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Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H04

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Heft 3 des Leipziger Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 4 der Section Leipziger Kreis
Heft 5 des Leipziger Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Kühnitzsch
  2. Möckern
  3. Gautzsch
  4. Zöbigker


[33]
Kühnitzsch.


Das Rittergut Kühnitzsch, sammt dem Dorfe gleichen Namens, eine starke Stunde östlich von der Stadt Wurzen gelegen, ist ein uralter von den Sorben gegründeter Ort, der seinen Namen von dem slavischen Worte Koina oder Koitza, zu deutsch eine Kiefer, empfing, welche Baumgattung wie in dem grauen Alterthume, so auch noch jetzt in hiesiger Gegend zahlreich gefunden wird. Die ältesten noch vorhandenen Urkunden, welche der Ortschaft und des Schlosses Erwähnung thun, nennen selbige Kinitz, Kyntzsch, Kynisch und Khyntsch; erst in neuerer Zeit sprach und schrieb man Kühnitzsch. Im dreizehnten Jahrhundert hauste auf der Burg zu Kühnitzsch ein adeliges Geschlecht, welches sich nach derselben nannte, von dem Johannes von Kynitz 1216 eine vom Erzbischof Albert von Magdeburg ausgestellte Urkunde als Zeuge unterschrieb. Die Ritter von Kynitz besassen das Gut noch im fünfzehnten Jahrhundert, denn 1421 Dienstags nach Empfängniss Mariä, sowie 1429 am Donnerstage vor Sankt Erasmus überliessen die frommen Edelleute Nikol und Heinrich von Kynitzsch den Altären der heiligen Jungfrau und des heiligen Kreuzes gewisse Einkünfte, welche die beiden Herren bis dahin von einigen in der Nähe von Bischofswerda gelegenen Gütern bezogen hatten. Das Registrum feudorum Ecclesiae Misnensis nennt bald darauf einen Ritter Wolfgang von Kinczsch, der von dem Bisthum Meissen das Rittergut Birck zur Lehn trug.

Zu welcher Zeit die Herren von Kynitzsch das Rittergut verliessen, ist nicht bekannt, doch muss es nach aller Wahrscheinlichkeit zu Anfang der zweiten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts geschehen sein, da 1461 Herr Balthasar von Lussk oder Lusigk auf dem Schlosse Kynitzsch sass. Derselbe wurde in genanntem Jahre von dem Bischof Dietrich zu Meissen mit den Obergerichten der Feimstätte und dem Galgen zu Kynitzsch, sowie mit Grunau, Lindholz und was so weit und ferne in seinen Rainen lag und inbegriffen war, sammt einem Stück Acker bei Rotschütz belehnt. Christoph, Balthasar II. und Heinrich von Plausigk besassen Kühnitzsch um das Jahr 1525, und Balthasar III. von Plausigk wurde am Montag nach St. Udalrich 1555 vom Bischof Johann von Meissen, aus dem Geschlecht der Maltitze, mit dem Sattelhofe, Sitze, Dorfe und Vorwerke Kynitzsch sammt dem Kirchlehn, der Erbschenke, den Dörfern Rauden, Nauendorf, den wüsten Marken Grunau und Lindhayde, dem Sitz, Dorf und Vorwerk Wazschwitz und der Mühle, die Schickemühle genannt, belehnt. Dieser Balthasar von Plausigk war der Letzte seines Stammes, und wurde um das Jahr 1620 in der Kirche zu Kühnitzsch mit umgekehrtem Wappenschilde beerdigt. Um das geringe Einkommen des Pfarrers zu erhöhen, bemühte sich Balthasar II. von Plausigk eifrigst, das Amtsdorf Körlitz, welches bis zur Kirchenvisitation im Jahre 1542 einen eigenen Geistlichen gehabt hatte, mit Kühnitzsch zu vereinigen, und seine dringenden Vorstellungen veranlassten 1546 den Churfürsten Johann Friedrich den Grossmüthigen zu der Verordnung, dass nach dem Tode des Körlitzer Pfarrers dessen Stelle nicht wieder besetzt, sondern Körlitz ein Filial von Kühnitzsch werden sollte. Der Befehl des Churfürsten behielt seine Geltung bis zum Jahre 1580, wo Körlitz von Kühnitzsch getrennt und zu Nemt geschlagen wurde. Um dem Pfarrer zu Kühnitzsch für diesen Verlust zu entschädigen, gewährte ihm Balthasar III. von Plausigk eine gewisse Besoldung an baarem Gelde, sowie den Getreidezehnt von einem Theile der Rittergutsfelder, und im Jahre 1618 trat er der Pfarre auch noch ein Stück Waldung ab, die Scheibe genannt, aus welcher dem Pastor jährlich fünf Klaftern Holz geliefert werden müssen. In demselben Jahre legirte der fromme Edelmann eine Summe von tausend Gülden mit der Bestimmung, dass deren Zinsen zur Besoldung des Pfarrers geschlagen und demselben in halbjährigen Terminen ausgezahlt werden sollten. Ausserdem erhielt die Kirche ein Legat von zwanzig Gülden, deren Zinsen der Lehrer empfängt. Dieser Balthasar von Plausigk ist auch der Gründer des sogenannten Plausigkschen Stipendiums auf der Universität Leipzig, dessen Zinsen, in vierzig Thalern bestehend, zwei armen Studirenden verabreicht werden. Ein zweites Stipendium stiftete der wackere Mann für die Söhne der Kühnitzscher Pfarrherren. Dasselbe beträgt tausend Gülden und wird von dem Consisterio des Stiftes Meissen verwaltet, das die Zinsen, wenn kein Pfarrerssohn aus Kühnitzsch studirt, an die Söhne von Watschwitzer oder Kühnitzscher Bauern, sobald sie Theologen sind, oder in deren Ermangelung an irgend einen studirenden Pfarrerssohn der Ephorie Wurzen auszuzahlen hat.

