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Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H15

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Heft 14 des Leipziger Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 15 der Section Leipziger Kreis
Heft 16 des Leipziger Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Breitenfeld bei Leipzig
  2. Mölbis
  3. Polditz
  4. Kössern


[113]
Breitenfeld.


Das Rittergut Breitenfeld liegt eine und drei Viertelstunden von Leipzig, zwischen den nach Delitzsch und Dessau führenden Chausseen, kaum eine Viertelstunde von der Preussischen Gränze, auf einer Hochebene, welche in südöstlicher Richtung eine hübsche, selbst das Erzgebirge berührende Aussicht gewährt, ziemlich 500 Fuss über der Nordsee. Jenseits der Dessauer Strasse verbreitet sich der weithin sichtbare Breitenfelder Tannenwald, welcher durch die heldenmüthige Vertheidigung Pappenheims eine historische Berühmtheit erlangte und nahe dabei liegt das zu Breitenfeld gehörige Dorf Lindenthal; auch stehen diesem Rittergute die nahen Dörfer Grosswiederitzsch, Kleinwiederitzsch und Hahna und das Collaturrecht über die Kirchen zu Grosswiederitzsch, Seehausen und Hahna (Hayna, Hayn) zu.

Breitenfeld gehört zu den stärksten Rittergütern des Landes. Es hat sehr umfangreiche massive Gebäude, ein zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts erbautes, oder doch bedeutend renovirtes Schloss von drei Etagen Höhe und ein hübsches Belvedere mit einer Schlaguhr. Die Gebäude bilden drei Gehöfte und es stösst daran ein wohleingerichteter Garten, auch giebt es um den Ort treffliche Obstpflanzungen. Auf dem Gute befindet sich eine bedeutende Viehzucht, namentlich Schäferei, sowie Brauerei und Ziegelei. Die Gerichtsbarkeit erstreckte sich vor deren kürzlich erfolgter Abtretung an den Staat über mehr als tausend Menschen, wovon beinahe dreihundert auf preussischem Gebiete wohnen. – Uebrigens ist das Rittergut Breitenfeld berühmt durch zwei Schlachten des dreissigjährigen Krieges, auf die wir später zurückkommen werden. Vom 16. bis 18. October 1813 diente das Schloss dem Kronprinzen von Schweden als Hauptquartier und der Feldmarschall Blücher ertheilte am 16. October von hier aus verschiedene Befehle.

Ohne Zweifel befand sich in früher Zeit bei dem Rittergute Breitenfeld auch ein Dorf, welches durch ein unbekanntes Ereigniss zu Grunde ging. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verwüstung Breitenfelds im Hussitenkriege geschah; denn in einer zu Merseburg befindlichen Urkunde wird gesagt, „dass ein Schwarm hussitischer Mordbrenner, die sich von dem vor Taucha lagernden Heere getrennt, bis an die Elster hinüber gestreift, wo von ihnen mehrere Dörfer verwüstet worden wären, bis die Landleute sich zusammengerottet und eine ziemliche Anzahl der Fremdlinge am Birkenauer Holze todt geschlagen hätten.“ Ob das Schloss damals ebenfalls verwüstet wurde, ist nicht zu ermitteln, wohl aber sieht man noch jetzt, dass selbiges mit Wall und Graben geschützt war und dem andringenden Feinde einigen Widerstand leisten konnte.

Schon im dreizehnten Jahrhundert wird Breitenfeld urkundlich erwähnt. Es war damals bereits seit „undenklichen Zeiten“ ein Lehn der Bischöfe von Merseburg, die solches, nebst Hahna, bis 1271 den Markgrafen von Meissen zu verleihen pflegten. In diesem Jahre erkaufte Markgraf Dietrich von Landsberg Dorf und Schloss Breitenfeld (Praitvelthe) mit noch einigen nahen Dörfern, worunter Hahna, vom Bischof Werner von Merseburg für zweihundert Mark. Auf dem Schlosse zu Breitenfeld sassen nunmehr adelige Lehnsmänner als markgräfliche Vasallen, von denen 1350 Bercht von Geusau und 1395 Hartwig von Trotha vorkommen; 1401 aber flüchtete Utz von Warin auf Breitenfeld, verfolgt von Timm Pflugk, mit dem er in Fehde lebte, in das feste Haus zu Plaussig, wo ihn der Herr von Plussk wohl aufnahm und mit bewaffneter Bedeckung heimwärts geleitete. Um das Jahr 1490 gehörte Breitenfeld Hansen von Uichteritz und 1560 einem Herrn von Breitenbach, dessen Nachkommen es an Georg Rothe (wahrscheinlich aus dem Geschlecht der Dehnfelser) verkauften, welcher es noch 1612 besass. Durch Erbschaft kam das Gut sammt den Dörfern Gross- und Kleinwiederitzsch, Lindenthal und Hahna an Friedrich von Brösigke, einen sehr intelligenten und in politicis wohlbewanderten Herrn, der die schweren Drangsale des dreissigjährigen Krieges zu ertragen hatte und wegen der später zu zahlenden Kriegssteuern mit der Landesregierung manche hartnäckige Disputation führte. Wie sehr die Vermögensverhältnisse [114] vieler Rittergutsbesitzer und Gemeinden durch den dreissigjährigen Krieg herabgekommen waren, beweist ein Gesuch vom 17. Juli 1647 an Friedrich von Brösigke, als Vorsitzenden der Ständeversammlung zu Merseburg, worin er dringend ersucht wird, die angedrohte schwedische Execution abzuwenden; und doch schuldeten die Restanten nur wenig Geld, nämlich der Herr von Goldstein zwei Thaler neun Pfennige, der von Hacke auf Oberthau einen Thaler zwei Groschen drei Pfennige, Otto von Bose zu Ermlitz eben so viel und die beiden Gemeinden Gross- und Kleinwiederitzsch etwas weniger als drei Thaler.

