Nachdem unser General-Major im Februar des Jahres 1731 zum General en chef der Infanterie und Gouverneur der Festung Wittenberg ernannt und sein Gesuch um Abschied mehrmals abschlägig beschieden worden, präsentirte sich der 80jährige Greis auf Befehl seines Churfürst-Königs noch im Jahre 1747 dem in Dresden anwesenden König von Preussen, Friedrich dem Grossen, welcher die geistige und körperliche Rüstigkeit des Helden nicht genug bewundern konnte, zog sich dann aber nach Mölbis zurück, wo er am 21. Mai 1749 sanft entschlief und in dem Erbbegräbnisse der Kirche am 24. desselben Monats beigesetzt wurde. Von ihm und seiner Gemahlin, so wie daneben von seinem Sohne und dessen Gemahlin, sind in der Wand eingemauerte Grabsteine über den Gräbern zu sehen.
Merkwürdig ist es, dass dieser Mann, der hier so gottesfürchtig geschildert wird, im Munde des Volkes, bei den Bewohnern von Mölbis selbst nicht nur, sondern auch bei denen der benachbarten Orte, noch jetzt als eine Art Hexenmeister, ein mit dem bösen Feinde im Bunde stehender Mann fortlebt. Es sind von ihm viele wunderbare Geschichten im Umlauf, welche indessen dem Forscher nur den Beweis liefern, dass der General von Bose ein kluger weit über seine Zeit hinaus gebildeter Mann war, dessen rasches, bestimmtes, vielleicht auch manchmal nicht ganz humanes Handeln ihn in den Augen seiner Zeitgenossen oft in ein falsches Licht stellte, so dass man nach der beliebten Sitte jener Hexen- und Teufelsperiode ihn des Umgangs mit Unholden verdächtigte. Der Curiosität wegen sollen hier einige dieser drolligen Schreckensgeschichten, die manchen ehrlichen Mölbiser die Haare zu Berge getrieben haben mögen, ihren Platz finden:
Der General von Bose, so heisst es, war ein Mann, der mehr als Brod essen konnte, und sein unheimlicher Bundesgenosse hatte ihm auch zu der Erwerbung eines grossen Vermögens verholfen. An diesem aber haftete so manche Thräne, ja sogar Blut, denn es war meist im Kriege und durch harte Erpressung gesammelt. So viel aber war des Goldes in seinen Besitz gekommen, dass er es zum Theil in einem unterirdischen Raume seines Schlosses vergraben musste. Den Ort, wo dieser Schatz lag, liess er mit einer eisernen Thür verschliessen, die Niemand als er selbst zu öffnen vermochte; doch musste er wohl versäumt haben, seinem Sohne und Erben das Geheimniss mitzutheilen, denn nach seinem Tode blieb der Schatz ungehoben, ja, man wusste sogar nicht einmal den Ort zu finden, wo er lag, und es sollen daher von den späteren Besitzern des Rittergutes, von denen einige des Geldes bedürftig waren, Nachgrabungen angestellt worden sein, jedoch ohne allen Erfolg. Das Gerücht von der uneröffenbaren eisernen Thür aber hatte sich bis in die neuesten Zeiten erhalten und dürfte erst jetzt vollständig widerlegt sein, da der gegenwärtige Besitzer bei den verschiedenen baulichen Veränderungen, die er vornehmen liess, nicht die geringste Spur irgend einer geheimen, verborgenen oder vergessenen Thür fand.
Um sich gegen die Gewalt des Teufels nach seinem Tode zu schützen, soll der alte General befohlen haben, ihn nicht wie andere Leute, sondern sechs volle Ellen tief zu begraben; als ob der Böse, dessen Reich gerade unterirdisch ist, dadurch nicht noch leichter müsste zu ihm gelangen können.