Nach Balthasars III. von Plausigk Tode kam das Rittergut Kühnitzsch an die Familie von Holzendorf, bei der es jedoch nicht lange blieb, denn schon 1676 besassen es drei Herren von Plötz, Christian, Johann Christian und Hans Georg, von denen Letzterer Oberst war und 1718 mit Tode abging. Dessen Sohn, Christian Siegmund von Plötz übernahm das Gut 1713, und sein Sohn Caspar Siegmund Christian starb als Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf dem Schlosse zu Kühnitzsch am 8. Juni 1782. Der nächste Besitzer des Gutes war ein Herr von Wuthenau, dessen Wittwe, Maria Eleonore von Wuthenau, dasselbe an den Domherrn von Holleufer abtrat. Von diesem kaufte Kühnitzsch ein Herr von Busch, behauptete den Besitz jedoch nur ein [34] Jahr, worauf es wieder an den Domherrn von Holleufer zurückfiel. Bis zum Jahre 1806 gehörte alsdann das Gut dem Amtshauptmann Freiherrn von Lorentz, der es an den Obristlieutnant von der Planitz verkaufte. In dessen Besitz blieb Kühnitzsch achtzehn Jahre lang, und das Gut gewann während dieses Zeitraums an Cultur und Verbesserungen, namentlich des Feldbaues, ausserordentlich. Nach des Oberstlieutnants von Planitz Tode, der 1822 auf dem Schlosse Kühnitzsch erfolgte, kaufte das Gut der Königlich Preussische Oberforstmeister von Kalitsch, dessen Sohn Herr Carl Ludwig Rudolph Freiherr von Kalitsch gegenwärtig Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Kühnitzsch, Watschwitz und Zwochau, sowie auch Kirchenpatron ist.

Das Rittergut Kühnitzsch besitzt mit den Waldungen sechs und eine halbe Hufen Landes, welches grösstentheils zu den besseren Bodenklassen gehört, und von den Vorwerken Watschwitz und Zwochau hat Ersteres einen sehr ergiebigen Feldbau und Letzteres vortreffliche Holzbestände. Wegen des etwas sandigen Bodens gewähren die Kühnitzscher Felder, namentlich in nassen Jahren einen ungemein reichen Ertrag. – Zum Rittergute gehört ferner eine auf dem nahen Kamberge gelegene Ziegelei, von welcher man eine hübsche Aussicht auf die umliegenden Gegenden und Ortschaften geniesst. Seit dem Jahre 1838 ist die Höhe des Kamberges mit Kirschbäumen bepflanzt, und diese Plantage gewährt nicht geringen Nutzen. Das Schenkgut, welches bis auf die neuere Zeit ein Erbkretscham und Eigenthum des Rittergutes war, ist mit siebzehn Ackern Feld verkauft und somit vom Gute getrennt worden. – Die Gebäude des Rittergutes sind fast durchgängig in neuerer Zeit erbaut, auch hat das Innere des Schlosses eine sehr vortheilhafte Restauration erfahren.

Das Dorf Kühnitzsch bestand in der Vorzeit aus drei nahe bei einander liegenden Ortschaften, welche die Namen Rauden, Naundorf und Kyntsch führten, und endlich zu einer Gemeinde verbunden wurden. Das Dorf hat zwölf und eine halbe Hufen Feld und Waldung, sechsundzwanzig Bauern, funfzehn Hintersässer, zwei Kossästhen und fünfundzwanzig Häusler im Ganzen gegen fünfhundert Einwohner, von denen die Mehrzahl sich mit Feldbau und Handarbeit beschäftigt.

Die Kirche zu Kühnitzsch wurde im Jahre 1705 auf Kosten des damaligen Gerichtsherrn, des Generallieutnants von Plötz, von Grund aus neu aufgebaut und von dem Superintendenten zu Wurzen, Dr. Schreiter, eingeweiht. Zur Erleichterung des Baues sammelte man in allen Kreisen des Landes eine Collecte, welche einen nicht unbedeutenden Ertrag gewährte. Die Kirche ist hell und freundlich und besitzt ein Gemälde von vorzüglicher Schönheit, die Einsetzung des Abendmahles darstellend, dessen Schöpfer man indessen nicht kennt. Aus der alten Kirche rühren noch die drei sehr alten Glocken, sowie verschiedene steinerne Monumente und alterthümliche ritterliche Waffenzeichen her, welche grösstentheils an den Wänden der Kirche befestigt sind. Unter allen diesen Denkmälern zeichnet sich namentlich das Balthasars III. von Plausigk aus, der in ritterlicher Tracht mit allen Zeichen seines Ranges geschmückt in Lebensgrösse dargestellt ist; neben ihm kniet seine Gemahlin, eine geborene von Schleinitz. Im nördlichen Anbaue der in Kreuzesform erbauten Kirche, befindet sich das uralte herrschaftliche Erbbegräbniss und darüber die herrschaftliche Kapelle.

Gleichwie Balthasar III. von Plausigk haben sich auch die Herren von Plötz um Kirche, Pfarre und Schule viele Verdienste erworben. Der Generallieutnant Siegmund von Plötz legirte 1709 der Kirche 175 Thaler, von deren Zinsen die Kirche drei Thaler zwölf Groschen, der Pastor drei Thaler zwölf Groschen und der Schullehrer einen Thaler achtzehn Groschen erhalten. Der Oberst Hans Georg von Plötz schenkte der Kirche im Jahre 1718 siebenundachtzig Thaler zwölf Groschen, und ein Fräulein von Drandorf hundert Thaler mit der Bedingung, dass von den Zinsen zwei arme Schulkinder eine Unterstützung erhalten sollen. Frau Maria Eleonore verwittwete von Wuthenau überliess 1794 der Kirche ein Legat von fünfhundert Thalern, von dessen Zinsen jedoch auch die Strohdächer der Pfarre in Stande zu erhalten sind. Aus den angeführten Vermächtnissen hat sich im Laufe der Zeit ein Kirchenvermögen gebildet, welches jetzt ungefähr zwölfhundert Thaler beträgt.