Nach Friedrich von Brösigke besass Breitenfeld mit Zubehör Tobias von Brösigke, vermählt mit Elisabeth von Bülow, der die unter seinem Patronate stehenden Kirchen reichlich beschenkte und um 1695 gestorben zu sein scheint. Eustachius von Brösigke wird 1718 und noch 1746 genannt, wo er auch das Rittergut Lömsel besass. Sein Leichenstein befindet sich noch jetzt auf dem Friedhofe zu Lindenthal. Bald nach Eustachius von Brösigke’s Tode gelangte Breitenfeld an den Kreisamtmann Blümner in Leipzig, und von diesem an dessen Sohn, den Oberhofgerichtsrath und Leipziger Senator Dr. Heinrich Blümner, der 1839 verwittwet und kinderlos starb. Hierauf kam Breitenfeld mit den übrigen grossen Besitzungen der Blümnerschen Familie an die ihr nahe verwandte Familie Gruner. Der jetzige Eigenthümer von Breitenfeld ist Herr Kaufmann Ferdinand Gruner-Blümner zu Leipzig.

Historisch denkwürdig ist Breitenfeld durch zwei berühmte Schlachten des dreissigjährigen Krieges, in denen die Oestreicher der schwedischen Waffengewalt weichen mussten. Die nähere Schilderung dieser Schlachten bei Breitenfeld wird hier willkommen sein:

Nachdem der furchtbare Tilly Magdeburg in einen Aschenhaufen verwandelt und daselbst zwanzigtausend Einwohner mit unmenschlicher Grausamkeit abgeschlachtet hatte, wandte sich sein bluttriefendes Heer nach Sachsen, wo Kurfürst Johann Georg I., obgleich ein geheimer Anhänger des Kaisers, aus mancherlei Gründen sich in die Arme des schwedischen Königs Gustav Adolph flüchtete und am 4. September 1631 seine Armee bei Düben mit der Schwedischen vereinigte. Drei Tage darauf erfolgte die Schlacht, welche einen neuen Zweig in des Schwedenkönigs Lorbeerkrone flocht. Am frühen Morgen des 7. September standen die beiden feindlichen Heere einander gegenüber. Tilly hatte bei Leipzig ein festes Lager bezogen, in welchem er Verstärkungen abwarten wollte; der feurige Pappenheim aber überredete den greisen Feldherrn, seine treffliche Stellung aufzugeben und solche bei den Hügeln zu nehmen, welche sich von Wahren nach Lindenthal hinziehen. Am Fusse dieser Höhen stand die Schwedische Armee in einer Linie, während ihr Geschütz auf den Hügeln postirt war und somit die ganze Ebene von Breitenfeld bestrich. Von hier näherte sich das Heer der verbündeten Schweden und Sachsen in doppelter Schlachtreihe. Als sich dieses noch ordnete, donnerten unter Pappenheims Anführung zwei tausend eisenbedeckte Kürassiere heran, um den Verbündeten den Uebergang über einen Bach zu wehren; aber die Eisenmänner wurden blutig zurückgeworfen und mussten sich auf die Hauptarmee zurückziehen, während die Schweden ihre Schlachtordnung vollendeten. Den rechten Flügel commandirte der König selbst, das Centrum befehligte der Oberst Teufel und den linken Flügel Gustav Horn. Die Sachsen waren durch einen bedeutenden Zwischenraum von den Schweden getrennt; befehligt von dem Churfürsten Johann Georg und dem General von Arnim.

Die Oesterreichische Armee stand in grosser Ausdehnung und schien die Schweden leicht überflügeln zu können. Das Geschütz war auf den Anhöhen aufgepflanzt und Tilly schien auf diese Art des Feindes Angriffe zu erwarten. Der Feldherr befehligte das Centrum, Pappenheim den linken und Graf Fürstenberg den rechten Flügel. Keine der beiden gegenüberstehenden Armeen überstieg die Zahl von 35,000 Mann.

Mittags um zwölf Uhr eröffnete ein zweistündiges Geschützfeuer die Schlacht. Der Wind wehte von Abend und trieb Staub und Pulverrauch den Schweden entgegen. Dies bewog den König, sich unvermerkt gegen Norden zu schwenken, und die Schnelligkeit, mit der es geschah, liess dem Feinde keine Zeit, dieses Manöver zu verhindern. Endlich verliess Tilly seine Hügel und wagte den ersten Angriff auf die Schweden; aber vor der Heftigkeit ihres Feuers wandte er sich zur Rechten und fiel mit solchem Ungestüm in die Sachsen, dass ihre Glieder sich trennten und die Ritterpferde sammt einem Theile des Fussvolks über den Haufen geworfen und in die Flucht gejagt wurden. Nur die Sächsischen Regimenter Arnim, Bindauf, Taube und Vitzthum leisteten noch einige Zeit Widerstand, bis auch sie sich zur Flucht wandten. Jetzt stürzten plündernde Kroatenhaufen heran und Eilboten wurden bereits abgefertigt, dem Kaiser und dem Kurfürsten von Baiern die Zeitung des Sieges zu verkünden; da rückten die zur Unterstützung der Sachsen bestimmten Schwedischen Obersten Hebron und Hall mit zwei Regimentern an und warfen sich auf das verfolgende kaiserliche Fussvolk, wodurch die Sachsen Zeit gewannen, sich wieder zu ordnen. Dies geschah so schnell, dass die Kaiserlichen sich plötzlich von allen Seiten angegriffen sahen. Der Sächsische Oberst von Steinbach, welcher mit vier Schwadronen bereits gefangen war, stürzte sich auf die Wache, schlug sich durch, und verfolgte in Gemeinschaft mit den Schweden die flüchtige kaiserliche Infanterie.

