Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H07
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Oberschaar, eine Meile von Freiberg gelegen, besteht aus einem Rittergute, dem Dorfe Oberschaar und einem von Gute abgebauten Dörfchen Neuoberschaar, auch die Haide genannt. Der Ort erstreckt sich, an dem Niederschönaer Bache hinlaufend, fast bis nach Niederschöna und zählt in zwei und funfzig Feuerstätten über dreihundert Bewohner. Hier sind viele schöne und starke Güter mit fruchtbaren Feldern, und drei Mühlen mit sechs Gängen, die zum Theil von der Bobritzsch getrieben werden, welche an dieser Stelle ein romantisch schönes Thal bildet. Die Fluren des Dorfes Oberschaar grenzen fast überall mit dem Gebiete des alten Erbamtes Meissen.
Man findet Oberschaar bisweilen auch fälschlich Ober-Schaar geschrieben, da es doch niemals ein Unter-Schaar gegeben hat und geben kann, indem „Schaar“ kein eigenthümlicher Name ist. Von Manchen wird behauptet, dass Schaar aus „Scheuer oder Scheune“ zusammen gezogen sei, während andere der Meinung sind dass der Name von Pflugschaar abzuleiten und auf die Fruchtbarkeit der hiesigen Felder zu beziehen sei; beide Ansichten vereinigen sich indessen darin, dass Oberschaar (Ueberschaar) soviel als ein Beigut, Vorwerk, isolirtes Areal, bedeuten solle. Uebrigens versteht man unter dem Ausdrucke Oberschaar auch das eingeschlossene Stück bergmännischen Feldes, welches zwischen zwei bereits vermessenen Zechen liegt, und nach bergmännischem Rechte gleichmässig an beide Zechen vertheilt wird; dass aber auf einer solchen Oberschaar ein Dorf erbaut werden konnte ist nicht anzunehmen. Dergleichen Oberschaaren finden sich bei Lippersdorf, bei Zethau (wo es ein untere und obere Oberschaar giebt) und bei Dorfchemnitz. – Nahe bei dem Dorfe Oberschaar mündet das Schönaer Wasser in die Bobritzsch; der Ort liegt neunhundert Pariser Fuss über Meereshöhe.
Die Gründung des Dorfes Oberschaar dürfte in das zwölfte Jahrhundert zu versetzen sein, wo die reichen Freibergischen Bergwerke Veranlassung zur Ansiedelung einer grossen Menge betriebsamer Leute gaben, denen die Entstehung der meisten Freiberg umgebenden Ortschaften zuzuschreiben ist. Im vierzehnten Jahrhundert gehörte Oberschaar den Burggrafen von Meissen. Im Jahre 1418 kaufte der Pfarrer Wilde zu Freiberg Nikol Weyharden zu Oberschaar einige Zinsen ab, zu gleicher Zeit eignete Burggraf Heinrich von Meissen einige Zinsen aus diesem Dorfe zu einer Frühmesse und einem salve regina im Dome zu Freiberg, und überliess sogar 1425 diesem Gotteshause zu demselben Zwecke das ganze Dorf, welche Schenkung Churfürst Friedrich der Streitbare, als Oberlehnsherr, noch in demselben Jahre bestätigte. Durch die Reformation kam Oberschaar in Besitz des Stadtrathes zu Freiberg, der das Gut 1555 für eine Summe von fünfhundertfunfzig Gulden an den damaligen Stadtrichter Peter Alnpeck verkaufte. Dieser starb im Jahre 1563 und fand seine Ruhestätte im Erbbegräbniss der Familie, im Freiberger Dome; Oberschaar aber wurde Eigenthum Valentin Alnpecks, der 1599 mit Tode abging, und dieses Gut dem Gemahle seiner Tochter, Hans von Molsdorf auf Steinbach hinterliess, der noch 1619 in dessen Besitze war. Der nächste Herr auf Oberschaar war nach Hans von Molsdorfs im Jahre 1641 erfolgtem Tode Dietrich von Molsdorf, dem Georg von Molsdorf folgte, welcher das Gut bis gegen 1695 besass worauf es an den um die Stadt Freiberg so hochverdienten Bürgermeister Horn gelangte, dessen Wittwe 1737 noch hier lebte und wahrscheinlich auch auf dem hiesigen Herrenhause gestorben ist. Von den späteren Besitzern wird die Familie Ludwig genannt, welche das Gut noch im Jahre 1820 besass, worauf es an Herrn Friedrich Gottlob Brendel gelangte.