Die Pfarre hat ein Areal von etwa vierundzwanzig Ackern, und einigen Bauern lag die Verpflichtung ob, dieses Feld für den Fall zu bestellen, dass der Pfarrer die Oekonomie selbst verwaltet. Der Getreidezehnt von einem Theile der Rittergutsfelder, wozu jede Getreideart schütten musste, ist seit 1840 gegen ein Abfindungsquantum von hundert Thalern abgelöst, sowie auch ein Sackdecem und Fleischzehent in Geld verwandelt worden. Ein eigenthümliches und uraltes Recht der hiesigen Geistlichen bestand darin, dass ihnen aus der hiesigen Erbschenke täglich vier Kannen Bier für vier Pfennige, und im Falle des Mehrbedarfs jede Kanne für fünf Pfennige überlassen werden musste, das Bier mochte hier oder in anderen benachbarten Orten auch noch so theuer sein. Um die vielfachen Streitigkeiten, welche deshalb zwischen dem Pfarrer und dem Erbschenken stattfanden, zu beseitigen, wurde im Jahre 1803 vom Rittergutsbesitzer, dem Amtshauptmann von Lorentz, und dem Pfarrherrn Kupfer ein Vergleich abgeschlossen und von dem Consistorio zu Wurzen bestätigt, wonach der Pastor in Zukunft anstatt des Bieres ein jährliches Bierlegat, bestehend aus vierundzwanzig Thalern, in Halbjahrsraten zu zahlen, empfängt.

Im dreissigjährigen Kriege hatte Kühnitzsch gleich vielen naheliegenden Ortschaften das Unglück von den entmenschten Schwedischen Soldatenhorden heimgesucht zu werden; zu gleicher Zeit brach aber auch eine furchtbare Pest aus, die nebst vielen Einwohnern des Dorfes auch eine grosse Anzahl der Schwedischen Raubvögel in das Grab stürzte, welche auf dem alten jetzt nicht mehr benutzten Gottesacker beerdigt liegen. – Im Jahre 1739 übte Kühnitzsch sein dem Gerichtsherrn zustehendes Recht über Hals und Hand aus. Anna Elisabeth Weise, die fünfundzwanzigjährige Tochter eines Nachbars und Einwohners zu Kühnitzsch, hatte nämlich ihr uneheliges neugeborenes Kind ermordet, und wurde am 29. Mai auf dem Kamberge mit dem Schwerte enthauptet. Der damalige Pfarrer M. Sinz sagt darüber im Kirchenbuche: „Der grosse Gott gab der armen Sünderin die Gnade, dass sie in wahrer Busse und Bekehrung starb, und mit der grössten Freudigkeit zu ihrem Tode ging; auch auf dem Richtplatze zu singen anfing: „Wie schön wirds doch im Himmel sein.“ Von mir, dem Pfarrer, hat sie aufs Beweglichste Abschied genommen und gesagt: Sie, mein lieber Herr Beichtvater können mit Freudigkeit vor Gottes Thron treten und sagen: „ich bin rein von diesem Blute, denn Sie haben mich treulich gewarnt. Ich werde Ihnen, wenn Sie künftig sterben, mit den lieben Englein entgegenkommen und sagen: da kommt mein [35] lieber Beichtvater, der mir durch Gottes Gnade den Weg zum Himmel gezeigt hat. Nach der Hinrichtung wurde die Unglückliche in einen Winkel des Gottesackers neben ihrem Kinde begraben.

Zum Schlusse müssen wir noch eines wackeren Gelehrten, Johann Christoph Ritter, gedenken, der im Jahre 1658 zu Kühnitzsch geboren wurde, wo sein Vater, wie die Chronik sagt, „der deutschen Schreiberei Beflissener“ war. Namentlich zeichnete sich Ritter als tapferer Vertheidiger des Protestantismus aus, und hatte als Reiseinformator eines jungen Herrn von Theler Gelegenheit, in Rom und Wien sich häufig mit Jesuiten herumzustreiten. Unter seinen auf die Glaubensstreitigkeiten bezüglichen Schriften zeichnen sich einige durch originelle Titel aus, zum Beispiel: „der in seinen eigenen Schlingen gefangene Vogelsteller,“ oder Widerlegung der sogenannten Davidsschlingen, die Böning, ein Mameluck erneuert, vermehrt und zum Druck befördert; auch schrieb er, als ihm sein Gegner Böning einen elend berittenen lutherischen Ritter genannt, eine Broschüre: „Der glückliche Sieg über den päpstlichen Lindwurm.“ – Er starb 1711 als Rector zu Freiberg. Der erste protestantische Pfarrer zu Kühnitzsch war Conrad Schreiber, von dem eine alte Nachricht sagt, er sei ein feiner, geschickter, gelehrter, frommer Mann, und der Edelmann sammt seinen Leuten mit ihm so wohl zufrieden gewesen, dass sie ihm ein gutes Lob gegeben. Nachdem aber dieser Pfarrer beschuldigt worden, dass er den Trunk zu sehr liebe, hätte man ihn alsbald treulich verwarnet. –

Otto Moser, Red.     




Möckern.


Von allen Rittergütern in Leipzigs Umgebung hat wohl keines eine reizendere Lage als Möckern. Weit umschlossen von herrlichen Wiesen und dunklen Eichenwaldungen erhebt sich das reizende Herrenhaus des Gutes hart am Ufer der Elster, die ihre munteren Wellen der nahen Vereinigung mit dem Gewässer der Pleisse entgegenführt, aber auch bisweilen die angeschwollenen Wassermassen über die Ufer hinaus auf die weit hingebreiteten Wiesen ergiesst. Das Schlösschen, eben so geschmackvoll als zierlich erbaut, schaut wie ein kleiner Feenpallast aus dem frischen Grün eines hübschen Gartens auf die herrliche Aue hinab, und grüne Weingelände ziehen sich gemischt mit Schlingpflanzen und Rosenbosquets längst des Hofes am Ufer des Flusses dahin, über den hier eine Brücke führt. Drei Seiten des Hofes sind von neuen stattlichen Wirthschaftsgebäuden umschlossen, über welche die hohe gewaltige Esse einer Dampfmaschine emporragt.