In vollem Rosseslaufe brausten jetzt die Pappenheimer heran, um den rechten Flügel der Schweden niederzuwerfen; aber ohne zu wanken hielt dieser den furchtbaren Stoss aus. Noch sieben Male erneuerten die Kürassiere den Angriff, aber vergeblich; mit ungeheurem Verluste wurden sie zurückgewiesen und zogen sich hinter die Linie. Tilly aber hatte inzwischen den Rest der Sächsischen Hülfstruppen zerstreut und drang in den linken Flügel der Schweden ein. Diesem Flügel hatte Gustav Adolf, als die Verwirrung der Sachsen entstand, drei Regimenter als Verstärkung gesendet, um die Flanke zu decken, welche die Flucht der Sachsen entblösste. Gustav Horn, der hier befehligte, leistete den feindlichen Reitern kräftigen Widerstand, den die Vertheilung des Fussvolks zwischen die Schwadronen nicht wenig unterstützte. Der Feind begann bereits zu ermatten, als Gustav Adolf herbeieilte, dem Treffen den Ausschlag zu geben. Der linke Flügel der Kaiserlichen war geschlagen und der König führte nunmehr seine unbeschäftigten Truppen gegen die Hügel, wo das feindliche Geschütz Tod und Verderben spie. Im Nu waren die Kanonen genommen und ihr Feuer richtete sich nunmehr gegen die Reihen der Kaiserlichen. Jetzt ergriff diese ein panischer Schrecken. Vor sich den furchtbaren Andrang der Schweden, auf der Flanke das heftige Geschützfeuer trennte sich das Oestreichische Heer zu wilder Flucht, in der selbst Tilly [115] mit fortgerissen wurde. Ein Rittmeister vom Rheingräflichen Regiment, der lange Fritz genannt, erreichte den fliehenden Tilly, schlug ihn mit dem Faustrohre schwere Wunden in den Kopf und wollte ihn eben gefangen nehmen, als der Herzog von Sachsen-Lauenburg herbeieilte und dem langen Fritz eine Kugel durch den Schädel schoss. Inmitten der entsetzlichsten Verwirrung hielten sich nur vier Wallonenregimenter in ihrer Ordnung, alte schlachtergraute Soldaten, die niemals von einem Schlachtfelde geflohen waren und es auch jetzt nicht wollten. In enggeschlossenem Viereck drangen die alten Krieger durch das Schwedenheer und erreichten fechtend das Tannenwäldchen bei Lindenthal, wo sie auf’s Neue Front gegen die Schweden nahmen und bis zum Abend Widerstand leisteten. Hierdurch deckten die braven Pappenheimer die Flucht der geschlagenen Armee – nur sechshundert dieser Helden blieben am Leben und folgten unter dem Schutze der Nacht den Trümmern des kaiserlichen Heeres. Die Schlacht hatte fünf Stunden gedauert. Gustav Adolf warf sich mitten unter den Todten und Verwundeten nieder, um Gott für den erlangten Sieg zu danken. Der flüchtige Feind wurde, so weit es die Dunkelheit der Nacht gestattete, durch die Reiterei verfolgt; das Sturmgeläute in den Dörfern brachte aber auch die Landleute in Bewegung, welche viele der fliehenden Kaiserlichen todt schlugen. Die Niederlage der Oestreicher war so bedeutend, dass Tilly auf seiner Flucht nach Halberstadt nicht über sechs hundert Mann und Pappenheim nicht über vierzehn hundert zusammenbringen konnte. – Die Folgen dieses herrlichen, entscheidenden Sieges waren gross, das kaiserliche Heer vernichtet und der Kriegsschauplatz vom Feinde vollständig gesäubert; vom Würgengel Magdeburgs, dem schrecklichen Tilly aber, „der nie eine Schlacht verloren, nie einen Rausch gehabt und nie ein Weib berührt“, wie er sich rühmte, war das Glück gewichen für immer. Noch ehe ein Jahr verging, traf ihn am Lech die tödtliche Kugel, welche dem Kaiser zwar einen vortrefflichen General raubte, Deutschland aber auch von einem unmenschlichen Wütherich befreite. – Zum Andenken an diese Schlacht liess der hochherzige Besitzer des Rittergutes Breitenfeld, Herr Ferdinand Gruner-Blümner, einen Denkstein setzen, mit der Inschrift:

Glaubensfreiheit für die Welt
Rettete bei Breitenfeld
Gustav Adolph, Christ und Held,
Am 7. September 1631.
 1831.

welcher am wiedergekehrten zweihundertjährigen Erinnerungstage der Schlacht, am 7. September 1831, feierlich geweiht wurde.

Noch einmal während des dreissigjährigen Krieges sahen diese Fluren die Schrecken der Schlacht, als am 23. October (3. November neuen Styls) der Schwedische General-Feldmarschall Torstenson hier abermals einen glänzenden Sieg über die Kaiserlichen erfocht. Die Schweden hatten Leipzig belagert, wo sie reichlichen Vorrath an Lebensmitteln und Geld zu finden hofften und die Oestreicher eilten unter dem Erzherzog Leopold Wilhelm und dem General Piccolomini über Dresden zum Entsatz herbei. Torstenson zog sich von Leipzig zurück und die Oestreicher, in der Meinung er wolle eine Schlacht vermeiden, folgten ihm auf dem Fusse, als ihnen plötzlich die Schweden in völliger Schlachtordnung entgegenstanden. Die Begeisterung des Schwedischen Heeres war auf diesem ihm so heiligen Boden auf das Höchste gestiegen und als die Generale Wittenberg und Stahlhantsch sich auf den linken Flügel der Oestreicher stürzten, wurde dieser, sammt der ganzen ihn bedeckenden Reiterei, über den Haufen gerannt und aus dem Treffen gedrängt. Der rechte Flügel hielt sich besser und die kaiserlichen Kürassiere drangen in die Schwedische Reiterei, wo sie jedoch kräftigen Widerstand fanden. Königsmark fiel den Kaiserlichen in die Flanke und brachte die Reiterei in solche Unordnung, dass sie Piccolomini nicht wieder zusammenbringen konnte. Die Infanterie beider Armeen stand wie Mauern und als das Pulver verschossen war, schlug sie sich mit umgekehrten Musketen. Endlich nöthigte die schwedische Infanterie, unterstützt von ihrer anrückenden Reserve, nach dreistündigem Gefecht das kaiserliche Fussvolk zum Rückzuge. Torstenson verfolgte den linken Flügel der Kaiserlichen bis Leipzig und Königsmark gab dem rechten Flügel keinen Pardon. Ein grosser Theil der Oestreichischen Infanterie hatte sich in das durch Pappenheims Vertheidigung berühmt gewordene Lindenthaler Holz geflüchtet, wurde aber hier von den Schweden umzingelt und bis auf Wenige, welche die Waffen streckten, niedergemacht. Von den Kaiserlichen blieben 5000 Mann auf dem Platze, darunter der Feldzeugmeister von Soye und dreihundert Offiziere. General Fermont und fünf tausend Soldaten wurden gefangen. Die Schweden verloren zwei tausend Mann, darunter die tapferen Generale Lilienhöck und Schlange.