Oberschaar hat vielfache Schicksale, namentlich manche durch die Nähe Freibergs veranlasste Kriegsplage ertragen müssen. Schon im Jahre 1296 wurde das Rittergut durch die Reiter Rudolphs von Nassau geplündert und angezündet, weil der Burgmann des Burggrafen von Meissen, welchem die Bewachung des Schlosses und Aufsicht über das Gut zustand, dem bedrohten Freiberg zu Hülfe gezogen war. Eine alte Chronik erzählt, dass der Anführer des kaiserlichen Kriegsvolkes nahe bei der Stadt ein erhöhtes Terrain besetzte und dasselbe durch eine aufgeworfene Verschanzung befestigen wollte; während dieser Arbeit aber zündeten die Freiberger Bergleute eine darunter angelegte Mine und sprengten dadurch [50] eine grosse Anzahl der Feinde in die Luft. Ob im Jahre 1296, wo dieser Vorfall sich ereignete, wirklich schon Schiesspulver gebraucht wurde ist noch zu ermitteln. – Auf den glücklichen Anfang der Vertheidigung folgten heftige Kämpfe, täglich stürmten die Kaiserlichen gegen die Mauern, welche endlich unter den heftigen Stössen der Mauerbrecher und der ungeheuren Wucht aus Schleudern geworfener Balken und Felsblöcke theilweise zusammenstürzten, aber von den rastlosen Vertheidigern sofort wieder mit Holz und erdegefüllten Fässern ausgebessert wurden, während die Greise, Frauen und Kinder in den Kirchen Gott um Rettung vor dem wüthenden Feinde anflehten. Der Kaiser sah dass durch die fruchtlosen Stürme sein Heer immer mehr zusammenschmolz, deshalb liess er die Stadt umzingeln und forderte noch einmal drohend zur Uebergabe auf, der tapfere Ritter von Haugwitz aber sowie die von ihm befehligten Edelleute der Umgegend und die Männer von Freiberg verhöhnten des Kaisers Antrag und schwuren nochmals treu zu bleiben ihren angestammten Fürsten, Friedrich dem Gebissenen und seinem Bruder Dietzmann. – Da führte nach sechszehn Monaten ritterlicher Vertheidigung ein Bube den Feind verrätherisch durch eine Schleusse der Münzbach in die Stadt und so heldenmüthig deren Besatzung sich auch den Eingedrungenen entgegen warf, mussten sie dennoch endlich der Uebermacht erliegen. Ein Theil der Kriegsleute hatte bei dem Verluste der Stadt sich auf die Burg zurückgezogen, deren Besatzung jede Aufforderung zur Uebergabe entrüstet zurückwies, bis endlich Markgraf Friedrich einen Boten von Meissen herbeisendete mit dem Befehle zur Erhaltung so wackerer Krieger den ungleichen Kampf einzustellen und das Schloss dem Kaiser zu übergeben. Adolf von Nassau hatte der Besatzung freien Abzug versprochen, als aber die Thore der Veste sich öffneten liess er deren Vertheidiger gefangen nehmen und drohte ihnen mit dem Tode wenn nicht ein bedeutendes Lösegeld herbeigeschafft würde. Der Hass des Kaisers ruhte namentlich auf den Edelleuten welche aus der Nachbarschaft zur Vertheidigung herbeigekommen waren, und da Viele derselben das verlangte Lösegeld nicht auftreiben konnten, liess der erbitterte Sieger sechszig adligen Männern die Köpfe abschlagen. Zu spät langte ein zweiter Bote Markgraf Friedrichs an, welcher dem Kaiser für das Leben der übrigen Edelleute die Städte Grimma, Rochlitz und Lausigk anbot.
Das Häuflein der übriggebliebenen Edelleute zog nach Meissen, wo Markgraf Friedrich sie mit thränenden Augen empfing, aber die tapferen Männer konnten ihrem Fürsten, der vom Kriegsglück verlassen, aller Geldmittel entblösst, ein armer, von hundert Gefahren bedrohter Flüchtling war, für jetzt nichts nützen, desshalb entliess sie Friedrich bis auf besser Zeit nach ihrer Heimath. Als er nach Jahren unerkannt in Freibergs Nähe herumstreifte, entdeckte er sich einem dieser treuen Männer, der eine grosse Quantität geschmolzenen Silbers für seinen Fürsten zusammenbrachte, so dass dieser neue Kriegsrüstungen beginnen konnte. Die Schlacht bei Lucka (1307) machte Friedrich den Gebissenen zum Herrn seiner angestammten Länder, und nun übte er auch an der kaiserlichen Besatzung zu Freiberg ein furchtbares Vergeltungsrecht, indem nach kurzer Belagerung die Stadt genommen und ihre Besatzung fast durchgängig niedergemetzelt wurde; mehrere Bürger aber die es mit dem Feinde gehalten, empfingen schwere Strafen.
Auch der dreissigjährige Krieg traf Oberschaar, wie überhaupt Freibergs Umgegend, ziemlich hart. So drang im October 1631 hier ein Haufen kaiserlicher Soldaten ein und verübte die abscheulichsten Excesse, raubte das Vieh, misshandelte die Einwohner und verbrannte mehrere Güter. Auch 1632 wo Freiberg durch den General Gallas belagert wurde, stellten sich oft fouragirende Detachements ein, die den armen Leuten häufig das letzte Brod entrissen. Als nach dem grossen Siege bei Leipzig Torstensohn mit seiner ganzen Macht vor Freiberg zog und die Stadt sieben Wochen lang von dem Feinde unaufhörlich bestürmt wurde, ohne dass eine Uebergabe bewerkstelligt werden konnte, begannen die Leiden der umwohnenden Landleute von Neuem, und namentlich hausten die Schweden auf den Dörfern um so unmenschlicher, weil eine grosse Anzahl der Dorfbewohner sich den Freibergern als Waffenbrüder beigesellt hatten. Der Abzug des Torstensohnschen Heeres von der „Hexenstadt“ befreite diese sammt ihrer Nachbarschaft auf lange Zeit von gefährlichen kriegerischen Gästen, denn erst als am 29. October 1763 das letzte Treffen des siebenjährigen Krieges in Freibergs Nähe geliefert wurde, erneute sich die Kriegsnoth. – Dass Oberschaar im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert verschiedene Male von Pestkrankheiten heimgesucht wurde war ein Loos welches es mit fast allen Dörfern seiner Umgebung theilte.
