher Vortheile rühmen? Ist man in Stande zu sagen: Gebt mir Materie, ich will euch zeigen wie eine [XXXV] Raupe erzeuget werden könne? Bleibt man hier nicht bey dem ersten Schritte, aus Unwissenheit der wahren innern Beschaffenheit des Objects und der Verwickelung der in demselben vorhandenen Mannigfaltigkeit, stecken? Man darf es sich also nicht befremden lassen, wenn ich mich unterstehe zu sagen: daß eher die Bildung aller Himmelskörper, die Ursach ihrer Bewegungen, kurz, der Ursprung der ganzen gegenwärtigen Verfassung des Weltbaues, werde können eingesehen werden, ehe die Erzeugung eines einzigen Krauts oder einer Raupe, aus mechanischen Gründen, deutlich und vollständig kund werden wird.

Dieses sind die Ursachen, worauf ich meine Zuversicht gründe, daß der physische Theil der Weltwissenschaft künftighin noch wohl eben die Vollkommenheit zu hoffen habe, zu der Newton die mathematische Hälfte derselben erhoben hat. [XXXVI] Es sind nächst den Gesetzen, nach welchen der Weltbau, in der Verfaßung darinn er ist, bestehet, vielleicht keine anderen in der ganzen Naturforschung solcher mathematischen Bestimmungen fähig, als diejenigen, nach welchen er entstanden ist, und ohne Zweifel würde die Hand eines versuchten Meßkünstlers hier nicht unfruchtbare Felder bearbeiten.

Nachdem ich den Vorwurf meiner Betrachtung einer günstigen Aufnahme zu empfehlen mir habe angelegen seyn lassen; so wird man mir erlauben, mich wegen der Art, nach der ich ihn abgehandelt habe, kürzlich zu erklären. Der erste Theil gehet mit einem neuen System des Weltgebäudes im Großen um. Herrn Wright von Durham, deßen Abhandlung ich aus den Hamburgischen freyen Urtheilen vom Jahr 1751. habe kennen lernen, hat mir zuerst Anlaß gegeben, die Fixsterne nicht als ein ohne sichtbare Ordnung [XXXVII] zerstreutes Gewimmel, sondern als ein System anzusehen, welches mit einem planetischen die größte Aehnlichkeit hat, so daß, gleichwie in diesem die Planeten sich einer gemeinschaftlichen Fläche sehr nahe befinden, also auch die Fixsterne sich in ihren Lagen auf eine gewisse Fläche, die durch den ganzen Himmel muß gezogen gedacht werden, so nahe als möglich beziehen und durch ihre dichteste Häufung zu derselben denjenigen lichten Streif darstellen, welcher die Milchstrasse genannt wird. Ich habe mich vergewissert, daß, weil diese von unzehligen Sonnen erleuchtete Zone sehr genau die Richtung eines größten Zirkels hat, unsere Sonne sich dieser grossen Beziehungsfläche gleichfals sehr nahe befinden müsse. Indem ich den Ursachen dieser Bestimmung nachgegangen bin, habe ich sehr wahrscheinlich zu seyn befunden: daß die sogenannten Fixsterne, oder feste Sterne, wohl eigentlich [XXXVIII] langsam bewegte Wandelsterne einer höhern Ordnung seyn könten. Zur Bestätigung deßen, was man an seinem Orte von diesem Gedanken antreffen wird, will ich allhier nur eine Stelle aus einer Schrift des Herrn Bradley von der Bewegung der Fixsterne anführen. „Wenn man aus dem Erfolg der Vergleichung unserer besten jetzigen Beobachtungen, mit denen welche vor diesem mit einem erträglichen Grade der Richtigkeit angestellet worden, ein Urtheil fällen will, so erhellet: daß einige Fixsterne wirklich ihren Stand gegen einander verändert haben, und zwar so, daß man siehet, daß dieses nicht irgend von einer Bewegung in unserm Planetengebäude herrühret, sondern daß es bloß einer Bewegung der Sterne selber zugeschrieben werden kan. Der Arktur giebt einen starken Beweis hievon an die Hand. Denn wenn man desselben gegenwärtige [XXXIX] Declination mit seinem Orte, wie derselbe so wohl von Ticho als auch von Flammsteed ist bestimmt worden, vergleicht, so wird man finden: daß der Unterschied grösser ist als man ihn von der Ungewißheit ihrer Beobachtungen herzurühren vermuthen kan. Man hat Ursache zu vermuthen: daß auch andere Exempel von gleicher Beschaffenheit unter der großen Anzahl der sichtbaren Sterne vorkommen müssen, weil ihre Lagen gegeneinander durch mancherley Ursachen können verändert werden. Denn wenn man sich vorstellt, daß unser eigenes Sonnengebäude seinen Ort in Ansehung des Weltraums verändert; so wird dieses nach Verlauf einiger Zeit eine scheinbare Veränderung der Winkelentfernungen der Fixsterne verursachen. Und weil dieses in solchem Falle in die Oerter der nächsten Sterne einen grösseren Einfluß haben würde, [XL] als in die Oerter dererjenigen, welche weit entfernet sind, so würden ihre Lagen sich zu verändern scheinen, obgleich die Sterne selbst wirklich unbeweglich blieben. Und wenn im Gegentheil unser eigen Planetengebäude stille steht und einige Sterne wirklich eine Bewegung haben; so wird dieses gleichfalls ihre scheinbare Lage verändern, und zwar um destomehr, je näher sie bey uns sind, oder je mehr die Richtung der Bewegung so beschaffen ist, daß sie von uns kan wahrgenommen werden. Da nun also die Lagen der Sterne von so mancherley Ursachen können verändert werden, indem man die erstaunlichen Entfernungen, in welchen ganz gewiß einige gelegen sind, betrachtet; so werden wohl die Beobachtungen vieler Menschenalter nöthig seyn, die Gesetze der scheinbaren Veränderungen, auch eines einzigen Sternes, zu bestimmen. Viel [XLI] schweerer muß es also noch seyn, die Gesetze für alle die merkwürdigsten Sterne festzusetzen.“