Die weite Ebene, auf der vor zwei Jahrhunderten die beiden berühmten Schlachten geschlagen wurden, war auch in unserer Zeit dazu bestimmt, dass auf ihr die blutigen Würfel der grossen Entscheidungsschlacht geworfen werden sollten, von welcher das Schicksal Europas abhing. Schon vierzehn Tage vor der grossen Völkerschlacht bei Leipzig schlugen sich hier die feindlichen Truppen. Am 16. October 1813 begann hier eine blutige Schlacht. Auf der Ebene von Breitenfeld standen drei französische Corps unter Marmont, ihnen gegenüber drei Schlesische Heerhaufen unter dem alten Blücher, befehligt von York, Langeron und Sacken. Um 1 Uhr begann der Kampf, und nachdem Langeron die Feinde aus Freiroda und Radefeld herausgeworfen, drang er siegend über den alten berühmten Schlachtplan bis Grosswiederitzsch vor. Vier Stunden dauerte die furchtbare Schlacht: mit Sturm wurden die Dörfer zweimal genommen, deren geringer Zwischenraum allein die feindlichen Heere von einander trennte. Mit einbrechender Nacht war die Schlacht beendet; nun aber begann das ungestüme Treiben der kampferhitzten Soldaten, welches die Bewohner der Dörfer in die schützenden Wälder scheuchte. Während viele Dörfer des grossen Schlachtfeldes in Flammen aufgingen, blieb das Rittergut Breitenfeld mit den dazu gehörigen Ortschaften von gänzlicher Vernichtung verschont.

Otto Moser, Red.     



[116]
Mölbis.


An der, trotz der concurrirenden Eisenbahn, noch immer sehr frequenten Chaussee von Leipzig nach Borna, liegt, ungefähr 4 Stunden von ersterer und 1 Meile von letzterer Stadt entfernt, das freundliche Vorwerk Crossen mit schönen Wirthschaftsgebäuden und einer Schäferei. Dasselbe gehört zu dem eine kleine halbe Stunde seitwärts gelegenen Rittergute Mölbis, seit dem 1. Mai 1855 Besitzthum des auch in weiteren Kreisen bekannten und hochgeachteten Herrn Georg Wilhelm Wünning, Ritter des K. Sächs. Civil-Verdienst-Ordens und Handlungs-Deputirten der Stadt Leipzig.

Ueber die frühere Geschichte von Mölbis fehlen bis zum Anfange des sechszehnten Jahrhunderts fast alle sicheren Quellen, ja selbst die mündlichen Traditionen sind nur spärlich. Dem Vermuthen nach war in früheren Zeiten eine Probstei hier, die aber der Reformation weichen und den späteren lutherischen Geistlichen zum Pfarrhaus dienen musste. Nach anderen stand an der Stelle, wo jetzt das Schloss sich erhebt, ein Kloster, von welchem ein unterirdischer Gang zu einer Kapelle unfern des Dorfes geführt haben soll. Die Stelle, auf der diese Kapelle gestanden hat, wird jetzt der Miertzsch genannt, auch ist zwischen Mölbis und dem Miertzsch noch der sogenannte Messweg vorhanden. Wann und auf welche Weise die Kapelle spurlos verschwand, darüber fehlen alle zuverlässigen Angaben. Die Kapelle am Miertzsch war ohne Zweifel eine kleine Wallfahrtskirche, deren Gottesdienst dem Pfarrherrn zu Mölbis oblag.

Mölbis hat seine Herren oft gewechselt, als solche werden genannt: Melchior von Etzdorf um 1488; Georg von Haugwitz 1574; Innocenz von Starschädel der ältere 1579; der jüngere 1650; Wolf Hildebrand von Gustädt 1670. Am längsten hat es sich im Besitze der altberühmten Familie von Bose erhalten, deren einer, Adam Heinrich von Bose, der Erbauer der jetzigen Rittergutsgebäude und der Kirche (letztere nach dem Modelle der Moritzburger Kapelle) ist.

Adam Heinrich von Bose, der Sohn Christoph Dietrich von Bose’s ward am 3. März 1667 auf dem Gute seines Vaters zu Unter-Frankleben geboren. Schon früh zeigte sich in dem geistig und körperlich sich kräftig entwickelnden Knaben die Lust zum Soldatenstande und so trat er im Jahre 1689 als Freiwilliger in das churfürstlich sächsische Heer, wohnte als solcher noch in demselben Jahre der Belagerung von Mainz bei, avancirte bald zum Lieutnant, ward 1694 Major, 1696 Oberst-Lieutnant, 1699 Oberst und 1710 General-Major. Als solcher kam er – in welchem Jahre ist unbekannt – in den Besitz von Mölbis und Tragis, baute, wie schon erwähnt, in ersterem Orte Rittergut und Kirche und verlebte die wenigen Jahre der Ruhe, die jene kriegesschwangeren Zeiten ihm gönnten, wie eine alte Chronik sagt, „einfach und gottesfürchtig“ auf seinem selbstgeschaffenen Wohnsitze. Durch den Tod seines Vaters auch Erb-, Lehn- und Gerichtsherr zu Nickern und Frankleben geworden, überliess er das Letztere seinem Bruder, dem Geheimen Rathe Christoph Dietrich von Bose, einem sehr gelehrten und staatsklugen Manne, der nach mancherlei Anfeindungen und Kränkungen seine Stellung in Sachsen verliess und als Reichs-Hofrath in kaiserliche Dienste trat, auf Ersuchen seines churfürstlichen Herrn aber nach seinem Vaterlande zurückkehrte, hier seine alten Würden, aber auch seine alten Feinde, wiederfand und deren rastlosem Streben unterliegend 1738 als Staats-Gefangener auf Schloss Pleissenburg in Leipzig wanderte und hier am 23. November 1741 verschied.