Die Kirche zu Oberschaar ist Filial von Krummenhennersdorf. Sie liegt auf einer Anhöhe ist von dem Friedhofe umgeben und trägt einen kleinen Thurm. Das Innere des kleinen anspruchslosen Gotteshauses ist schmucklos, doch verdient Erwähnung das vorhandene Altargemälde, Christi Kreuzigung darstellend, welches von tüchtiger Künstlerhand geschaffen wurde. Der Besitzer des hiesigen Rittergutes schenkte der Kirche im Jahre 1835 eine neue Kanzel- und Altarbekleidung, eine Wohlthat die bei dem geringen Vermögen derselben, das zweihundert Thaler beträgt, sehr anerkennungswerth ist. Bis zum Jahre 1833 wurde in der Kirche zu Oberschaar nur an jedem vierten Sonntage Frühpredigt abgehalten, [51] und um den ersten Feiertag hoher Feste, den Charfreitag, das Reformationsfest und die Busstage kirchlich zu begehen waren die Oberschaarer gezwungen sich nach Krummenhennersdorf zu wenden, wo sie in der Mutterkirche eine Anzahl Stände besassen; desshalb trafen beide Gemeinden im genannten Jahre einen Vergleich nach welchem der Frühgottesdienst in beiden Kirchen abwechselt, Oberschaar aber seine Ansprüche an die Krummenhennersdorfer Stände aufgegeben hat. Die Schule, welche unter Collatur des Rittergutes Oberschaar steht, besuchen durchschnittlich sechszig Kinder, wobei auch die des neuangebauten Oertchens Neuoberschaar befindlich sind. Am Ende eines zum Rittergute gehörigen Grundstücks, die Schenkhalbehufe genannt, hat der Hauslehrer des Gutsherrn mit seinen Zöglingen eine niedliche Anlage geschaffen, welche, natürlich in verkleinertem Maassstabe, das Bild der berühmten Bastei vergegenwärtigt und zu den hübschesten Punkten des Bobritzschthales gehört.
Linda liegt anderthalb Stunden südwestlich von Freiberg und drei Viertelstunden nordwestlich von Brand, theils mit St. Michaelis zusammenhängend, theils an einer Anhöhe und in einem Grunde hingestreut, auf dem linken Ufer der Striegiss, die sich hier mit dem Michelsbache vereinigt und am Fusse einer Abdachung hinströmt, von der man einen Ueberblick des stattlichen Rittergutes Linda geniesst. Einen Büchsenschuss weiter findet man das schönverzierte Mundloch des Thelenberger Stollens, dessen Abfluss dem Wasser der Striegiss eine graue Farbe mittheilt. Noch weiter herab in dem nordwestlich und nördlich gekrümmten Thale liegen einsam, aber höchst romantisch, zwei Mühlen, Vorder- und Hintermühle genannt, von denen eine 1822 abbrannte; auch gehört hierher ein noch entfernteres Gütchen. Nordöstlich ist die Flur von dem hochgelegenen Spitalwalde begrenzt. Das Dorf besteht, mit Einschluss des Zechhauses aus achtundsechszig Feuerstätten und fast sechshundert Einwohnern, von denen eine grosse Anzahl Bergleute, und namentlich bei der berühmten Grube Himmelsfürst beschäftigt sind. Vor der Reformation stand zwischen Linda und Oberschöna eine Kapelle, welche später abgebrochen und in Linda errichtet wurde. Zugleich baute man an dieselbe das Wohnhaus des Schullehrers, so dass dieses geistliche Gebäude, dessen Dach ein Thürmchen schmückt, mit seinen hohen Kirchenfenstern auf der einen und sieben kleinen Stubenfenstern auf der andern Seite einen eigenthümlichen Anblick gewährt. Die Kapelle benutzt der Schullehrer als Unterrichtslokal, auch hat er hier sonntäglich Betstunden abzuhalten, zum Kirchweihfeste aber hält der Pfarrer zu Oberschöna hier vollständigen Gottesdienst mit Predigt, (obgleich er die Kirchweihpredigt in der Mutterkirche zu halten berechtigt ist) und zweimal jährlich findet in der Kapelle Abendmahlsfeier, namentlich zur Bequemlichkeit alter, schwacher Ortsangehörigen, statt.