Ich kan die Grenzen nicht genau bestimmen, die zwischen dem System des Herrn Wright und dem meinigen anzutreffen seyn, und in welchen Stücken ich seinen Entwurf bloß nachgeahmet, oder weiter ausgeführt habe. Indessen bothen sich mir nach der Hand annehmungswürdige Gründe dar, es auf der einen Seite beträchtlich zu erweitern. Ich betrachtete die Art neblichter Sterne, deren Herr von Maupertuis in der Abhandlung von der Figur der Gestirne[2] gedenket, und die die Figur [XLII] von mehr oder weniger offenen Ellipsen vorstellen, und versicherte mich [XLIII] leicht, daß sie nichts anders als eine Häufung vieler Fixsterne seyn können. Die [XLIV] jederzeit abgemessene Rundung dieser Figuren belehrte mich, daß hier ein unbegreiflich zahlreiches Sternenheer, und zwar um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt, müste geordnet seyn, weil sonst ihre freye Stellungen gegen einander, wohl irreguläre Gestalten, aber nicht abgemessene Figuren vorstellen würden. Ich sahe auch ein: daß sie in dem System, darinn sie sich vereinigt befinden, vornemlich auf eine Fläche beschränkt seyn müßten, weil sie nicht zirkelrunde, sondern elliptische Figuren abbilden, und daß sie wegen ihres blassen Lichts unbegreiflich weit von uns abstehen. Was ich aus diesen Analogien geschlossen habe wird die Abhandlung selber der Untersuchung des vorurtheilfreyen Lesers darlegen.

In dem zweiten Theile, der den eigentlichsten Vorwurf dieser Abhandlung in sich enthält, suche ich die Verfassung [XLV] des Weltbaues aus dem einfachsten Zustande der Natur bloß durch mechanische Gesetze zu entwickeln. Wenn ich mich unterstehen darf denenjenigen, die sich über die Kühnheit dieses Unternehmens entrüsten, bey der Prüfung womit sie meine Gedanken beehren, eine gewisse Ordnung vorzuschlagen, so wollte ich bitten das achte Hauptstück zuerst durchzulesen, welches, wie ich hoffe, ihre Beurtheilung zu einer richtigen Einsicht vorbereiten kan. Wenn ich indessen den gneigten Leser zur Prüfung meiner Meinungen einlade, so besorge ich mit Recht, daß, da Hypothesen von dieser Art gemeiniglich nicht in viel besserem Ansehen, als philosophische Träume stehen, es eine saure Gefälligkeit vor einen Leser ist, sich zu einer sorgfältigen Untersuchung von selbst erdachten Geschichten der Natur zu entschliessen und dem Verfasser durch alle die Wendungen, dadurch er den Schwierigkeiten, [XLVI] die ihm aufstossen, ausweichet, geduldig zu folgen, um vielleicht am Ende, wie die Zuschauer des londonschen Marktschreiers[3], seine eigne Leichtgläubigkeit zu belachen. Indessen getraue ich mir zu versprechen: daß, wenn der Leser durch das vorgeschlagene Vorbereitungs-Hauptstück hoffentlich wird überredet worden seyn, auf so wahrscheinliche Vermuthungen doch ein solches physisches Abentheuer zu wagen, er auf dem Fortgange des Weges nicht so viel krumme Abwege und unwegsame Hindernisse, als er vielleicht anfänglich besorgt, antreffen werde.

