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Alcest

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Textdaten
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Autor: Christian Fürchtegott Gellert
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Titel: Alcest
Untertitel:
aus: Sämmtliche Schriften. 1. Theil: Fabeln und Erzählungen, Zweytes Buch. S. 216-218
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1769
Verlag: M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck 1746/48
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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Bearbeitungsstand
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[216]
Alcest.


Alcest, den mancher Kummer drückte,
Der, weil er sich nicht zu dem Laster schickte,
Noch sich vor reichen Thoren bückte,
Bey Fleiß und Kunst sich elend sah,

5
Stund neulich traurig auf. Freund, geht dir dieß nicht nah,

Daß viele Kluge darben müssen,
Bloß weil sie mehr als andre, wissen,
Und zu Betrug und List zu blind,
Zu groß zu Pralerey und Wind,

10
Nicht knechtisch gnug zu Schmeichlern sind?


     O Freund! bedaure doch Alcesten,
Ihn, den itzt schwere Sorgen preßten;
Ihn, der von einem Buch beschämt zum andern schlich,
Und doch dem Kummer nicht entwich;

15
Ihn, der sich laut durch manchen Trostgrund lehrte,

Und doch sein Herz viel lauter seufzen hörte;
Der herzhaft zu sich selber sprach:
Gott lebt, Gott herrscht, und hört dein Ach!
Er hört, so groß er ist, der jungen Raben Flehen;

20
Drum ist er nicht zu groß, auch dir mit beyzustehen;

Und der, indem er dieses sprach,
Doch noch im Herzen rief: Wie wird dirs künftig gehen?

[217]
     Der beste Trostgrund blieb noch schwach;

Denn welch bekümmert Herz besiegt man gleich mit Gründen?

25
Es fühlt der starken Glieder Kraft,

Und flieht zurück in seine Leidenschaft,
Um jener Macht nicht zu empfinden.
Alcest beschloß zu seinem Freund zu gehn,
Den er zween Tage nicht gesehn.

30
Er, sprach er, ist es werth, und fieng schon an zu gehn,

Daß ich zu ihm mit meinem Kummer eile,
Und meinen Kummer mit ihm theile;
In Damons Arm, wenn Damon mit mir spricht,
Wird die Geduld, die sonst so schwere Pflicht,

35
Mir lange so beschwerlich nicht.


     Er eilt mit sehnsuchtsvollem Herzen,
Wie nach dem Arzt ein Siecher, der sonst schleicht,
In Hoffnung schneller geht, und hoffend seine Schmerzen
Nicht fühlt, noch merkt, wie sehr er keucht,

40
Bis er des Arztes Haus erreicht.


     In diesem brennenden Verlangen,
Den treuen Damon zu umfangen,
Tritt er ins Haus und eilt die Treppe schnell hinauf.
Der Vorsaal wimmelte von Leuten:

45
Alcest erschrickt. „Gott! was soll das bedeuten?“

Er tritt herein; und seht, man bahrt den Damon auf!

[218]
     Er kehrte von dem todten Freunde,

Nach einem letzten Kuß, zurück.
Die Sorgen, seiner Ruhe Feinde,

50
Entwichen in dem Augenblick.

Was, sprach er, will ich mich denn quälen?
Kann mich der Tod so bald entseelen,
Was nützt mir alles Glück der Welt?
Um froh zu sterben, will ich leben.

55
Der Herr, der alles Fleisch erhält,

Wird mir, so viel ich brauche, geben.
Ihm werth zu seyn, der Tugend nachzustreben,
Dieß sey mein Kummer auf der Welt!