Die früheste Geschichte Möckerns ist nicht aufzuhellen, man weiss nur, dass der Ort von den in hiesiger Gegend sich ansiedelnden Sorben gegründet wurde. Im dreizehnten Jahrhundert scheint auf dem Schlosse zu Möckern ein ritterliches Geschlecht von Warin gehaust zu haben, welchen auch das benachbarte Wahren gehörte, später aber kam Möckern an Nickel Pflugk, Otto Pflugks auf Strehla Sohn, der in Leipzigs Umgegend mehrere Güter erkaufte und in Strehla, oft aber auch auf einem seiner hiesigen Schlösser, namentlich Frauenhain, wohnte. Im Jahre 1376 empfingen die Gebrüder Dam und Otto Pflugk, Nickels Söhne, nach einem noch jetzt im Archiv zu Grosszschocher befindlichen Lehnsbriefe die Lehn über Gohlis und Möckern, und nach Otto Pflugks um 1394 erfolgtem Tode erhielt das Gut dessen Sohn, der gleich dem Grossvater, Nickel hiess. Ihm folgte wiederum ein Nickel Pflugk auf Grosszschocher, Windorf, Pötzschau, Möckern und Gohlis, welcher 1462 mit seinem Vetter Niklas Pflugk auf Knauthain einen Vertrag wegen einiger Rittergüter abschloss, und noch während seiner Lebenszeit das Gut Möckern an Hans Pflugk, seinen Sohn, abtrat, der durch Heirathen und Erbschaften bereits 1452 die Güter Pomsen, Seyffartshain, Fuchshain, Göhrens, Lausen und Albertsdorf besass. Er starb im Jahre 1490, und Hans Pflugk, sein Sohn, trat in Besitz der väterlichen Hinterlassenschaft. Derselbe fand im Jahre 1520 in der Kirche zu Grosszschocher seine letzte Ruhestätte, und bei der Theilung seiner Güter unter vier Söhne erhielt Johannes Zschocher und Gohlis, Moritz, dessen unglückliches Ende wir bereits bei der Schilderung Pomsens erzählt haben, Seyffartshain und Pomsen, Georg Pötzschau nebst Albertsdorf und Wolf Windorf, Lausen, Göhrens und Möckern. Von diesen vier Brüdern starb der jüngste, Wolf, zuerst, wahrscheinlich 1533, denn in diesem Jahre kamen seine Söhne, Benno und Wolf, unter die Vormundschaft ihrer Vettern. Nach erlangter Volljährigkeit erhielt Wolf Windorf, Göhrens und Möckern, verkaufte aber Letzteres 1562 an seinen Bruder Benno für 4000 Gülden, und als bald darauf der kinderlose Wolf mit Tode abging, befand sich Benno wieder im Besitze aller väterlicher Güter. Er war im Jahre 1555 Hauptmann zu Zeitz und ein hochgeehrter und allgemein beliebter Herr, jedoch in Folge vielfacher Unglücksfälle und Verluste nicht im Stande, die ererbten Rittergüter zu behaupten, weshalb er sie an seinen Schwiegersohn Carl von Dieskau verpfändete, und nicht verhindern konnte, dass sie derselbe später sub hasta erstand. In dem Testamente des berühmten Julius Pfluks, Bischofs [36] von Naumburg wird dieses Benno mit den Worten gedacht: „Benno Pflugken schenke ich die 300 Gülden, so ich ihm vorgestreckt, weil ich von Jugend auf bei ihm gewesen und er sich wohl und vetterlich gehalten; auch legire ich ihm meinen einfächtigen sammetnen Rock.“

Möckern kam mit den übrigen Pflugkschen Gütern 1590 an Carl von Dieskau, der mit Sabine Pflugk, Bennos Tochter, vermählt war, und als ein Anhänger des Calvinismus viele Verfolgungen und Vermögensbeeinträchtigungen erdulden musste. Von seinen beiden Töchtern war Margarethe mit Andreas Pflugk auf Mausitz, Sabine aber mit Caspar von Hacke auf Kitzen vermählt. Im Jahre 1620 wurde Carl von Dieskau in der Kirche zu Grosszschocher, wo sein Epitaphium noch vorhanden ist, beigesetzt, und Hieronymus Benno von Dieskau, sein einziger Sohn, trat die väterliche Erbschaft an. Derselbe vermählte sich 1618 mit Agnes, Simons von Hacke auf Kitzen Tochter, und starb 1630, worauf mit Landesherrlicher Bewilligung dessen Wittwe bis zum Jahre 1650 die Vormundschaft ihrer vier Kinder und die Verwaltung der Güter übernahm. Agnes von Dieskau scheint eine sehr entschlossene Dame gewesen zu sein, denn als während des dreissigjährigen Krieges und namentlich während der Belagerungen Leipzigs feindliche Kriegsleute die umliegenden Dörfer hart mitnahmen, blieb sie auf dem Schlosse zu Grosszchocher, und wusste ihre Güter vor Verheerung zu schützen. Carl Simon von Dieskau, Otto von Dieskau und Benno von Dieskau, ihre Söhne, verwalteten nach erlangter Volljährigkeit das väterliche Erbe gemeinschaftlich, mussten jedoch einige der Güter veräussern, und so kam Möckern um 1670 an den Churfürstlich Sächsischen Leibarzt und Professor der Pathologie Dr. Horn in Leipzig, der 1681 starb. Das Gut, damals ein Sattelhof, erlangte 1743, wo es dem geheimen Kriegsrathe und Bürgermeister Gottfried Lange zu Leipzig gehörte, die Rechte eines Rittergutes. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts gehörte Möckern dem Rathskämmerer und Apotheker Marche in Merseburg, später einem Herrn Reimer und dann einem Herrn Bachmann. In neuester Zeit erkaufte Möckern die verwittwete Frau Oberlieutnant Keyselitz, geb. Thärigen.

Das Dorf Möckern liegt an der Chaussee, die von Leipzig nach Halle führt, hat vierundzwanzig Bauergüter und gegen neunzig Häuser, aber keine Kirche. Die Einwohnerschaft, welche aus mehr als vierhundert Köpfen besteht, ist nach Eutritzsch eingepfarrt, da Möckern aber eine starke Stunde von Eutritzsch entfernt liegt, so gehen die Bewohner gewöhnlich in die Kirche des nahen Dorfes Wahren, wo ihnen, gleich der Pfarrgemeinde, bestimmte Männer- und Weiberstühle angewiesen sind. Vor der Reformation war Möckern in die Thomaskirche zu Leipzig eingepfarrt, im Jahre 1543 wurde es mit Wahren und 1544 mit Eutritzsch vereinigt.