Ich habe mich in der That mit grössester Behutsamkeit aller willkürlichen Erdichtungen entschlagen. Ich habe, nachdem ich die Welt in das einfachste Chaos versetzt, keine andere Kräfte als die Anziehungs- und Zurückstossungskraft [XLVII] zur Entwickelung der grossen Ordnung der Natur angewandt, zwey Kräfte, welche beyde gleich gewiß, gleich einfach und zugleich gleich ursprünglich und allgemein sind. Beyde sind aus der Newtonischen Weltweisheit entlehnet. Die erstere ist ein nunmehro ausser zweifelgesetztes Naturgesetz. Die zweyte, welcher vielleicht die Naturwissenschaft des Newton nicht so viel Deutlichkeit als die erstere gewähren kan, nehme ich hier nur in demjenigen Verstande an, da sie niemand in Abrede ist, nemlich bey der feinsten Auflösung der Materie, wie z. E. bey den Dünsten. Aus diesen so einfachen Gründen habe ich auf eine ungekünstelte Art, ohne andere Folgen zu ersinnen, als diejenigen, worauf die Aufmerksamkeit des Lesers ganz von selber verfallen muß, das folgende System hergeleitet.

Man erlaube mir schlüßlich wegen der Gültigkeit und des angeblichen Werthes [XLVIII] derjenigen Sätze, die in der folgenden Theorie vorkommen werden und wornach ich sie vor billigen Richter geprüft zu werden wünsche, eine kurze Erklärung zu thun. Man beurtheilt billig den Verfasser nach demjenigen Stempel, den er auf seine Waare druckt; daher hoffe ich, man werde in den verschiedenen Theilen dieser Abhandlung keine strengere Verantwortung meiner Meinungen fordern[4], als nach Maasgebung des Werths, den ich von ihnen selber ausgebe. Ueberhaupt kan die größte geometrische Schärfe und mathematische Unfehlbarkeit niemals von einer Abhandlung dieser Art verlangt werden. Wenn das System auf Analogien und Uebereinstimmungen, nach den Regeln der Glaubwürdigkeit und einer richtigen Denkungsart, gegründet ist; so hat es allen Forderungen seines Objects genug gethan. Diesen Grad der Tüchtigkeit meine ich in einigen Stücken dieser [XLIX] Abhandlung, als in der Theorie der Fixsternensystemen, in der Hypothese von der Beschaffenheit der neblichten Sterne, in dem allgemeinen Entwurfe von der mechanischen Erzeugungsart des Weltbaues, in der Theorie von dem Saturnusringe und einigen andern erreicht zu haben. Etwas minder Ueberzeugung werden einige besondere Theile der Ausführung gewähren, wie z. E. die Bestimmung der Verhältnisse der Eccentricität, die Vergleichung der Massen der Planeten, die mancherley Abweichungen der Cometen, und einige andere.