Linda entstand im zwölften Jahrhundert durch eingewanderte Brandenburger, welche der neuentdeckte reiche Bergsegen hierher gelockt hatte. Wahrscheinlich befand sich in der Nähe der Ansiedelung eine Gruppe alter Lindenbäume, welche dem Orte seinen Namen gaben. Das hiesige Rittergut besass schon im dreizehnten Jahrhundert ein Brandenburgisches Adelsgeschlecht, die Ruilicke oder Rülcke, welche sich nach dem Gute Herren von der Linde nannten. Jobst Ruilke von der Linde gehörte zu den treuesten Anhängern Markgraf Friedrichs mit der gebissenen Wange und war 1307 dessen Rüstmeister. Im Jahre 1355 geschieht eines Ludolph Ruilke Erwähnung, der dem Johannishospital zu Freiberg das Zinsgetreide eines Gutes zu Linda überliess. Hans Ruilke zur Linda lebte hier 1405 und Jakob Ruilke fiel in der Hussitenschlacht bei Aussig. Auch im Bruderkriege kämpfte ein Hans Ruilke im Heere des Churfürsten und wurde mit Kunz von Kaufungen und Nikol Pflug in dem [52] blutigen Gefechte an der Brücke bei Pöppeln gefangen, nach Böhmen geschafft und erst gegen ein Lösegeld wieder auf freien Fuss gesetzt. Zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts war Apel Ruilke[WS 1] zur Linda Amtshauptmann, dessen Sohn, Caspar Ruilke auch Langenau und Gränitz besass und mit Magdalene von Schönberg vermählt war. Von seinen fünf Söhnen starb Dietrich Ruilke zur Linda 1583 als Hauptmann eines Fähnleins Sächsischer Fussknechte. Otto Ruilke war ein guter Diplomat und wurde von dem Landesherrn während des dreissigjährigen Krieges zu verschiedenen schwierigen Commissionen verwendet. Caspar, Apel und Christoph Ruilke zu Linda sind die letzten Herren des Geschlechts, deren im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts verschiedene Male gedacht wird. Zu Anfang des folgenden Jahrhunderts gehörte Linda der längst auf dem nahen Oberschöna angesessenen Familie von Schönberg. Aus dieser Linie, die Börnichen-Oberschönaer genannt, werden als Besitzer Lindas genannt der Geheimerath Adam Friedrich von Schönberg und der 1761 verstorbene Berghauptmann Curt Alexander von Schönberg, sowie späterhin ein Kammerherr von Schönberg. Im Jahre 1810 kam Linda an die Familie von Watzdorf von der es um das Jahr 1827 ein Herr Mertig erwarb. Der nächste Eigenthümer des Gutes war Herr von Bohlig, dem Herr A. Schröter folgte, dessen Kinder es jetzt besitzen.
Furchtbar war das Unheil welches der dreissigjährige Krieg über diese friedlichen Fluren brachte. So kam im Jahre 1632 eine Rotte kaiserlicher Freibeuter hier an, warf Feuer in die Häuser und misshandelte die armen ausgeplünderten Einwohner mit viehischer Brutalität. Im nahen Dorfe Oberschöna wurde von einem Haufen betrunkener Croaten das Rittergut, die Kirche, die Pfarre, das Schulhaus und ein Theil des Dorfes in Flammen gesetzt und auf die flüchtigen Einwohner mit Feuerwaffen geschossen. Ein[WS 2] hartes Schicksal betraf namentlich den Pfarrherrn, Johann Pezold. Er hatte eben den Gottesdienst beendigt und sprach über die Gemeinde den Segen, als plötzlich der Schreckensruf erklang: „Die Croaten kommen!“ Auf diese Kunde verliess die Versammlung bestürzt das Gotteshaus und fand die wilden Gäste bereits plündernd und Misshandlungen verübend im Dorfe, so dass die meisten Kirchgänger ihr Heil in rascher Flucht suchten. Auch der Pfarrer Pezold, der bereits vor einigen Tagen Kunde von dem Anzuge der Kaiserlichen auf Freiberg erlangt und bereits Weib und Kind in dieser wohlverwahrten und vertheidigten Stadt in Sicherheit gebracht hatte verliess schleunig das Dorf um sich ebenfalls nach Freiberg zu retten, wurde jedoch von einigen Croaten verfolgt und eingeholt als er eben in einem Birkengehölze Zuflucht suchte. Einer dieses entmenschten Gesindels, ein junger bartloser Bube, rief dem erschrockenen Priester einige rohe Schmähworte zu und drückte ein Pistol auf ihn ab, dessen Kugel dem unglücklichen Manne die Kinnlade verletzte und die Wange durchbohrte. Die Rache folgte jedoch der That auf dem Fusse und ist ein interessantes Beispiel von menschlichem Gefühl bei einer Truppe die sich durch ihre Grausamkeit, Mord- und Raublust überall einen furchtbaren Ruf erworben hatte. Als nämlich Pastor Petzold schwer verwundet und blutend zu Boden sank wandten die nahestehenden Croaten voller Erbitterung sich gegen ihren jungen Kameraden und ein alter langbärtiger Krieger stiess ihm den Degen durch die Brust dass er mit dem noch rauchenden Pistol in der Hand niederstürzte, den Pastor aber ermunterte der Graubart zu rascher Flucht. Der schwer verletzte blutende Mann wankte fort und erreichte glücklich Freiberg, wo eine halbjährige schmerzvolle Cur ihn so vollständig herstellte, dass er in der Domkirche eine Dankpredigt halten konnte. Pezold lebte nach diesem Unglücksfalle noch zweiunddreissig Jahre und erfreute sich einer so vorzüglichen Gesundheit und Kraft dass er in dem höchsten Lebensalter auf der Kanzel sich nie eines Stuhles oder einer Brille bediente. Am Pfingstfeste 1665 nahm der Greis in der Kirche zu Oberschöna und deren Filia Wegefarth von seinen Gemeinden öffentlich Abschied, reiste einige Tage nachher zu einem seiner Söhne, der in Galenz Pfarrer war, stellte hier in Gesellschaft mehrerer Geistlichen Todesbetrachtungen an und starb an dem nämlichen Tage, als er sich zu Bette legen wollte, am Schlagfluss, siebenundsiebzig Jahre alt.