Möckern gehört wegen seiner reizenden Lage zu den beliebtesten Vergnügungsorten der Leipziger, und der Gasthof zum weissen Falken, früher die Oberschenke geheissen, zeichnet sich durch seine stattlichen Gebäude und einen von Linden beschatteten Garten vortheilhaft aus. Wer den berühmten Roman Eugen Sue’s „le juif errant“ gelesen hat, wird sich erinnern, dass dessen Handlungen im Gasthofe zu Möckern beginnen, den Eugen Sue aus eigener Machtvollkommenheit mit dem Namen „des weissen Falken“ belegt. Der damalige spekulative Wirth war klug genug, seinen Gasthof, der durch den Roman weltbekannt wurde, sofort mit dem Schilde eines weissen Falken zu schmücken, und eine Unzahl begeisterter Leser strömten nunmehr herbei um an Ort und Stelle Sues Phantasie zu bewundern.

Die Kirche zu Eutritzsch ist nach der Jahreszahl 1403, die an der Morgenseite unter dem Dache sichtbar ist, zu urtheilen, zu Anfang des funfzehnten Jahrhunderts erbaut, und der Thurm entstand nach der an ihm befindlichen Zahl wahrscheinlich 1449. Das Gebäude ist sehr fest, im Innern gewölbt und enthält mehrere Todtengrüfte. Bis vor wenigen Jahren, wo eine gründliche Umgestaltung der inneren Kirche vorgenommen wurde, war dieselbe ein Raritätenmagazin für Freunde des Alterthums, indem alle Wände mit Etaphien, Schnitzwerken, Bildern und Sprüchen aus längst entschwundenen Zeiten überfüllt waren, worunter sich namentlich der Teufel mit Pferdefüssen vielfach auszeichnete. Jetzt ist die Kirche in einen freundlichen hellen Betsaal umgestaltet, nur der alterthümliche Altar mit seinen reichvergoldeten Heiligenbildern erinnert noch an die Zeit des Katholizismus und das hohe Alter des Gotteshauses. Ueber der Thür zur Sakristei befindet sich eine vortreffliche Bildhauerarbeit, ein Ritter neben einer Jungfrau knieend, welche auf die Vermählung eines Herrn von Pflugk Bezug haben soll. – Als etwas Besonderes ist noch zu erwähnen, dass bis gegen das Jahr 1770 von Zeit zu Zeit aus weiter Ferne Mönche nach Eutritzsch kamen sich sorgfältig in der Kirche umsahen und ohne ein Wort zu sprechen, namentlich die linke Kirchwand genau beobachteten. Ueber die Besuche dieser geheimnissvollen Gäste entstanden natürlich die abentheuerlichsten Gerüchte und Vermuthungen, bis endlich nach langjährigem Ausbleiben der Mönche die wunderbaren Geschichten der Vergessenheit anheim fielen.

Weltgeschichtlich denkwürdig ist Möckern durch die Völkerschlacht bei Leipzig. Als der Marschall Marmont von dem Blücherschen Corps auf der Strasse von Wittenberg und Halle nach Leipzig hingedrängt wurde, besetzten die Franzosen nach dem Verlust des durch preussische Schützen erstürmten Dorfes Wahren das Dorf Möckern, und hier entstand ein fürchterlicher Kampf, der vielen tausend tapfern Männern das Leben kostete. Nach mehreren wüthenden Stürmen gelang es endlich den Preussen unter York die Feinde aus dem in Flammen stehenden Dorfe zu vertreiben, auf der Kampfesstätte aber lagen neuntausend Leichen, und namentlich beim Rittergute, wo der längste Widerstand stattgefunden hatte, thürmten sich Hügel getödteter Krieger.

Otto Moser, Redact.     



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Gautzsch.


Das uralte von den Sorben erbaute Dorf Gautzsch mit seinem stattlichen Rittergute liegt zwischen Leipzig und Zwenkau, nicht weit von der Mündung des Flossgrabens am östlichen Rande der wald- und wiesenreichen Elsteraue, und wird wegen seiner angenehmen Lage und eines trefflichen Gasthofes von den Leipzigern häufig besucht. Ausser dem Rittergute besteht der Ort aus vierundzwanzig Gütern und etwa funfzig Häusern mit circa 450 Einwohnern, die zum Theile in dem nahen Leipzig Beschäftigung finden oder bei der Landwirthschaft thätig sind.

Das Rittergut ist durch verschiedene hinzugekaufte Güter ziemlich stark geworden und besitzt vortreffliche Waldungen, eine Ziegelscheune, Jagd und Gerichtsbarkeit, sowie die in früheren Zeiten vielgeltende Fasaneriegerechtsame. Die Gebäude des Gutes befinden sich in sehr gutem Zustande und haben einen bedeutenden Umfang, auch ist hier ein grosser hübscher Garten.

Wie schon erwähnt, ist Gautzsch ein sehr alter von den einst in hiesiger Gegend hausenden Slaven angelegter Ort, doch ist es ein Irrthum, wenn verschiedene Geschichtsschreiber ihn für das Cothug, Cotowe oder Cothuh halten, welches Kaiser Otto II. im Jahre 973 dem Merseburger Bisthum schenkte. Wäre Gautzsch dieser Ort gewesen, so musste es bei der Theilung des Bisthums, 981, an das Bisthum Zeitz kommen, während Cothug unter den Ortschaften aufgeführt wird, die an das Bisthum Magdeburg fielen. Dieses Cothug war vermuthlich das Dorf Gotha bei Eilenburg. In den frühesten Zeiten wurde Gautzsch Kussatz und Kutzschatz geschrieben und noch im siebzehnten Jahrhundert kommt es urkundlich unter dem Namen Kautzschitz vor, auch war die Schreibart Gautschitz gewöhnlich, wie eine Handschrift des Pastor Stollberg vom Jahre 1630 beweist. Vor dem funfzehnten Jahrhundert scheint Gautzsch Eigenthum des Thomasklosters in Leipzig gewesen zu sein, wenigstens übte dasselbe hier bedeutende Gerechtsame aus. Von den adeligen Besitzern war der erste, historisch nachzuweisende, Ritter Nickel Pflugk, Dam Pflugks auf Grosszschocher ältester Sohn, der wegen seiner Tapferkeit nur der eiserne Pflugk genannt wurde. Er stand bei dem Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen in hohen Gnaden und leistete ihm viele und wichtige Dienste. Während der Belagerung Gera’s durch den Herzog Wilhelm von Thüringen schickte der Churfürst Friedrich die beiden Ritter, Nickel Pflugk und Kunz von Kaufungen, mit einem Geschwader gepanzerten Reiter der bedrängten Stadt zu Hülfe, dieses konnte jedoch dem furchtbaren Angriffe des Böhmischen Fussvolks, welches Herzog Wilhelm in seine Dienste genommen hatte, nicht widerstehen, sondern wurde über den Haufen geworfen und in die Flucht geschlagen, Pflugk und Kaufungen aber mussten sich nach tapferer Gegenwehr den Böhmen gefangen geben, und Jeder 4000 Gülden Lösegeld zahlen. Da Nickel Pflugk als des Churfürsten Lehnsmann, Kunz von Kaufungen aber als Söldner die Anführung der Panzerreiter übernommen hatten, erstattete der Churfürst nur Ersterem das gezahlte Lösegeld zurück, worüber Kaufungen so entrüstet wurde, dass er dem Churfürst Rache schwur und nach bald darauf erfolgter Entziehung seiner ihn auf Zeit überlassenen Güter Kriebstein und Schweikershain dieselbe durch den bekannten Prinzenraub zu vollführen suchte. – Nickel Pflugk war im Jahre 1450 Amtshauptmann zu Leipzig, Borna und Groitzsch; und seine Gemahlin, Anna von Schleinitz, gebar ihm drei Söhne, von denen Andreas das Rittergut Gautzsch bis in die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts besass. Er starb 1543 und wurde in die Kirche zu Knauthain begraben, wo sein Leichenstein noch in neuerer Zeit zu sehen war.