Wenn ich daher in dem siebenten Hauptstück, durch die Fruchtbarkeit des Systems und die Annehmlichkeit des größten und wunderwürdigsten Gegenstandes, den man sich nur denken kan, angelocket, zwar stets an dem Leitfaden der Analogie und einer vernünftigen Glaubwürdigkeit; doch mit einiger Kühnheit [L] die Folgen des Lehrgebäudes so weit als möglich fortsetze; wenn ich das Unendliche der ganzen Schöpfung, die Bildung neuer Welten und den Untergang der alten, den unbeschränkten Raum des Chaos der Einbildungskraft darstelle; so hoffe ich, man werde der reizenden Annehmlichkeit des Objects und dem Vergnügen, welches man hat, die Uebereinstimmungen einer Theorie in ihrer grössesten Ausdehnung zu sehen, so viel Nachsicht vergönnen, sie nicht nach der größten geometrischen Strenge, die ohnedem bey dieser Art der Betrachtungen nicht statt hat, zu beurtheilen. Eben dieser Billigkeit versehe ich mich in Ansehung des dritten Theiles. Man wird indessen allemal etwas mehr wie bloß willkührliches, obgleich jederzeit etwas weniger als ungezweifeltes, in selbigen antreffen.

[LI]
Innhalt des ganzen Werks.


Abriß einer allgemeinen systematischen Verfassung unter den Fixsternen, aus den Phänomenis der Milchstrasse hergeleitet. Aehnlichkeit dieses Fixsternensystems mit dem Systeme der Planeten. Entdeckung vieler solcher Systeme, die sich in der Weite des Himmels, in Gestalt elliptischer Figuren, zeigen. Neuer Begriff von der systematischen Verfassung der ganzen Schöpfung.

Beschluß. Wahrscheinliche Vermuthung mehrer Planeten über dem Saturn, aus dem Gesetze, nach welchem die Eccentricität der Planeten mit den Entfernungen zunimmt.


Zweyter Theil.

Gründe vor die Lehrverfassung eines mechanischen Ursprungs der Welt. Gegengründe. Einziger Begriff unter allen möglichen, beyden genug zu thun. Erster Zustand der Natur. Zerstreuung der Elemente aller Materie durch den ganzen Weltraum. Erste Regung durch die Anziehung. Anfang der Bildung eines Körpers in dem Punkte der stärksten Attraction. Allgemeine Senkung der Elemente gegen diesen Centralkörper. Zurückstoßungskraft der feinsten Theile, darinn die Materie aufgelöset worden. Veränderte Richtung [LII] der sinkenden Bewegung durch die Verbindung dieser Kraft mit der erstern. Einförmige Richtung aller dieser Bewegungen nach eben derselben Gegend. Bestrebung aller Partickeln, sich zu einer gemeinschaftlichen Fläche zu dringen und daselbst zu häufen. Mäßigung der Geschwindigkeit ihrer Bewegung zu einem Gleichgewichte mit der Schweere des Abstandes ihres Orts. Freyer Umlauf aller Theilchen um den Centralkörper in Cirkelkreisen. Bildung der Planeten aus diesen bewegten Elementen. Freye Bewegung der daraus zusammengesetzten Planeten in gleicher Richtung in gemeinschaftlichen Plane, nahe beym Mittelpunkte bey nahe in Cirkelkreisen, und weiter von demselben mit zunehmenden Graden der Eccentricität.

Handelt von der verschiedenen Dichtigkeit der Planeten und dem Verhältnisse ihrer Massen. Ursache woher die nahen Planeten dichterer Art sind, als die entferneten. Unzulänglichkeit der Erklärung des Newton. Woher der Centralkörper leichterer Art ist, als die nächst um ihn laufende Kugeln. Verhältniß der Massen der Planeten, nach der Proportion der Entfernungen. Ursache aus der Art der Erzeugung, woher der Centralkörper die größte Masse hat. Ausrechnung der Dünnigkeit, in welcher alle Elemente der Weltmaterie zerstreuet gewesen. Wahrscheinlichkeit und Nothwendigkeit dieser Verdünnung. Wichtiger Beweis der Art der Erzeugung der Himmelskörper aus einer merkwürdigen Analogie des Herren de Buston.

Von der Eccentricität der Planetenkreise und dem Ursprunge der Cometen. Die Eccentricität nimmt [LIII] Gradweise, mit den Entfernungen von der Sonne, zu. Ursache dieses Gesetzes aus der Cosmogonie. Woher die Cometenkreise von dem Plane der Eckliptick frey ausschweifen. Beweis, daß die Cometen aus der leichtesten Gattung des Stoffes gebildet seyn. Beyläufige Anmerkung von dem Nordscheine.

