Allerheiligen’s Stiftung
So sprach Frau Uta, die Herzogin:
„Ich will ein Kloster stiften,
Ihr Räthe, sagt, wo stell’ ichs hin?“
Da gabs viel Reden und Schriften
„Inmaßen“ und „derowegen.“
Fast Jeder suchte das Gegentheil
Vom Andern darzulegen. –
„So wird mein Wille nie zur That,
Geht, holt mir einen klügern Rath,
Der sey des Zweifels Schlichter!“ –
Ein Esel wars. Den schickt sie hinaus,
Bepackt mit reichen Schätzen:
Den besten von allen Plätzen!“
Rath Langohr schleicht im trägen Gang,
Dem weiland amtsgemäßen,
Als wär’ er all sein Lehen lang
Bald wirds ihm heiß auf seiner Bahn,
Die Thäler glühn und dampfen,
Ein grimmig Dürsten fällt ihn an,
Drob hebt er an zu stampfen;
Den lockern Grund getroffen,
Da sprudelt ein klarer Quell zu Tag,
Da hat er sich satt gesoffen.
Und weiter schleppt er seinen Sack,
Er jählings seinen schweren Pack
Wegschleudert in die Tiefe.
„Freund Langohr, klug ist dein Entscheid!
hier unten will ich bauen;
Soll man das Kloster schauen.“ –
Und so nach Eselsrath ward dort
Sogleich auf der Frau Uta Wort
Der Klosterbau begonnen
Fließt noch der Eselsbronnen.
Zuletzt noch eine gute Lehr’
Für Alle, so dies lesen:
Des Esels Rath frommt öfters mehr
- ↑ [45] Die fromme Frau Uta, Tochter eines Grafen von Calw, und die Gemahlin eines Herzogs aus dem Geschlecht der Welfen, bewohnte die Schauenburg, deren Trümmer von einem holten Felsenblocke auf einem Berge nahe beim Städtchen Oberkirch heruntersehen. Die Schauenburg hat ihren Namen nicht umsonst; denn von hier aus genießt man einer wundervollen Fernsicht ins Rheinthal und die Gebirge. Daß sie diesen Namen deßhalb erhalten, weil die Straßburger sie einst vergeblich belagerten und beim Abzuge sich selbst zum Hohne gesagt hätten: „Wir schauen an die Burg!“ ist wohl nur aus der Luft gegriffen.