Nach Andreas Pflugks Tode kam Gautzsch an dessen Sohn, Dam Pflugk, einen sehr gelehrten Mann, den der Kaiser Ferdinand I. an seinen Hof zog, ihn zum kaiserlichen Rathe ernannte und mit Ehren und Gnadenbezeigungen überhäufte. Da der Kaiser ihm mehrere Güter in Böhmen geschenkt hatte, so liess sich Dam Pflugk daselbst nieder und trat seine Sächsischen Güter an Valentin Pflugk, seinen jüngsten Bruder, ab, welcher mit einem Fräulein von Schönberg vermählt war, die ihm zwei Söhne schenkte. Diese beiden Söhne starben noch vor dem Vater und die Güter fielen nach Valentins Tode an Otto von Dieskau, der sich im Jahre 1593 mit Elisabeth Pflugk, aus dem Hause Frauenhain, vermählte. Ihm folgte im Besitze des Rittergutes Gautzsch Geissler von Dieskau, von dem es an Otto von Dieskau Churfürstlich Sächsischen Kammerherrn und Viceoberhofrichter sowie Obersteuereinnehmer in Leipzig überging, der 1683 in der Kirche zu Gautzsch begraben wurde. Nach ihm gehörte Gautzsch dem Churfürstlichen Kammerrath und Baumeister Wolfgang Jöcher, welcher viel für Gautzsch gethan hat. Er erbaute die noch jetzt stehende Kirche, die Mühle, den grossen Gasthof und die Wirthschaftsgebäude des Edelhofs, legte neue Fröhnerhäuser an, unternahm eine bedeutende Reparatur des Herrenhauses, und schuf einen prachtvollen Garten. Von Jöcher gelangte Gautzsch 1728 durch Kauf an den Rathsherrn und Kaufmann Theodor Oertel in Leipzig, welcher im Jahre 1734 in hohem Alter mit Tode abging, und das Gut seinem einzigen Sohne, dem Hof- und Justizrath, Oberhofgerichtsassessor und Rathsherrn Dr. Friedrich Benedikt Oertel, hinterliess, der 1748 starb. Seine Söhne veräusserten 1795 Gautzsch an den Kaufmann Johann Christoph Richter auf Rüben, von dem es jedoch schon 1799 durch Kauf an den Bergrath Herrn Johann Zacharias Schmidt gelangte. [38] Nach ihm besass das Gut ein Kauf- und Handelsherr Weber, seit 1837 aber ist es Eigenthum des Herrn Heinrich Ludwig Kabisch, Freiherrn von Lindenthal.

Gautzsch hat in den Kriegen der vorigen Jahrhunderte traurige Schicksale erlitten. So wurde es z. B. im Jahre 1632 von den Schweden geplündert und niedergebrannt, 1706 aber verwüsteten die Schweden den Ort abermals und raubten den Einwohnern alle fortzuschleppenden Habseligkeiten und das Vieh. Von der 1641 in fast allen umliegenden Ortschaften herrschenden Pest blieb Gautzsch verschont, doch wurde es 1680 von einer Krankheit heimgesucht, deren Symptome Aehnlichkeit mit denen unserer Cholera zeigten. Es wurde damals ein besonderer Pestilenzkirchhof angelegt, doch scheint die Sterblichkeit in Gautzsch nicht eben stark gewesen zu sein. Im Jahre 1682 zeigte sich eine sehr gefährliche Seuche unter dem Rindvieh, welche man den giftigen Krebs nannte. Nach dem Aberglauben der damaligen Zeit hatten zwei Hexenmeister aus der Schweiz auf den Dörfern in Leipzigs Umgegend die Krankheit angerichtet, welche in vierundzwanzig Stunden zwei Meilen in die Länge und vier Meilen in die Breite sich ausdehnte. Einer dieser Tausendkünstler, ein verlaufener Kapuzinermönch, wurde in Leipzig verhaftet und auf die Folter geworfen, wo ihn die Marter zu dem Geständniss brachte, dass das Viehsterben über ganz Deutschland sich verbreiten würde; zugleich aber gab er auch den Rath, man solle dem kranken Vieh die Giftblattern mit einer silbernen Nadel ritzen und ein gewisses Pulver einstreuen, so würde das Thier genesen. Ob das angebene Heilmittel sich bewährte, ist nicht zu ermitteln, der Zauberer aber starb am Galgen.