Von dem Ursprunge der Monde und den Bewegungen der Planeten um die Achse. Der Stoff zu Erzeugung der Monde war in der Sphäre, daraus der Planet die Theile zu seiner eigenen Bildung samlete, enthalten. Ursache der Bewegung dieser Monde mit allen Bestimmungen. Woher nur die großen Planeten Monde haben. Von der Achsendrehung der Planeten. Ob der Mond ehedem eine schnellere gehabt habe? Ob die Geschwindigkeit der Umwälzung der Erde sich vermindere? Von der Stellung der Achse der Planeten gegen, den Plan ihrer Kreise. Verrückung ihrer Achse.

Von dem Ursprunge des Saturnusringes und der Berechnung seiner täglichen Umdrehung aus dem Verhältnissen desselben. Erster Zustand des Saturns mit der Beschaffenheit eines Cometen verglichen. Bildung eines Ringes aus den Theilchen seiner Athmosphäre vermittelst der von seinem Umschwunge eingedrückten Bewegungen. Bestimmung der Zeit seiner Achsendrehung nach dieser Hypothese. Betrachtung der Figur des Saturns. Von der sphäroidischen Abplattung der Himmelskörper überhaupt. Nähere Bestimmung der Beschaffenheit dieses Ringes. Wahrscheinliche Vermuthung neuer Entdeckungen. Ob die Erde vor der Sündfluth nicht einem Ring gehabt habe?

[LIV]

Von dem Zodiackallichte.

Von der Schöpfung im ganzen Umfange ihrer Unendlichkeit sowohl dem Raume als der Zeit nach. Ursprung eines grossen Systems der Fixsterne. Centralkörper im Mittelpunkte des Sternensystems. Unendlichkeit der Schöpfung. Allgemeine systematische Beziehung in ihrem ganzen Innbegriffe. Centralkörper der ganzen Natur. Succeßive Fortsetzung der Schöpfung in aller Unendlichkeit der Zeiten und Räume, durch unaufhörliche Bildung neuer Welten. Betrachtung über das Chaos der ungebildeten Natur. Allmählicher Verfall und Untergang des Weltbaues. Wohlanständigkeit eines solchen Begriffes. Wiedererneurung der verfallenen Natur.

Allgemeine Theorie und Geschichte der Sonne überhaupt. Woher der Centralkörper eines Weltbaues ein feuriger Körper ist. Nähere Betrachtung seiner Natur. Gedanken von den Veränderungen der ihn umgebenden Luft. Erlöschung der Sonnen. Naher Anblick ihrer Gestalt. Meinung des Herren Wright von dem Mittelpunkte derganzen Natur. Verbesserung derselben.

Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit einer mechanischen Lehrverfassung der Einrichtung des [LV] Weltbaues überhaupt, insonderheit von der Gewißheit der gegenwärtigen. Die wesentliche Fähigkeit der Naturen der Dinge, sich von selber zur Ordnung und Vollkommenheit zu erheben, ist der schönste Beweis des Daseyns GOttes. Vertheidigung gegen den Vorwurf des Naturalismus.

Die Verfassung des Weltbaues ist einfach und nicht über die Kräfte der Natur gesetzt. Analogien, die den mechanischen Ursprung der Welt mit Gewißheit bewähren. Eben dasselbe aus den Abweichungen bewiesen. Die Anführung einer unmittelbaren göttlichen Anordnung thut diesen Fragen kein Gnüge. Schwierigkeit, die den Newton bewog, den mechanischen Lehrbegriff aufzugeben. Auflösung dieser Schwierigkeit. Das vorgetragene System ist das einzige Mittel unter allen möglichen beyderseitigen Gründen ein Gnüge zu leisten. Wird ferner durch das Verhältniß der Dichtigkeit der Planeten, ihrer Massen, der Zwischenräume ihres Abstandes und den stuffenartigen Zusammenhange ihrer Bestimmungen erwiesen. Die Bewegungsgründe der Wahl GOttes bestimmen diese Umstände nicht unmittelbar. Rechtfertigung in Ansehung der Religion. Schwierigkeiten, die sich bey einer Lehrverfassung von der unmittelbaren göttlichen Anordnung hervorthun.


Enthält eine Vergleichung zwischen den Einwohnern der Gestirne.