[117] Nachdem unser General-Major im Februar des Jahres 1731 zum General en chef der Infanterie und Gouverneur der Festung Wittenberg ernannt und sein Gesuch um Abschied mehrmals abschlägig beschieden worden, präsentirte sich der 80jährige Greis auf Befehl seines Churfürst-Königs noch im Jahre 1747 dem in Dresden anwesenden König von Preussen, Friedrich dem Grossen, welcher die geistige und körperliche Rüstigkeit des Helden nicht genug bewundern konnte, zog sich dann aber nach Mölbis zurück, wo er am 21. Mai 1749 sanft entschlief und in dem Erbbegräbnisse der Kirche am 24. desselben Monats beigesetzt wurde. Von ihm und seiner Gemahlin, so wie daneben von seinem Sohne und dessen Gemahlin, sind in der Wand eingemauerte Grabsteine über den Gräbern zu sehen.

Merkwürdig ist es, dass dieser Mann, der hier so gottesfürchtig geschildert wird, im Munde des Volkes, bei den Bewohnern von Mölbis selbst nicht nur, sondern auch bei denen der benachbarten Orte, noch jetzt als eine Art Hexenmeister, ein mit dem bösen Feinde im Bunde stehender Mann fortlebt. Es sind von ihm viele wunderbare Geschichten im Umlauf, welche indessen dem Forscher nur den Beweis liefern, dass der General von Bose ein kluger weit über seine Zeit hinaus gebildeter Mann war, dessen rasches, bestimmtes, vielleicht auch manchmal nicht ganz humanes Handeln ihn in den Augen seiner Zeitgenossen oft in ein falsches Licht stellte, so dass man nach der beliebten Sitte jener Hexen- und Teufelsperiode ihn des Umgangs mit Unholden verdächtigte. Der Curiosität wegen sollen hier einige dieser drolligen Schreckensgeschichten, die manchen ehrlichen Mölbiser die Haare zu Berge getrieben haben mögen, ihren Platz finden:

Der General von Bose, so heisst es, war ein Mann, der mehr als Brod essen konnte, und sein unheimlicher Bundesgenosse hatte ihm auch zu der Erwerbung eines grossen Vermögens verholfen. An diesem aber haftete so manche Thräne, ja sogar Blut, denn es war meist im Kriege und durch harte Erpressung gesammelt. So viel aber war des Goldes in seinen Besitz gekommen, dass er es zum Theil in einem unterirdischen Raume seines Schlosses vergraben musste. Den Ort, wo dieser Schatz lag, liess er mit einer eisernen Thür verschliessen, die Niemand als er selbst zu öffnen vermochte; doch musste er wohl versäumt haben, seinem Sohne und Erben das Geheimniss mitzutheilen, denn nach seinem Tode blieb der Schatz ungehoben, ja, man wusste sogar nicht einmal den Ort zu finden, wo er lag, und es sollen daher von den späteren Besitzern des Rittergutes, von denen einige des Geldes bedürftig waren, Nachgrabungen angestellt worden sein, jedoch ohne allen Erfolg. Das Gerücht von der uneröffenbaren eisernen Thür aber hatte sich bis in die neuesten Zeiten erhalten und dürfte erst jetzt vollständig widerlegt sein, da der gegenwärtige Besitzer bei den verschiedenen baulichen Veränderungen, die er vornehmen liess, nicht die geringste Spur irgend einer geheimen, verborgenen oder vergessenen Thür fand.

Um sich gegen die Gewalt des Teufels nach seinem Tode zu schützen, soll der alte General befohlen haben, ihn nicht wie andere Leute, sondern sechs volle Ellen tief zu begraben; als ob der Böse, dessen Reich gerade unterirdisch ist, dadurch nicht noch leichter müsste zu ihm gelangen können.

Dass er aber einen solchen unheimlichen Bundesgenossen hatte, daran konnte und durfte wohl Niemand zweifeln, kannte er auch von den vielen dafür sprechenden Beweisen nur die beiden folgenden:

Danzig wurde belagert, und der General von Bose, der sich eben auf seinem Gute befand, aufgefordert die Festung zu erobern. Der alte Held wollte keine Zeit versäumen, der ihn ehrenden Aufforderung nachzukommen; deshalb befahl er seinem Kutscher, sogleich anzuspannen und tüchtig auf die Pferde zu peitschen, sich aber, so lieb ihm sein Leben sei, während der ganzen Fahrt nicht umzusehen. Und wie auf Sturmesflügeln sauste er davon, doch nicht auf geebneter Landstrasse fuhr er dahin, sondern durch die Luft ging der rasende Lauf der Pferde. Mit gesträubtem Haar hieb der Kutscher auf die geängsteten Thiere, da wickelte sich die Schnur seiner Peitsche um die Spitze eines Thurmes, an dem er eben vorbeiflog. Um sie loszumachen bog er sich, der Warnung seines Gebieters vergessend, rückwärts; da war es aber um ihn geschehen, denn er stürzte, von unsichtbarer Faust fortgerissen, von seinem Kutschersitze hinab und lag gleich darauf zerschmettert an dem Fusse des Thurmes. Der General aber erfasste mit kräftiger Faust die Zügel und langte bald darauf glücklich und wohlbehalten bei den Belagerungstruppen an. Diese fand er aber nach vorgenommener Besichtigung nicht zahlreich genug zur Bezwingung der starken und wohlvertheidigten Festung. Da streifte er von den Zweigen der nächsten Gebüsche die Blätter, warf sie zur Erde, und siehe, wie nach Cadmus Drachensaat sprangen, zwar nicht geharnischte Männer, wohl aber vollständig gerüstete Soldaten aus dem Boden und mit Hülfe dieser übernatürlichen Streiter gelang denn natürlich dem berühmten Kriegshelden die Eroberung Danzigs in kurzer Zeit; ja, so kurz war die Zeit, dass er nach Mölbis schon wieder zurück war, noch ehe man dort seine Entfernung bemerkt hatte. So kam es denn, dass seine Unterthanen, als sie endlich von der neuen Heldenthat ihres Gutsherrn hörten, steif und fest behaupteten, er sei in Danzig und Mölbis zu gleicher Zeit gewesen, eine Behauptung die auch in der nächsten Umgegend Glauben fand und nicht wenig dazu beitrug, die unheimliche Scheu zu vergrössern, die der General von Bose ohnehin schon einflösste.

