Alcest
Alcest, den mancher Kummer drückte,
Der, weil er sich nicht zu dem Laster schickte,
Noch sich vor reichen Thoren bückte,
Bey Fleiß und Kunst sich elend sah,
Daß viele Kluge darben müssen,
Bloß weil sie mehr als andre, wissen,
Und zu Betrug und List zu blind,
Zu groß zu Pralerey und Wind,
O Freund! bedaure doch Alcesten,
Ihn, den itzt schwere Sorgen preßten;
Ihn, der von einem Buch beschämt zum andern schlich,
Und doch dem Kummer nicht entwich;
Und doch sein Herz viel lauter seufzen hörte;
Der herzhaft zu sich selber sprach:
Gott lebt, Gott herrscht, und hört dein Ach!
Er hört, so groß er ist, der jungen Raben Flehen;
Und der, indem er dieses sprach,
Doch noch im Herzen rief: Wie wird dirs künftig gehen?
Denn welch bekümmert Herz besiegt man gleich mit Gründen?
Und flieht zurück in seine Leidenschaft,
Um jener Macht nicht zu empfinden.
Alcest beschloß zu seinem Freund zu gehn,
Den er zween Tage nicht gesehn.
Daß ich zu ihm mit meinem Kummer eile,
Und meinen Kummer mit ihm theile;
In Damons Arm, wenn Damon mit mir spricht,
Wird die Geduld, die sonst so schwere Pflicht,
Er eilt mit sehnsuchtsvollem Herzen,
Wie nach dem Arzt ein Siecher, der sonst schleicht,
In Hoffnung schneller geht, und hoffend seine Schmerzen
Nicht fühlt, noch merkt, wie sehr er keucht,
In diesem brennenden Verlangen,
Den treuen Damon zu umfangen,
Tritt er ins Haus und eilt die Treppe schnell hinauf.
Der Vorsaal wimmelte von Leuten:
Er tritt herein; und seht, man bahrt den Damon auf!
Nach einem letzten Kuß, zurück.
Die Sorgen, seiner Ruhe Feinde,
Was, sprach er, will ich mich denn quälen?
Kann mich der Tod so bald entseelen,
Was nützt mir alles Glück der Welt?
Um froh zu sterben, will ich leben.
Wird mir, so viel ich brauche, geben.
Ihm werth zu seyn, der Tugend nachzustreben,
Dieß sey mein Kummer auf der Welt!