Ob alle Planeten bewohnt seyn? Ursache daran zu Zweifeln. Grund der physischen Verhältniße zwischen den Bewohnern verschiedener Planeten. Betrachtung des Menschen. Ursachen der Unvollkommenheit [LVI] seiner Natur. Natürliches Verhältniß der körperlichen Eigenschaften der belebten Creaturen, nach ihrem verschiedenen Abstande von der Sonne. Folgen dieser Verhältniß auf ihre geistige Fähigkeiten. Vergleichung der denkenden Naturen auf verschiedenen Himmelskörpern. Bestätigung aus gewißen Umständen ihrer Wohnplätze. Fernerer Beweis aus den Anstalten der göttlichen Vorsehung die zu ihrem Besten gemacht sind. Kurze Ausschweifung.


Die Begebenheiten des Menschen in dem künftigen Leben.



  1. 1. Theil §. 88.
  2. Weil ich den angeführten Traktat nicht bey der Hand habe, so will ich daß dazu gehörige aus der Anführung der Ouvrages diverses de Msr. de Maupertuis in den Actis Erud. 1745. hier einrücken. Das erste Phänomenon sind diejenige lichte Stellen am Himmel, welche neblichte Sterne genannt, und vor einen Haufen kleiner Fixsterne gehalten werden. [XLII] Allein die Astronomen haben durch vortreffliche Ferngläser sie nur als grosse länglichtrunde Plätzchen, die etwas lichter als der übrige Theil des Himmels wären, befunden. Hugen hat dergleichen etwas zuerst im Orion angetroffen; Halley gedenket in den Anglical. Trans. sechs solcher Plätzchen: 1. im Schwerdt des Orions, 2. im Schützen, 3. im Centaurus, 4. vor dem rechten Fuße des Antinous, 5. im Herkules, 6. im Gürtel der Andromeda. Wenn diese durch ein reflectirendes Seherohr von 8 Fuß betrachtet werden, so siehet man, daß nur der vierte Theil derselben vor einen Haufen Sterne könne gehalten werden; die übrige haben nur weißlichte Plätzchen vorgestellt, ohne erheblichen Unterschied, ausser daß eines mehr der Cirkelrundung beykommt, ein anderes aber länglichter ist. Es scheinet auch, daß bey dem ersten die durch das Seherohr sichtbaren kleinen Sternchen seinen weißlichten Schimmer nicht verursachen können. Halley glaubt: „daß man aus diesen Erscheinungen dasjenige erklären könne, was man im Anfang der Mosaischen Schöpfungsgeschichte antrift, nemlich daß das Licht eher als die Sonne erschaffen sey. Derham vergleicht sie Oeffnungen, dadurch eine andere unermeßliche Gegend und vielleicht [XLIII] der Feuerhimmel durchscheine. Er meynet, er habe bemerken können, daß die Sterne, die neben diesen Plätzchen gesehen werden, uns viel näher wären, als diese lichte Stellen. Diesen fügt der Verfasser ein Verzeichniß der neblichten Sterne aus dem Hevelius bey. Er hält diese Erscheinungen für grosse lichte, Massen, die durch eine gewaltige Umwälzung abgeplattet worden wären. Die Materie, daraus sie bestehen, wenn sie eine gleichleuchtende Kraft mit den übrigen Sternen hätte, würde von ungeheurer Grösse seyn müssen, damit sie, aus einem viel grösseren Abstande, als der Sterne ihrer ist, gesehen, dennoch dem Fernglase unter merklicher Gestalt und Grösse erscheinen können. Wenn sie aber an Grösse den übrigen Fixsternen ohngefehr gleich kämen, müsten sie uns nicht allein ungleich viel näher seyn, sondern zugleich ein viel schwächeres Licht haben: weil sie bey solcher Nähe und scheinbarer Grösse doch einen so blassen Schimmer an sich zeigen. Es würde also der Mühe verlohnen, ihre Parallaxe, wofern sie eine haben, zu entdecken. Denn diejenigen, welche sie ihnen absprechen, schliessen vielleicht von einigen auf alle. Die Sternchen, die man mitten auf diesen Plätzchen antrift, wie in dem Orion (oder noch schöner, in dem vor dem rechten Fusse des Antinous, welcher nicht anders aussiehet als ein Fixstern, der mit einem Nebel umgeben ist) würden wofern sie uns naher wären, entweder nach Art der Projection auf denselben gesehen, oder schienen durch jene Massen, gleich als durch die Schweife der Cometen, durch.“
  3. siehe Gellerts Fabel: Hans Nord.
  4. WS: Vorlage: fodern