Die Kirche zu Oberschöna wohin Linda gepfarrt ist, wurde dreimal, 1632, 1681 und 1761 ein Raub der Flammen. Das Innere derselben schmücken zwei Bildnisse, das des Oberkreissteuereinnehmers und Amtshauptmanns Nikolaus von Schönberg, der 1657 zum Besten der Armen fünfzehnhundert Gülden legirte, von welchem Capital die Zinsen alljährlich an des Stifters Namenstage (6. December) und nach vorhergegangener Gedächtnisspredigt an Schüler und Ortsarme vertheilt werden, und das der Frau Jeanette Caroline von Schönberg aus dem Hause Pfaffroda, Gemahlin des Ministers von Carlowitz, die am 5. Juni 1826 zu Dresden mit Tode abging und als Wohlthäterin Oberschönas tief betrauert wurde. Als im Jahre 1755 im Erbbegräbnisse des Rittergutes eine Gruft ausgehoben werden sollte, fand man die Reste eines männlichen Körpers dem eine Kette vom Halse herabhing, woran sich ein kleines Goldstück befand mit der Inschrift „Die güldene Gesellschaft 1589.“ Diese Benennung führte der Orden aufrichtiger Vertraulichkeit den Churfürst Christian I. gründete und an fürstliche Personen oder von ihm sehr hochgeachtete Männer verlieh, und dessen Decoration selbst mit in das Grab nahm. Der Leichnam, welchen man hier fand, war ohne Zweifel der Hans Georgs von Schönberg, geboren 1549 und gestorben am 27. Januar 1618, welcher [53] bei Churfürst Christian I. in hoher Gnade stand, während der Administration des Herzogs Wilhelm von Altenburg, als Vormund des unmündigen Churfürsten Christians II., im Bezirke des Amtes Freiberg die Kirchenvisitation verrichten half und 1599 zum Obersteuereinnehmer bestellt wurde. Seine Gemahlin war Margaretha von Honsberg aus dem Hause Schweta.
Porschendorf, oder auch blos das Schlössel genannt, bildet trotz des ersterwähnten Namens keine Dorfgemeinde, sondern besteht nur aus einem amtsässigen Rittergute und dazu gehörigen Häusern. Der Ort gehört zu dem Amte Augustusburg und liegt an der Wolkensteiner Amtsgrenze, fast drei Stunden von Augustusburg und eine halbe Stunde von Zschopau, wohin die Einwohner Porschendorfs, etwa fünfhundert Köpfe stark und nur aus Handarbeitern und Strumpfwirkern bestehend, eingepfarrt sind. Die Häuser des äusserst gewerbthätigen Ortes bestehen aus zwei Gruppen, von denen eine, nebst dem Rittergute, sich in und an dem obersten Theile eines östlich der Zschopau bei der Stadt absenkenden steilen Grundes befindet, die andere aber in bedeutender Entfernung vom Gute auf einer Höhe über dem romantisch schönen Thale der Wilzsch, eine Viertelstunde von deren Mündung in die Zschopau, dem hohen felsigen Beerberge gegenüber und nahe dem niederen Ende des Dorfes Weissbach erbaut ist.
Was den Namen des Gutes Porschendorf anbetrifft, so halten Viele denselben für deutschen Ursprungs und behaupten, derselbe rühre von einem Borso oder Burkhard her, der hier das erste Schloss erbaute, während Andere Porschendorf für eine ursprünglich sorbenwendische Anlage halten, die ihren Namen von Borzseny ableitet, so dass derselbe ein „Fichtendorf“ bedeute. Das Gut hat bedeutende Oekonomie, eine vortreffliche Schäferei, etwas Fischerei und eine Ziegelhütte. Die schönen Gebäude desselben stehen erst seit dreissig Jahren, da im Jahre 1826 durch eine grosse Feuersbrunst das Rittergut vollständig ein Raub der Flammen wurde.
Ueber die ältesten Besitzer Porschendorfs fehlen alle Nachrichten. Erst zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts finden wir die reichbegüterte Familie von Bünau im Besitze des Gutes, von der es durch eine Vermählung an die Herren von Rüxleben auf Zschopau kam. Cornelius von Rüxleben war Oberlandjägermeister, ein heftiger ungestümer Mann, der das noch stehende Edelhaus in Zschopau erbaute und durch hochverrätherische Reden sich die Ungnade Churfürst Augusts zuzog. Die Volkssage erzählt, dass er zur Strafe sich dreimal habe auf den Mund schlagen müssen und alsdann im Leipziger Schlosse eingemauert worden sei, dem ist jedoch nicht so, sondern Cornelius von Rüxleben starb fromm und gottergeben nach langer Haft 1665 auf der Pleissenburg zu Leipzig als Staatsgefangener. Der Eidam seines Sohnes, Georg von Rüxleben, war der churfürstliche Rath von Metzsch, dessen ältester Sohn Friedrich von Metzsch, kaiserlicher Rath, Reichspfennigmeister, churfürstlicher Rath und Oberconsistorialpräsident, Porschendorf, Borna, Reichenbach, Kratzau und Krummenhennersdorf besass. Später gehörte Porschendorf der Familie Philipp, dann einem Herrn Kempe. Zur Zeit ist Besitzer des Rittergutes Herr F. A. Philipp.