Dass er aber einen solchen unheimlichen Bundesgenossen hatte, daran konnte und durfte wohl Niemand zweifeln, kannte er auch von den vielen dafür sprechenden Beweisen nur die beiden folgenden:
Danzig wurde belagert, und der General von Bose, der sich eben auf seinem Gute befand, aufgefordert die Festung zu erobern. Der alte Held wollte keine Zeit versäumen, der ihn ehrenden Aufforderung nachzukommen; deshalb befahl er seinem Kutscher, sogleich anzuspannen und tüchtig auf die Pferde zu peitschen, sich aber, so lieb ihm sein Leben sei, während der ganzen Fahrt nicht umzusehen. Und wie auf Sturmesflügeln sauste er davon, doch nicht auf geebneter Landstrasse fuhr er dahin, sondern durch die Luft ging der rasende Lauf der Pferde. Mit gesträubtem Haar hieb der Kutscher auf die geängsteten Thiere, da wickelte sich die Schnur seiner Peitsche um die Spitze eines Thurmes, an dem er eben vorbeiflog. Um sie loszumachen bog er sich, der Warnung seines Gebieters vergessend, rückwärts; da war es aber um ihn geschehen, denn er stürzte, von unsichtbarer Faust fortgerissen, von seinem Kutschersitze hinab und lag gleich darauf zerschmettert an dem Fusse des Thurmes. Der General aber erfasste mit kräftiger Faust die Zügel und langte bald darauf glücklich und wohlbehalten bei den Belagerungstruppen an. Diese fand er aber nach vorgenommener Besichtigung nicht zahlreich genug zur Bezwingung der starken und wohlvertheidigten Festung. Da streifte er von den Zweigen der nächsten Gebüsche die Blätter, warf sie zur Erde, und siehe, wie nach Cadmus Drachensaat sprangen, zwar nicht geharnischte Männer, wohl aber vollständig gerüstete Soldaten aus dem Boden und mit Hülfe dieser übernatürlichen Streiter gelang denn natürlich dem berühmten Kriegshelden die Eroberung Danzigs in kurzer Zeit; ja, so kurz war die Zeit, dass er nach Mölbis schon wieder zurück war, noch ehe man dort seine Entfernung bemerkt hatte. So kam es denn, dass seine Unterthanen, als sie endlich von der neuen Heldenthat ihres Gutsherrn hörten, steif und fest behaupteten, er sei in Danzig und Mölbis zu gleicher Zeit gewesen, eine Behauptung die auch in der nächsten Umgegend Glauben fand und nicht wenig dazu beitrug, die unheimliche Scheu zu vergrössern, die der General von Bose ohnehin schon einflösste.
Dass derselbe aber ungeachtet seines sechs Ellen tiefen Grabes in demselben keine Ruhe fand, zeigte sich nach einer langen Reihe von Jahren, denn als der vorletzte Besitzer, Brand von Lindau, seine Gemahlin durch den Tod verloren hatte, und dieselbe in dem Bosenschen Begräbniss in der Kirche beisetzen liess, litt der alte General diesen Eindringling aus fremdem Geschlecht nicht in seiner Gruft, sondern ruhte nicht eher, als bis Herr von Lindau die Leiche seiner Gattin aus der Kirche entfernen und in der gemauerten Gruft, der Sakristeithür gegenüber, zur letzten Ruhe bringen liess, wo man noch jetzt ihren Leichenstein sieht.
So weit die Volkssage, die wir wenigstens in Beziehung des letzteren Punktes auf ihr richtiges Maass zurückführen können.
Die Gemahlin des Herrn von Brandt war ihrer bevorstehenden Niederkunft wegen nach Dresden gegangen. Bei derselben ereilte sie der Tod und ihre Leiche wurde nach Mölbis geschafft, und hier einstweilen in der Kirche beigesetzt. Denn die Gesundheitspolizei hatte die Beerdigung von Leichen unter dem Boden der Kirche verboten, und die Verstorbene durfte, diesen Vorschriften gemäss, nur so lange hier bleiben, bis das für sie bestimmte
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/182&oldid=- (Version vom 30.7.2020)