Dass derselbe aber ungeachtet seines sechs Ellen tiefen Grabes in demselben keine Ruhe fand, zeigte sich nach einer langen Reihe von Jahren, denn als der vorletzte Besitzer, Brand von Lindau, seine Gemahlin durch den Tod verloren hatte, und dieselbe in dem Bosenschen Begräbniss in der Kirche beisetzen liess, litt der alte General diesen Eindringling aus fremdem Geschlecht nicht in seiner Gruft, sondern ruhte nicht eher, als bis Herr von Lindau die Leiche seiner Gattin aus der Kirche entfernen und in der gemauerten Gruft, der Sakristeithür gegenüber, zur letzten Ruhe bringen liess, wo man noch jetzt ihren Leichenstein sieht.

So weit die Volkssage, die wir wenigstens in Beziehung des letzteren Punktes auf ihr richtiges Maass zurückführen können.

Die Gemahlin des Herrn von Brandt war ihrer bevorstehenden Niederkunft wegen nach Dresden gegangen. Bei derselben ereilte sie der Tod und ihre Leiche wurde nach Mölbis geschafft, und hier einstweilen in der Kirche beigesetzt. Denn die Gesundheitspolizei hatte die Beerdigung von Leichen unter dem Boden der Kirche verboten, und die Verstorbene durfte, diesen Vorschriften gemäss, nur so lange hier bleiben, bis das für sie bestimmte [118] ausgemauerte Grab auf dem Kirchhofe fertig war, und unmittelbar nach dessen Vollendung wurde sie dahin gebracht, ohne dass der verstorbene General von Bose ihre Ruhe bis dahin auch nur im Geringsten gestört hätte.

Ueber seine Nachfolger hat uns die Geschichte weniger aufbewahrt. Seine Güter gingen auf seine Gemahlin, Magdalene Sophie, geb. von Hessler über, die ihm aber bereits 1752 am 25. Januar in die Ewigkeit folgte. Beider Sohn, Carl Heinrich Zdislav von Bose, erbte die bedeutenden Besitzungen seiner Eltern und starb als Obrist-Lieutnant der Cavallerie am 8. Juni des Jahres 1782, das Gut, als dem letzten Besitzer dieses Namens, seinem Sohne Carl Adam Heinrich überlassend. Dieser verkaufte es schon bei Lebzeiten einem Advocat Lange in Leipzig, von dem es sehr bald darauf an einen gewissen Wilke und durch diesen an den königl. Preuss. Geh.-Rath Gern überging. Dieser hatte indessen das Gut nicht selbst in Lehn, sondern nur für seine Frau, welche zugleich auch Besitzerin von Gretsch und Faulenanger war. Der Geheimerath Gern verkaufte Mölbis schon nach kurzer Zeit an den Sächs. Rittmeister Christian Adolf von Hopfgarten.

Aber auch in dieser Familie sollte Mölbis nicht bleiben, denn schon im Jahre 1816 erwarb es subhasta der königl. Preuss. Lieutnant a. D. Joachim Friedrich Gustav Brandt von Lindau, der es bis zu seinem am 2. April 1854 erfolgten, allgemein betrauerten Tode besass und von dessen Erben es, wie schon oben bemerkt, am 1. Mai des verflossenen Jahres an den jetzigen Besitzer gelangte. – Das Rittergut Mölbis, für dessen Verschönerung Herr Wünning bereits namhafte Summen aufwendete, ist in modernem Stile gebaut, hat vortreffliche, sehr geräumige Wirthschaftsgebäude, schönen, grossen Garten, circa 700 Acker Areal, darunter einige neunzig Acker Holz, eine aus 700 Stück Schaafen bestehende Schäferei, deren Wolle ihrer Güte wegen, seit Jahren schon, gern gekauft wird, eine schön eingerichtete Brauerei, die ein vorzügliches Lagerbier liefert, und wird binnen Kurzem noch durch eine im Neubau begriffene Brennerei vergrössert werden. Wie schon zu Eingang dieser Zeilen bemerkt, gehört das Vorwerk Crossen ebenfalls dem Besitzer des Schlosses, der auch das Kirchen-Patronat über Mölbis und Tragis, Letzteres alternirend mit dem königl. Ministerium des Cultus besitzt.

Das zum Rittergute gehörige freundliche Dorf gleichen Namens hat über 600 Einwohner und gehört zur Amtshauptmannschaft Borna, sowie neuerdings zum Bezirke des Königl. Gerichts Rötha. Der Name Mölbis soll wendischen Ursprungs sein und von „Milbur“ (Hohendorf) herrühren.

So wie wir über die früheren Zeiten des Rittergutes keine sicheren Nachrichten haben, so liegt auch über der Zeit des Entstehens und den ersten Lebens-Jahrhunderten des Dorfes ein undurchdringlicher Schleier. Es theilte wahrscheinlich mit tausend andern ein Schicksal, und wird wie diese seine trüben und seine guten Tage gehabt haben. Die Drangsale des Krieges scheinen an Mölbis ziemlich spurlos vorübergegangen zu sein, denn die uns vorliegenden Quellen erwähnen nur eines Einfalls Preussischer Husaren, am 15. November 1761, und dass sie, nachdem das Dorf durch eine Seuche bereits 60 Stück Kühe verloren, alles gesunde Rindvieh mit fortgetrieben haben. Die Weltschlacht bei Leipzig in den verhängnissvollen Tagen des Octobers 1813 brachte natürlich auch hier viel Einquartirung, erforderte grosse Lieferungen und was der Plagen des Krieges noch mehr sind, doch ist dies nicht in Vergleich zu bringen mit den Leiden, die jene unglücklichen Dörfer betrafen, welche den eigentlichen Schauplatz des Krieges bildeten.