Die Kirche zu Gautzsch, eine der schönsten Dorfkirchen der Leipziger Inspektion, stand bis zur Reformation unter der Oberaufsicht des Bischofs von Merseburg und das Thomaskloster zu Leipzig, welches bereits 1271 die Patronatsrechte ausübte, besetzte das Pfarramt mit seinen Couventualen. Im Jahre 1518 weihte Bischof Adolf von Merseburg einen neuen Altar. Die jetzige Kirche erbaute 1717 der Kammerrath Jöcher, sie wurde am Reformationsfeste durch den Ortspfarrer Bossek eingeweiht, und ein Jahr später sammt dem Thurme völlig ausgebaut. Bei dem furchtbaren Wetter, welches am 10. Juli 1733 in der ganzen Gegend schreckliche Verwüstungen anrichtete, schlug der Blitz in die Kirche, und beschädigte Glockenstuhl und Altar. In den Jahren 1734 und 1816 wurde sie durch nächtlichen Einbruch bestohlen. Der Pfarrer besitzt ausser dem Pfarrhause zu Gautzsch auch noch eines in Zöbigker; beide Pfarrgüter enthalten 67 Acker Feld, 22¼ Acker Holz und 14 Acker Wiese. Nach Gautzsch sind eingepfarrt das Gut Raschwitz, das Dorf Oetzsch, das Gut Kospuden und das Schloss Lauer, mit zusammen ungefähr 500 Personen. Zöbigker hat eine Tochterkirche. – Im Jahre 1627 ward die Pfarrwohnung zu Gautzsch mit allen dazu gehörigen Gebäuden ein Raub der Flammen, wodurch die ältesten Kirchenbücher der Vernichtung anheim fielen.

Das alte Schloss Lauer liegt etwa eine Viertelstunde von Gautzsch am Saume des Waldes, und besteht aus einem festen mit Wall und Graben verwahrtem Viereck, über welches früher ein Thurm hervorragte, der in neuerer Zeit wegen Baufälligkeit zum Theil abgetragen werden musste. Das Schloss besassen in den ältesten Zeiten die Herren von Pflugk, welche es, nach der über dem Thore befindlichen Jahrzahl 1552 zu urtheilen, damals renoviren liessen. Zur Lauer gehören eine Anzahl Oekonomiegebäude, die ebenfalls von dem Wallgraben umschlossen sind, nebst einer Ziegelei, und ausserdem das Dorf und Beigut Knautkleeberg, welches in die Kirche zu Knauthain eingepfarrt ist. Von den Pflugken kam Lauer zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts an Otto von Dieskau, von diesem an Hans von Dieskau, der 1642 starb, und alsdann an Heinrich von Dieskau, welcher es seinem Sohne Otto Friedrich von Dieskau abtrat, der ein sehr frommer Mann und Priesterfreund war und das Gut seinem Schwiegersohne Johann Adolf von Ponikau überliess. Dieser fand 1721 in der Kirche zu Gautzsch seine letzte Ruhestätte und dessen Wittwe trat das Schloss Lauer 1727 an Jacob Eckhard von Wobbeser, Landeshauptmann der Oberlausitz, ihren Schwiegersohn, und Otto Friedrich von Ponikau, Major der Sächsischen Garde du Corps, ihren Sohn zu gleichen Theilen ab, welche Herren das Gut jedoch schon 1729 an die Reichsgräfin Agnes von Manteuffel verkauften. Später gelangte Lauer an die Grafen von Hohenthal auf Knauthain, denen es noch jetzt gehört. Das Gut Lauer hat nebst trefflichen Feldern auch schönes Holz, und ist jetzt blos von dem zur Oekonomie und Forstverwaltung gehörigen Personal bewohnt.

Otto Moser, Redact.     



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Zöbigker.


Eines der am reizendsten gelegenen Dörfer in Leipzigs Umgegend ist Zöbigker. Umgeben von herrlichen Eichenwaldungen, üppigen Wiesen und fruchtbaren Feldern gehört es zu den beliebtesten Vergnügungsorten der Leipziger Jugend, wenn sie, hinter Ladentischen und staubigen Schreibpulten hervorkriechend, das Bedürfniss fühlt, sich einmal in Gottes freier frischer Natur zu bewegen. Obgleich die schöne breite Heerstrasse das Dorf Zöbigker durchschneidet, zieht man es doch vor, den etwas längeren Weg von Leipzig nach diesem Orte durch Wälder und Wiesen einzuschlagen, und nach anderthalbstündiger Tour erblickt man aus dem Gehölz heraustretend das freundliche Zöbigker mit seinem stattlichen Schlosse und hohem weissen Kirchthurme. In dem trefflichen Gasthofe findet man einen freundlichen Wirth und ein Glas delikates Bier aus der hiesigen berühmten Rittergutsbrauerei.

Wie fast alle Ortschaften in Leipzigs Umgebung ist auch Zöbigker von den Slaven gegründet worden, und Todtenurnen, die man bisweilen auf den nahen Fluren ausgräbt, erinnern an die ferne Vorzeit, wo in unserem Gau noch Alles im finsteren Heidenthume befangen dem Flyntz seine Opfer brachte und in den dichten ungeheuren Eichenwaldungen die geheimnissvollen Gebete der mächtigen Priester ertönten. Wer das erste Schloss zu Zöbigker erbaute, lässt sich aus Mangel an zuverlässigen Nachrichten nicht ermitteln; der erste Edelmann, welcher urkundlich als Herr auf Zöbigker genannt wird, war Dam Pflugk, auch Herr auf Grosszschocher, Gohlis und Möckern, Niklas Pflugks auf Strehla Sohn. Er war Rath am Hofe des Markgrafen Wilhelm von Meisen, und vermählte sich mit Agnes von Hirschberg, die ihm zwei Söhne, Niklas und Siegmund, gebar. Nach seinem, um das Jahr 1376 erfolgtem Tode theilten die beiden Söhne das väterliche Erbe, wobei Siegmund auch Zöbigker bekam. Dessen Sohn Heinrich Pflugk, besass zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts, ausser Zöbigker auch Lössnig und war der letzte des Pflugkschen Geschlechts auf Zöbigker, indem das Gut nach seinem Tode an den Gemahl seiner Tochter, einem Herrn von Dieskau, fiel. Von den Dieskaus werden später Otto Geissler von Dieskau und Adolph von Dieskau auf Zöbigker genannt, vor denen es kurze Zeit ein Herr von Gehofen besass. Von Adolph von Dieskau erkaufte das Gut Friedrich Wilhelm von Marschall auf Grossenstätt, Erbmarschall von Thüringen, von welchem es 1687 an einen Leipziger Patrizier, Johann Jacob Kees, Königlich Polnischen und Churfürstlich Sächsischen Commerzienrath und Oberpostmeister zu Leipzig gelangte, in dessen Familie Zöbigker geblieben ist bis auf den heutigen Tag. Der Commerzienrath Kees starb am 20. September 1705 und ihm folgte im Besitze Zöbigkers sein Sohn Johann Jacob Kees, der anfänglich ebenfalls Oberpostmeister, später aber Königlich Polnischer und Churfürstlich Sächsicher Hof- und Justizrath, sowie auch Vornehmer des Raths und Baumeister zu Leipzig war. Er starb im Jahre 1726.