Furchtbar waren die Plagen, welche der dreissigjährige Krieg über die hiesige Gegend brachte. Einige Landleute hatten Soldaten, die in kleinen Trupps plündernd und Gewaltthätigkeiten verübend herumzogen, [54] angegriffen und ihnen die Pferde, sowie die gestohlenen Gegenstände abgenommen, worüber der bekannte Wüthrich, General Holke, dergestalt erbittert wurde, dass er Detachements ausschickte um die übermüthigen Bauern zu züchtigen. Die Häuser gingen in Flammen auf und die Unglücklichen, welche ihr Heil in der Flucht suchten, fielen unter den Mordwaffen der blutdürstigen Soldaten. Diese stellten einzelne der armen Leute an einen Berghang und schlugen ihnen die Köpfe ab, welche dann unter dem Jubel der Barbaren in das Thal hinabrollten. Der Oberst Schönnickel, ein geborner Chemnitzer, der später cassirt und fortgejagt wurde, trieb es wo möglich noch schlimmer als Holke, indem er auch die Stadt Zschopau einäschern liess bei welcher Gelegenheit eine grosse Menge Menschen in den Kellern erstickten, wo sie Zuflucht vor der Wuth des Kriegsvolks gesucht hatten.
Porschendorf ist mit Witschdorf, Gonau und Althammer-Zschopenthal in die Kirche zu Zschopau eingepfarrt, doch besitzt Porschendorf seit 1827 eine eigene Schule, die von ungefähr hundert Kindern besucht ist, und unter Collatur des Ministeriums steht. In früheren Zeiten stand die Kirche zu Zschopau, welche in den Jahren 1634 und 1748 niederbrannte, unter dem Archidiakonate zu Zschillen oder Wechselburg; seit der Reformation aber gehört sie zu Ephorie Chemnitz, deren Adjunct ihr Pfarrer ist. Unter diesen ist der Pastor Weigel, (von 1567–1588) bemerkenswerth, der als Mystiker und Gründer der Weigelianischen Sekte vielfache Angriffe erfuhr und den Hass der Geistlichen namentlich dadurch erregte, dass er von armen Leuten blos einen Pfennig Beichtgeld nahm. Als Churfürst Christian I. dem frommen Prediger, ergriffen durch seinen treflichen Vortrag, einst zwölf Ducaten schenkte, gab sie der gewissenhafte Mann dem vornehmen Geber mit der Bedeutung zurück, dass er einen unverdienten Lohn nicht annehmen könne, da ihm aber der Churfürst befahl, das Geld Personen zu geben, die er, Weigel, lieb hätte, vertheilte der uneigennützige Pastor das Geschenk unter die vor der Kirchthür versammelten Armen. – Der hiesige Pfarrer bezieht einige Lehnsgelder und der Diakonus ein Flachsgeld aus dem Dorfe Gickelsberg bei Weissenfels, welche Einkünfte durch ein paar adelige Jungfrauen gestiftet worden sind. –
Dittersdorf, anderthalb Stunden von Zschopau und zwei Stunden von Chemnitz gelegen, gehört unstreitig zu den interessantesten Dörfern Sachsens. Der Ort wird von einem Bache bewässert, der am sogenannten Ameisenberge entspringt, den südlichen Abhang der Dittersdorfer Höhe und des Mühlberges bespühlt, ein reizendes sich immer mehr vertiefendes und verengendes Thal bildet und zwischen romantisch schönen, mit Buchen- und Kiefernwaldungen bewachsenen, zum Theil felsigen Ufern fliessend, sich endlich mit der Zwönitz vereinigt. Die Zwönitz läuft hier in eigenthümlichen Krümmungen um den grossen zu Dittersdorf gehörigen Kemtauerwald, und es dürfte in Sachsen kaum grossartigere Thalansichten geben als hier, namentlich zeichnet sich eine solche, südlich vom Rittergute, am Kemptauer Wege nach Westen hin aus. Im Süden von Dittersdorf liegt eine bedeutende dem Rittergute zustehende Waldung, auch befindet sich eine solche am Mühlberge, am rechten Ufer der Zwönitz unterhalb des Ortes, durch deren reizende Parthien der Weg nach Einsiedel führt. An dem Dorfbache streckt sich der eine halbe Stunde lange Haupttheil Dittersdorfs hin, mehrere Häuser liegen an einem aus Südost kommenden nach dem Rittergute hinfliessenden Nebenbache, andere
[55] Wohngebäude befinden sich hinter dem Gute; eine Mühle nebst zehn Häusern im Zwönitzthale, südwestlich vom Dorfe, und endlich eine kleine Häusergruppe, darunter der alte Eisenhammer mit der Hammermühle und eine Baumwollenspinnerei, an der Mündung des Dorfbaches. Diese Häusergruppe erhebt sich 1050, das Rittergut 1150, der obere Eingang zum Dorfe aber 1300 Pariser Fuss über die Nordsee.