Von Feuersbrünsten ist Mölbis mehrfach heimgesucht worden. So brannten vor etwa dreissig Jahren hier sieben grosse Bauergüter nieder, sowie auch die Wirthschaftsgebäude der Pfarre. Kirche und Schule waren dabei in grosser Gefahr. Am 27. Juni 1764 schlug der Blitz in den hiesigen Gasthof ein, und zwar nach der Angabe des Kirchenbuches unter merkwürdigen Umständen: Es träumte nämlich der Magd des Gastwirthes, der Blitz schlage mitten durch ihr Bett in den unter ihrer Kammer befindlichen Kuhstall, der Schreck darüber macht sie ohnmächtig, kaum aber fängt sie an sich etwas zu erholen, träumt sie denselben Traum aufs Neue, erwacht plötzlich und hört es donnern. Eilig springt sie auf, die Herrschaft zu wecken, aber kaum hat sie die Kammer verlassen, als ihr Traum bereits zur schrecklichen Wahrheit wird, denn der Blitz fuhr durch ihr Bett in den Stall, zündete das Haus an und tödtete mehrere Kühe.

Mölbis besitzt in 36 Gütern und 37 Häusern eine Einwohnerschaft von etwa 500 Personen. Die Kirche und Schule, um deren Wohlstand sich mehrere Rittergutsbesitzer, namentlich der Geheimerath von Bose und Herr Wünning, sehr verdient gemacht haben, stehen unter der Inspektion Borna und Collatur des Rittergutes Mölbis. Die hiesige Schule besuchen etwa hundert Schüler, welche in zwei Klassen, Mädchen und Knaben untereinander, unterrichtet werden.

Noch müssen wir erwähnen, dass im Jahre 1677 zu Mölbis der geachtete Wittenberger Theolog, Dr. Zeibich geboren wurde.

† † †     



[119]
Polditz.


Auf einer Anhöhe, die sich gegen das rechte Ufer der etwa 2000 Schritt entfernten Mulde senkt, eine kleine halbe Stunde von der Stadt Leisnig entfernt und Altleisnig grade gegenüber, liegt in einer angenehmen und freundlichen Gegend das zu dem Leipziger Kreise und dem Amte Leisnig gehörige Rittergut Polditz. Dass es, wie Schultes behauptet, eines und dasselbe mit dem Gute Poselitz sein soll, welches schon 1125 als Besitz des Klosters Buch genannt wird, lässt sich auf keine Art beweisen und dürfte wohl jedenfalls als ein Irrthum anzunehmen sein.

Auf dem Polditz gegenüber liegenden Bergrücken des andern Ufers liegt das Rittergut Gorschmitz.

Von dem Herrensitze geniesst man eine herrliche Aussicht in das Muldenthal, sowohl stromaufwärts nach der Stadt Leisnig mit ihrem Schlosse, als auch stromabwärts.

Die zu dem Rittergute Polditz gehörigen Fluren, welche in neuerer Zeit durch dazu geschlagene bäuerliche Grundstücke wesentlich vergrössert worden sind, so dass sie jetzt an 215 Acker mit 5000 Steuereinheiten betragen, liegen rings um das Gut herum, theils auf der Berghöhe mit Steigung gegen Mittag, theils in der Muldenaue. Auf dieser Flur, und zwar im Süden derselben, findet man, oder fand man wenigstens sonst, häufig Agathe und Amethyste. Ob dies auch noch jetzt der Fall ist, darüber schweigen die neueren uns vorliegenden Quellen, indess dürften die Schätze des Mineralreiches wohl vermindert, doch noch nicht erschöpft sein.

Das Rittergut ist jetzt schriftsässig und seit 1819 landtagsfähig.

Ein Dorf Polditz giebt es nicht, indess sind auf dem Grund und Boden des Gutes die Orte Wiesenthal und Dörfchen angebaut, die in 40 Häusern über 200 Einwohner zählen, und es gehörte auch noch Seydewitz und Graben (s. unten) dazu.

Eingepfarrt sind diese Ortschaften, eben so wie Polditz selbst, nach Alt-Leisnig.

Zuweilen wird Polditz auch in Gross- und Klein-Polditz eingetheilt, und der letztere Theil auch der Polditzer Graben oder kurzweg der Graben genannt; indess ist diese Eintheilung und Benennung wohl nicht als richtig zu betrachten.

Als erste Besitzer, deren die Geschichte mit Bestimmtheit Erwähnung thut, wird um 1460 das Geschlecht derer von Arras genannt, nach denen auch das zu Polditz gehörige und dicht dabei gelegene Dörfchen Arras den Namen erhielt.

Bei diesem Geschlechte blieb das Gut lange Zeit, denn auch von 1548 bis 1589 und endlich wieder 1628 wird es als Besitzer von Polditz genannt und zwar in den zuletzt erwähnten Jahren ein Balthasar von Arras. Nach anderen Angaben, die uns indess nach Berathung des Polditzer Gerichtsarchives nicht die richtigen zu sein scheinen, soll es von den Arras im Jahre 1589 Hieronymus von Maltitz um 3450 Gulden erkauft haben.

Von dieser Zeit an wechselte es indess oft die Besitzer, sowohl der Person, als dem Geschlechte nach, denn 1645 finden wir als Besitzer Hans Georg von Brösen, der zugleich das benachbarte Motterwitz besass. – Auch von dieser Angabe weichen andere Nachrichten ab, nach welcher die Brösens von 1600 bis 1663 in dem Besitz geblieben, in diesem Jahre aber das Gut wegen darauf haftender Schulden an Hans Ernst von Wiese verkauft haben sollen, welcher als Schwager der beiden Verkäufer, der Brüder Adam Abraham und Christoph Jahn von Brösen (mit welchem Letzteren sein Geschlecht erlosch) bezeichnet wird.