Von diesem Besitzer hatte Zöbigker ungemeine Vortheile. Dass Schloss sammt den Wirthschaftsgebäuden wurde von ihm neu aufgebaut, ein prachtvoller Garten mit herrlicher Orangerie angelegt, ein neues Brau- und Malzhaus, ein grosser Gasthof, eine Mühle und manches ander stattliche Gebäude aufgeführt. Er liess die Kirche innerlich und äusserlich renoviren, eine neue Kanzel und Emporkirche bauen und einen neuen Altar errichten. Von ihm wurde auch der noch jetzt stehende stattliche Kirchthurm erbaut, und da er durch Reisen und Studien sich zu einem tüchtigen Architekten herangebildet hatte, so verdanken wir seinem Kunstsinn und seiner Baulust nicht nur hier sondern auch anderwärts manches treffliche Gebäude.

Des vorgenannten Sohn, Jacob Friedrich Kees, Kammerrath bei dem Stift und Herzogthume Zeitz, war ein sehr gelehrter und erfahrener Mann. Er beschenkte die Ortskirche mit einer Orgel und unternahm um das Schloss einen sehr kostspieligen Wallbau. Von seinem Sohne den Oberhofgerichtsrath und Consistorialassessor Dr. Jacob Friedrich Kees wurden im Jahre 1785 die drei Kirchenglocken angeschafft; derselbe starb 1821, und sein Sohn, der Leipziger Senator, Hofrath Carl Jacob Kees, im Jahre 1831. – Der jetzige Besitzer von Zöbigker ist des Letztgenannten Sohn, Herr Dr. Carl Jacob Kees.

Zu dem Rittergute Zöbigker gehören 275 Acker sehr gute Felder, 100 Acker Wiesen, 145 Acker ausgezeichnet bestandene Eichenwaldungen, treffliche Gärten und eine starke Ananastreiberei, Mehl- und Schneidemühle, [40] Gasthof, Ziegelei und eine sehr bedeutende Bierbrauerei. Das Dorf hat etwa sechzig Feuerstätten mit fast vierhundert Einwohnern, darunter vierundzwanzig Gutsbesitzer. Die Einwohnerschaft nährt sich hauptsächlich von Feldbau, doch finden auch Viele Beschäftigung in dem nahen Leipzig.

Das Dorf wurde im dreissigjährigen Kriege sehr oft von streifenden Partheien heimgesucht, und litt zugleich wegen seiner Lage an der Heerstrasse nicht wenig durch die Hin- und Herzüge der verschiedenen Armeen, sowie durch epidemische Krankheiten. Im Jahre 1680 brachte aus Leipzig ein Fremder, der an einer in dieser Stadt herrschenden Seuche litt, und in hiesigem Gasthofe einkehrte, die gefährliche Krankheit auch nach Zöbigker, von wo sie bald nach dem naheliegenden Prödel drang und in beiden Ortschaften beinahe hundert Menschen in das Grab stürzte.

Die stattliche mit einem hohen schönen Thurme gezierte Kirche wurde lange vor der Reformation erbaut, und wie schon bemerkt durch den Hof- und Justizrath Johann Jacob Kees restaurirt und mit einem neuen Thurme versehen. Am 10. Juli 1733, an einem Busstage, erhob sich unter der Nachmittagspredigt ein fürchterliches Gewitter, welches dreissig Stunden lang das Volk in Angst und Sorgen erhielt. Der Blitz erschlug nahe bei Rehbach eine Frau, entzündete das Schulgebäude zu Kötschau, beschädigte die Kirchen zu St. Thomas und St. Nikolai nebst fünf Häusern zu Leipzig und traf ausser den Gotteshäusern zu Gautsch und Markkleeberg auch die Kirche zu Zöbigker so gewaltig, dass er im Thurme einige Balken zerschmetterte, die Fenster beschädigte, den Beichtstuhl zersplitterte und dessen Gerüste fortschleuderte. Im Jahre 1808 wurde die Kirche durch frechen Einbruch um ein Kapital von 1000 Thalern bestohlen.

Vor der Reformation stand die Collatur über die Kirche zu Zöbigker dem Thomaskloster in Leipzig zu, welches dort Plebane unterhielt, von denen im Jahre 1375 Dietrich, von 1505 bis 1518 Gregor Strauss genannt wird, welcher letztere früher Pleban in Schönfeld war und als Prior des Augustinerklosters zu Leipzig starb. Von 1518 bis 1535 verwaltete das hiesige Plebanat Andreas Skölen, zuvor Küchenmeister im Leipziger Thomaskloster, mit dem die Reihe der katholischen Priester schloss. Sein Nachfolger, Heinrich Dietze, bisher Kaplan auf dem Schlosse zu Grosszschocher, trat 1539 zum Protestantismus über und starb 1554 im siebzigsten Lebensjahre. Das zum Rittergute Zöbigker gehörige Dorf Prödel mit dreizehn Gütern und zwölf Häusern ist in die Kirche zu Zöbigker eingepfarrt. Beide Dörfer machten früher eine besondere Parochie aus, und wurden zur Zeit der Reformation mit Gautsch vereinigt; doch hat Zöbigker noch jetzt Parochialrechte, deshalb wird hier wie in Gautzsch die gewöhnliche Probepredigt gehalten, auch eine besondere Vokation vom Rittergutsbesitzer als Kirchenpatron ausgestellt. Der in Gautzsch wohnende Pfarrer hat auch in Zöbigker eine ihm zustehende Wohnung, die er vermiethet. Die Schule besuchen etwa funfzig Kinder.

Otto Moser, Redact.     




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