Eine besondere Erwähnung verdient die nördlich vom mittleren Theile des Dorfes gelegene, steil und weithingestreckt ansteigende, Dittersdorfer Höhe, welche im Süden mit Feldern, nördlich aber mit Waldungen bedeckt ist. Von hier geniesst man eine unvergleichlich schöne Aussicht auf die ganze Chemnitzer Pflege, welche nicht nur die Stadt mit den umliegenden Dörfern und Fabrikgebäuden, sondern auch den reizenden Blankenauer Grund beherrscht und den Blick bis in die Gegend von Leipzig, Eilenburg, Lützen und Oschatz leitet. Auch die Höhen von Augustusburg, Grosswaltersdorf, Oederan, und Hohenstein lagern vor dem entzückten Auge, namentlich aber überrascht das terrassenförmig ansteigende Obergebirge mit seinen drei Basaltgipfeln, mit dem Greifenstein, Keilberg und Fichtelberge und einer Anzahl von Städten. Die Dittersdorfer Höhe überragt das Schloss Augustusburg um hundert Pariser Fuss.
Die sogenannte Dittersdorfer Mühle, an der Zwönitz gelegen, ist herrschaftlich und hat eine Oel- und Bretmühle, auch treibt der Dorfbach eine Mühle und eine Spinnfabrik. Das stattliche Erbgericht mit Gastwirthschaft steht im Oberdorfe, eine unbedeutende Schenkwirthschaft befindet sich im Niederdorfe an der Chemnitz-Wolkensteiner Chaussee. Das Hammerwerk hatte einst hier einen Hohofen. Das bergige und steinige Terrain ist dem Feldbau einigermassen nachtheilig, bedeutend dagegen ist die Viehzucht, Spinnerei, Wirkerei und Weberei, auch treibt man hier viel Holz- und Getreidehandel; die ärmsten Leute aber klöppeln, oder nähren sich durch Handarbeiten im Walde oder auf dem Rittergute. Die Einwohnerzahl beträgt in achtundzwanzig Bauergütern, vier Gärtnerwohnungen und siebzig Häusern gegen funfzehnhundert Seelen.
Das Rittergut Dittersdorf, insgemein „der Hof“ genannt, verdankt seinen Namen wahrscheinlich einem einstigen Besitzer, der Dietrich hiess, und war früher nur ein Vorwerk von Weissbach, ist aber jetzt das Hauptgut. Es liegt auf einem Hügel und besteht aus einem hübschen Schlosse mit drei Flügeln, (dessen ältesten ein Thürmchen mit einer Schlaguhr ziert) und sehr ansehnlichen Wirthschaftsgebäuden. Das Ganze ist theilweise von hübschen Gartenanlagen umgeben. Die Feldwirthschaft des Rittergutes ist verhältnissmässig nicht eben stark; bemerkenswerth aber sind die bedeutende Brauerei, die zu Weissbach befindliche Schäferei, mehrere Mühlen, Fischerei und hauptsächlich die herrlich bestandenen grossen Buchen- und Nadelholzwaldungen, welche das Gut zu einem der bedeutendsten im Lande erheben.
Das Rittergut Dittersdorf mit Weissbach ist ein abgesonderter Theil der alten Herrschaft Scharfenstein erfüllt den nördlichsten Theil des Amtes Wolkenstein und zählt auf seinem Gebiet, das drei Viertheile einer Quadratmeile beträgt, über viertausend Bewohner. Die hiesige Kirche ist Filial von Weissbach, das erst im Jahre 1673 durch den Geheimerath Heinrich Hildebrand von Einsiedel auf Scharfenstein, Besitzer des Rittergutes Weissbach, zur Parochie erhoben wurde, indem bis dahin Dittersdorf nach Einsiedel, Weissbach aber nach Gelenau eingepfarrt war. Früher befand sich zu Dittersdorf bereits eine kleine Kapelle, an welcher der Pfarrer zu Einsiedel bisweilen den Gottesdienst verrichtete, nach der Vereinigung mit Weissbach aber baute die Dittersdorfer Gemeinde mit Benutzung der vorhandenen Kapelle die jetzige Kirche; der Thurm entstand erst 1732. Das Vermögen der Kirche beträgt 15000 Thaler; die Ortsschule besuchen gegen 200, die Fabrikschule aber durchschnittlich 30 Kinder.
Drei Viertelstunden von Dittersdorf liegt das Dorf Weissbach, welches seinen Namen von dem Bache erhielt, der sich mitten durch den grösseren Theil des Dorfes hinzieht, und das mit den Fluren von Kemptau, Gelenau, Dittersdorf, Gornau und Schlösschen Porschendorf grenzt. Der Ort besteht aus einunddreissig Bauergütern, fünf Gärtnerwohnungen und zweiundsiebzig Häusern mit einer Bevölkerung von 1160 Seelen. Es befinden sich hier zwei Baumwollspinnereien, welche nebst der Strumpfwirkerei die Hauptnahrungszweige der Einwohnerschaft bilden.