Nach den Angaben des Polditzer Gerichtsarchivs dagegen, dem in dieser Beziehung wohl grösserer Glaube zu schenken sein dürfte, erkaufte von den Brösen im Jahre 1656 das Rittergut Polditz Hans Julius von Wolffersdorf, von dessen Erben es dann erst im Jahre 1686 der obengenannte Hans Ernst von Wiese erkaufte. Dass dieser auf seinem Grund und Boden die Häuser (ursprünglich gegen 30) erbauen liess, die noch jetzt nach ihm den Namen Wiesenthal führen, darin stimmen unsere Quellen überein.

Bei der Familie von Wiese blieb Polditz darauf bis 1723, in welchem Jahre es öffentlich versteigert und von dem Oberpfarrer zu Mutzschen, M. Johann Philipp Oheim erstanden wurde. Nach dessen Tode kam es an dessen Schwiegersohn, den Goldschmied Johann Adam Schädlich in Eilenburg. Dessen Sohn, der Obristlieutenant Caspar Gottlieb Schädlich verkaufte es 1732 an den Major Christoph Wilhelm von der Oelschnitz. Dessen Sohn, gleichfalls Major beim Regiment Prinz Clemens, Wilhelm August von der Oelschnitz, vererbte es auf seine Gemahlin, eine geborne von Kötteritz, welche es im Jahre 1763 ihrem zweiten Manne, dem Braunschweigisch-Wolfenbüttler Kammerjunker, Wilhelm Christian von Brandenstein, überliess.

Von der Familie Brandenstein erkaufte Polditz, sowie das angrenzende Rittergut Korpitsch, im Jahre 1790 Herr Johann Gottlieb Clauss. Nach dessen Tode nahm im Jahr 1805 sein jüngerer Sohn, Friedrich Wilhelm Clauss, Polditz an, und der ältere, Friedrich Ehregott, Korpitzsch. Im Jahre 1832 endlich erkaufte der gegenwärtige Besitzer von Polditz, Herr Advokat Moritz [120] Clauss das Gut von seinem obengenannten Namens- und Bluts-Vetter, Friedrich Wilhelm.

Die Geschichte weiss von Polditz eben nicht viel zu erzählen; sie hebt daher schon als erwähnenswerthe Thatsache hervor, dass zu Anfang des siebenjährigen Krieges, in der Nacht vom 2. bis 3. September der grosse Preussenkönig, Friedrich II., sein Hauptquartier in Polditz nahm, in dessen Umgegend sich die Avantgarde seines Heeres lagerte, und dass nach dem Könige der Herzog von Braunschweig vom 3. bis zum 5. September mit zahlreichem Gefolge auf dem Herrenhofe weilte, dessen Truppen ebenfalls um Polditz lagerten.

Darf man mit Recht sagen, das sei das beste Weib, von dem am wenigsten gesprochen wird, so kann man wohl mit gleichem Grund behaupten, das sei das glücklichste Dorf, dessen Name in der Kriegsgeschichte am seltensten genannt wird, und Polditz wird gewiss mit diesem Glück zufriedener sein, als wenn sein Name mit zahlreichen kriegerischen Heldenthaten verwebt wäre.

Uebrigens ist es deshalb von anderem Missgeschick nicht ganz verschont geblieben, denn 1726 schlug der Blitz in das Gut ein und sämmtliche Gebäude und Vorräthe brannten nieder, und im Jahre 1810 verzehrten die Flammen abermals sämmtliche Wirthschaftsgebäude und die Scheune.

A.–n.     




Kössern.


Kössern, ein grosses und volkreiches Dorf, zu dem Leipziger Kreise und dem Amte Colditz gehörig, liegt an dem rechten Ufer der vereinigten Mulde. 1⅝ Stunden südöstlich von Grimma, 1½ Stunde nördlich von Colditz, ¼ Stunde von dem westlichen Rande des Thümlitzwaldes entfernt.

Der Ort, der 1754 nur 20 Häuser enthielt, seitdem aber bedeutend gewachsen ist, da er 1802 schon 240 Seelen zählte, 1830 bereits über 300 und gegenwärtig über 500, liegt nicht ganz an dem Flusse, sondern zum Theil auch an dem sanft ansteigenden Gebirge.

Das Rittergut ist altschriftsässig.

Die Lage von Kössern ist freundlich und angenehm. Seine Fluren rainen mit Förstchen im Schulamte.

Südöstlich von Kössern, doch noch auf dem Gebiete desselben, nimmt die Mulde einen kleinen Bach auf, der aus der Thümlitz kommt und östlich von dem Dorfe mehrere Teiche mit seinem Wasser tränkt.

Nördlich von diesen, sämmtlich nicht eben durch Grösse ausgezeichneten, aber dennoch durch gute Pflege fischreichen Teichen steht das königliche Forsthaus, bewohnt von dem Förster, der die Aufsicht über das Leipnitzer Revier führt.

Als Besitzer des Rittergutes wird im Jahre 1612 Siegmund von Haugwitz genannt. Später gehörte es der Familie von Erdmannsdorf. Nach diesen sollen die von Erdmannsdorf auf kurze Zeit in den Besitz gelangt sein. Im Jahre 1713 erwarb es der Oberhof-Jägermeister von Erdmannsdorf, und seit 1810 ist es im Besitz der Familie von Abendroth.

Zu dem Rittergute gehört ausser dem Orte Förstchen ein Gasthof, die südlich von dem Dorfe gelegene Bachmühle und das Vorwerk Amalienburg, welches sonst Forst- oder Pielitzberg genannt wurde.

Das Schloss, obwohl von neuerer Zeit stammend, ist burgartig erbaut und gewährt einen sehr freundlichen Anblick. Der Park, der dasselbe theilweis umgiebt, darf nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Er ist geschmackvoll angelegt und sorgfältig gepflegt.

Eine Erwähnung verdient namentlich auch die Rangoische Erziehungsanstalt, die mit einem Privat-Schullehrer-Seminar verbunden ist.

Ausserdem besitzt Kössern eine eigene Schule, auch einen Betsaal, in welchem Sonntags Nachmittags von dem Schullehrer Betstunde gehalten wird, da der Kirchort Leipnitz, dem Kössern in kirchlicher Beziehung zugetheilt ist, durch die Entfernung von einer Stunde den regelmässigen Kirchenbesuch erschwert.

A.–n.     




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