Wie schon erwähnt war das Rittergut zu Weissbach in früheren Zeiten das Hauptgut, Dittersdorf hingegen nur eine Art Vorwerk, dessen Fluren hauptsächlich aus angekauften bäuerlichen Grundstücken zusammengebracht worden sind. Im dreissigjährigen Kriege wurde das Schloss zu [56] Weissbach sammt den Wirthschaftsgebäuden und einem grossen Theile des Dorfes durch die Kaiserlichen niedergebrannt, und noch jetzt ist die von einem Wallgraben umgebene Stätte bemerkbar auf der das alte Schloss stand. Dieses baute man nicht wieder auf sondern verlegte den Herrensitz nach Dittersdorf, die Oekonomiegebäude aber sind zum Theil wieder hergestellt worden und bestehen jetzt aus der Schäferei, dem Malzhause, einer Scheune und einer Ziegelei. Im Niederdorfe befand sich vor langer Zeit ein Eisenhammer, so wie man auch früher hier Bergbau trieb, der aber nie eine beträchtliche Ausbeute gab. Die Pest, welche, hier zur Zeit des dreissigjährigen Krieges wüthete, und der obengenannte Brand waren Veranlassung, dass der Ort nicht nur an Umfang bedeutend verlor, sondern auch einen grossen Theil seiner Bevölkerung einbüsste, welche nach der Tradition zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gegen zweitausend Seelen betragen haben soll.
Was nun die Besitzer des Rittergutes Weissbach mit Dittersdorf anlangt so gehörte dieses bis auf die neuere Zeit den Herren zum Scharfenstein. Von den Voigten von Scharfenstein kam die Herrschaft an die Dynasten von Waldenburg, von denen 1375 Johann von Waldenburg viele Orte zwischen Chemnitz und Hohenstein an das Chemnitzer Kloster verkaufte, und mit seinen vier Söhnen ausser Scharfenstein auch die Herrschaften Wolkenstein und Waldenburg besass. Zu Anfang des funfzehnten Jahrhunderts finden wir als Besitzer Weissbachs einen Ritter von Meckau der 1412 Jahnsdorf, ein Waldenburgisches Vasallengut, an das Kloster Chemnitz verkaufte. Die alte reiche Familie von Meckau sah sich genöthigt, wegen ernster Streitigkeiten mit ihrem Lehnsherrn, aus dem Lande zu gehen, und da ihre Güter fast durchgängig an die ihnen nahe verwandten Einsiedel gelangten, so mag auch Weissbach sich darunter befunden und wieder mit der Herrschaft Scharfenstein (seit 1427 den Einsiedels gehörig) vereinigt worden sein. Durch ein Testament des General Hans von Einsiedel wurde Weissbach mit Dittersdorf im Jahre 1809 Eigenthum der Frau Renate Auguste Louise Henriette gebornen Gräfin und Herrin von Schönburg-Vorderglauchau, doch blieben die Herren von Einsiedel auf Scharfenstein Lehnsträger. Die Besitzerin des Gutes, jetzt vermählte Frau Gräfin Löwenhjelm lebt zur Zeit in Stockholm und wird in Sachsen durch den Herrn Amtshauptmann Freiherrn von Biedermann auf Forchheim commissarisch vertreten. — Unter der Weissbacher Herrschaft stehen die Dörfer Remtau, Einsiedel, Erfurtschlag, Reichenhayn und Dittersdorf.
Die Kirche zu Weissbach wurde im Jahre 1782 neu erbaut und gehört zu den geräumigsten und freundlichsten Kirchen der Ephorie Annaberg. Ueber ihre frühere Geschichte lässt sich nichts Bedeutendes angeben, weil im Jahre 1836, als der Pfarrer in Dittersdorf Gottesdienst abhielt, der Blitz das Pfarrhaus traf, und bei der dadurch entstandenen Feuersbrunst mit den Gebäuden auch das Archiv vernichtet wurde. Ein merkwürdiger Zufall war es dass schon lange Zeit zwischen den Gemeinden, wegen eines Neubaues der höchst baufälligen Pfarre, heftige Zwistigkeiten stattfanden, die nun allerdings durch das Einschreiten des Blitzes zur Erledigung kamen. Schon im Jahre 1782, wo das Weissbacher Schulgebäude Veranlassung zu ähnlichen Zerwürfnissen gab, hatte das Feuer des Himmels sich ebenfalls als Vermittler zwischen die streitenden Parteien geworfen und das Schulgebäude in Asche verwandelt. Das Vermögen der Kirche ist nicht bedeutend, doch ist aus dem Erlöse des gänzlich ausgerotteten Pfarrwaldes eine Pfarrholzkasse entstanden die über dreitausend Thaler beträgt, wovon nach Vergütung des Holz-Deputats für den Pfarrer ein Theil der Zinsen zu kirchlichen Zwecken verwendet wird. Die treffliche Orgel des Weissbacher Gotteshauses ist ein Werk des berühmten Orgelbaumeisters Jehmel[VL 1] in Dresden.
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Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftliche Korrektur: Jehmlich
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